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Gericht: Bundesfinanzhof
Beschluss verkündet am 14.06.2007
Aktenzeichen: VII B 184/06
Rechtsgebiete: BranntwMonG, AO, FGO


Vorschriften:

BranntwMonG § 143
BranntwMonG § 143 Abs. 1 Satz 1
BranntwMonG § 143 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1
AO § 169 Abs. 2 Satz 2
AO § 169 Abs. 2 Satz 3
AO § 370 Abs. 1 Nr. 2
FGO § 115 Abs. 2
FGO § 116 Abs. 3 Satz 3
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

I. Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin), eine italienische Brennerei, versandte 1997 unversteuerten Alkohol von Italien nach Deutschland. Der Alkohol sollte über eine Zollstelle in Deutschland nach Weißrussland ausgeführt werden. Hierzu wurde der Alkohol zusammen mit dem begleitenden Verwaltungsdokument und dem italienischen Ausfuhrpapier Nr. ... zunächst zu einem italienischen Zollamt befördert, wo für die Sendung ein internes Versandverfahren eröffnet wurde. Der Alkohol wurde vom Fahrer K für den Frachtführer V übernommen und nach Deutschland befördert. Im Steuergebiet erfolgte dann ein Austausch der Originaldokumente gegen gefälschte Begleitdokumente. Unter Angabe einer anderen Ware als in den Originaldokumenten aufgeführt, wurde sodann eine Ausfuhr des Alkohols durch gefälschte Zollstempel und Abfertigungsvermerke auf dem begleitenden Verwaltungsdokument und dem Versandschein T1 vorgetäuscht. Mit der Begründung, dass der Alkohol in Deutschland dem Steueraussetzungsverfahren entzogen worden sei, nahm der Beklagte und Beschwerdegegner (das Hauptzollamt --HZA--) die Klägerin als Gesamtschuldnerin neben K und V auf Zahlung der im Steuergebiet entstandenen Branntweinsteuer in Anspruch. Einspruch und Klage blieben erfolglos.

Das Finanzgericht (FG) urteilte, dass das Steuerversandverfahren wirksam eröffnet worden sei, denn bei einer beabsichtigten Ausfuhr trete an die Stelle des Empfängers die Ausgangszollstelle, die den bestätigten Rückschein an den Versender zurückzusenden habe. Dadurch, dass bei der Ausgangszollstelle unter Vorlage gefälschter Versandpapiere eine andere Ware als der unter Steueraussetzung beförderte Alkohol angemeldet worden sei, sei der Alkohol noch während der Beförderung im Steuergebiet dem Steueraussetzungsverfahren i.S. von § 143 Abs. 1 Satz 1 des Branntweinmonopolgesetzes (BranntwMonG) entzogen worden. Daher stehe Deutschland die Erhebungskompetenz zu. Der Umstand, dass der Alkohol tatsächlich in die Tschechische Republik ausgeführt worden sei, stehe der Annahme einer Steuerentstehung nicht entgegen. Als Versender sei die Klägerin nach § 143 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 BranntwMonG Steuerschuldner geworden. Gegen sie habe die Branntweinsteuer noch festgesetzt werden können, da im Streitfall gemäß § 169 Abs. 2 Satz 2 der Abgabenordnung (AO) von einer Festsetzungsfrist von zehn Jahren auszugehen sei. Aufgrund der Aussagen von K und V stehe die Verwirklichung des objektiven Tatbestands des § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO fest. Eine strafrechtliche Verurteilung von K und V sei nicht erforderlich. Das Vorliegen der Tatbestandsmerkmale des § 143 BranntwMonG und damit auch des objektiven Tatbestands von § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO sei nicht nach der Strafprozessordnung, sondern nach den Vorschriften der AO und der Finanzgerichtsordnung (FGO) zu prüfen. Da an der Steuerhinterziehung eine Person beteiligt gewesen sei, derer sich die Klägerin zur Erfüllung ihrer steuerlichen Pflichten bedient habe, bestehe für sie keine Exkulpationsmöglichkeit nach § 169 Abs. 2 Satz 3 AO. Denn sie habe den Spediteur V und auch den von der Spedition beauftragten Fahrer K als Erfüllungsgehilfen eingeschaltet. Unbeachtlich sei es, dass die Klägerin keine Möglichkeit gehabt habe, auf die Auswahl des Fahrers einzuwirken.

Mit ihrer Beschwerde begehrt die Klägerin die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO) und wegen des Vorliegens eines Verfahrensmangels (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO).

Von grundsätzlicher Bedeutung sei die Frage, inwieweit die nicht kontrollier- und somit nicht verhinderbare strafbare Handlung eines fremden Dritten einem Steuerpflichtigen insbesondere über mehrere Mittelspersonen hinweg dergestalt zu dessen Ungunsten zugerechnet werden könne, dass eine daraufhin erfolgende Steuererhebung nachweislich unmittelbar zum wirtschaftlichen Ruin des betroffenen Steuerpflichtigen führe. Ein solches Ergebnis stünde nicht in Einklang mit den Grundsätzen einer gleichmäßigen und willkürfreien Besteuerung. Im Streitfall bestehe entgegen der Ansicht des FG eine Exkulpationsmöglichkeit nach § 169 Abs. 2 Satz 3 AO. Die Klägerin habe keine Tatherrschaft in Bezug auf die von K begangene Steuerhinterziehung und auch keinen eigenen Täterwillen gehabt. Als Erfüllungsgehilfen habe sie zwar den Frachtführer V, nicht jedoch den Fahrer K eingesetzt. Dieser sei auch nicht als Verrichtungsgehilfe tätig geworden. Keinesfalls habe sie dessen kriminelles Verhalten gebilligt. Zudem sei zu berücksichtigen, dass sie weder einen Vermögensvorteil erlangt, noch die erforderlichen Vorkehrungen zur Verhinderung der Steuerstraftat unterlassen habe. Ihr drohe nun die Überschuldung, sollte der Steuerbescheid Bestand haben.

Im Übrigen beruhe das erstinstanzliche Urteil auf einem Verfahrensmangel, da das FG nicht die dem Steuerbescheid zugrunde liegenden Verfahrensakten über das Strafverfahren beigezogen habe. Es könne nicht ausgeschlossen werden, dass das FG zu einem anderen Ergebnis gekommen wäre, wenn die Akten im Zeitpunkt der Entscheidungsfindung vorgelegen hätten.

Das HZA ist der Beschwerde entgegengetreten. Es hält die aufgeworfene Rechtsfrage für bereits geklärt. Einer Steuerentstehung im Steueraussetzungsverfahren stünden wirtschaftliche Gesichtspunkte nicht entgegen. Soweit sich die Beschwerde auf das vermeintlich nicht zurechenbare Fehlverhalten des Fahrers beziehe, erschöpfe sie sich in der Beanstandung der falschen Entscheidung durch das FG. Letztlich richte sich die Beschwerde gegen die materielle Richtigkeit der Vorentscheidung. Schließlich liege der gerügte Verfahrensmangel nicht vor. Entgegen der Ansicht der Klägerin habe für das FG aus dessen Sicht keine Notwendigkeit zur Beiziehung der Strafakten bestanden. Auch habe die Klägerin keinen entsprechenden Beweisantrag gestellt.

II. Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Denn die Klägerin hat keinen Zulassungsgrund nach § 115 Abs. 2 FGO in der nach § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO erforderlichen Weise dargelegt.

1. Zur Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung ist es nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) erforderlich, dass der Beschwerdeführer eine bestimmte, für die Entscheidung des Streitfalls erhebliche abstrakte Rechtsfrage herausstellt und substantiiert darauf eingeht, inwieweit diese Rechtsfrage klärungsbedürftig, d.h. in welchem Umfang, von welcher Seite und aus welchen Gründen sie umstritten ist. Existiert zu dieser Frage bereits höchstrichterliche Rechtsprechung, so muss der Beschwerdeführer begründen, weshalb er gleichwohl eine erneute Entscheidung des BFH im Interesse der Rechtseinheit oder Rechtsfortbildung für erforderlich hält. Hierzu muss er substantiiert vortragen, inwiefern und aus welchen Gründen die höchstrichterlich beantwortete Frage weiterhin umstritten ist, insbesondere, welche neuen und gewichtigen, vom BFH bisher noch nicht geprüften Argumente in der Rechtsprechung der Instanzgerichte und/oder in der Literatur gegen die höchstrichterliche Rechtsprechung vorgebracht werden (vgl. Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 6. Aufl., § 116 Rz 33).

a) Ungeachtet dessen, dass das FG nicht festgestellt hat, dass eine Steuererhebung den wirtschaftlichen Ruin der Klägerin herbeiführen würde, wird die Beschwerde den dargestellten Anforderungen nicht gerecht. Die von der Klägerin formulierte Frage von vermeintlich grundsätzlicher Bedeutung ist an den konkreten Umständen des Streitfalls ausgerichtet und lässt nicht erkennen, welche Norm des Abgabenrechts der Überprüfung unterzogen werden soll. Auch wird nicht substantiiert belegt, inwieweit die Frage im allgemeinen Interesse klärungsbedürftig ist. Sofern der Beschwerdebegründung entnommen werden könnte, dass sich die Frage auf die Auslegung von § 169 Abs. 2 Satz 3 AO bezieht, wird auch nicht ansatzweise dargelegt, warum und in welchem Umfang die bereits hierzu ergangene Rechtsprechung des BFH einer Korrektur bedarf. Nach der Rechtsprechung des BFH beträgt die Festsetzungsfrist im Falle einer Steuerhinterziehung selbst dann zehn Jahre, wenn der Steuerpflichtige selbst an der Steuerstraftat nicht beteiligt gewesen ist und keinen Einfluss auf die von ihm eingesetzten Erfüllungsgehilfen gehabt hat. Insoweit ist höchstrichterlich geklärt, dass dem Steuerpflichtigen die strafbaren Handlungen von Vertretern und Erfüllungsgehilfen --jedenfalls im Hinblick auf eine Verlängerung der normalen Festsetzungsfrist-- zugerechnet werden können (Senatsentscheidungen vom 30. Oktober 1990 VII R 18/88, BFH/NV 1991, 721, und vom 20. Juli 1999 VII R 85/98, BFHE 189, 244).

b) Soweit die Klägerin darauf verweist, dass der Fahrer K von ihr weder als Erfüllungs- noch als Verrichtungsgehilfe eingesetzt worden sei und dass sie auch keinen Vermögensvorteil erlangt habe, wird damit die grundsätzliche Bedeutung der von ihr aufgeworfenen Rechtsfrage ebenfalls nicht belegt. Vielmehr wendet sich die Klägerin mit diesen --im Stil einer Revisionsbegründung vorgebrachten-- Einwendungen gegen die materiell-rechtliche Würdigung des Streitfalls durch das FG, das nicht nur die Spedition V, sondern auch den Fahrer K als Erfüllungsgehilfen der Klägerin angesehen und infolgedessen eine Exkulpation nach § 169 Abs. 2 Satz 3 AO nicht zugelassen hat. Eventuelle Fehler bei der Auslegung und Anwendung des materiellen Rechts im konkreten Einzelfall rechtfertigen indes für sich gesehen nicht die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung (vgl. Senatsbeschluss vom 6. Oktober 2003 VII B 130/03, BFH/NV 2004, 215).

2. Wird geltend gemacht, dass die erstinstanzliche Entscheidung auf einem Verfahrensmangel beruht, ist eine genaue Angabe der Tatsachen erforderlich, die den gerügten Mangel ergeben. Zur ordnungsgemäßen Rüge der Verletzung der Amtsermittlungspflicht (§ 76 FGO) bedarf es der Darlegung, welche Fragen tatsächlicher Art aufklärungsbedürftig waren, welche Beweismittel zu welchem Beweisthema das FG ungenutzt ließ, warum der Beschwerdeführer nicht von sich aus einen entsprechenden Beweisantrag gestellt hat, warum sich die Notwendigkeit der Beweiserhebung jedoch dem FG auf der Grundlage seiner Rechtsauffassung hätte aufdrängen müssen und inwieweit die als unterlassen gerügte Beweiserhebung zu einer anderen Entscheidung hätte führen können (BFH-Entscheidungen vom 17. September 2003 XI B 220/02, BFH/NV 2004, 345, und vom 8. November 2000 XI B 38/00, BFH/NV 2001, 478).

Den an die Darlegung eines Verfahrensmangels zu stellenden Anforderungen wird das Vorbringen der Klägerin nicht gerecht. Hierzu reicht der nicht näher substantiierte Vortrag nicht aus, dass dem FG im Zeitpunkt der Entscheidungsfindung die Strafverfahrensakten nicht vorgelegen hätten, und dass nicht ausgeschlossen werden könne, dass das FG bei Vorlage dieser Akten zu einem anderen Ergebnis gekommen wäre. Insbesondere lässt die Beschwerde Ausführungen darüber vermissen, warum sich aus der Sicht des FG eine Beiziehung der Strafverfahrensakten hätte aufdrängen müssen, zumal es in seiner Urteilsbegründung darauf verwiesen hat, dass eine strafrechtliche Verurteilung von V und K wegen des streitgegenständlichen Transports nicht erforderlich sei und dass die Tatbestandsmerkmale des § 143 BranntwMonG und des objektiven Tatbestands des § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO ausschließlich nach den Vorschriften der AO und FGO zu prüfen seien.

Ende der Entscheidung

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