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Gericht: Bundesfinanzhof
Beschluss verkündet am 20.10.2008
Aktenzeichen: VII B 252/07
Rechtsgebiete: FGO, RL 95/59/EG


Vorschriften:

FGO § 115 Abs. 2 Nr. 1
FGO § 115 Abs. 2 Nr. 1
FGO § 126 Abs. 4
RL 95/59/EG Art. 3 Nr. 3
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichten bestimmten Leitsatz.
Gründe:

I. Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) stellte bis Mitte des Jahres 2006 unter zwei verschiedenen Marken filterlose Zigarillos her. Hierbei handelte es sich um Tabakstränge mit einem Deckblatt und einem Umblatt aus rekonstituiertem Tabak sowie einer Einlage aus geschnittenem Tabak mit einer Schnittbreite von 2,3 mm. Das Deckblatt war schraubenförmig mit einem spitzen Winkel zur Längsseite des Tabakstrangs von mindestens 30° aufgelegt. Das Stückgewicht der Tabakstränge betrug 0,9 Gramm. Mit Steueranmeldung vom 1. August 2006 bestellte die Klägerin 100 Bogen Steuerzeichen für Zigarren und wies in einem Begleitschreiben darauf hin, dass die Steuerzeichen für die als Zigarillos vertriebenen Marken bestimmt seien. Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Hauptzollamt --HZA--) lehnte die Auslieferung der bestellten Steuerzeichen ab. Zur Begründung wies er darauf hin, dass die von der Klägerin vertriebenen Produkte als Zigaretten anzusehen seien.

Einspruch und Klage hatten keinen Erfolg. Das Finanzgericht (FG) deutete die Klage als Verpflichtungsklage nach § 40 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO). Bei den Produkten handle es sich entgegen der Auffassung des HZA zwar nicht um Zigaretten nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 des Tabaksteuergesetzes (TabStG), sondern um Zigarillos i.S des § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 TabStG in der Fassung der Verordnung vom 10. Juli 2006 (BGBl I, 1473), dennoch bestehe kein Anspruch auf Auslieferung der Steuerzeichen für Zigarillos. Der Auslieferung stehe Art. 3 Nr. 3 der Richtlinie 95/59/EG (RL 95/59/EG) des Rates vom 27. November 1995 über die anderen Verbrauchsteuern auf Tabakwaren als die Umsatzsteuer (Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften --ABlEG-- Nr. L 291/40) i.d.F. der Richtlinie 2002/10/EG (RL 2002/10/EG) des Rates vom 12. Februar 2002 zur Änderung der Richtlinie 92/79/EWG, der Richtlinie 92/80/EWG und der Richtlinie 95/59/EG hinsichtlich der Sruktur und der Sätze der Verbrauchsteuern auf Tabakwaren (ABlEG Nr. L 46/26) entgegen. Danach erfordere die Einstufung des Produktes als Zigarillo u.a. ein Stückgewicht ohne Filter und Mundstück von 1,2 Gramm. Zwar sei der Bundesrepublik Deutschland gemäß Art. 4 Abs. 2 1. Anstrich RL 2002/10/EG eine Übergangsfrist für die Umsetzung der Neuregelung des Art. 3 Nr. 3 RL 95/59/EG bis zum 1. Januar 2008 eingeräumt worden. Jedoch sah sich das FG, das über die Klage im November 2007 entschieden hat, nicht mehr befugt, das HZA zu verpflichten, der Klägerin die begehrten Steuerzeichen auszuliefern. Denn bei einer Auslieferung der Steuerzeichen könne die rechtzeitige Umsetzung der Richtlinienbestimmungen unter Einhaltung der Übergangsfrist nicht mehr gewährleistet werden. Dabei sei zu berücksichtigen, dass die Klägerin die Steuerzeichen noch zum gemeinschaftsrechtswidrigen Vertrieb der Tabakwaren als Zigarillos nach dem 31. Dezember 2007 verwenden könnte.

Mit ihrer dagegen gerichteten Beschwerde begehrt die Klägerin die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO). Von grundsätzlicher Bedeutung sei die Frage, ob ein Gericht tatsächlich nicht mehr befugt sei, einen dem Grunde nach bestehenden Anspruch (auf Auslieferung von Steuerzeichen) zuzusprechen, da die Möglichkeit einer missbräuchlichen Verwendung (der bezogenen Steuerzeichen) bestehe. Das Problem des Streitfalles stelle sich für jeden Steuerpflichtigen, der von Umsetzungsfristen betroffen sei. Die Argumentation des HZA führe zu erheblicher Rechtsunsicherheit und stelle einen Verstoß gegen den Grundsatz der Steuergerechtigkeit dar. Auch würde eine Vorverurteilung der Klägerin erfolgen; ihr würde unterstellt die Steuerzeichen rechtswidrig zu verwenden. Im Streitfall stelle sich die Frage, ob und für welchen Zeitrahmen ein Steuerpflichtiger auf Übergangsfristen vertrauen und in welchem Maße ein Mitgliedstaat solche Übergangsfristen ausschöpfen dürfe. Das FG habe sich mit der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften (EuGH), insbesondere mit dem EuGH-Urteil vom 18. Dezember 1997 C-129/96 (Slg. 1997, I-7411), nicht beschäftigt. Fraglich sei, ob bereits ein einzelner Verwaltungsakt das Erreichen des Umsetzungsziels gefährden könne.

Das HZA ist der Beschwerde entgegengetreten. Es ist der Ansicht, dass die Klägerin die grundsätzliche Bedeutung der von ihr aufgeworfenen Frage nicht hinreichend dargelegt habe.

II. Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Die Revision ist nicht zuzulassen. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO).

1. Mit Ablauf des Jahres 2007 ist die Übergangsfrist für die Umsetzung des Art. 3 Nr. 3 RL 95/59/EG abgelaufen. Die auf Verpflichtung des HZA zur Zuteilung von Steuerzeichen gerichtete Verpflichtungsklage ist jedenfalls damit unbegründet geworden; denn die Klägerin hat keinen Anspruch auf die Auslieferung von Steuerzeichen, von denen sie rechtmäßig keinen Gebrauch mehr machen kann. Die von der Beschwerde aufgeworfene Frage, ob das FG die Klage abweisen durfte, obwohl vorgenannte Übergangsfrist im Zeitpunkt seiner Entscheidung und des Eintritts der Rechtskraft dieser Entscheidung noch nicht abgelaufen war, sondern deren Ablauf erst unmittelbar bevorstand, würde sich folglich in dem angestrebten Revisionsverfahren nicht stellen, weil die vom FG ausgesprochene Klageabweisung im Revisionsverfahren von dem beschließenden Senat jedenfalls im Ergebnis als (zumindest jetzt) richtig bestätigt werden müsste (§ 126 Abs. 4 FGO). Es fehlt mithin im Hinblick auf die von der Beschwerde aufgeworfene angebliche Grundsatzfrage an der Klärungsfähigkeit, welche Voraussetzung für eine Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung ist.

2. Ob die Klägerin zu einer Fortsetzungsfeststellungsklage hätte übergehen können, insbesondere ob sie das dafür erforderliche Rechtsschutzbedürfnis hätte, kann dahinstehen. Denn bei der von dem beschließenden Senat in diesem Verfahren zu treffenden Entscheidung ist von dem Klageantrag auszugehen, über den das FG entschieden hat. Dass es das FG verfahrensfehlerhaft unterlassen hat, die Klägerin zu veranlassen, ihren Klageantrag umzustellen, nachdem erkennbar geworden war, dass dem Verpflichtungsbegehren der Klägerin nicht mehr würde entsprochen werden können, ist jedenfalls bis zum Ablauf der Beschwerdebegründungsfrist nicht schlüssig gerügt worden, so dass die Revision auch nicht wegen eines diesbezüglichen Verfahrensmangels (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO) zugelassen werden kann.

3. Im Übrigen wäre die von der Klägerin aufgeworfene Rechtsfrage auch einer über den Streitfall hinausreichenden allgemeingültigen Klärung nicht zugänglich. Es liegt auf der Hand, dass nicht nur die Finanzverwaltung, sondern auch die Gerichte zur Beachtung und Durchsetzung des Gemeinschaftsrechts verpflichtet sind. Der Klägerin ist zuzugeben, dass sich die Verpflichtung zu Umsetzung von Richtlinien, die gemäß Art. 249 des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft (EG) nur hinsichtlich des zu erreichenden Ziels Verbindlichkeit entfalten, in erster Linie an die mit der Rechtsetzung befassten staatlichen Stellen richtet. Nach Art. 10 EG sind die Mitgliedstaaten jedoch gehalten, alle Maßnahmen zu unterlassen, die die Verwirklichung der Ziele des EG gefährden könnten. Das Postulat gemeinschaftsrechtskonformen Verhaltens bindet dabei auch die Gerichte (EuGH-Urteil vom 14. Dezember 2000 C-344/98, Slg. 2000, I-11369, und vom 26. September 2000 C-262/97, Slg. 2000, I-7321), die die fristgerechte Umsetzung einer Richtlinie durch ihre Rechtsprechung nicht erschweren oder vereiteln dürfen. Die Frage, unter welchen Umständen von einer solchen Gefahr auszugehen ist, richtet sich nach den streitentscheidenden Richtlinienbestimmungen, den evtl. eingeräumten Übergangsfristen und den bereits getroffenen staatlichen Umsetzungsmaßnahmen. Die Art der von den staatlichen Organen zu treffenden Maßnahmen hängt damit von der konkreten Situation ab und steht grundsätzlich im Ermessen der Mitgliedstaaten (von Bogdandy in Grabitz/Hilf, Das Recht der Europäischen Union, Art. 10 EGV Rz 26). Auch aus diesen Gründen kommt der von der Klägerin aufgeworfenen Rechtsfrage, die einen Einzelfall betrifft, keine grundsätzliche Bedeutung zu.



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