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Gericht: Bundesfinanzhof
Beschluss verkündet am 17.01.2006
Aktenzeichen: VII B 144/05
Rechtsgebiete: FGO


Vorschriften:

FGO § 115 Abs. 2 Nr. 1
FGO § 115 Abs. 2 Nr. 2 2. Alternative
FGO § 116 Abs. 3 Satz 3
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

I. Die Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) sind Eheleute und wurden für das Jahr 1999 zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Der Kläger erzielte in jenem Jahr Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit bei der N-GmbH, die im Juni 1999 einen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens stellte. In der mit dem Einkommensteuerbescheid 1999 verbundenen Anrechnungsverfügung berücksichtigte der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt --FA--) die mit der Lohnsteuerkarte des Klägers bescheinigten Steuerabzugsbeträge, was zu einer Erstattung von Einkommensteuer, Kirchensteuer und Solidaritätszuschlag führte.

Eine Prüfung bei der N-GmbH führte zu dem Ergebnis, dass die Steuerabzugsbeträge auf der Lohnsteuerkarte falsch ausgewiesen waren und dass der Kläger bis März 1999 Barzahlungen erhalten hatte, ohne dass Abzugsbeträge einbehalten worden waren. Nachdem die N-GmbH bereits Ende 1998 in Zahlungsschwierigkeiten geraten war, hatte ein Auftraggeber der N-GmbH an diese Abschlagszahlungen mit der Auflage geleistet, diese nur für Lohnzahlungen für diejenigen Arbeitnehmer zu verwenden, die mit dem betreffenden Auftrag beschäftigt waren. Auf diese Weise hatte der Kläger von Januar bis März 1999 neun Zahlungen in Höhe von 800 DM bis 2 400 DM, insgesamt 12 500 DM, erhalten. Das FA änderte daraufhin die Einkommensteuerfestsetzung und versagte die Anrechnung der laut Lohnsteuerkarte bescheinigten Steuerabzugsbeträge. Unter dem 9. April 2002 erließ das FA einen Abrechnungsbescheid, mit dem es feststellte, dass diese Abzugsbeträge nicht auf die Einkommensteuerschuld 1999 anzurechnen seien.

Das Finanzgericht (FG) wies die nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhobene Klage ab. Das FG urteilte, dass die Steuerabzugsbeträge entgegen der Bescheinigung auf der Lohnsteuerkarte nicht vom Arbeitslohn des Klägers einbehalten worden seien und deshalb nicht auf die Einkommensteuerschuld angerechnet werden könnten. Bei den Eintragungen auf der Lohnsteuerkarte habe der Arbeitgeber den vertraglich geschuldeten, jedoch tatsächlich nicht gezahlten Arbeitslohn zugrunde gelegt und die darauf theoretisch geschuldete Lohnsteuer nebst Kirchensteuer und Solidaritätszuschlag berechnet und in das Lohnkonto des Klägers eingetragen. Die dabei ermittelten Auszahlungsbeträge seien jedoch tatsächlich nicht gezahlt worden, sondern es seien allein die neun Beträge in Höhe von insgesamt 12 500 DM ausgezahlt worden. Diese Beträge aus den Abschlagszahlungen des Auftraggebers habe die N-GmbH weder um die darauf entfallenden Steuern gekürzt noch habe sie diese um die einzubehaltenden Abzugsbeträge aus eigenen Mitteln aufgestockt. Es sei auch weder vorgetragen noch ersichtlich, dass zwischen dem Kläger und der N-GmbH eine Nettolohnvereinbarung getroffen gewesen sei. Die Steuern könnten auch nicht aus der Sicht des Klägers als entrichtet angesehen werden, da dieser nach den Gesamtumständen nicht habe davon ausgehen können, dass der Steuerabzug ordnungsgemäß erfolgt sei, denn keiner der in den Gehaltsabrechnungen ausgewiesenen Auszahlungsbeträge decke sich mit Beträgen, die der Kläger tatsächlich erhalten habe.

Hiergegen richtet sich die Nichtzulassungsbeschwerde der Kläger, die sie auf die Zulassungsgründe der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache und der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 2. Alternative der Finanzgerichtsordnung --FGO--) stützen.

II. Die Beschwerde hat keinen Erfolg, weil die geltend gemachten Zulassungsgründe zum Teil nicht schlüssig dargelegt sind, wie es § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO erfordert, jedenfalls aber nicht vorliegen.

Grundsätzliche Bedeutung i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO ist einer Rechtsfrage beizumessen, wenn ihre Beantwortung in dem angestrebten Revisionsverfahren aus Gründen der Rechtssicherheit, der Rechtseinheitlichkeit und/oder Rechtsentwicklung im allgemeinen Interesse liegt. Dabei muss es sich um eine Frage handeln, die klärungsbedürftig und im konkreten Streitfall auch klärungsfähig ist (vgl. Beschluss des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 29. April 2002 IV B 29/01, BFHE 198, 316, BStBl II 2002, 581, m.w.N.). Das Vorliegen dieser Zulassungsvoraussetzungen muss der Beschwerdeführer innerhalb der Begründungsfrist schlüssig und substantiiert darlegen (§ 116 Abs. 3 Satz 1 und 3 FGO). Dazu ist es erforderlich, dass der Beschwerdeführer eine konkrete Rechtsfrage formuliert und substantiiert auf ihre Klärungsbedürftigkeit, ihre über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung sowie darauf eingeht, weshalb von der Beantwortung der Rechtsfrage die Entscheidung über die Rechtssache abhängt (ständige Rechtsprechung, vgl. BFH-Beschlüsse vom 14. Juni 1995 II B 5/95, BFH/NV 1996, 141, m.w.N.; vom 14. März 2000 V B 23/00, BFH/NV 2000, 1148; Senatsbeschluss vom 22. Oktober 2002 VII B 178/02, BFH/NV 2003, 214).

Diesen Anforderungen wird die Beschwerde nicht gerecht. Die von der Beschwerde bezeichnete Frage, ob es von einem normalen Arbeitnehmer, der in keiner Hinsicht über rechtliche Kenntnisse verfügt, verlangt werden kann, seine Lohnabrechnungen akribisch auf die korrekte Abrechnung der Steuerabzüge zu prüfen, ist nicht grundsätzlich klärungsbedürftig. Die auch vom FG im Streitfall geprüfte Frage, ob die Lohnsteuer aus der Sicht des betroffenen Arbeitnehmers vorschriftsmäßig einbehalten worden ist (vgl. dazu BFH-Urteil vom 18. Juni 1993 VI R 67/90, BFHE 171, 515, BStBl II 1994, 182), ist aufgrund der dem Tatrichter vorbehaltenen Tatsachenwürdigung im Einzelfall zu beantworten und einer grundsätzlichen Klärung in einem Revisionsverfahren nicht zugänglich. Darüber hinaus ist die von der Beschwerde formulierte Frage auch nicht klärungsfähig, weil das FG nicht die Ansicht vertreten hat, dass ein Arbeitnehmer die korrekte Abrechnung der Steuerabzüge in seinen Lohnabrechnungen prüfen müsse. Vielmehr ist das FG davon ausgegangen, dass ein Arbeitnehmer grundsätzlich nicht anhand der Lohnabrechnung erkennen müsse, ob der Arbeitgeber die Steuerabzugsbeträge richtig berechnet habe, und dass keine Pflicht bestehe, diese Beträge zu überprüfen. Das FG hat im Streitfall lediglich gemeint, dass es dem Kläger hätte auffallen müssen, dass keiner der in den Lohnabrechnungen ausgewiesenen Auszahlungsbeträge sich mit Beträgen gedeckt habe, die er tatsächlich als Zahlung erhalten habe, und dass es Zweifel an der Richtigkeit der ausgewiesenen Steuerabzugsbeträge begründen müsse, wenn --wie im Streitfall-- Lohnabrechnungen mit ausgewiesenem Lohnsteuerabzug vom Arbeitgeber für Zeiträume ausgehändigt würden, in denen gar kein Lohn gezahlt worden sei.

Soweit die Beschwerde keinen Grund für den Kläger zu erkennen vermag, an der Abführung seiner Lohnsteuer zu zweifeln, wendet sie sich gegen die materielle Richtigkeit der Entscheidung des FG, was nicht zur Zulassung der Revision führen kann.

Der Zulassungsgrund der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 2 2. Alternative FGO erfasst zunächst die Fälle der sog. Divergenzrevision und erfordert darüber hinaus auch dann eine Entscheidung des BFH, wenn die einheitliche Beantwortung einer Rechtsfrage nur durch eine Entscheidung des BFH gesichert werden kann. Hierzu ist der schlüssige Vortrag erforderlich, dass die angestrebte BFH-Entscheidung geeignet und notwendig ist, künftige unterschiedliche gerichtliche Entscheidungen über die betreffende Rechtsfrage zu verhindern (vgl. BFH-Beschluss vom 5. Juli 2002 XI B 136/01, BFH/NV 2002, 1479, m.w.N.). Zur Darlegung dieser Voraussetzungen ist es mindestens erforderlich, dass das Urteil, von dem die Vorinstanz abgewichen ist, und der Rechtssatz, den sie falsch angewandt oder ausgelegt hat, bezeichnet werden (BFH-Beschluss vom 30. August 2001 IV B 79, 80/01, BFHE 196, 30, BStBl II 2001, 837). Solche Darlegungen enthält die Beschwerde im Streitfall nicht.

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