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Gericht: Bundesfinanzhof
Beschluss verkündet am 23.10.2003
Aktenzeichen: VII B 155/03
Rechtsgebiete: AO 1977, FGO


Vorschriften:

AO 1977 § 208 Abs. 1
FGO § 33 Abs. 3
FGO § 115 Abs. 2
FGO § 116 Abs. 5 Satz 2 zweiter Halbsatz
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil hat das Finanzgericht (FG) den Hauptantrag der Klägerin und Beschwerdeführerin zu 1. (Klägerin) auf Feststellung der Nichtigkeit der gegenüber der X-Lebensversicherung ausgebrachten Pfändungs- und Einziehungsverfügung des Beklagten und Beschwerdegegners (Finanzamt --FA--) vom 29. April 1999 sowie der gegenüber der Y-Bank ausgebrachten Pfändungs- und Einziehungsverfügung vom 19. Mai 1999 und der gegenüber der kassenzahnärztlichen Vereinigung erlassenen Pfändungs- und Einziehungsverfügung vom 31. Mai 1999, ferner auch den Hilfsantrag der Klägerin auf Aufhebung dieser Pfändungsverfügungen in Gestalt der Einspruchsentscheidung als unbegründet abgewiesen. Das FG erachtete die Pfändungsverfügungen für rechtmäßig.

Die Anfechtungsklage des Klägers und Beschwerdeführers zu 2. (Kläger), des Sohns der Klägerin, auf Aufhebung der genannten Pfändungsverfügungen vom 19. und vom 31. Mai 1999 und den hilfsweise erhobenen Feststellungsantrag wies das FG als unzulässig ab, weil der Kläger nicht klagebefugt sei, denn er habe nicht darlegen können, dass das FA durch das Ausbringen der wegen Steuerschulden der Klägerin ergangenen Pfändungsverfügungen gegen Vollstreckungsnormen verstoßen habe, die auch seinem, des Klägers, Schutz dienten.

Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Klägerin und des Klägers (im Folgenden: die Kläger) wegen Nichtzulassung der Revision, die sie auf Divergenz, grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache und Verfahrensmängel stützen.

Die Beschwerde ist unzulässig, denn in ihr wird keiner der geltend gemachten Zulassungsgründe in einer dem Gesetz entsprechenden Weise dargelegt (§ 116 Abs. 3 Satz 3 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).

1. Der Zulassungsgrund der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 zweite Alternative FGO), der die Fälle der Divergenz mit umfasst, setzt die Darlegung voraus, dass das angefochtene Urteil einen abstrakten Rechtssatz zugrunde gelegt hat, der mit tragenden Rechtsausführungen in einer oder mehreren Divergenzentscheidungen eines anderen Gerichts nicht übereinstimmt. Die voneinander abweichenden Rechtssätze müssen sich aus dem angefochtenen Urteil des FG und der/den Divergenzentscheidung(en) unmittelbar und mit hinreichender Deutlichkeit ergeben (vgl. Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 5. Aufl. 2002, § 115 Rz. 54, m.w.N.).

Die Beschwerde zitiert zwar eine ganze Anzahl von Textpassagen aus Entscheidungen des Bundesfinanzhofs (BFH), benennt aber weder eine Textpassage noch einen tragenden Rechtssatz aus dem angefochtenen Urteil, der hierzu in Widerspruch stehen soll. Eine Abweichung ist somit nicht dargelegt.

2. Grundsätzliche Bedeutung soll den Fragen zukommen, ob das Menschenrecht auf Unschuldsvermutung dadurch umgangen werden darf, dass unterstellte Steuern aus einem strafrechtlichen Ermittlungsverfahren gemäß § 208 Abs. 1 der Abgabenordnung (AO 1977) noch vor Anklageerhebung und vor Schuldnachweis und Ergehen des Strafurteils vollstreckt werden dürfen; ferner, ob die strafrechtlichen Ermittlungen der Steuerfahndung gemäß § 208 Abs. 1 AO 1977 aus der Quelle der Beschlagnahmen --entgegen der ständigen Rechtsprechung des BFH-- vom FG nach den Verfahrensvorschriften der AO 1977 und FGO summarisch zu überprüfen und dann zu vollstrecken sind.

Für die Darlegung des Zulassungsgrunds der grundsätzlichen Bedeutung einer Rechtssache (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO) muss der Beschwerdeführer konkret auf eine Rechtsfrage und deren Bedeutung für die Allgemeinheit eingehen. Er muss zunächst eine bestimmte für die Entscheidung des Streitfalls erhebliche abstrakte Rechtsfrage herausstellen, der grundsätzliche Bedeutung zukommen soll. Erforderlich ist ferner ein konkreter und substantiierter Vortrag, warum im Einzelnen die Klärung der Rechtsfrage durch die angestrebte Revisionsentscheidung aus Gründen der Rechtssicherheit, der Rechtseinheitlichkeit und/oder der Rechtsentwicklung im allgemeinen Interesse liegt, also ein Vortrag zur Klärungsbedürftigkeit und Klärungsfähigkeit der aufgeworfenen Rechtsfrage (vgl. BFH-Beschluss vom 25. April 2002 II B 24/01, BFH/NV 2002, 1311; Senatsbeschluss vom 2. April 2002 VII B 66/01, BFH/NV 2002, 1308).

Im Streitfall haben die Kläger zwei Rechtsfragen formuliert, jedoch nichts Konkretes zu deren Klärungsfähigkeit und Klärungsbedürftigkeit ausgeführt. Es reicht nämlich keineswegs aus, unter bestimmten gewählten Überschriften wie "Feststellungsgrundlage der Vollstreckungen, Verfassungswidrigkeit der Vollstreckungen, Nichtigkeit der Pfändungsverfügungen, Unschuldsvermutung" usw. dem BFH abstrakte Rechtsausführungen zu angeblichen Grundrechtsverstößen zu unterbreiten, ohne dass klar gemacht wird, was diese Rechtsausführungen zur Klärungsbedürftigkeit und auch zur Klärungsfähigkeit der zuvor aufgeworfenen Rechtsfragen beitragen können. Die gewählte Darstellung erweckt vielmehr den Eindruck, als wollten sich die Kläger allein gegen die materielle Richtigkeit der Vorentscheidung wenden. Dies kann nicht zur Zulassung der Revision führen, weil damit kein Zulassungsgrund nach § 115 Abs. 2 FGO dargetan wird (vgl. BFH-Beschlüsse vom 6. Oktober 2000 III B 16/00, BFH/NV 2001, 202; vom 4. Juli 2002 IX B 169/01, BFH/NV 2002, 1476).

Im Übrigen wäre die erste der aufgeworfenen Fragen auch nicht klärungsbedürftig. Die Unschuldsvermutung des Art. 6 Abs. 2 der Europäischen Menschenrechtskonvention gilt für Sanktionen im konkreten Strafverfahren, nicht jedoch für steuerrechtliche oder zivilrechtliche Ansprüche, auch wenn sie auf strafbaren Handlungen beruhen (BFH-Urteil vom 27. August 1991 VIII R 84/89, BFHE 165, 330, BStBl II 1992, 9). Sie gilt daher auch nicht im Vollstreckungsrecht, wenn --wie im Streitfall-- steuerrechtliche Ansprüche vollstreckt werden. Greift das Menschenrecht auf Unschuldsvermutung im Streitfall nicht, so kann sich auch die aufgeworfene Frage nach einer Umgehung dieses Rechts nicht stellen. Des Weiteren ist die Klägerin vom BFH bereits mehrfach darauf hingewiesen worden, dass es den Steuerbehörden auch in der Zeit zwischen der Einleitung eines Steuerstrafverfahrens und der strafrechtlichen Verurteilung nicht verwehrt ist, Steuern festzusetzen und zu erheben, d.h. auch zu vollstrecken (vgl. BFH-Beschlüsse vom 7. Dezember 1999 IV B 146/99, BFH/NV 2000, 413; vom 7. Januar 2000 VII B 292/99, BFH/NV 2000, 481). Aus dem BFH-Beschluss vom 13. September 2001 IV B 87/01 (BFH/NV 2002, 352) ergibt sich, wie das FG zutreffend erkannt hat, nichts Gegenteiliges.

Die zweite von den Klägern aufgeworfene Frage ist weder aus sich heraus noch aus dem Zusammenhang des Verfahrens verständlich. Es bleibt unklar, was mit dieser Frage geklärt und inwieweit eine mögliche Antwort hierauf für den Ausgang des Rechtsstreits entscheidungserheblich sein soll.

3. Soweit als Verfahrensmangel (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO) gerügt wird, die Kläger seien ihrem gesetzlichen Richter, nämlich der ordentlichen Gerichtsbarkeit, entzogen worden, fehlt es an einer schlüssigen Darlegung dieses Verfahrensmangels, zumal der Senat die Klägerin bereits in dem vorangegangenen einstweiligen Rechtsschutzverfahren darauf hingewiesen hat, dass diese Auffassung rechtsirrig ist (BFH in BFH/NV 2000, 481). Die Kläger wollen erneut nicht wahrhaben, dass sie sich vorliegend nicht im Steuerstrafverfahren, sondern im Vollstreckungsverfahren befinden, mithin § 33 Abs. 3 FGO nicht zum Zuge kommt, dass ferner die Pfändungsverfügungen vom zuständigen FA (Kassen- und Vollstreckungs-FA) und nicht etwa von der Steuerfahndung erlassen worden sind und schließlich, dass das FG, also die Finanzgerichtsbarkeit, der zur Entscheidung über die angefochtenen Vollstreckungsakte gesetzlich berufene Richter ist und nicht etwa die ordentliche Gerichtsbarkeit.

Soweit die Kläger in diesem Zusammenhang auch behaupten, das FG habe ihr Recht auf Gehör verletzt, weil es zu diesem Kernpunkt der Klage in seinem Urteil nicht Stellung genommen habe, so ist auch diese Verfahrensrüge nicht schlüssig. Das FG hat nämlich auf S. 19 seines Urteils ausgeführt, dass die Auffassung der Kläger, vorliegend sei die Steuerfahndung tätig geworden, unzutreffend ist, wobei es zur weiteren Begründung auf seine Ausführungen in dem Beschluss vom 12. Oktober 1999 9 V 46/99, S. 10-12 verwiesen hat, der in einem vorangegangenen einstweiligen Rechtsschutzverfahren der Klägerin gegen das FA ergangen ist. Von diesem Beschluss hatte --ausweislich der zahlreichen bisher geführten Verfahren-- auch der von dem gemeinsamen Prozessbevollmächtigten vertretene Kläger Kenntnis.

4. Im Übrigen ergeht diese Entscheidung nach § 116 Abs. 5 Satz 2 zweiter Halbsatz FGO ohne weitere Begründung.

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