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Gericht: Bundesfinanzhof
Beschluss verkündet am 29.05.2009
Aktenzeichen: VII B 233/08
Rechtsgebiete: FGO


Vorschriften:

FGO § 115 Abs. 2 Nr. 1
FGO § 116 Abs. 3 S. 3
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

I.

Die Oberfinanzdirektion, deren Zuständigkeit inzwischen auf den Beklagten und Beschwerdegegner (Hauptzollamt) übergegangen ist, erteilte der Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) im Mai 2007 zwei verbindliche Zolltarifauskünfte (vZTA) für die Erzeugnisse D 200 A und D 800, mit denen die Waren in die Unterpos. 2927 00 00 der Kombinierten Nomenklatur (KN) eingereiht wurden.

Die hiergegen nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhobene Klage wies das Finanzgericht (FG) ab. Es urteilte, dass die erteilten vZTA rechtmäßig seien. Bei den Erzeugnissen handele es sich jeweils um die chemisch einheitliche Verbindung Azodicarbonamid mit einem Reinheitsgrad von 99%, die in dem Erzeugnis D 200 A mit 0,3%, in dem Erzeugnis D 800 mit 1% Kieselsäure als Antibackmittel versehen sei. Eine Einreihung in die von der Klägerin gewünschte Pos. 3824 KN scheitere schon daran, dass sie chemische Erzeugnisse nur dann erfasse, wenn diese in einer anderen Position der KN weder genannt noch inbegriffen seien. Die streitigen Erzeugnisse seien jedoch als chemisch einheitliche organische Verbindungen i.S. der Anm. 1 Buchst. a zu Kap. 29 KN der Unterpos. 2927 00 00 KN zugewiesen. Der Zusatz von 0,3% bzw. 1% Kieselsäure ändere daran nichts, da nach Anm. 1 Buchst. f zu Kap. 29 KN und den Erläuterungen zum Harmonisierten System (ErlHS) zu Kap. 29 Randnr. 11.0 und Kap. 28 Randnr. 14.0 zu den dort genannten chemischen Verbindungen auch solche mit Zusatz eines zu ihrer Erhaltung oder ihrem Transport notwendigen Stabilisierungsmittels --auch Antibackmittel-- zählen, sofern die Menge dieses Zusatzes weder das notwendige Maß überschreite, das für den beabsichtigten Zweck erforderlich sei, noch den Charakter des chemischen Erzeugnisses in der Weise verändere, dass es nicht mehr für den allgemeinen Gebrauch geeignet wäre. Diese Bedingungen seien im Streitfall erfüllt. Ob die Kieselsäure noch weitere Eigenschaften als die eines Stabilisierungsmittels habe, sei unbeachtlich.

Hiergegen richtet sich die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin, die sie mit der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--) begründet.

II.

Die Beschwerde ist bei Zweifeln an der nach § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO gebotenen schlüssigen Darlegung eines Zulassungsgrundes i.S. des § 115 Abs. 2 FGO jedenfalls unbegründet.

1.

Geht es --wie im Streitfall-- allein darum, ob die Zollverwaltung die betreffende Ware zutreffend in den Zolltarif eingereiht hat oder ob die gegenteilige Auffassung des Beschwerdeführers die richtige ist, beschränkt sich also die Rechtsfrage, der grundsätzliche Bedeutung i.S. von § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO zukommen soll, auf die Frage der zutreffenden Tarifierung, so kommt, wie der beschließende Senat in seinem Beschluss vom 11. Februar 2002 VII B 136/01 (BFHE 198, 242) ausgeführt hat, der Klärungsbedürftigkeit der Tarifierungsfrage und ihrer ausreichenden Darlegung (§ 116 Abs. 3 Satz 3 FGO) entscheidende Bedeutung zu. Hat das FG die Tarifauffassung der Zollverwaltung bestätigt, muss der Beschwerdeführer unter Heranziehung der zu dieser Frage ggf. vorhandenen Literatur und Rechtsprechung der europäischen und der nationalen Gerichte sowie der einschlägigen Zolltarifmaterialien (Avise, Erläuterungen u.a.) Zweifel an dieser Einreihung der Ware erwecken und aufzeigen, aus welchen Gründen seiner abweichenden Tarifauffassung möglicherweise der Vorzug vor der Tarifauffassung der Zollverwaltung gegeben werden könnte.

Derartige Zweifel begründet das Beschwerdevorbringen indes nicht.

a)

Die Klägerin stellt selbst nicht in Abrede, dass das FG die Anmerkungen und ErlHS zu Kap. 28, 29 und 38 KN seiner Entscheidung zugrunde gelegt hat. Sie rügt, das FG gehe rechtsfehlerhaft davon aus, dass es sich bei der Beimischung der Kieselsäure lediglich um einen tolerierten Zusatz eines Stabilisierungsmittels handele. Das FG wende die ErlHS nicht zutreffend an, indem es die sonstigen produktverändernden Eigenschaften der Kieselsäure allein wegen deren geringen Gewichtsanteils im Endprodukt ignoriere. Mit diesem Vorbringen beschreibt die Klägerin allerdings keinen Rechtsfehler in der Anwendung des Zolltarifs, sondern eine vermeintlich falsche Qualifizierung der Bestandteile der einzureihenden Erzeugnisse und wendet sich damit, ohne einen Verfahrensfehler zu rügen, gegen die tatrichterlichen Feststellungen und die daran anknüpfende rechtliche Bewertung des Zusatzes der Kieselsäure (vgl. § 118 Abs. 2 FGO). Ein solcher Fehler rechtfertigte --selbst wenn er vorläge-- eine Revisionszulassung nicht. Die tatrichterliche Überzeugungsbildung, die Tatsachen- bzw. Sachverhaltswürdigung sowie Schlussfolgerungen tatsächlicher Art sind nämlich einer Nachprüfung durch den Bundesfinanzhof (BFH) weitgehend entzogen. Die tatrichterliche Überzeugungsbildung der Vorinstanz (§ 96 Abs. 1 FGO) ist nur insoweit revisibel, als Verstöße gegen die Verfahrensordnung, gegen Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze vorliegen (ständige Rechtsprechung, Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 6. Aufl., § 118 Rz 30; Seer in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 118 FGO Rz 87, m.w.N.). Solche Verstöße sind jedoch im Streitfall weder vorgetragen noch sonst erkennbar. In dem angestrebten Revisionsverfahren wäre es nicht zu beanstanden, dass das FG aus den ihm vorliegenden Umständen abgeleitet hat, die zugesetzte Menge der Kieselsäure überschreite weder das zur Stabilisierung notwendige Maß noch verändere sie den Charakter des Azodicarbonamids. Die Klägerin verkennt, dass die vorinstanzlichen Schlussfolgerungen den BFH als Revisionsgericht schon dann binden, wenn sie möglich (vertretbar) sind; sie müssen nicht zwingend sein (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. BFH-Beschluss vom 10. Februar 2005 VI B 113/04, BFHE 209, 211, BStBl II 2005, 488, mit weiterführenden Hinweisen).

b)

Die aufgeworfene Frage nach den "Anforderungen an eine chemische Zubereitung im Sinne der Position 3824" ist nach alledem nicht klärungsbedürftig und damit nicht von grundsätzlicher Bedeutung, weil nach dem Wortlaut dieser Position die Einreihung dahin nur in Betracht kommt, wenn die dort genannten chemischen Erzeugnisse "anderweit weder genannt noch inbegriffen" sind. Nach der hier zugrunde zu legenden, revisionsrechtlich nicht zu beanstandenden Rechtsauffassung des FG (s.o.) sind die Erzeugnisse aber in die Pos. 2927 00 00 KN einzureihen.

2.

Mit dem Hinweis auf eine uneinheitliche Verwaltungspraxis in der Vergangenheit wird kein Zulassungsgrund geltend gemacht. In § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO ist neben der Fortbildung des Rechts nur die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung als Zulassungsgrund genannt. Divergierende finanzgerichtliche Entscheidungen hat die Klägerin jedoch nicht angeführt. Im Übrigen würde auch eine uneinheitliche Verwaltungspraxis angesichts der Gegebenheiten des Streitfalls allein nicht ausreichen, Klärungsbedarf im Hinblick auf die aufgeworfene Frage der zutreffenden Tarifierung zu begründen.

Ende der Entscheidung

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