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Gericht: Bundesfinanzhof
Beschluss verkündet am 14.06.2007
Aktenzeichen: VII B 185/06
Rechtsgebiete: AO, FGO


Vorschriften:

AO § 169 Abs. 2 Satz 2
AO § 169 Abs. 2 Satz 3
AO § 237
AO § 237 Abs. 1
FGO § 115 Abs. 2 Nr. 1
FGO § 116 Abs. 3 Satz 3
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

I. Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin), eine italienische Brennerei, wurde vom Hauptzollamt X, dessen Aufgaben nunmehr der Beklagte und Beschwerdegegner (das Hauptzollamt --HZA--) übernommen hat, aufgrund eines nicht ordnungsgemäß durchgeführten Steuerversandverfahrens auf Zahlung der entstandenen Branntweinsteuer in Anspruch genommen. Die nach Ablehnung durch das HZA beim Finanzgericht (FG) beantragte Aussetzung der Vollziehung (AdV) wurde von diesem gewährt. Nachdem sowohl die Klage als auch die gegen die Nichtzulassung der Revision beim Bundesfinanzhof (BFH) eingelegte Beschwerde keinen Erfolg hatten, setzte das HZA mit Zinsbescheid vom 28. Juli 2005 gegenüber der Klägerin für den Zeitraum der gewährten Aussetzung nach § 237 Abs. 1 der Abgabenordnung (AO) Aussetzungszinsen fest. Einige Wochen später entschied das Bundesverfassungsgericht (BVerfG), die gegen die Einspruchsentscheidung, das Urteil des FG und den Beschluss des BFH eingelegte Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung anzunehmen. Den gegen den Zinsbescheid eingelegten Einspruch wies das HZA als unbegründet zurück. Auch der daraufhin erhobenen Klage blieb der Erfolg versagt.

Mit ihrer Beschwerde begehrt die Klägerin die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--) und wegen des Vorliegens eines Verfahrensmangels (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO).

Von grundsätzlicher Bedeutung sei die Rechtsfrage, inwieweit eine Entscheidung über die Erhebung von Aussetzungszinsen in Bescheidform ergehen könne, ohne dass zu diesem Zeitpunkt über die beim BVerfG gegen die letztinstanzliche Entscheidung eingelegte Verfassungsbeschwerde entschieden worden sei. Der Verfassungsbeschwerde habe die Kernfrage zugrunde gelegen, inwieweit strafbare Handlungen eines fremden Dritten einem Steuerpflichtigen in einer Weise zugerechnet werden könnten, die zum wirtschaftlichen Ruin führe. Im Streitfall sei Festsetzungsverjährung eingetreten, weil der Exkulpationsbeweis nach § 169 Abs. 2 Satz 3 AO habe geführt werden können. In diesem Zusammenhang sei zu berücksichtigen, dass sie, die Klägerin, weder einen Vermögensvorteil erlangt noch die erforderlichen Vorkehrungen zur Verhinderung der Steuerstraftat unterlassen habe. Dies werde durch das Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) vom 12. Dezember 2002 Rs. C-395/00 (EuGHE 2002, I-11877) bestätigt.

Im Übrigen beruhe das erstinstanzliche Urteil auf einem Verfahrensmangel, da das FG nicht die dem Zinsbescheid zugrunde liegenden Verfahrensakten über das Strafverfahren beigezogen habe. Es könne nicht ausgeschlossen werden, dass das FG zu einem anderen Ergebnis gekommen wäre, wenn die Akten im Zeitpunkt der Entscheidungsfindung vorgelegen hätten.

Das HZA ist der Beschwerde entgegengetreten. Es hält die aufgeworfene Rechtsfrage für bereits geklärt und weist darauf hin, dass das BVerfG kein Rechtsmittelgericht i.S. von § 237 AO sei und dass das BVerfG mit Beschluss vom 16. November 2005 1 BvR 439/05 die von der Klägerin eingelegte Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen habe. Einer Steuerentstehung im Steueraussetzungsverfahren stünden wirtschaftliche Gesichtspunkte nicht entgegen. Im Übrigen erfasse das von der Klägerin angeführte EuGH-Urteil den im Streitfall vorliegenden Sachverhalt nicht. Soweit sich die Beschwerde auf das vermeintlich nicht zurechenbare Fehlverhalten des Fahrers beziehe, erschöpfe sie sich in der Beanstandung der falschen Entscheidung durch das FG. Letztlich richte sich die Beschwerde gegen die materielle Richtigkeit der Vorentscheidung. Schließlich liege der gerügte Verfahrensmangel nicht vor. Entgegen der Ansicht der Klägerin habe für das FG aus dessen Sicht keine Notwendigkeit zur Beiziehung der Strafakten bestanden. Auch habe die Klägerin keinen entsprechenden Beweisantrag gestellt.

II. Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Denn ungeachtet der Mängel in der Darlegung des Zulassungsgrundes nach § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO kommt der aufgeworfenen Rechtsfrage keine grundsätzliche Bedeutung zu, denn die Frage ist bereits höchstrichterlich geklärt. Hinsichtlich des gerügten Verfahrensmangels entspricht die Beschwerde nicht den in § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO normierten Darlegungserfordernissen.

1. Zur Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung i.S. von § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO ist es erforderlich, dass in der Beschwerdeschrift eine Rechtsfrage aufgeworfen und substantiiert dargelegt wird, aus welchen Gründen im Einzelnen die über die Rechtsfrage zu treffende Revisionsentscheidung das Interesse der Allgemeinheit an der einheitlichen Handhabung und Fortentwicklung des Rechts berührt. Liegt zu der Rechtsfrage bereits höchstrichterliche Rechtsprechung vor, so gehört zu der Darlegung der Klärungsbedürftigkeit eine fundierte Stellungnahme dazu, weshalb diese Rechtsprechung noch nicht zu einer hinreichenden Klärung geführt hat oder aufgrund welcher neuen Entwicklung sie nunmehr erneut in Frage gestellt werden muss (BFH-Beschluss vom 28. November 2003 II B 143/02, BFH/NV 2004, 368, m.w.N.).

Diesen Anforderungen wird die Beschwerde nicht gerecht. Die aufgeworfene Rechtsfrage ist bereits durch das BFH-Urteil vom 11. Februar 1987 II R 176/84 (BFHE 148, 491, BStBl II 1987, 320) dahingehend geklärt worden, dass der Zinsanspruch bei AdV bereits mit der endgültigen Erfolglosigkeit der abgabenrechtlichen bzw. finanzgerichtlichen Rechtsbehelfe und nicht erst mit der Erfolglosigkeit einer anschließend erhobenen Verfassungsbeschwerde entsteht. Denn die Verfassungsbeschwerde ist kein zusätzlicher Rechtsbehelf, sondern ein Rechtsschutzmittel besonderer Art, so dass der Umstand, dass eine Verfassungsbeschwerde eingelegt worden ist, nicht Gegenstand der mit § 237 AO getroffenen Regelung ist. Ein auf § 237 Abs. 1 AO gestützter Zinsbescheid kann folglich bereits dann ergehen, wenn eine Klage bzw. eine Nichtzulassungsbeschwerde oder Revision erfolglos geblieben sind. Einen trotz der BFH-Entscheidung fortbestehenden Klärungsbedarf hat die Klägerin in der Beschwerdebegründung nicht aufzuzeigen vermocht.

2. Das Vorbringen der Beschwerde zu § 169 Abs. 2 Satz 2 AO steht in keinem nachvollziehbaren Zusammenhang mit dem Gegenstand der angefochtenen Entscheidung --der Entstehung von Aussetzungszinsen nach Erfolglosigkeit der Rechtsbehelfe gegen den Steuerbescheid des HZA-- und kann schon deshalb die Zulassung der Revision nicht rechtfertigen.

3. Wird geltend gemacht, dass die erstinstanzliche Entscheidung auf einem Verfahrensmangel beruht, ist eine genaue Angabe der Tatsachen erforderlich, die den gerügten Mangel ergeben. Zur ordnungsgemäßen Rüge der Verletzung der Amtsermittlungspflicht (§ 76 FGO) bedarf es der Darlegung, welche Fragen tatsächlicher Art aufklärungsbedürftig waren, welche Beweismittel zu welchem Beweisthema das FG ungenutzt ließ, warum der Beschwerdeführer nicht von sich aus einen entsprechenden Beweisantrag gestellt hat, warum sich die Notwendigkeit der Beweiserhebung jedoch dem FG auf der Grundlage seiner Rechtsauffassung hätte aufdrängen müssen und inwieweit die als unterlassen gerügte Beweiserhebung zu einer anderen Entscheidung hätte führen können (BFH-Entscheidungen vom 17. September 2003 XI B 220/02, BFH/NV 2004, 345, und vom 8. November 2000 XI B 38/00, BFH/NV 2001, 478).

Den an die Darlegung eines Verfahrensmangels zu stellenden Anforderungen wird das Vorbringen der Klägerin nicht gerecht. Hierzu reicht der nicht näher substantiierte Vortrag nicht aus, dass dem FG im Zeitpunkt der Entscheidungsfindung die dem Zinsbescheid zugrunde liegenden Strafverfahrensakten nicht vorgelegen hätten, und dass nicht ausgeschlossen werden könne, dass das FG bei Vorlage dieser Akten zu einem anderen Ergebnis gekommen wäre. Insbesondere lässt die Beschwerde Ausführungen darüber vermissen, warum sich aus der Sicht des FG eine Beiziehung der Strafverfahrensakten hätte aufdrängen müssen.

Ende der Entscheidung

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