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Gericht: Bundesfinanzhof
Beschluss verkündet am 13.12.2007
Aktenzeichen: VII B 243/06
Rechtsgebiete: AO, EUStBV


Vorschriften:

AO § 88 Abs. 2
EUStBV § 12 a
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

I. Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) hat im Januar 2001, vertreten durch die Fa. X, Polyethylenterephthalat mit Herkunft Indonesien zum freien Verkehr abfertigen lassen. Auf Waren dieser Art wurde damals aufgrund der Verordnung (EG) Nr. 2604/2000 (VO Nr. 2604/2000) des Rates vom 27. November 2000 zur Einführung eines endgültigen Antidumpingzolls und zur endgültigen Vereinnahmung des vorläufigen Antidumpingzolls auf die Einfuhren von bestimmten Polyethylenterephthalat mit Ursprung in Indien, Indonesien, Malaysia, der Republik Korea, Taiwan und Thailand (Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften Nr. L 301/21) ein Antidumpingzoll erhoben; jedoch waren die Waren unter bestimmten weiteren --im Streitfall gegebenen-- Voraussetzungen von diesem Antidumpingzoll befreit, wenn der Zollstelle bei der Anmeldung zur Überführung in den zollrechtlich freien Verkehr eine Verpflichtungsrechnung vorgelegt wurde und die Waren der Beschreibung der Verpflichtungsrechnung genau entsprachen.

Im Fall der Klägerin wurde für die Ware bei der Einfuhrzollstelle eine vereinfachte Zollanmeldung abgegeben; in deren Feld 32 wurde eine Befreiung vom Antidumpingzoll nicht beantragt. Eine Verpflichtungsrechnung vorgenannter Art wurde nicht vorgelegt. Die Ware wurde abgefertigt, der Klägerin überlassen und von dieser in ein Freihafensonderlager eingelagert.

In der ergänzenden Zollanmeldung für den Monat Januar hat die Klägerin, wiederum vertreten durch X, die Befreiung vom Antidumpingzoll begehrt und die Verpflichtungsrechnung vorgelegt. Gleichwohl hat das damals zuständige Zollamt eine Befreiung nicht gewährt und Antidumpingzoll in Höhe von rd. ... DM nachgefordert. Hiergegen richtet sich die Klage, die das Finanzgericht (FG) abgewiesen hat. Es urteilte, eine Befreiung vom Antidumpingzoll sei zu Recht nicht gewährt worden, weil die eingeführte Ware nicht unter dem TARIC-Zusatzcode angemeldet und bei der Anmeldung keine gültige Verpflichtungsrechnung vorgelegt worden sei. Die entsprechende Anmeldung und Vorlage der Verpflichtungsrechnung erst in der ergänzenden Zollanmeldung genüge nicht. Denn Art. 76 Abs. 3 des Zollkodex (ZK) werde durch die Spezialregelung in Art. 2 Abs. 1 VO Nr. 2604/2000 dahin modifiziert, dass unabhängig von dem jeweiligen Zollverfahren bereits bei der Anmeldung der Waren zur Überführung in den zollrechtlich freien Verkehr nicht nur der TARIC-Zusatzcode anzugeben, sondern auch die Verpflichtungsrechnung vorzulegen sei. Dies sei zur Sicherstellung der effektiven Einhaltung und Überwachung der Befreiungsvoraussetzungen auch erforderlich. Denn nach der Abfertigung der Ware zum freien Verkehr könne die genaue Übereinstimmung der Ware mit der Verpflichtungserklärung nicht mehr zuverlässig überprüft werden. Eine nachträgliche Beschau der Waren im Freihafensonderlager habe die erforderliche Überwachung nicht sicherstellen können, weil die Ware erst drei Tage nach Überlassung an die Klägerin dort eingelagert worden sei. Es könne deshalb offenbleiben, ob die Zollbehörde zu einer nachträglichen Beschau überhaupt verpflichtet gewesen wäre.

Eines besonderen Hinweises auf die Rechtslage seitens der Zollbehörde habe es schon deshalb nicht bedurft, weil die Klägerin von einer Spedition vertreten gewesen sei, der die rechtlichen Gegebenheiten geläufig gewesen seien.

Gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil richtet sich die Beschwerde der Klägerin, die folgende Fragen für grundsätzlich bedeutsam hält:

"1. Ist bei der Einfuhr von Waren im Sinne des Art. 1 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 2604/2000 im vereinfachten Anmeldeverfahren nach Art. 76 Abs. 1 lit. a) der Verordnung (EWG) Nr. 2913/92 i.V.m. Art. 260 bis 262 der Verordnung (EWG) Nr. 2454/93 die zur Inanspruchnahme einer Befreiung von Antidumpingzöllen erforderliche Verpflichtungsrechnung gem. Art. 2 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 2604/2000 zwingend zum Zeitpunkt der Abgabe der unvollständigen Zollanmeldung unter Angabe des TARIC-Zusatzcodes A 193 vorzulegen oder kann dieser TARIC-Zusatzcode auch bei der Abgabe der ergänzenden Zollanmeldung angegeben und die Verpflichtungsrechnung zum letztgenannten Zeitpunkt vorgelegt werden?

2. Kann eine Verpflichtungsrechnung im Sinne des Art. 2 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 2604/2000 zwar rechtswirksam der Zollwertbemessung zugrunde gelegt werden, aber in Bezug auf eine mit ihr dokumentierte Antidumpingzollbefreiung zulässigerweise als irrelevant beurteilt werden?

3. Darf auch ohne entsprechende Anhaltspunkte und trotz der nach § 88 Abs. 2 AO geltenden Untersuchungspflicht die nach Art. 78 Abs. 1 der Verordnung (EWG) 2913/92 zulässige nachträgliche Beschau von auf Zwischenschein mit dem Ziel einer Freihafenregelung nach § 12 a EUStBV abgefertigten Waren mit der Begründung verweigert werden, dass die abgefertigten Waren hätten verwendet worden sein können und sich deshalb die Nämlichkeit nicht mehr feststellen lasse?"

Die Klägerin trägt hierzu zusammengefasst vor:

Art. 225 Abs. 1 (gemeint: 255) der Zollkodex-Durchführungsverordnung (ZKDVO) verlange in einem bewilligten vereinfachten Anmeldeverfahren die Vorlage der Unterlagen für die Überführung in den zollrechtlich freien Verkehr, nicht diejenigen für die Feststellung der Zollschuld. Auch Art. 2 Abs. 2 VO Nr. 2604/2000 verlange die Vorlage der Verpflichtungsrechnung nur bei der Anmeldung zur Überführung in den zollrechtlich freien Verkehr, ohne das Anmeldeverfahren festzulegen; da jedoch Art. 76 Abs. 3 ZK ausdrücklich davon ausgehe, dass die ergänzende Zollanmeldung mit der vereinfachten Zollanmeldung eine untrennbare rechtliche Einheit bildet, werde die Verpflichtungsrechnung auch dann bei der Anmeldung zur Überführung in den zollrechtlich freien Verkehr vorgelegt, wenn sie erst mit der ergänzenden Zollanmeldung vorgelegt wird.

Eine Beschaupflicht sei in dieser Verordnung nicht vorgesehen und werde auch durch das Erfordernis einer genauen Übereinstimmung von Verpflichtungsrechnung und Ware nicht ausgelöst.

Es sei widersprüchlich, wenn die Zollbehörde die Verpflichtungsrechnung zur Zollwertberechnung heranziehe und damit als Begleitdokument anerkenne, sie aber bei der Befreiung von Antidumpingzoll nicht berücksichtigen wolle. Ob das zulässig sei, bedürfe grundsätzlicher Klärung. Ferner bedürfe der grundsätzlichen Klärung, ob es nicht dem Sinn und Zweck des --im Streitfall angewandten-- Zwischenscheinverfahrens entsprochen hätte, von der Nämlichkeit der eingeführten und der im Freihafensonderlager befindlichen Ware auszugehen. Eine Abfertigung auf Zwischenschein setze nämlich die Nämlichkeit der eingeführten und der so abgefertigten Ware voraus. Eine vor dieser Abfertigung nur theoretisch mögliche Veränderung der Ware könne daher einer nachträglichen Beschau nicht entgegengehalten werden.

Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Hauptzollamt --HZA--) ist der Beschwerde entgegengetreten.

II. Die Beschwerde (§ 116 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--) ist nicht begründet. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO).

1. Die von der Beschwerde als erstes aufgeworfene Frage, ob auch bei einem vereinfachten Anmeldeverfahren eine Befreiung vom Antidumpingzoll nur gewährt werden kann, wenn zugleich mit der vereinfachten Anmeldung ein diesbezüglicher Antrag gestellt und die verordnungsrechtlich vorgeschriebene Verpflichtungsrechnung vorgelegt wird, bedarf nicht der Klärung in einem Revisionsverfahren, weil sie nur so beantwortet werden kann, wie sie das FG beantwortet hat. Die diesbezügliche Regelung in Art. 2 Abs. 2 VO Nr. 2604/2000 ist klar und eindeutig: Sie verlangt die Vorlage der Verpflichtungsrechnung bereits in dem Zeitpunkt, in dem eine Anmeldung abgegeben wird, die zur Überführung der Waren in den zollrechtlich freien Verkehr führt. Das ist im Fall der vereinfachten Anmeldung eben diese. Diese Regelung macht auch Sinn, wie bereits das FG im Einzelnen ausgeführt hat und was deshalb hier keiner Wiederholung bedarf.

Warum sich aus Art. 255 Abs. 1 ZKDVO etwas anderes ergeben oder diese Auslegung der VO Nr. 2604/2000 jedenfalls wegen dieser Vorschrift zweifelhaft sein soll, vermag der beschließende Senat nicht nachzuvollziehen.

2. Ebenso wenig ist nachvollziehbar, weshalb die von der Klägerin zum Zwecke der Zollwertberechnung vorgelegte (Verpflichtungs-)Rechnung nicht eben dieser Berechnung soll zugrunde gelegt werden dürfen, obwohl sie bei Abgabe der vereinfachten Zollanmeldung der Zollbehörde noch nicht vorlag und deshalb bei der --von der Zollwertberechnung unabhängigen-- Entscheidung über die Befreiung vom Antidumpingzoll gemäß Art. 2 Abs. 2 VO Nr. 2604/2000 nicht berücksichtigt werden kann.

3. Die dritte von der Beschwerde aufgeworfene Frage geht dahin, ob nicht die Zollbehörde für verpflichtet erachtet werden muss, die Klägerin als Zollbeteiligte in den Genuss einer Befreiung vom Antidumpingzoll zu bringen, obwohl diese das dafür Erforderliche --insbesondere: Vorlage der Verpflichtungsrechnung bei der Abfertigung zum freien Verkehr-- unterlassen hat, ob also die Zollbehörde in einem solchen Fall, soweit möglich, insbesondere eine Beschau der Ware nach dem Zeitpunkt der Abfertigung zum freien Verkehr vornehmen muss und dadurch ggf. die Übereinstimmung der Ware mit der Verpflichtungsrechnung überprüfen muss.

Auch diese Frage rechtfertigt indes nicht die Zulassung der Revision, weil sie sich, so wie sie sich in dem angestrebten Revisionsverfahren stellen würde, klar und eindeutig nur verneinen lässt. Es spricht schon wenig dafür, dass die Zollbehörde verpflichtet ist, durch an sich im einschlägigen Recht nicht vorgesehene Verwaltungshandlungen (nachträgliche Beschau der Ware im Freihafensonderlager) Unterlassungen des Zollbeteiligten zu kompensieren, für die dieser sich weder entschuldigen noch gar auf anerkennenswerte Gründe berufen kann. Selbst wenn man das aber annehmen wollte, könnte, wie das FG bereits zutreffend ausgeführt hat, eine nachträgliche Beschau der Ware den Anforderungen der VO Nr. 2604/2000 nicht genügen. Denn vor der Einlagerung der Ware in das Freihafensonderlager konnte die Klägerin über die Ware während mehrerer Tage frei verfügen, ohne dass sie eine zollamtliche Aufsicht insbesondere an einer Veränderung der Ware hätte hindern können. Das stellt die Klägerin im Grunde selbst nicht in Abrede, wenn sie es auch für eine eher "theoretische" Möglichkeit hält. Ist aber danach die Nämlichkeit der eingeführten und der ggf. einer Beschau zugänglichen Ware nicht gesichert, so würde das HZA den Anforderungen der VO Nr. 2604/2000 nicht genügen, wenn es sich gleichwohl mit einer nachträglichen Beschau der Ware, die vom Antidumpingzoll befreit werden soll, begnügen würde.

Ob gleichwohl das Zwischenscheinverfahren angewandt werden durfte und, weil es angewandt worden ist, alles für die Nämlichkeit der Ware sprechen mag, ist in diesem Zusammenhang ohne Bedeutung, weil es an den Anforderungen des Art. 2 Abs. 2 VO Nr. 2604/2000 nichts zu ändern vermag.

Ende der Entscheidung

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