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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesfinanzhof
Beschluss verkündet am 22.07.1999
Aktenzeichen: VII B 19/99
Rechtsgebiete: FGO


Vorschriften:

FGO § 115 Abs. 2 Nr. 2
FGO § 118 Abs. 2 Nr. 3
FGO § 115 Abs. 3 Satz 3
FGO § 76 Abs. 1
FGO § 76 Abs. 2
FGO § 108
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe

Die Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) sind Eheleute. Die von ihnen nach erfolglosen Einspruchsverfahren erhobenen und vom Finanzgericht (FG) verbundenen Anfechtungsklagen gegen die Duldungsbescheide des Beklagten und Beschwerdegegners (Finanzamt --FA--) wurden vom FG als unbegründet abgewiesen.

Das FG führte im wesentlichen aus, die Eltern bzw. Schwiegereltern der Kläger (Steuerschuldner), die beim FA Steuerschulden in Höhe von ... DM hätten, von denen ... DM bestandskräftig festgesetzt seien, hätten mit schriftlichen Sicherungsabtretungsvereinbarungen vom 8./15. Oktober 1990 und vom 12./15. Mai 1994 ihre Forderungen aus Kooperationsverträgen gegen die Firmen S und B zur Sicherung der Rückzahlung eines am 3. Oktober 1990 bei den Klägern aufgenommenen Darlehens in Höhe von ... DM an die Kläger abgetreten. Dadurch sei die Zugriffslage des FA objektiv beeinträchtigt worden. Die Abtretungen seien auch in Gläubigerbenachteiligungsabsicht erfolgt. Die Sicherung der Darlehensrückzahlung sei nämlich in § 4 des Darlehensvertrags anderweitig geregelt gewesen. Daher hätten die Kläger aus diesem Vertrag keinen Anspruch gegen die Steuerschuldner auf Abtretung der Forderungen gehabt, so daß die Schuldner den Klägern eine inkongruente Sicherung eingeräumt hätten. Die von den Klägern behauptete mündliche Vereinbarung der streitigen Sicherungsabtretungen bereits beim Abschluß des Darlehensvertrags, am 3. Oktober 1990, sei in der durchgeführten Beweisaufnahme nicht bestätigt worden; sie sei nicht glaubhaft. Die Kläger hätten die Gläubigerbenachteiligungsabsicht der Schuldner gekannt. Sie hätten gewußt, daß sie auf die Sicherungsabtretungen keinen vertraglichen Anspruch gehabt, und daß die Schuldner Steuerschulden hätten. Das FA habe daher die Duldungsbescheide mit Recht auf § 3 Abs. 1 Nr. 1 des Anfechtungsgesetzes gestützt.

Ihre Beschwerde wegen Nichtzulassung der Revision stützen die Kläger auf Divergenz (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--) sowie auf Verfahrensfehler (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO).

Die Beschwerde entspricht nicht den gesetzlichen Anforderungen an die Bezeichnung einer Divergenz bzw. eines Verfahrensmangels (§ 115 Abs. 3 Satz 3 FGO) und ist daher unzulässig.

1. Bei einer auf Divergenz (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO) gestützten Nichtzulassungsbeschwerde muß unter genauer Bezeichnung der Divergenzentscheidung(en) des Bundesfinanzhofs (BFH) bzw. des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) kenntlich gemacht werden, zu welcher konkreten Rechtsfrage eine Abweichung vorliegt. Der Beschwerdeführer muß dartun, daß das vorinstanzliche Gericht seiner Entscheidung einen abstrakten Rechtssatz zugrundegelegt hat, der mit der näher angeführten Rechtsprechung des BFH bzw. des BVerfG nicht übereinstimmt. Hierzu müssen in der Beschwerdebegründung abstrakte Rechtssätze des angefochtenen Urteils und der mutmaßlichen Divergenzentscheidung(en) herausgearbeitet und gegenübergestellt werden, so daß eine Abweichung erkennbar wird. Es muß sich jeweils um die Entscheidung tragende Rechtssätze handeln (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. die BFH-Beschlüsse vom 23. April 1992 VIII B 49/90, BFHE 167, 488, BStBl II 1992, 671, 672, und vom 7. Dezember 1994 II B 179/93, BFH/NV 1995, 695, jeweils m.w.N.).

Die Beschwerdeschrift entspricht diesen Anforderungen nicht. Die Kläger behaupten darin lediglich eine Abweichung der angefochtenen Vorentscheidung von dem Urteil des erkennenden Senats vom 13. Januar 1987 VII R 10/84 (BFH/NV 1987, 728), ohne jedoch durch Gegenüberstellung von Rechtssätzen aus beiden Entscheidungen deutlich zu machen, worin die Abweichung bestehen soll. Die von den Klägern behauptete Abweichung liegt auch nicht vor. Das von ihnen als Divergenzentscheidung in Anspruch genommene Senatsurteil verlangt eine positive Kenntnis des Duldungspflichtigen von der Gläubigerbenachteiligungsabsicht des Steuerschuldners. Von dieser Voraussetzung geht auch das angefochtene Urteil des FG aus (Nr. 3 des Urteils mit der Überschrift "Kenntnis des anderen Teils von der Gläubigerbenachteiligungsabsicht"), was von den Klägern im Grunde auch eingeräumt wird, indem sie im Zusammenhang mit der Divergenzrüge beanstanden, das FG habe sich nur in wenigen Sätzen mit der Frage der Kenntnis der Kläger von der Gläubigerbenachteiligungsabsicht der Schuldner auseinandergesetzt. In Wirklichkeit machen die Kläger damit geltend, die vom FG ausgesprochene Rechtsfolge sei nicht durch ausreichende tatsächliche Feststellungen gedeckt. Dies wäre indessen ein materiell-rechtlicher Fehler, der nicht zur Zulassung der Revision führt (vgl. Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 4. Aufl. 1997, § 115 Rz. 27, m.w.N.).

2. Auch unter dem Gesichtspunkt einer Verletzung der gemäß § 76 Abs. 1 FGO (nicht § 76 Abs. 2 FGO) bestehenden Sachaufklärungspflicht des FG bezeichnet die Beschwerdeschrift einen Verfahrensmangel nicht ausreichend i.S. des § 115 Abs. 3 Satz 3 FGO. Es wird wiederum lediglich behauptet, das FG habe es unterlassen, die Umstände hinsichtlich der Kenntnis der Kläger von der Gläubigerbenachteiligungsabsicht aufzuklären, und habe daher den entscheidungserheblichen Sachverhalt nicht vollständig festgestellt.

Nach § 76 Abs. 1 FGO erforscht das Gericht den Sachverhalt von Amts wegen. Es ist dabei an das Vorbringen und an die Beweisanträge der Beteiligten nicht gebunden. Nach ständiger Rechtsprechung des BFH ist diese Bestimmung dahin auszulegen, daß die Tatsacheninstanz gehalten ist, erforderlichenfalls unter Ausnutzung aller verfügbarer Beweismittel den Sachverhalt so vollständig wie möglich aufzuklären. Hat ein Beteiligter in der Vorinstanz keinen entsprechenden Beweisantrag gestellt, erfordert eine gemäß § 115 Abs. 3 Satz 3 FGO schlüssige Rüge, das FG habe gegen seine Pflicht zur Sachaufklärung gemäß § 76 Abs. 1 FGO verstoßen, die Angabe der Tatsachen, die es auch ohne besonderen Antrag hätte aufklären müssen, oder der zu erhebenden Beweise sowie die Darlegung, weshalb sich dem FG die Notwendigkeit weiterer Sachaufklärung oder einer Beweiserhebung hätte aufdrängen müssen, was sich bei weiterer Sachaufklärung voraussichtlich ergeben hätte und inwiefern das Ergebnis vom materiell-rechtlichen Standpunkt des FG aus entscheidungserheblich gewesen wäre (vgl. BFH-Beschluß vom 11. November 1997 II B 3/97, BFH/NV 1998, 604, m.w.N.).

Auch hierzu entsprechen die Darlegungen der Kläger nicht den Anforderungen. Sie stellen lediglich die tatsächliche Würdigung und die Beweiswürdigung des FG in Frage, indem sie vorbringen, das FG sei der Aussage des einen Steuerschuldners, die streitigen Abtretungen seien mündlich bereits am 3. Oktober 1990 vereinbart worden, nicht gefolgt, und habe auch die Bedeutung der Aussage des Zeugen X verkannt und diese unzureichend gewürdigt. Das Vorbringen, das FG hätte nicht ohne weiteres davon ausgehen dürfen, daß die Kläger gewußt hätten, sie hätten auf die streitigen Abtretungen keinen Anspruch, stellt insgesamt als Kritik an der finanzgerichtlichen Beweiswürdigung lediglich eine im Rahmen einer Nichtzulassungsbeschwerde unbeachtliche Rüge der Verletzung materiellen Rechts dar (vgl. Gräber/Ruban, a.a.O., § 115 Rz. 28). Soweit die Kläger in diesem Zusammenhang weiter vorbringen, das FG hätte ihren Prozeßbevollmächtigten, der den schriftlichen Sicherungsabtretungsvertrag am 5. Oktober 1990 gefertigt habe, zur Frage des zeitlichen Zusammenhangs dieses Vertrags mit der Unterzeichnung des Darlehensvertrags am 3. Oktober 1990 hören müssen, haben die Kläger nicht dargelegt, daß sie einen entsprechenden Beweisantrag gestellt haben bzw. daß sich dem FG die Vernehmung des Prozeßbevollmächtigten zu dieser Frage auch ohne Antrag hätte aufdrängen müssen.

3. Soweit die Kläger schließlich rügen, das FG habe bei seiner Entscheidung zahlreiche weitere Fakten außer acht gelassen, die sich aus der "bekannten Aktenlage" ergeben, machen sie geltend, das FG habe gegen den klaren Inhalt der Akten verstoßen (§ 96 Abs. 1 Satz 1 FGO). Diese Rüge ist nur dann ordnungsgemäß erhoben, wenn das diesbezügliche Vorbringen mit der gebotenen Klarheit erkennen läßt, welche Aktenteile das FG bei seiner Entscheidung außer acht gelassen haben soll oder zu welchen Aktenteilen die vom FG getroffenen tatsächlichen Feststellungen in Widerspruch stehen sollen (vgl. etwa BFH-Beschluß vom 23. Januar 1996 VIII B 57/95, BFH/NV 1996, 492).

Der Hinweis auf die "bekannte Aktenlage" stellt keine schlüssige Rüge eines Verstoßes gegen den klaren Inhalt der Akten dar. An keiner Stelle wird ausgeführt, welche tatsächliche Feststellung des FG gegen welchen genau bezeichneten Akteninhalt verstoßen soll. Im Kern geht es den Klägern auch hier wiederum nur darum, die ihrer Ansicht nach unzutreffende Tatsachen- und Beweiswürdigung des FG offenzulegen, und diese als nicht nachvollziehbar darzustellen. Damit wird indessen ein Verfahrensfehler, der zur Zulassung der Revision führen könnte, nicht dargelegt. Für behauptete Unrichtigkeiten im Tatbestand des Urteils wäre zudem das Berichtigungsverfahren nach § 108 FGO einzuleiten gewesen. Dies haben die Kläger aber nicht getan.

Sollte das FG, wie die Kläger meinen, tatsächlich keine ausreichenden Feststellungen zur positiven Kenntnis der Kläger von der Gläubigerbenachteiligungsabsicht der Steuerschuldner getroffen haben, so wäre dies, wie ausgeführt (oben Nr. 1), ein materiell-rechtlicher Mangel des vorinstanzlichen Urteils, der als solcher nicht zur Zulassung der Revision führt.

Ende der Entscheidung

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