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Gericht: Bundesfinanzhof
Beschluss verkündet am 09.07.1998
Aktenzeichen: VII B 19/98
Rechtsgebiete: FGO, ZPO


Vorschriften:

FGO § 142
FGO § 110
ZPO § 114
ZPO § 127 Abs. 1 Satz 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe

I. Der Antragsteller und Beschwerdeführer (Antragsteller) reiste im Juni 1993 als Fahrer seines PKW über das Zollamt aus Polen kommend in das Zollgebiet der Gemeinschaft ein. Auf Befragen gab er an, 2 Stangen Zigaretten sowie persönliche Bekleidung und Lebensmittel mit sich zu führen. Bei der anschließenden Kontrolle des PKW wurden jedoch weit mehr Stangen Zigaretten aufgefunden und beschlagnahmt. Die dafür entstandene Abgabenschuld wurde erstmalig mit Steuerbescheid vom 7. Mai 1996 gegenüber dem Antragsteller festgesetzt. Da der Antragsteller auf eine entsprechende Mahnung hin dem Beklagten (Hauptzollamt --HZA--) mitteilte, der Steuerbescheid sei ihm nicht zugegangen, erließ das HZA am 14. November 1996 einen weiteren Steuerbescheid gegen den Antragsteller. Der dagegen gerichtete Einspruch war erfolglos (Einspruchsentscheidung vom 13. Januar 1997). Mit Steueränderungsbescheid vom 11. März 1997 wurde die Steuerfestsetzung für die beschlagnahmten Zigaretten auf die Tabaksteuer beschränkt.

Mit seiner Klage vom 14. Februar 1997 beantragte der Antragsteller, den Steuerbescheid vom 14. November 1996 i.d.F. der Einspruchsentscheidung aufzuheben, weil der Steueranspruch verjährt sei. Gleichzeitig beantragte er, ihm für das Klageverfahren Prozeßkostenhilfe (PKH) unter Beiordnung seiner Prozeßbevollmächtigten zu gewähren. Das Finanzgericht (FG) wies die Klage durch Urteil vom 13. November 1997 ab und führte im einzelnen aus, daß die Steuerforderung nicht verjährt sei. Liege nämlich wie im Streitfall eine Steuerstraftat vor, so sei das Erfordernis des "nicht genau Ermittelnkönnens" i.S. des Art. 221 Abs. 3 Satz 2 der Verordnung (EWG) Nr. 2913/92 des Rates zur Festlegung des Zollkodex der Gemeinschaften vom 12. Oktober 1992 (Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften --ABlEG-- 1992 Nr. L 302/1) stets gegeben. Am selben Tage lehnte es auch den Antrag auf Gewährung von PKH ab, weil nach summarischer Prüfung ein Obsiegen des Antragstellers im Hauptsacheverfahren unwahrscheinlich sei.

Mit seiner gegen den die Gewährung von PKH ablehnenden Beschluß gerichteten Beschwerde vom 23. Dezember 1997 macht der Kläger geltend, das FG hätte über seinen Antrag sobald wie möglich entscheiden müssen. Er habe die Erklärung über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse zusammen mit dem Antrag vorgelegt, und am 27. März 1997 noch einmal eine Entscheidung über den PKH-Antrag begehrt. Zu diesem Zeitpunkt sei die Entscheidung möglich gewesen. Das FG habe zu dieser Zeit auch seine Rechtsauffassung bezüglich der Verjährung geteilt, wie sich aus dem Aussetzungsbeschluß vom 28. April 1997 ergebe. Vor Beauftragung örtlich ansässiger Anwälte mit der Wahrnehmung des Termins zur mündlichen Verhandlung seien zwei Gespräche mit dem Vorsitzenden Richter geführt worden, dabei habe dieser den Eindruck vermittelt, daß die Bewilligung von PKH im Hinblick auf die bisherige Festlegung kein Problem sei. Erst daraufhin seien die ortsansässigen Anwälte mit der Wahrnehmung des Termins beauftragt worden. Es ginge nicht an, daß nach Wechsel eines der beteiligten Richter entgegen allen Grundsätzen und des gesetzten Vertrauenstatbestandes die Gewährung der PKH zu einem Zeitpunkt abgelehnt werde, der als absolut verspätet zu bezeichnen sei. Es treffe auch nicht zu, daß zu diesem Zeitpunkt noch, wie in dem Beschluß behauptet, eine summarische Prüfung stattgefunden habe.

II. Die Beschwerde ist zwar zulässig, aber unbegründet.

1. Die Beschwerde ist zulässig. Zwar hat der Antragsteller die Beschwerde erst nach Beendigung der Instanz durch das klageabweisende Urteil des FG und damit zu einem Zeitpunkt eingelegt, in dem sie grundsätzlich nicht mehr zulässig ist. Von diesem Grundsatz besteht aber dann eine Ausnahme, wenn der Bewilligungsantrag mit den erforderlichen Unterlagen --wie im Streitfall-- bereits so rechtzeitig gestellt wurde, daß über ihn bei ordnungsgemäßer Verfahrensweise noch vor der Entscheidung in der Hauptsache hätte entschieden werden müssen (vgl. Senatsbeschluß vom 7. August 1984 VII B 27/84, BFHE 141, 494, BStBl II 1984, 838; Beschluß des Bundesgerichtshofs vom 30. September 1981 IV b ZR 694/80, Neue Juristische Wochenschrift 1982, 446; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, Zivilprozeßordnung, 56. Aufl., § 127 Rdnr. 65).

2. Die Beschwerde ist aber nicht begründet.

Die Gewährung von PKH setzt nach § 142 der Finanzgerichtsordnung (FGO) i.V.m. § 114 der Zivilprozeßordnung (ZPO) voraus, daß die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung bei summarischer Prüfung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Das FG hat durch sein Urteil vom 13. November 1997 die gegen den Steueränderungsbescheid gerichtete Klage des Antragstellers als unbegründet abgewiesen. Die dagegen eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde des Antragstellers hat der Senat mit Beschluß vom 9. Juli 1998, (gemäß Art. 1 Nr. 6 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs) als unzulässig verworfen. Damit steht die Rechtmäßigkeit des gegen den Antragsteller ergangenen Steueränderungsbescheides zwischen den Beteiligten rechtskräftig fest (§ 110 FGO). Der Senat ist deshalb auch im Beschwerdeverfahren daran gehindert festzustellen, daß die Anfechtungsklage gegen den Steuerbescheid, für die der Antragsteller PKH begehrt, Aussicht auf Erfolg hat. Er kann somit die PKH nicht mehr rückwirkend bewilligen (Senatsbeschluß in BFHE 141, 494, BStBl II 1984, 838).

Selbst wenn im Falle einer ungerechtfertigten Verzögerung der Entscheidung über den Antrag eine Bewilligung von PKH auch noch nach rechtskräftiger Abweisung der Klage möglich sein sollte, weil für die Beurteilung der Erfolgsaussicht der Zeitpunkt maßgeblich ist, in dem bei ordnungsgemäßer Verfahrensweise spätestens hätte entschieden werden müssen (vgl. Senatsbeschluß in BFHE 141, 494, BStBl II 1984, 838), kann dieser Gesichtspunkt im Streitfall nicht zum Erfolg der Beschwerde führen. Denn der Antragsteller hat keine Anhaltspunkte dafür vorgetragen, daß die Erfolgsaussicht in einem früheren Stadium des Verfahrens anders zu beurteilen gewesen wäre als im Zeitpunkt der Entscheidung über die Beschwerde.

Es mag zwar sein, daß das FG in dem genannten Zeitpunkt eine andere Rechtsauffassung als die später im Urteil vertretene gehabt hat; ein Indiz dafür ist die gewährte Aussetzung der Vollziehung. Dies kann jedoch im Beschwerdeverfahren nicht entscheidend sein, weil es hier nicht auf die vermeintliche Auffassung des FG, sondern auf die tatsächlichen Umstände ankommt, die im maßgebenden Zeitpunkt der Bewilligungsreife als Grundlage für die Beurteilung der Erfolgsaussicht bekannt waren. Diese waren aber damals keine anderen als die dem Urteil zugrunde gelegten. In diesem Fall hindert das inzwischen rechtskräftige Urteil den Senat daran, im Hinblick auf die allein entscheidungserheblich gewesene Rechtsfrage unabhängig von der getroffenen Entscheidung über die Erfolgsaussicht der Klage zu befinden.

Ein Vertrauensschutz, den der Antragsteller aus angeblichen Äußerungen des Vorsitzenden Richters herleiten will, besteht nicht, weil über den Antrag auf Bewilligung von PKH nur das Gericht entscheiden kann (§ 142 FGO i.V.m. § 127 Abs. 1 Satz 2 ZPO). Für die Bewilligung der PKH besteht daher auch aus diesem Grunde kein Raum (vgl. u.a. Senatsbeschlüsse vom 13. Juni 1989 VII B 167/88, BFH/NV 1990, 259, und vom 9. Februar 1988 VII B 144/87, BFH/NV 1988, 663).

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