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Gericht: Bundesfinanzhof
Beschluss verkündet am 14.03.2001
Aktenzeichen: VI S 3/00
Rechtsgebiete: ZPO, FGO, EStG


Vorschriften:

ZPO § 114
FGO § 142
FGO § 115 Abs. 2 Nr. 3
FGO § 115 Abs. 2 Nr. 1
EStG § 70 Abs. 2
EStG § 70 Abs. 3 Satz 2
EStG § 9a Satz 1 Nr. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe

Der 1974 geborene Sohn der Beschwerdeführerin und Antragstellerin (Antragstellerin) bestand 1994 das Abitur und lebt seither --wie die Antragstellerin-- von Sozialhilfe. Nach seinem Vortrag hat er sich um eine Ausbildungsstelle bemüht. Der Beklagte und Beschwerdegegner (Beklagter) hob den Kindergeldfestsetzungsbescheid mit Wirkung ab 1. Januar 1998 auf, weil die Sozialhilfe (1 076,93 DM monatlich) den Grenzbetrag von 12 360 DM (§ 32 Abs. 4 Satz 2 des Einkommensteuergesetzes --EStG-- 1998) überstiegen habe. Einspruch und Klage blieben ohne Erfolg. Das Finanzgericht (FG) begründete sein die Klage abweisendes Urteil im Wesentlichen damit, die Sozialhilfe gehöre zu den Bezügen des Sohnes. Der Sohn habe zwar Aufwendungen von 105 DM monatlich als vorweggenommene Werbungskosten geltend gemacht. Er habe diese Aufwendungen aber nicht glaubhaft gemacht. Nach § 70 Abs. 2 EStG habe deshalb die Familienkasse die Kindergeldfestsetzung rückwirkend zum 1. Januar 1998 ändern dürfen.

Die durch einen Prozessbevollmächtigten vertretene Antragstellerin beantragt Gewährung von Prozesskostenhilfe (PKH) für eine Nichtzulassungsbeschwerde gegen das Urteil. Mit dem gleichen Schriftsatz hat sie "für den Fall der Gewährung von PKH" Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision erhoben (VI B 92/00).

Zur Begründung trägt die Antragstellerin vor: Das angefochtene Urteil weise Rechtsfehler auf, die von grundsätzlicher Bedeutung seien, da sie für eine Vielzahl von gleichgelagerten Fällen der Klärung bedürften. Insbesondere verstoße das Urteil des FG gegen § 70 Abs. 3 Satz 2 EStG. Das FG habe die Klage nämlich auch insoweit abgewiesen, als sie sich gegen die Rückwirkung der Aufhebung der Festsetzung von Kindergeld richte. § 70 Abs. 3 Satz 2 EStG sei auch in den Fällen des § 70 Abs. 2 EStG anzuwenden. Weiter verstoße das FG gegen § 9a Satz 1 Nr. 1 EStG i.V.m. dem Gleichheitsgrundsatz und überspitze in gesetzwidriger Weise die der Antragstellerin zumutbare Darlegungslast, wenn es nur 100 DM im Jahr als Werbungskosten anerkenne. Bei einem Arbeitnehmer würden ohne weiteren Nachweis 2 000 DM als Werbungskosten abgezogen, Entsprechendes müsse für den Sohn der Antragstellerin gelten.

Der Antrag auf Gewährung von PKH für die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision ist abzulehnen.

Nach § 142 der Finanzgerichtsordnung (FGO) i.V.m. § 114 der Zivilprozeßordnung (ZPO) kann einer Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht aufbringen kann, auf Antrag PKH gewährt werden, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Im Streitfall bietet die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision keine hinreichende Erfolgsaussicht. Es kann offen bleiben, ob eine erneute Einlegung der Beschwerde nach der Bewilligung der PKH zulässig wäre und Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (§ 56 FGO) noch gewährt werden könnte oder ob die anwaltlich vertretene Antragstellerin schuldhaft handelte, indem sie zunächst innerhalb der Rechtsmittelfrist nur eine bedingte und damit unzulässige Beschwerde eingelegt hat (vgl. zur Wiedereinsetzung nach PKH-Bewilligung Beschluss des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 19. November 1985 VII B 103/85, BFH/NV 1986, 180, m.N.). Denn die Beschwerde wäre jedenfalls unbegründet, weil die von der Antragstellerin genannten Zulassungsgründe nicht durchgreifen.

Nicht klärungsbedürftig ist, dass das Rückwirkungsverbot in § 70 Abs. 3 Satz 2 EStG bei einer Korrektur der Kindergeldfestsetzung nach § 70 Abs. 2 EStG wegen Änderung der Verhältnisse nicht anwendbar ist. Die beiden Änderungsvorschriften sind in ihren Voraussetzungen und Rechtsfolgen unterschiedlich ausgestaltet, wie sich unmittelbar aus dem Gesetz ergibt. Nicht grundsätzlich bedeutsam ist ferner die Rechtsfrage, ob das FG die vorab entstandenen Werbungskosten auf 100 DM schätzen durfte. Es ist höchstrichterlich geklärt, dass auch bei unzutreffenden Schätzungsergebnissen weder ein Verfahrensfehler i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO vorliegt noch die Zulassung wegen grundsätzlicher Bedeutung nach § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO geboten ist (vgl. BFH-Beschlüsse vom 21. Mai 1999 X B 4-6/99, BFH/NV 1999, 1582; vom 17. September 1999 III B 44/99, BFH/NV 2000, 333, m.w.N.). Es ist auch nicht klärungsbedürftig, dass der für Arbeitnehmer geltende Werbungskostenpauschbetrag von 2 000 DM nach § 9a Satz 1 Nr. 1 EStG nur dann abzuziehen ist, wenn Einnahmen aus nichtselbständiger Arbeit erzielt werden, und dass dieser Pauschbetrag bei Sozialhilfebezügen auch nicht im Wege der Analogie abziehbar ist, weil keine vergleichbaren Verhältnisse vorliegen.

Der Beschluss ergeht gerichtsgebührenfrei.



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