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Gericht: Bundesfinanzhof
Beschluss verkündet am 10.05.2006
Aktenzeichen: VII B 123/05
Rechtsgebiete: AO 1977, InsO, FGO


Vorschriften:

AO 1977 § 34
AO 1977 § 69
InsO § 130
InsO § 131
FGO § 115 Abs. 2 Nr. 3
FGO § 76 Abs. 1
FGO § 116 Abs. 3 Satz 3
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

I. Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) war seit Juli 2000 als einzelvertretungsberechtigter Vorstand der X-AG (AG) für die Finanzen der Gesellschaft zuständig. Auf Antrag vom 7. Oktober 2002 wurde mit Beschluss vom 1. Dezember 2002 das Insolvenzverfahren eröffnet.

Wegen angemeldeter aber nicht abgeführter Lohnsteuer und Lohnkirchensteuer für die Monate Juli und August 2002 und Säumniszuschlägen nahm der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt --FA--) den Kläger neben den weiteren Vorständen der AG nach den §§ 34, 69 der Abgabenordnung (AO 1977) mit Bescheid vom 3. Juni 2003 in der Fassung der Einspruchsentscheidung vom 3. Juni 2004 in Anspruch. Einspruch und Klage, die im Wesentlichen damit begründet wurden, dass eine mögliche Pflichtverletzung des Klägers für den Steuerausfall nicht kausal sei, weil die fristgerechte Zahlung der angemeldeten Abgaben und Säumniszuschläge durch den Insolvenzverwalter anfechtbar gewesen und der Steuerausfall auch bei pflichtgemäßem Verhalten des Klägers eingetreten wäre, blieben erfolglos.

Das Finanzgericht (FG) wies die Klage durch Zwischenurteil dem Grunde nach ab. Es nahm eine in der Nichtabführung der Abgaben begründete Pflichtverletzung des Klägers unabhängig von gestellten Stundungs- oder Verrechnungsanträgen an. Bei pflichtgemäßer Lohnsteuerentrichtung würde die Geschäftsführerhaftung auch nicht wegen Anfechtbarkeit nach §§ 130, 131 der Insolvenzordnung entfallen. Unabhängig davon, dass die Zahlungen der Lohnsteuern --ebenso wie des Arbeitslohns selbst-- als Bargeschäft die anderen Gläubiger nicht benachteilige, wäre im Streitfall die fristgemäße und freiwillige Zahlung der angemeldeten Abgaben nicht anfechtbar gewesen. Denn das FA habe bei Fälligkeit der Abgaben weder Kenntnis von der Zahlungsunfähigkeit der AG noch von Umständen gehabt, die zwingend auf die Zahlungsunfähigkeit schließen ließen.

Mit der Nichtzulassungsbeschwerde rügt der Kläger als Verfahrensmangel nach § 115 Abs. 2 Nr. 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) mangelnde Sachaufklärung i.S. des § 76 Abs. 1 FGO. Es habe seine Überzeugung, dass das FA von der Zahlungsunfähigkeit der AG keine Kenntnis gehabt habe, nicht mit Tatsachen untermauert. Im Hinblick auf die erheblichen Steuerschulden, die widersprüchlichen Angaben zur geleisteten Tilgung, die Bemühungen um Stundung, die Einstellung vereinbarter Ratenzahlungen und die durch eine Presseveröffentlichung auch dem FA bekannte finanzielle Situation der Firma habe das FG auch ohne Stellung eines Beweisantrages des Klägers diesbezüglich Tatsachen aufklären und Beweise erheben müssen. Der Leiter des Rechnungswesens der AG würde als Zeuge bestätigt haben, dass er das FA in mehreren Telefongesprächen darauf hingewiesen habe, dass die AG nicht in der Lage sei, die fälligen Steuerforderungen zu erfüllen, ohne dass der Erhalt des Unternehmens gefährdet sei; es seien lediglich Ratenzahlungen möglich.

II. Die Beschwerde ist unzulässig und durch Beschluss zu verwerfen (§ 116 Abs. 5 Satz 1 FGO). Der Kläger hat den Verfahrensfehler mangelnder Sachaufklärung (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 i.V.m. § 76 FGO) nicht in der nach § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO gebotenen Weise dargelegt.

1. Der Verfahrensfehler mangelhafter Sachaufklärung ist nur dann ordnungsgemäß dargelegt, wenn zusätzlich vorgetragen wird, dass die nicht zureichende Aufklärung des Sachverhalts und die Nichterhebung der angebotenen Beweise in der mündlichen Verhandlung gerügt wurde oder weshalb diese Rüge nicht möglich war (vgl. Senatsbeschluss vom 16. Dezember 2003 VII B 10/03, BFH/NV 2004, 529, m.w.N.). Da der im finanzgerichtlichen Verfahren geltende Untersuchungsgrundsatz eine Verfahrensvorschrift ist, auf deren Einhaltung ein Beteiligter ausdrücklich oder durch Unterlassen einer Rüge verzichten kann (§ 155 FGO i.V.m. § 295 der Zivilprozessordnung), hat die Unterlassung der rechtzeitigen Rüge den endgültigen Rügeverlust --z.B. auch zur Begründung einer Nichtzulassungsbeschwerde-- zur Folge. Der Beschwerde sind dazu keine Ausführungen zu entnehmen; auch dem Protokoll der mündlichen Verhandlung vor dem FG ist kein Hinweis darauf zu entnehmen, dass der Kläger die Einzelheiten des Sachvortrags oder des Vorbringens des FA bestritten und weitere Aufklärung verlangt hat.

2. Mangelnde Sachaufklärung wird weiterhin nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) nur dann ordnungsgemäß gerügt, wenn innerhalb der Beschwerdefrist ausgeführt wird, welche Tatsachen das FG auch ohne besonderen Beweisantrag hätte aufklären oder welche Beweise es von Amts wegen hätte erheben müssen, aus welchen Gründen sich dem FG die Notwendigkeit einer weiteren Sachaufklärung oder Beweiserhebung auch ohne einen entsprechenden Antrag hätte aufdrängen müssen, welche entscheidungserheblichen Tatsachen sich bei einer weiteren Sachaufklärung oder Beweisaufnahme voraussichtlich ergeben hätten und inwiefern eine weitere Aufklärung des Sachverhalts auf der Grundlage des materiell-rechtlichen Standpunkts des FG zu einer anderen Entscheidung hätte führen können (BFH-Beschluss vom 18. Januar 2001 V B 157/00, BFH/NV 2001, 926, m.w.N.).

Daran fehlt es. Dem Beschwerdevorbringen ist nicht zu entnehmen, aufgrund welcher vom FG nicht berücksichtigter Tatsachen das FA Kenntnis von der Zahlungsunfähigkeit der AG im Zeitpunkt der jeweiligen Fälligkeit der Abgaben hätte haben müssen. Der gerügte Widerspruch zwischen den schriftsätzlichen Angaben des Klägers und denen des Vertreters des FA in der mündlichen Verhandlung zur Höhe der auf die Körperschaftsteuerschuld geleisteten Tilgungszahlungen hätte nur dann eine Aufklärung durch das FG erfordert, wenn aus der vom Kläger behaupteten geringeren Tilgungsleistung --unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung des Gerichts-- zwingend auf die Zahlungsunfähigkeit der AG zu schließen gewesen wäre. Auch dazu äußert sich die Beschwerde nicht. Das FG hat den Tilgungsbetrag als Indiz für die "Zahlungsmoral" und daraus folgend der nur vorübergehenden Zahlungsschwierigkeiten der AG gewertet; ausgehend von einem geringeren Tilgungsbetrag wäre diese Indizwirkung möglicherweise schwächer ausgefallen, ein Hinweis auf die Zahlungsunfähigkeit der AG ließe sich damit aber keinesfalls begründen. Im Übrigen handelt es sich bei dieser Erwägung des FG um eines von mehreren Argumenten gegen die Kenntnis des FA von der Zahlungsunfähigkeit der AG, mit denen sich der Kläger in der Beschwerde nicht auseinander gesetzt hat. Das FG legt maßgebliches Gewicht sowohl auf die eigenen Ausführungen der AG im Stundungsantrag vom Juni 2002, dass der Steueranspruch durch die begehrte Stundung nicht gefährdet sei und monatliche Raten in Höhe von 100 000 € weiter möglich seien, als auch auf die Aussage des Vorstandsvorsitzenden in dem auch vom Kläger hervorgehobenen Presseausschnitt vom 4. Juli 2002, die AG werde im kommenden Geschäftsjahr wieder Gewinne machen. Im Übrigen weist der Kläger selbst in der Beschwerde darauf hin, dass erst ab September 2002 keine Teilzahlungen mehr auf rückständige Abgaben geleistet worden sind. Weiterer Aufklärungsbedarf ist bei dieser vom FG zu Grunde gelegten Situation nicht ersichtlich. Es ist vielmehr nachvollziehbar, wenn das FG für den Zeitraum der Fälligkeiten keine Umstände, die zwingend auf die Zahlungsunfähigkeit der AG schließen lassen, gesehen hat.



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