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Gericht: Bundesfinanzhof
Beschluss verkündet am 24.01.2006
Aktenzeichen: VII B 141/05
Rechtsgebiete: FGO, StBerG


Vorschriften:

FGO § 116 Abs. 3 Satz 3
StBerG § 40 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1
StBerG § 46 Abs. 2 Nr. 4
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

I. Das Finanzgericht (FG) hat die Klage des Klägers und Beschwerdeführers (Kläger) gegen den Widerruf seiner Bestellung als Steuerberater wegen Vermögensverfalls (§ 46 Abs. 2 Nr. 4 des Steuerberatungsgesetzes --StBerG--) durch den Bescheid der Beklagten und Beschwerdegegnerin (Steuerberaterkammer) als unbegründet abgewiesen. Das FG hat die Voraussetzungen für den Widerruf der Bestellung als Steuerberater als gegeben angesehen, da das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Klägers eröffnet worden sei und der Kläger die daraus folgende gesetzliche Vermutung des Vermögensverfalls nicht widerlegt habe. Auch nach dem vom Insolvenzverwalter erstellten Insolvenzgutachten sei ein Vermögensverfall anzunehmen. Des Weiteren habe sich nicht feststellen lassen, dass eine Gefährdung der Interessen der Auftraggeber durch den Vermögensverfall des Klägers ausgeschlossen sei. Vielmehr sei von einer solchen Gefährdung auszugehen, da der Kläger in der Vergangenheit einbehaltene Lohnsteuern sowie Sozialversicherungsbeiträge nicht abgeführt habe.

Hiergegen richtet sich die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers, welche er unter Hinweis auf den Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 28. April 2004 1 BvR 912/04 (Anwaltsblatt --AnwBl-- 2004, 525) und das Grundrecht der Berufsfreiheit gemäß Art. 12 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) auf den Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--) stützt.

II. Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Ungeachtet der Mängel in der nach § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO erforderlichen Darlegung der Gründe für die Zulassung der Revision liegt der von der Beschwerde geltend gemachte Zulassungsgrund jedenfalls nicht vor.

Die von der Beschwerde als grundsätzlich bedeutsam bezeichnete Rechtsfrage, ob die Bestellung als Steuerberater auch dann gemäß § 46 Abs. 2 Nr. 4 StBerG wegen Vermögensverfalls zu widerrufen ist, wenn über das Vermögen des Steuerberaters das Insolvenzverfahren eröffnet worden ist, der Insolvenzverwalter die Tätigkeit des Steuerberaters freigegeben hat und dieser danach seine Tätigkeit beanstandungsfrei ausgeübt hat, ist nicht grundsätzlich klärungsbedürftig, weil sie sich bereits nach dem Wortlaut des Gesetzes und anhand der Rechtsprechung des beschließenden Senats beantworten lässt.

Nach § 46 Abs. 2 Nr. 4 StBerG wird ein Vermögensverfall des Steuerberaters u.a. dann vermutet, wenn ein Insolvenzverfahren über sein Vermögen eröffnet worden ist. Es liegt daher auf der Hand und bedarf keiner weiteren Erörterung, dass die durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Steuerberaters nach der Insolvenzordnung (InsO) eintretenden Rechtsfolgen nicht geeignet sein können, die Vermutung des Vermögensverfalls zu widerlegen. Dementsprechend hat der Senat bereits entschieden, dass in Anbetracht des eindeutigen Wortlauts des § 46 Abs. 2 Nr. 4 StBerG, der mit dem In-Kraft-Treten der InsO der neuen insolvenzrechtlichen Lage angepasst worden ist, unter der Geltung der InsO kein Raum für eine Auslegung des Begriffs des Vermögensverfalls besteht, welche --anders als bisher unter der Geltung der Konkursordnung-- trotz Eröffnung des Insolvenzverfahrens die Berufszulassung zu belassen gestattet, da das In-Kraft-Treten der InsO nichts an der gesetzlichen Grundentscheidung geändert hat, dass den Beruf des Steuerberaters nur ausüben dürfen soll, wer in geordneten Vermögensverhältnissen lebt (Senatsbeschlüsse vom 28. August 2003 VII B 79/02, BFH/NV 2004, 90; vom 28. August 2003 VII B 159/02, BFH/NV 2004, 91; vom 4. März 2004 VII R 21/02, BFHE 204, 563, BStBl II 2004, 1016; Senatsurteil vom 30. März 2004 VII R 56/03, BFH/NV 2004, 1426). Allein die Möglichkeit, die wirtschaftliche Situation des in Vermögensverfall geratenen Steuerberaters im Rahmen eines Insolvenzverfahrens zu bereinigen, hat noch nicht zur Folge, dass die wirtschaftlichen Verhältnisse nunmehr als geordnet zu betrachten wären (Senatsbeschluss in BFH/NV 2004, 90). Vielmehr muss die Ordnung der wirtschaftlichen Verhältnisse auch tatsächlich eingetreten sein. Ob dies in einer Weise geschehen ist, dass die Gefährdung von Auftraggeberinteressen nicht mehr zu besorgen ist, ist eine Frage des Einzelfalls und einer grundsätzlichen Klärung in einem Revisionsverfahren nicht zugänglich.

Dass in diesem Zusammenhang der Umstand, dass der Steuerberater nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens seine weitere Tätigkeit beanstandungsfrei ausübt, keine Rolle spielen kann und nicht etwa zu der Annahme nunmehr wieder geordneter Vermögensverhältnisse führt, folgt zweifelsfrei aus dem Wortlaut der Vorschrift. Der Grund für den Widerruf der Bestellung als Steuerberater liegt in der nach dem Gesetz zu vermutenden potentiellen Gefährdung der Auftraggeberinteressen durch den eingetretenen Vermögensverfall des Steuerberaters und nicht in etwaigen Beanstandungen bezüglich der Art und Weise seiner bisherigen Berufsausübung. Anders als die Beschwerde meint, ist daher für den Widerruf der Bestellung als Steuerberater nach § 46 Abs. 2 Nr. 4 StBerG nicht ein schwerwiegendes Fehlverhalten des Steuerberaters erforderlich. Ebenso wenig kann es darauf ankommen, ob der Insolvenzverwalter die weitere berufliche Tätigkeit des Steuerberaters während des Insolvenzverfahrens freigegeben hat. Diese Entscheidung des Insolvenzverwalters erfolgt nicht nach berufsrechtlichen Gesichtspunkten und führt auch nicht zur Bereinigung der wirtschaftlichen Situation des in Vermögensverfall geratenen Steuerberaters.

Auch mit ihrer Ansicht, dass § 46 Abs. 2 Nr. 4 StBerG im Lichte der nach Art. 12 Abs. 1 GG garantierten Berufsfreiheit verfassungskonform auszulegen sei, bezeichnet die Beschwerde keine klärungsbedürftige Rechtsfrage. Ist weder die durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens ausgelöste Vermutung des Eintritts des Vermögensverfalls noch die dadurch ausgelöste Vermutung der Gefährdung von Auftraggeberinteressen widerlegt worden, ist gemäß § 46 Abs. 2 Nr. 4 StBerG die Bestellung als Steuerberater zwingend zu widerrufen. Es liegt nicht im Ermessen der Steuerberaterkammer, dieser potentiellen Gefährdung von Auftraggeberinteressen --wie es die Beschwerde für sachgerecht hält-- mit einem milderen Mittel als dem Widerruf der Bestellung zu begegnen. Die Frage, ob § 46 Abs. 2 Nr. 4 StBerG mit der Berufsfreiheit gemäß Art. 12 Abs. 1 GG im Einklang steht, wird vom beschließenden Senat in ständiger Rechtsprechung bejaht und ist somit nicht klärungsbedürftig (Senatsurteile vom 4. Juli 2000 VII R 103/99, BFH/NV 2001, 69; vom 13. November 2001 VII R 14/01, BFHE 198, 266, BStBl II 2002, 62; Senatsbeschluss in BFH/NV 2004, 91). Das Grundrecht der Berufsfreiheit unterliegt dem Regelungsvorbehalt des Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG. Der Gesetzgeber hat mit § 40 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 und § 46 Abs. 2 Nr. 4 StBerG subjektive Voraussetzungen für die Ausübung bzw. Weiterführung des Berufs als Steuerberater aufgestellt. Durch die darin enthaltenen Anforderungen an die persönliche Eignung eines Steuerberaters wird zwar in die Freiheit der Berufswahl eingegriffen. Jedoch sind die vorgenannten Regelungen nach der ständigen Rechtsprechung des Senats mit dem Prinzip der Verhältnismäßigkeit vereinbar und stehen daher im Einklang mit dem Grundrecht der Berufsfreiheit (Senatsurteil in BFH/NV 2001, 69, m.w.N.).

Die Widerlegung der Vermutung, dass durch den Vermögensverfall des Steuerberaters Interessen der Auftraggeber gefährdet sind, erfordert eine umfassende Würdigung der tatsächlichen Verhältnisse, die in erster Linie dem Tatrichter obliegt und revisionsrechtlich nur eingeschränkt überprüft werden kann (vgl. Senatsbeschluss in BFHE 204, 563, BStBl II 2004, 1016). Wenn das FG insoweit zu Lasten des Klägers berücksichtigt hat, dass er einbehaltene Lohnsteuern sowie Sozialversicherungsbeiträge nicht abgeführt hat, entspricht dies der Rechtsprechung des beschließenden Senats, wonach bei der vom Tatrichter vorzunehmenden Gesamtwürdigung auch das Gesamtverhalten des in Vermögensverfall geratenen Steuerberaters in der Vergangenheit herangezogen werden kann (vgl. Senatsurteile vom 6. Juni 2000 VII R 68/99, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung 2000, 741; in BFH/NV 2001, 69; Senatsbeschluss in BFH/NV 2004, 90).

Da somit die für den Streitfall maßgeblichen Rechtsfragen als durch die Rechtsprechung des Senats geklärt anzusehen sind, hätte die Beschwerde zur Begründung einer gleichwohl vorliegenden grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache eingehend begründen müssen, warum sie eine erneute Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH) zu den betreffenden Fragen im Interesse der Rechtseinheit oder Rechtsentwicklung für erforderlich hält, und hätte hierfür substantiiert darlegen müssen, in welchem Umfang, von welcher Seite und aus welchen Gründen die bereits höchstrichterlich beantworteten Fragen umstritten sind, insbesondere welche neuen gewichtigen, vom BFH bislang nicht geprüften Einwände in der Literatur und/oder in der Rechtsprechung gegen die höchstrichterliche Auffassung erhoben werden (vgl. BFH-Beschluss vom 3. April 2000 VIII B 99/99, BFH/NV 2000, 985, m.w.N.).

Diesen Anforderungen wird die Beschwerde jedoch allein durch den Hinweis auf den im Verfahren der einstweiligen Anordnung ergangenen Beschluss des BVerfG in AnwBl 2004, 525 nicht gerecht, da sich dieser Entscheidung (und auch der späteren Hauptsacheentscheidung, BVerfG-Beschluss vom 31. August 2005 1 BvR 912/04, Neue Juristische Wochenschrift --NJW-- 2005, 3057) für die von der Beschwerde vertretene Ansicht, dass damit die Anforderungen an den Nachweis des Steuerberaters bezüglich seiner Eignung und der Ordnung seiner Vermögensverhältnisse wesentlich erleichtert worden seien, nichts entnehmen lässt. Die genannten Entscheidungen des BVerfG erlauben nicht den Schluss, dass das BVerfG die dem § 46 Abs. 2 Nr. 4 StBerG entsprechende berufsrechtliche Vorschrift der Bundesnotarordnung (BNotO) als einer verfassungskonformen Auslegung bedürftig ansieht bzw. dass damit --wie die Beschwerde offensichtlich meint-- eine für den Streitfall relevante Änderung der Rechtsprechung eingetreten ist. Vielmehr hat das BVerfG ausgeführt, dass die betreffende Vorschrift der BNotO einer Prüfung am Maßstab des Art. 12 Abs. 1 GG standhalte und dass es verfassungsrechtlich auch nicht zu beanstanden sei, das Vorliegen eines Vermögensverfalls anzunehmen, wenn der Notar in ungeordnete, schlechte finanzielle Verhältnisse, die er in absehbarer Zeit nicht ordnen könne, geraten und außerstande sei, seinen Verpflichtungen nachzukommen. Soweit diesen Entscheidungen die Ansicht des BVerfG zu entnehmen ist, dass der Amtsenthebung nachfolgende Verbesserungen der Vermögenssituation des Notars bei der gerichtlichen Entscheidung zu berücksichtigen sind, entspricht dies --übertragen auf das Berufsrecht der Steuerberater-- der Rechtsprechung des Senats zu § 46 Abs. 2 Nr. 4 StBerG (Senatsurteile vom 1. Juli 1981 VII R 84/80, BFHE 134, 79, BStBl II 1981, 740, und vom 22. August 1995 VII R 63/94, BFHE 178, 504, BStBl II 1995, 909). Im Streitfall hat das FG indes eine solche inzwischen wieder eingetretene Ordnung der finanziellen Verhältnisse des Klägers nicht festgestellt.

Im Übrigen liegt den Entscheidungen des BVerfG ein anders gelagerter Fall zugrunde, der mit dem Streitfall nicht zu vergleichen ist. Das BVerfG hat in den genannten Beschlüssen angenommen, dass eine Ordnung der finanziellen Verhältnisse des Beschwerdeführers in absehbarer Zeit zu erwarten sei, weil ein Insolvenzplan bereits aufgestellt und vom Insolvenzgericht bestätigt worden war. Von solchen Gegebenheiten ist jedoch im Streitfall nach den Feststellungen des FG nicht auszugehen, was auch die Beschwerde nicht in Abrede stellt. Die von der Beschwerde vertretene Ansicht, dass im Insolvenzverfahren des Steuerberaters auch ohne einen von der Gläubigerversammlung genehmigten und vom Insolvenzgericht bestätigten Insolvenzplan geordnete Vermögensverhältnisse wieder vorliegen könnten, lässt sich auf die Beschlüsse des BVerfG in AnwBl 2004, 525 und in NJW 2005, 3057 nicht stützen.

Ende der Entscheidung

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