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Gericht: Bundesfinanzhof
Beschluss verkündet am 23.02.2005
Aktenzeichen: VII B 133/04
Rechtsgebiete: AO 1977, FGO


Vorschriften:

AO 1977 § 284
FGO § 76 Abs. 1 Satz 1
FGO § 76 Abs. 2
FGO § 96 Abs. 2
FGO § 116 Abs. 3 Satz 3
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Hauptzollamt --HZA--) forderte den Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) mit Verfügung vom 17. November 1999 wegen Schulden gegenüber der Bundesrepublik Deutschland in Höhe von mehr als ... € zur Vorlage eines Vermögensverzeichnisses und zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung auf. Einspruch und Klage gegen die Verfügung hatten keinen Erfolg.

Im Termin zur mündlichen Verhandlung erschien der Kläger trotz ordnungsgemäßer Ladung nicht.

Das Finanzgericht (FG) urteilte, dass das HZA das Vorliegen der Voraussetzungen des § 284 der Abgabenordnung (AO 1977) zu Recht bejaht habe. Auch seien dem HZA keine Ermessensfehler unterlaufen. Zwar sei allgemein anerkannt, dass die Finanzbehörde die Vorlage eines Vermögensverzeichnisses und die Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung nicht verlangen könne, wenn sie die Vermögensverhältnisse des Schuldners bereits zuverlässig kenne oder wisse, dass der Schuldner kein pfändbares Vermögen besitze. Dies treffe im Streitfall jedoch nicht zu. Daran könnten auch die Angaben des Klägers über seine Einkommens- und Vermögensverhältnisse während des zuvor betriebenen Pfändungsverfahrens nichts ändern. Die dort abgegebenen Erklärungen beträfen nicht den aktuellen Stand seines Vermögens. Außerdem seien die in anderen Verfahren abgegebenen Erklärungen des Klägers zu seinen Einkommens- und Vermögensverhältnissen nicht geeignet, dem HZA eine zuverlässige und sichere Kenntnis über die Vollstreckungsmöglichkeiten zu verschaffen, weil sie hinsichtlich ihrer Glaubhaftigkeit mit dem in § 284 AO 1977 vorgesehenen Vermögensverzeichnis nicht vergleichbar seien. Des Weiteren lasse der Inhalt der Klageschrift es nicht als ausgeschlossen erscheinen, dass der Kläger Vermögenswerte in die Schweiz verlagert haben könnte. Schließlich habe der Eintrag einer Zwangssicherungshypothek keine ausreichende Sicherstellung gebracht, weil eine Erfolg versprechende Verwertung der Hypothek nicht möglich erscheine.

Gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil wendet sich der Kläger mit seiner Beschwerde, mit der er Verfahrensmängel (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 der Finanzgerichtsordnung --FGO--) rügt. Das FG habe gegenüber ihm, dem Kläger, eine erhöhte Fürsorgepflicht, da er im Klageverfahren ohne rechtskundigen Prozessbevollmächtigten aufgetreten sei. Das FG hätte anhand der Klageschrift erkennen müssen, dass das Prozessziel mit der Klagebegründung überhaupt nicht hätte erreicht werden können. Dennoch habe es auf diesen Umstand nicht hingewiesen und damit seine richterliche Hinweispflicht nach § 76 Abs. 2 FGO verletzt. Wäre das FG seiner Hinweispflicht nachgekommen, hätte vorgetragen werden können, welche Auswirkungen die Abgabe der geforderten eidesstattlichen Versicherung für den Kläger, aber auch für Dritte gehabt hätte. Dies hätte insoweit die Ermessensentscheidung des HZA beeinflusst. Des Weiteren habe das FG seine Aufklärungspflicht verletzt, indem es der Frage nicht erschöpfend nachgegangen sei, ob er, der Kläger, Vermögen in die Schweiz verlagert habe. Stattdessen sei das FG voreilig davon ausgegangen, dass der Kläger möglicherweise Vermögenswerte in der Schweiz besitze. Dadurch habe das FG auch das Recht auf rechtliches Gehör verletzt. Außerdem sei nicht hinreichend aufgeklärt worden, weshalb die auf sein Grundstück eingetragene Sicherungshypothek nicht zu einer Befriedigung des Gläubigers geführt habe. Auch insoweit hätte das FG einen entsprechenden Hinweis geben müssen. Schließlich habe das FG dem Grunde nach keinen Sachverhalt festgestellt, sondern sich ausschließlich auf die Ausführungen der Beteiligten bezogen. Dies habe eine Verletzung der Sachaufklärungspflicht zur Folge.

Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Der Senat lässt es offen, ob der Kläger die Darlegungserfordernisse nach § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO erfüllt hat, jedenfalls liegen die geltend gemachten Verfahrensmängel nicht vor. Das FG hat weder seine Sachaufklärungs- und Hinweispflicht noch den Anspruch des Klägers auf rechtliches Gehör verletzt.

1. Nach § 76 Abs. 2 FGO hat der Vorsitzende --bzw. der Einzelrichter-- im Rahmen seiner verfahrensrechtlichen Prozessförderungs- und Fürsorgepflichten u.a. darauf hinzuwirken, dass ungenügende tatsächliche Angaben ergänzt sowie alle für die Feststellung und Beurteilung des Sachverhalts wesentlichen Erklärungen abgegeben werden. Der Erfolg der Klage soll nicht an der Rechtsunerfahrenheit eines Klägers scheitern. Das Gericht ist deshalb gehalten, durch Hinweise den Weg zu zeigen, wie das erstrebte Prozessziel am wirksamsten und einfachsten erreicht werden kann (vgl. Beschluss des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 9. Dezember 2003 III B 135/03, BFH/NV 2004, 339). Der Umfang der richterlichen Hinweispflicht ist grundsätzlich davon abhängig, welche Rechtskenntnisse auf Seiten eines Beteiligten vorauszusetzen oder zu erwarten sind (BFH-Beschluss vom 3. April 2002 IX B 151/01, BFH/NV 2002, 900). Allerdings begründet § 76 Abs. 2 FGO --auch bei Rechtsunkundigen-- keine umfassende Hinweispflicht, geschweige eine Pflicht zur Rechtsberatung bzw. -auskunft. Vielmehr stehen die Pflichten des Gerichts aus § 76 Abs. 2 FGO mit der prozessualen Mitwirkungspflicht der Beteiligten in einer gewissen Wechselwirkung (vgl. Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, § 76 FGO Tz. 112). Wer etwa zur mündlichen Verhandlung trotz ordnungsgemäßer Ladung unentschuldigt nicht erscheint, kann regelmäßig anschließend nicht die Verletzung des § 76 Abs. 2 FGO rügen (vgl. BFH-Beschluss vom 29. Oktober 1999 III B 32/99, BFH/NV 2000, 580, m.w.N.).

So gestaltet sich der Streitfall. Der ordnungsgemäß geladene Kläger ist ohne Angabe von Hinderungsgründen nicht zur mündlichen Verhandlung erschienen und hat sich so einer Erörterung der Streitsache durch das FG entzogen. Dadurch hat der Kläger seine ihm obliegende Mitwirkungspflicht in einem so hohen Maße verletzt, dass er mit der Nichtzulassungsbeschwerde eine Verletzung der richterlichen Hinweispflicht nicht mehr rügen kann.

2. Aus den gleichen Erwägungen hat das FG den Anspruch des Klägers auf Gewährung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 des Grundgesetzes, § 96 Abs. 2 FGO) nicht verletzt. Dem Recht der Beteiligten auf Anhörung wird dadurch genügt, dass eine mündliche Verhandlung stattfindet, die Beteiligten dazu ordnungsgemäß geladen werden, die Verhandlung zu dem anberaumten Termin eröffnet und den Beteiligten Gelegenheit zur Äußerung gegeben wird. Auch der Anspruch auf rechtliches Gehör ist begrenzt durch die Mitverantwortung der Beteiligten. Diese trifft im Rahmen des § 96 Abs. 2 FGO eine besondere Prozessverantwortung. Die Beteiligten haben alles in ihren Kräften Stehende und nach Lage der Dinge Erforderliche zu tun, um ihr Recht auf Gehör zu verwirklichen (BFH-Beschluss vom 31. Juli 1995 V B 1/95, BFH/NV 1996, 216). Daran fehlt es, wenn der Kläger --wie im Streitfall-- trotz rechtzeitiger und ordnungsgemäßer Ladung nicht zur mündlichen Verhandlung erscheint (vgl. BFH-Beschluss in BFH/NV 2000, 580; Gräber/von Groll, Finanzgerichtsordnung, 5. Aufl., § 96 Rz. 33, m.w.N.).

3. Schließlich dringt die Beschwerde auch mit ihrer Rüge nicht durch, das FG habe seine Sachaufklärungspflicht gemäß § 76 Abs. 1 Satz 1 FGO verletzt. Auch hier besteht eine Wechselwirkung zwischen Sachaufklärungspflicht des Gerichts und den Mitwirkungspflichten der Beteiligten (§ 76 Abs. 1 Sätze 2 bis 4 FGO). Wie bereits oben ausgeführt, hat der Kläger seine ihm obliegende Mitwirkungspflicht durch sein unentschuldigtes Fernbleiben von der mündlichen Verhandlung verletzt. Da er selbst seiner Verantwortung für die Aufklärung des Sachverhalts durch sein Nichterscheinen nicht nachgekommen ist, kann er im Rahmen der Nichtzulassungsbeschwerde die Verletzung der Sachaufklärungspflicht durch das FG auch nicht mehr rügen.

Ende der Entscheidung

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