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Gericht: Bundesfinanzhof
Beschluss verkündet am 15.09.2006
Aktenzeichen: VII B 234/05
Rechtsgebiete: FGO, StromStG, GG


Vorschriften:

FGO § 115 Abs. 2 Nr. 1
FGO § 116 Abs. 3 Satz 3
StromStG § 2 Nr. 4
StromStG § 9 Abs. 4
GG Art. 3 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

I. Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) ist ein Wasser- und Bodenverband in der Rechtsform einer Körperschaft des öffentlichen Rechts. Mitglieder des Verbandes sind u.a. kreisfreie und dem Kreis angehörende Städte, Gemeinden, Kreise sowie Unternehmen und sonstige Träger der öffentlichen Wasserversorgung im Verbandsgebiet. Satzungsgemäß obliegt dem Kläger insbesondere die Beschaffung und Bereitstellung von Wasser zur Trink- und Betriebswasserversorgung sowie zur Ausnutzung der Wasserkraft und die Abwasserbeseitigung im Verbandsgebiet. Unter Zurücknahme bereits im Jahre 1999 gestellter Anträge stellte der Kläger im Dezember 2001 erneut einen Antrag auf Erlaubnis zur steuerbegünstigten Entnahme von Strom nach § 9 Abs. 4 des Stromsteuergesetzes (StromStG). Als wirtschaftliche Tätigkeit gab er "Wassergewinnung und Wasserversorgung" an und wies darauf hin, dass der Bereich "Trinkwasser" wirtschaftlich, personell und organisatorisch gegenüber dem übrigen Verband selbstständig sei und eigenes Vermögen besitze. Mit der Begründung, dass der Verband nicht den Unternehmensbegriff des § 2 Nr. 4 StromStG erfülle, lehnte der Beklagte und Beschwerdegegner (das Hauptzollamt --HZA--) den Antrag ab. Einspruch und Klage hatten keinen Erfolg.

Das Finanzgericht (FG) urteilte, das HZA habe den Antrag zu Recht abgelehnt. Da der Verband sowohl stromsteuerrechtlich begünstigte als auch nicht begünstigte Tätigkeiten ausübe, habe die Zuordnung zu einem Abschnitt der Klassifikation der Wirtschaftszweige des Statistischen Bundesamtes, Ausgabe 1993 (WZ 93) --Klassifikation der Wirtschaftszweige-- nach dem Schwerpunkt der wirtschaftlichen Tätigkeit zu erfolgen. Hierzu habe der Kläger bereits bei seiner Antragstellung im Jahre 1999 erklärt, 70 % des Umsatzes werde im Bereich "Abwasserbeseitigung" erzielt, so dass von einem Schwerpunkt im Bereich Produzierendes Gewerbe nicht ausgegangen werden könne. Der Bereich "Trinkwasser" könne dabei nicht isoliert betrachtet werden. Denn das StromStG weise in § 2 Nr. 4 einen eigenständigen Unternehmensbegriff auf. Danach seien Unternehmen i.S. von § 2 Nr. 3 StromStG die kleinste rechtlich selbstständige Einheit sowie kommunale Eigenbetriebe, die auf Grundlage der Eigenbetriebsgesetze oder Eigenbetriebsverordnungen der Länder geführt würden. Auf einzelne Tätigkeitsbereiche eines Unternehmens könne folglich nicht abgestellt werden. Der Bereich "Trinkwasser" sei nicht als Eigenbetrieb nach der Eigenbetriebsverordnung organisiert, auch wenn der Wirtschaftsplan danach aufgestellt sein sollte. Es könne auch dahingestellt bleiben, ob dieser Bereich personell und wirtschaftlich eigenständig organisiert sei. Denn allein entscheidend sei die rechtliche Selbstständigkeit. Eigene Rechtspersönlichkeit besitze der Bereich "Trinkwasser" jedoch nicht. Aus Gründen der Praktikabilität und der Effektivität des Verwaltungsvollzugs habe der Gesetzgeber eine formale Betrachtungsweise angestellt. Eine stromsteuerrechtliche Begünstigung könne daher nur über eine Ausgliederung des Trinkwasserbereichs aus dem Verband erreicht werden; dies erfordere jedoch eine Änderung des entsprechenden Landesgesetzes.

Mit seiner Beschwerde begehrt der Kläger die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Der in § 2 Nr. 4 StromStG festgelegte Unternehmensbegriff begegne verfassungsrechtlichen Bedenken. Aufgrund der gesetzlichen Vorgaben sei der Kläger gezwungen, den Bereich "Trinkwasser" nicht als Eigenbetrieb, sondern als einen der Art nach rechtlich unselbstständigen Regiebetrieb zu führen. Die damit verbundene Diskriminierung von Regiebetrieben gegenüber Eigenbetrieben stelle einen Verstoß gegen den Grundsatz der Gleichmäßigkeit der Besteuerung dar. Auf das in Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) verankerte Willkürverbot könnten sich auch Körperschaften des öffentlichen Rechts berufen. Danach sei es unzulässig, dass eine zahlenmäßig begrenzte Gruppe typischer Fälle ohne ausreichenden sachlichen Grund wesentlich stärker belastet werde. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) sei die Anlehnung der stromsteuerrechtlichen Subventionstatbestände an die Klassifikation der Wirtschaftszweige verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Allerdings habe der Gesetzgeber die Regiebetriebe ungerechtfertigt und damit willkürlich von dieser Begünstigung ausgenommen. Beide Organisationsformen --Regie- und Eigenbetriebe-- seien wirtschaftlich vergleichbar. Sie stellten beide die Wasserversorgung und damit Grundbedürfnisse der Bevölkerung sicher. Sachwidrig werde dem Kläger die Begünstigung allein deshalb versagt, weil er den Trinkwasserbereich nicht als Sondervermögen in Form eines Eigenbetriebes führe. Eine eigenständige Gewinnermittlung von Regiebetrieben sei durchaus sichergestellt (§ 4 Abs. 5 des Körperschaftsteuergesetzes). Daher bestünden nach Gleichbehandlungsgrundsätzen erhebliche Bedenken, Unternehmen lediglich aufgrund ihrer rechtlichen Organisationsform steuerlich unterschiedlich zu behandeln. Die Grenze einer verfassungsrechtlich zulässigen Typisierung sei im Streitfall überschritten. Eine Ausgliederung von Unternehmensteilen sei zwar für privatwirtschaftliche Unternehmen möglich, jedoch aufgrund der Gesetzeslage in den Bundesländern für Wasserverbände faktisch ausgeschlossen. Der Aufwand, der zur Erlangung einer entsprechenden Genehmigung betrieben werden müsste, sei unverhältnismäßig hoch. Die Frage der Verfassungskonformität von § 2 Nr. 4 StromStG sei für eine Vielzahl von Wasserverbänden von erheblicher Relevanz. Da im Bundesgebiet einigen Wasserverbänden für den Teilbereich "Wasserversorgung" eine Erlaubnis nach § 9 Abs. 4 StromStG erteilt worden sei, stelle sich zudem die Frage, ob der Gesetzgeber dem Bestimmtheitsgebot ausreichend Rechnung getragen habe. Die unterschiedliche Genehmigungspraxis sei ein gewichtiges Indiz für die fehlende Bestimmtheit der gesetzlichen Regelung.

Das HZA tritt der Beschwerde entgegen. Es ist der Ansicht, dass der Kläger die von ihm behauptete grundsätzliche Bedeutung der unzureichend formulierten Rechtsfrage und den Eingriff in den von Art. 3 Abs. 1 GG geschützten Bereich nicht hinreichend dargelegt habe. Im Übrigen sei eine willkürliche Ungleichbehandlung des Klägers im Vergleich zu privatrechtlich organisierten Unternehmen nicht zu erkennen. Die vom Gesetzgeber vorgenommene Typisierung sei nicht zu beanstanden. Dieser habe die besondere Situation des Klägers nicht berücksichtigen müssen. Weder im Verwaltungsverfahren noch im finanzgerichtlichen Verfahren sei aufgeklärt worden, ob es sich bei dem Bereich "Trinkwasser" tatsächlich um einen Regiebetrieb des Klägers bzw. um eine einem Regiebetrieb ähnliche Organisationsform handle. Aber selbst wenn dies der Fall sei, sei die vom Gesetzgeber vorgenommene Differenzierung insbesondere aus Praktikabilitätsgründen legitimiert. Der vom Kläger behauptete Verstoß gegen das Bestimmtheitsgebot liege ebenfalls nicht vor.

II. Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Der beschließende Senat kann dahingestellt sein lassen, ob die Beschwerde den Darlegungserfordernissen des § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO genügt; jedenfalls ist die vom Kläger aufgeworfene Rechtsfrage nicht von grundsätzlicher Bedeutung.

a) Einer Rechtsfrage kommt nur dann grundsätzliche Bedeutung zu, wenn sie klärungsbedürftig und klärungsfähig ist (vgl. Entscheidungen des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 16. Juli 1999 IX B 81/99, BFHE 189, 401, BStBl II 1999, 760, und vom 21. April 1999 I B 99/98, BFHE 188, 372, BStBl II 2000, 254, m.w.N.). An der zu fordernden Klärungsbedürftigkeit fehlt es jedoch, wenn sich die Beantwortung der Rechtsfrage ohne weiteres aus dem klaren Wortlaut und Sinngehalt des Gesetzes ergibt oder die Rechtsfrage offensichtlich so zu beantworten ist, wie es das FG in seiner Entscheidung getan hat; wenn die Rechtslage also eindeutig ist (ständige Rechtsprechung, vgl. BFH-Beschlüsse vom 18. Dezember 1998 VI B 215/98, BFHE 187, 559, BStBl II 1999, 231, und vom 31. Mai 2000 X B 111/99, BFH/NV 2000, 1461). Darüber hinaus ist eine Rechtsfrage auch dann nicht klärungsbedürftig, wenn sie durch die Rechtsprechung des BFH hinreichend geklärt ist und keine neuen Gesichtspunkte erkennbar oder vorgetragen sind, die eine erneute Prüfung und Entscheidung dieser Frage durch den BFH geboten erscheinen lassen (BFH-Beschluss vom 4. Mai 1999 IX B 38/99, BFHE 188, 395, BStBl II 1999, 587).

b) Soweit der Kläger die Frage geklärt wissen möchte, ob § 2 Nr. 4 StromStG in gleichheitswidriger Weise Eigenbetriebe und Regiebetriebe unterschiedlich behandelt, so wäre diese Frage in einem künftigen Revisionsverfahren schon deshalb nicht der Klärung fähig, weil das FG erstinstanzlich nicht entschieden hat, dass es sich bei dem Unternehmensbereich "Trinkwasser" des Klägers um einen echten Regiebetrieb oder zumindest um einen der Art nach rechtlich unselbstständigen, aber doch personell und wirtschaftlich eigenständig organisierten Regiebetrieb handelt. Das FG hat diese Frage ausdrücklich dahingestellt sein lassen und seine Entscheidung allein darauf gestützt, dass der Trinkwasserbetrieb des Klägers keine eigene Rechtspersönlichkeit besitzt und somit die in § 2 Nr. 4 StromStG festgelegten Kriterien nicht erfüllt. Sollte der Kläger vor dem FG zu der von ihm im vorliegenden Beschwerdeverfahren für grundsätzlich bedeutsam erachteten Frage entscheidungserhebliche Tatsachen vorgetragen haben, denen das FG nicht nachgegangen ist oder die es als unerheblich abgetan hat, hätte der Kläger mit der Sachaufklärungsrüge (§ 76 Abs. 1 FGO) hiergegen vorgehen müssen. Verfahrensrügen (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO) hat der Kläger indes nicht erhoben.

c) In dem vom Kläger angestrebten Revisionsverfahren könnte somit allenfalls die Frage geklärt werden, ob das vom Gesetzgeber in § 2 Nr. 4 StromStG festgelegte Differenzierungskriterium der rechtlichen Selbstständigkeit eines Unternehmens oder Unternehmensbereichs gegen das Gleichbehandlungsgebot des Art. 3 Abs. 1 GG verstößt. Im Hinblick auf den Verwaltungsvollzug stellt sich die Verweisung auf die Klassifikation der Wirtschaftszweige und die Anlehnung an den für statistische Zwecke verwendeten Unternehmensbegriff als eine Maßnahme dar, die für die betroffenen Unternehmen verständlich und leicht nachvollziehbar ist und effizient vollzogen werden kann. Der vom BVerfG nicht beanstandete Rückgriff auf die Klassifikation der Wirtschaftszweige (BVerfG-Urteil vom 20. April 2004 1 BvR 1748/99 und 1 BvR 905/00, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung 2004, 572) dient dabei dem Abbau von Ausnahmebestimmungen und der Vermeidung neuer komplizierter Ausnahmebestimmungen (BTDrucks 14/440). In seiner Rechtsprechung hat es der beschließende Senat unbeanstandet gelassen, dass für die stromsteuerrechtliche Qualifizierung eines Unternehmens auf die kleinste rechtlich selbstständige Einheit abzustellen ist. Nach der Begründung des Gesetzgebers ist der stromsteuerrechtliche Unternehmensbegriff inhaltsgleich mit den Vorgaben des Statistischen Bundesamtes für dessen Erhebungen zum Produzierenden Gewerbe (Fachserie 4, Reihe 4.1.1.). Mit dieser Regelung wird eine weitgehende Kongruenz zwischen den zu statistischen und den zu stromsteuerrechtlichen Zwecken zu erfassenden Unternehmen und Unternehmensteilen gewährleistet, die die Anwendung der Klassifikation der Wirtschaftszweige wesentlich erleichtert, wenn nicht sogar erst ermöglicht (Senatsurteil vom 24. August 2004 VII R 23/03, BFHE 207, 88). Dieses Anliegen des Gesetzgebers legitimiert die in § 2 Nr. 4 StromStG getroffene Einschränkung, dass die Gewährung des ermäßigten Stromsteuersatzes die rechtliche Unabhängigkeit des Begünstigten voraussetzt. Dabei ist zu berücksichtigen, dass mit dieser Restriktion keine unüberwindliche Hürde aufgestellt wird. Zutreffend hat das FG darauf hingewiesen, dass eine Ausgliederung bestimmter Unternehmensbereiche oder bestimmter Tätigkeitsfelder eines Verbandes nicht unmöglich ist. Ob ein solcher Schritt im Hinblick auf die Erlangung stromsteuerrechtlicher Vorteile unter organisatorischen und wirtschaftlichen Gesichtspunkten sinnvoll ist, obliegt der Entscheidung des jeweiligen Unternehmens bzw. bei Körperschaften des öffentlichen Rechts dem Verband und letztlich dem Gesetzgeber.

Selbst wenn die Behauptung des Klägers zutreffen sollte, dass zumindest in einem Fall eine Erlaubnis zur steuerbegünstigten Verwendung von Strom an einen rechtlich unselbstständigen "Teilbereich Wasserversorgung" erteilt worden ist, könnten solche Einzelfälle nicht zur Verfassungswidrigkeit der beanstandeten Norm führen. Denn ein Verstoß gegen das aus dem Rechtsstaatsprinzip folgende Bestimmtheitsgebot lässt sich aus einer nicht gesetzeskonformen Verwaltungspraxis nicht ableiten. Im Übrigen ist § 2 Nr. 4 StromStG nach Auffassung des Senats hinreichend bestimmt formuliert, so dass nach dem eindeutigen Wortlaut der Vorschrift kein vernünftiger Zweifel an dem Erfordernis einer rechtlichen Selbstständigkeit aufkommen kann. Auch die Verwendung des Begriffes Eigenbetriebe und die Verweisung auf die entsprechenden Grundlagen in den Eigenbetriebsgesetzen und Eigenbetriebsverordnungen lassen in Bezug auf die geforderte Organisationsform keinen Deutungsspielraum.

Unter Berücksichtigung der nicht vollständig geklärten Organisationsform des Klägers gibt der Streitfall jedenfalls keinen Anlass, die Rechtsprechung des Senats in Frage zu stellen. Die Rechtslage ist eindeutig, so dass das FG die Klage zu Recht abgewiesen hat.



Ende der Entscheidung

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