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Gericht: Bundesfinanzhof
Beschluss verkündet am 26.01.2006
Aktenzeichen: VII B 220/05
Rechtsgebiete: AO 1977, FGO


Vorschriften:

AO 1977 § 34 Abs. 1
AO 1977 § 69
FGO § 115 Abs. 2
FGO § 116 Abs. 3 Satz 3
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

I. Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) war Geschäftsführer der X-GmbH. Seit 1997 war ihm von der ausländischen Muttergesellschaft ein Finanzdirektor (V) zur Seite gestellt worden mit der Maßgabe, Zahlungen ab August 1998 auf die notwendigen Haushaltsabführungen, Gehälter und Warenlieferungen zu beschränken und nur mit Zustimmung des V vorzunehmen. Im September 1998 wurde die Liquidation der GmbH zum Handelsregister angemeldet. Der Kläger und Herr S wurden zu gemeinsam vertretungsberechtigten Liquidatoren bestellt. Am 14. Oktober 1998 teilte S dem Kläger mit, sämtliche Geschäftsvorfälle selbst bestimmen zu wollen. Durch Gesellschafterbeschluss vom 18. November 1998 erhielt S Einzelvertretungsberechtigung, der Kläger blieb zusammen mit ihm zur Vertretung berechtigt. Unter dem 20. November 1998 kündigte der Kläger fristlos. Am 1. März 1999 wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen der GmbH eröffnet.

Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt --FA--) nahm den Kläger als gesetzlichen Vertreter der GmbH gemäß § 69 i.V.m. § 34 Abs. 1 der Abgabenordnung (AO 1977) mit Haftungsbescheid für rückständige Lohnabzugsbeträge --letztlich beschränkt auf den Monat Oktober 1998-- in Anspruch. Einspruch und Klage blieben erfolglos. Das Finanzgericht (FG) sah in der Nichtabführung der Lohnabzugsbeträge eine grob fahrlässige Pflichtverletzung des Klägers, auch wenn nach der internen Aufgabenverteilung S für die Abführungen der Lohnabzugsbeträge zuständig gewesen sein sollte. Jede Aufgabenverteilung werde obsolet und der gesetzliche Vertreter müsse sich selbst um die steuerlichen Pflichten der von ihm vertretenen juristischen Person kümmern, wenn er Anlass habe an der Pflichterfüllung derjenigen zu zweifeln, auf die solche steuerlichen Pflichten delegiert worden seien. Solche Zweifel hätten sich dem Kläger angesichts der Anordnungen der Muttergesellschaft und der beschlossenen Liquidation der GmbH aufdrängen müssen. Zumindest sei er zur Wahrnehmung von Aufsichtsmaßnahmen verpflichtet gewesen, gegebenenfalls hätte er zurücktreten müssen.

Mit der Nichtzulassungsbeschwerde rügt der Kläger als Verfahrensmangel, dass das FG den schriftsätzlich als Zeugen benannten V, der Vermutungen hätte entgegentreten können, dass der Kläger in der konkreten Situation im Jahr 1998 grob fahrlässig gehandelt habe, nicht vernommen hat. Im Übrigen wendet er sich gegen die Auffassung des FG, die GmbH habe sich wirtschaftlich in einer Krisensituation befunden.

II. Die Beschwerde ist unzulässig. Der Kläger hat keinen Zulassungsgrund i.S. des § 115 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) in der nach § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO gebotenen Weise dargelegt.

1. Mit der Rüge, das FG habe einen angebotenen Beweis nicht erhoben, ist der Verfahrensfehler mangelhafter Sachaufklärung nur dann ordnungsgemäß dargelegt, wenn zusätzlich vorgetragen wird, dass die nicht zureichende Aufklärung des Sachverhalts und die Nichterhebung der angebotenen Beweise in der mündlichen Verhandlung gerügt wurde oder weshalb diese Rüge nicht möglich war (vgl. Senatsbeschluss vom 16. Dezember 2003 VII B 10/03, BFH/NV 2004, 529, m.w.N.). Da der im finanzgerichtlichen Verfahren geltende Untersuchungsgrundsatz eine Verfahrensvorschrift ist, auf deren Einhaltung ein Beteiligter ausdrücklich oder durch Unterlassen einer Rüge verzichten kann (§ 155 FGO i.V.m. § 295 der Zivilprozessordnung), hat die Unterlassung der rechtzeitigen Rüge den endgültigen Rügeverlust --z.B. auch zur Begründung einer Nichtzulassungsbeschwerde-- zur Folge. Das Übergehen eines Beweisantrages oder einer unterlassenen Zeugeneinvernahme kann deshalb im Rahmen der Nichtzulassungsbeschwerde nicht mehr mit der Verfahrensrüge angegriffen werden, wenn der in der maßgeblichen Verhandlung selbst anwesende oder fachkundig vertretene Beteiligte, dem die Nichtbefolgung seiner Beweisanträge erkennbar war, den Verfahrensverstoß nicht gerügt und damit auf die Wahrnehmung seiner Rechte verzichtet hat (vgl. Senatsbeschluss vom 17. Dezember 1999 VII B 183/99, BFH/NV 2000, 597).

Nach dem Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 16. Juni 2005 wurde die Sach- und Rechtslage mit dem Prozessbevollmächtigten des Klägers erörtert. Der schriftsätzlich angekündigte Beweisantrag ist nicht gestellt worden. Gründe, die den Prozessbevollmächtigten gehindert haben könnten, die Zeugenvernehmung zu beantragen, sind weder vorgetragen noch ersichtlich.

Im Übrigen war die unter Beweis gestellte Nachfrage des Klägers bei V Anfang November 1998, ob die Gehälter und Lohnnebenkosten ausgekehrt worden seien, für die Entscheidung des FG nicht erheblich. Das FG stützt die Pflichtverletzung des Klägers entscheidend darauf, dass der gesetzliche Vertreter einer GmbH die Führung der Geschäfte durch einen anderen --im Streitfall durch "S oder womöglich V"-- nicht dulden dürfe, dass er in einem solchen Fall zumindest zur Wahrnehmung von Aufsichtsmaßnahmen verpflichtet sei. In der bloßen Nachfrage des Klägers bei V kann nach dieser Rechtsauffassung keine hinreichende Pflichterfüllung gesehen werden. Auf den angebotenen Beweis konnte das FG daher verzichten.

2. Mit seinem Einwand, das FG habe die grob fahrlässige Pflichtverletzung des Klägers aus der verfehlten Annahme abgeleitet, dass sich die GmbH infolge wirtschaftlicher Schwierigkeiten in einer Krisensituation befunden habe, macht der Kläger keinen der in § 115 Abs. 2 FGO genannten Zulassungsgründe geltend. Er wendet sich vielmehr in der Art einer Revisionsbegründung gegen die materielle Richtigkeit der Vorentscheidung. Dies kann nicht zur Zulassung der Revision führen (vgl. z.B. Beschluss des Bundesfinanzhofs vom 4. Juli 2002 IX B 169/01, BFH/NV 2002, 1476).

Im Übrigen hat das FG die Krisensituation, aus der heraus es eine eigene Verantwortung des Klägers für die Abführung der Lohnsteuern auch bei einer ansonsten steuerlich anzuerkennenden Aufgabenverteilung zwischen dem Kläger und dem anderen bestellten Liquidator S ableitet, entgegen der Darstellung des Klägers nicht mit Zahlungsschwierigkeiten der GmbH begründet. Die Betonung liegt vielmehr darauf, dass der gesetzliche Vertreter einer GmbH sich regelmäßig nicht dadurch entlasten könne, dass die Führung der Geschäfte von einem anderen wahrgenommen werde und dass eine faktische Aufgabenverteilung jedenfalls dann obsolet werde, wenn Anlass bestehe, an der Pflichterfüllung desjenigen zu zweifeln, der die Erfüllung der steuerlichen Pflichten übernommen habe. Solche Zweifel mussten sich nach Auffassung des FG dem Kläger angesichts der von der ausländischen Muttergesellschaft angeordneten Zahlungsbeschränkungen einerseits und der bereits zum Handelsregister angemeldeten Liquidation der GmbH andererseits aufdrängen. Auf die vom Kläger bestrittene Zahlungsunfähigkeit oder eine sonstige interne Krisensituation der GmbH kam es danach für die Entscheidung des FG nicht an.

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