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Gericht: Bundesfinanzhof
Beschluss verkündet am 19.11.2007
Aktenzeichen: VII B 148/07
Rechtsgebiete: AO, FGO


Vorschriften:

AO § 95
AO § 249 Abs. 2
AO § 249 Abs. 2 Satz 1
AO § 284
AO § 284 Abs. 3
FGO § 115 Abs. 2
FGO § 115 Abs. 2 Nr. 1
FGO § 116 Abs. 3 Satz 3
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

I. Nach mehreren vergeblichen Vollstreckungsversuchen wegen rückständiger Steuerforderungen forderte der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt --FA--) den Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) am 24. August 2005 gemäß § 284 der Abgabenordnung (AO) auf, ein Vermögensverzeichnis vorzulegen und lud ihn zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung vor. Einspruch und Klage des Klägers blieben erfolglos.

Das Finanzgericht (FG) hielt die materiell-rechtlichen Voraussetzungen für die Aufforderung zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung für gegeben. Die Vollstreckungsversuche in das bewegliche Vermögen hätten zu keinem Erfolg geführt. Das FA habe auch das ihm eingeräumte Ermessen pflichtgemäß ausgeübt. Unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) wies das FG die Auffassung des Klägers, die Ladung sei ermessensfehlerhaft, da vor Ergehen der Ladung zur eidesstattlichen Versicherung zunächst nach § 249 Abs. 2 Satz 1 AO i.V.m. § 95 AO als milderes Mittel ein Vermögensverzeichnis anzufordern sei, zurück. Der Gesetzgeber habe die Gefährdung der wirtschaftlichen und persönlichen Interessen im Rahmen des § 284 AO bewusst in Kauf genommen, um das Ziel der eidesstattlichen Versicherung als Druckmittel zur Steigerung der Zahlungsmoral des Vollstreckungsschuldners zu erreichen.

Gegen die Nichtzulassung der Revision durch das FG wendet sich der Kläger mit seiner Beschwerde, die er auf die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) stützt.

II. Die Beschwerde ist unzulässig, denn der Kläger hat in der Beschwerdebegründung die grundsätzliche Bedeutung einer Rechtsfrage in einer den Anforderungen des § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO entsprechenden Weise nicht dargelegt.

Eine Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung i.S. von § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO, wenn eine Rechtsfrage zu entscheiden ist, an deren Beantwortung ein allgemeines Interesse besteht, weil ihre Klärung das Interesse der Allgemeinheit an der Fortentwicklung und Handhabung des Rechts berührt. Es muss sich um eine aus rechtssystematischen Gründen bedeutsame und für die einheitliche Rechtsanwendung wichtige Frage handeln (z.B. BFH-Beschluss vom 22. Oktober 2002 VII B 306/01, BFH/NV 2003, 208), die klärungsbedürftig und im konkreten Streitfall auch klärungsfähig ist (Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 6. Aufl., § 115 Rz 23 ff.). Nach § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO muss die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache innerhalb der Beschwerdebegründungsfrist schlüssig und substantiiert dargelegt werden. Dazu ist es erforderlich, dass der Beschwerdeführer konkret auf die Rechtsfrage, ihre Klärungsbedürftigkeit und ihre über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung sowie darauf eingeht, weshalb von der Beantwortung der Rechtsfrage die Entscheidung über die Rechtssache abhängt (BFH-Beschluss vom 30. August 2001 IV B 79, 80/01, BFHE 196, 30, BStBl II 2001, 837).

Der Kläger hat in seiner Beschwerdeschrift eine Rechtsfrage, der nach seiner Auffassung grundsätzliche Bedeutung zukommt, nicht ausdrücklich formuliert. Der Beschwerde ist lediglich zu entnehmen, dass der Kläger die Abnahme der eidesstattlichen Versicherung "ohne vorherige Prüfung der Möglichkeit der Abgabe eines Vermögensverzeichnisses mit Richtigkeitsversicherung" für ermessensfehlerhaft hält und meint, weder das FA noch das FG habe sein Angebot, ein solches Verzeichnis vorzulegen, angemessen berücksichtigt. Weder mit der Rüge, das FA habe ermessensfehlerhaft gehandelt, noch mit derjenigen der fehlerhaften Würdigung der Ermessensentscheidung durch das FG wird aber ein Zulassungsgrund i.S. des § 115 Abs. 2 FGO dargelegt, sondern die materielle Richtigkeit der Entscheidung des FG beanstandet (vgl. BFH-Beschluss vom 30. Januar 2007 IV B 111/05, BFH/NV 2007, 1146).

Aber selbst wenn dem Beschwerdevorbringen zu entnehmen sein könnte, dass der Kläger die Frage für grundsätzlich bedeutsam hält, ob es ermessensfehlerhaft sei, wenn die Vollstreckungsbehörde den Weg des § 284 AO gehe, ohne vorher vom Vollstreckungsschuldner die Vorlage eines Vermögensverzeichnisses und die Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung ohne die Folge der Eintragung in das Schuldnerverzeichnis nach § 249 Abs. 2, § 95 AO und die damit für ihn verbundenen wirtschaftlichen Nachteile zu verlangen, kommt eine Zulassung der Revision nach § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO nicht in Betracht.

Denn unter Annahme einer solchen Rechtsfrage hätte es der Kläger versäumt, sich mit der umfänglichen Rechtsprechung des BFH zur pflichtgemäßen Ermessensausübung im Rahmen des § 284 Abs. 3 AO auseinanderzusetzen, die auch nach Ergehen der Grundsatzentscheidung vom 24. September 1991 VII R 34/90 (BFHE 165, 477, BStBl II 1992, 57) trotz der in der Literatur und der Rechtsprechung einiger FG geübten Kritik daran festgehalten hat, dass sich die Behörde nicht auf die Möglichkeit einer freiwillig abgegebenen Versicherung an Eides statt i.S. des § 249 Abs. 2 i.V.m. § 95 AO verweisen lassen muss (Senatsbeschluss vom 14. August 2000 VII B 87/00, BFH/NV 2001, 147). Der Senat hat mehrfach entschieden, dass grundsätzlich nur eine unter dem psychologischen Druck --sowohl der Strafbarkeit einer vorsätzlich oder fahrlässig falsch abgegebenen eidesstattlichen Versicherung als auch der mit der Eintragung in das Schuldnerverzeichnis verbundenen einschneidenden wirtschaftlichen oder beruflichen Folgen-- bekräftigte Erklärung des Vollstreckungsschuldners nach § 284 AO der Finanzbehörde zuverlässige Kenntnis über die Vermögenslage des Schuldners verschaffen kann und dass selbst die mit der Eintragung in das Schuldnerverzeichnis verbundenen beruflichen Konsequenzen grundsätzlich nicht zu einer Ermessensbeschränkung führen, weil der Gesetzgeber die Gefährdung der wirtschaftlichen und sozialen Existenz bei Abfassung des § 284 Abs. 3 AO gekannt und bewusst in Kauf genommen hat (seit der Entscheidung in BFHE 165, 477, BStBl II 1992, 57; ständige Rechtsprechung, vgl. Senatsurteile vom 22. September 1992 VII R 96/91, BFH/NV 1993, 220; vom 4. August 1992 VII R 40/91, BFH/NV 1993, 342, sowie Beschlüsse vom 31. Oktober 1995 VII B 166/95, BFH/NV 1996, 290; vom 12. Dezember 2001 VII B 318/00, BFH/NV 2002, 617, und vom 5. Oktober 2001 VII B 15/01, BFH/NV 2002, 160). In Anbetracht dieser konsequent verfestigten Rechtsprechung hätte der Kläger aufzeigen müssen, warum er eine erneute Entscheidung des Senats zu der Frage der Ermessensausübung für geboten hält. Dazu trägt er jedoch nichts vor.

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