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Gericht: Bundesfinanzhof
Beschluss verkündet am 19.01.2006
Aktenzeichen: VII B 269/04
Rechtsgebiete: FGO


Vorschriften:

FGO § 76 Abs. 1
FGO § 100 Abs. 3 Satz 1
FGO § 115 Abs. 2 Nr. 1
FGO § 115 Abs. 2 Nr. 3
FGO § 116 Abs. 6
FGO § 126 Abs. 5
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

I. Die Klägerin und Beschwerdegegnerin (Klägerin) hat von September 1993 bis Mai 1995 mehrere Partien Paniermehl in Drittstaaten ausgeführt und für die in diesen Nicht-Anhang I-Waren (damals noch: Nicht-Anhang II-Waren) enthaltenen Grunderzeugnisse Ausfuhrerstattung erhalten. Diese fordert der Beklagte und Beschwerdeführer (das Hauptzollamt --HZA--) jedoch zurück; er hat gegen die Klägerin zugleich eine Sanktion festgesetzt. Das HZA hat diese Entscheidung damit begründet, dass die Klägerin die produktionsbezogenen Einzelverwendungsnachweise nicht erbracht habe, welche in Art. 3 Abs. 2 Unterabs. 2, Art. 7 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 1222/94 (VO Nr. 1222/94) der Kommission vom 30. Mai 1994 zur Festlegung der gemeinsamen Durchführungsvorschriften für die Gewährung von Ausfuhrerstattungen und der Kriterien zur Festsetzung des Erstattungsbetrages für bestimmte landwirtschaftliche Erzeugnisse, die in Form von nicht unter Anhang II des Vertrages fallenden Waren ausgeführt werden (Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften --ABlEG-- Nr. L 136/5), vorgesehen sind. Der Klägerin sei die Ausfuhrerstattung folglich zu Unrecht gewährt worden. Den hiergegen von der Klägerin erhobenen Einspruch hat das HZA zurückgewiesen, nachdem es u.a. vom Hauptzollamt für Prüfungen S darüber unterrichtet worden war, dass die Klägerin nicht in der Lage sei, produktionsbezogene Einzelverwendungsnachweise für die von ihr verwendeten Grunderzeugnisse zu erbringen; sie erfasse zwar die täglich zur Herstellung verwendeten Rohstoffe, eine Dokumentation der bei den einzelnen Chargen verwendeten Rohstoffe erfolge hingegen nicht.

Das Finanzgericht (FG) hat den Bescheid des HZA aufgehoben. Es führt zur Begründung seiner Entscheidung aus, nach vorgenannter Verordnung bzw. der für einen Teil der Waren noch anzuwendenden Verordnung (EWG) Nr. 3035/80 (VO Nr. 3035/80) habe der Ausführer bei der Ausfuhr der Ware die Mengen der Grunderzeugnisse, der Erzeugnisse aus ihrer Verarbeitung bzw. der einer dieser beiden Gruppen gleichgestellten Erzeugnisse anzugeben, die zur Herstellung der Ausfuhrwaren tatsächlich verwendet wurden, was die Klägerin auch getan habe. Der Ausführer habe ferner nach der Rechtsprechung des FG und des Bundesfinanzhofs auf Verlangen der Behörde beweiskräftige Unterlagen für die Richtigkeit seiner Mengenangaben vorzulegen, wenn ihm Ausfuhrerstattung gewährt werden soll. Ausfuhrerstattung könne aber nur dann versagt werden, wenn die Behörde nach Art. 8 Abs. 1 Unterabs. 3 VO Nr. 3035/80 bzw. Art. 7 Abs. 1 Unterabs. 3 VO Nr. 1222/94 erfolglos dazu aufgefordert habe, entsprechende Auskünfte zu erteilen und Unterlagen vorzulegen. Dies sei im Streitfall nicht geschehen. Zwar habe das Hauptzollamt für Prüfungen S die Klägerin mehrmals aufgefordert, die für das Nachweisverfahren erforderlichen Produktionsanschreibungen und Dokumentationen zu spezifizieren und vorzulegen. Der erkennende Senat "halte allerdings dafür, dass ... [diese] Aufforderungen ... nicht im Rahmen dieses Verfahrens zu Lasten der Klägerin gewertet werden dürfen", nachdem sie im Zusammenhang mit dem später zurückgenommenen Antrag der Klägerin auf Zulassung zum vereinfachten Verfahren ergangen seien. Das Hauptzollamt für Prüfungen S habe dem beklagten HZA ferner mitgeteilt, dass die Klägerin keine zum Nachweis geeigneten chargenbezogenen Aufzeichnungen führe, was nahe lege, dass sie "bezüglich der in diesem Verfahren in Rede stehenden Ausfuhrsendungen evtl. nicht in der Lage sein könnte, produktionsbezogene Nachweise ... vorzulegen". Es sei jedoch nicht erkennbar, "auf welcher Sachverhaltsbasis" jene Mitteilung erfolgt sei. Eine Marktordnungsprüfung habe bei der Klägerin zuletzt offenbar für das Jahr 1992 stattgefunden, so dass die dabei getroffenen Feststellungen "a limine" nicht geeignet seien, für dieses Verfahren verwertbare Aussagen zu treffen.

Gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil richtet sich die Beschwerde des HZA, mit der Verfahrensmängel gerügt werden und die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache geltend gemacht wird. Diese sieht das HZA zusammengefasst im Wesentlichen darin, dass geklärt werden müsse, ob es vor Versagung der Ausfuhrerstattung einer ausdrücklichen Aufforderung des Erstattungs-HZA zur Vorlage beweiskräftiger Unterlagen über die für die Herstellung der Ausfuhrware verwendeten Grunderzeugnisse auch dann bedürfe, wenn das HZA bereits davon überzeugt sei, dass der Ausführer einem solchen Verlangen nicht nachkommen könne, er über die Anforderungen an den Nachweis bereits vom zuständigen Prüfungsdienst unterrichtet worden sei und er über die Würdigung ferner in einem Ausfuhrerstattungs-Änderungsbescheid sowie in dem nachfolgenden Rechtsbehelfsverfahren in Kenntnis gesetzt werde.

Als verfahrensfehlerhaft sieht das HZA im Wesentlichen an, dass das FG den Sachverhalt nicht weiter aufgeklärt habe, dem HZA erst durch das angefochtene Urteil dessen Rechtsansicht bekannt geworden sei, es stehe nicht fest, dass die Klägerin Einzelverwendungsnachweise nicht erbringen könne, und dass das FG das HZA auf diese Rechtsansicht auch nicht hingewiesen habe, um ihm Gelegenheit zu geben, zu den der Beurteilung des HZA für Prüfungsdienste zugrunde liegenden Feststellungen weiter vorzutragen.

II. Die Beschwerde (§ 116 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--) ist begründet und führt gemäß § 116 Abs. 6 FGO zur Aufhebung des Urteils des FG und zur Zurückverweisung des Rechtsstreits zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung durch dieses.

Die Beschwerde ist nach § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO begründet, weil das Urteil des FG auf einem Verfahrensmangel beruht. Denn das FG hat den Sachverhalt nicht entsprechend seiner sich aus § 76 Abs. 1 FGO ergebenden Verpflichtung aufgeklärt, sondern sich damit begnügt, angebliche Mängel der Sachverhaltserforschung zu rügen, die dem beklagten HZA bzw. dem Hauptzollamt für Prüfungen S unterlaufen sein sollen.

Die vom FG unterlassene Prüfung, ob die Klägerin hinsichtlich der strittigen Ausfuhrsendungen die Richtigkeit der von ihr gemachten Angaben über die Verwendung bestimmter Grunderzeugnisse gehörig nachweisen kann, war nach der eigenen materiell-rechtlichen Ansicht des FG erforderlich; sein Urteil ist also nicht lediglich materiell-rechtlich fehlerhaft und infolge dieses Mangels ohne die bei einer dem Gemeinschaftsrecht entsprechenden Rechtsanwendung erforderliche Ermittlung des entscheidungserheblichen Sachverhalts zustande gekommen, sondern es beruht darauf, dass das FG die nach seinem eigenen Verständnis des Gemeinschaftsrechts erforderlichen tatsächlichen Feststellungen nicht getroffen hat.

Allerdings ist das FG offenbar der Ansicht, dass ein Ausführer einen Anspruch auf Ausfuhrerstattung für eine Nicht-Anhang I-Ware hat, wenn er die für die Herstellung der Ausfuhrware verwendeten Grunderzeugnisse angegeben hat und nicht --in der rechtlich gebotenen Form-- zur Vorlage von Nachweisen über die Richtigkeit seiner Angaben aufgefordert worden ist. Dabei soll zu den formellen Erfordernissen offenbar gehören, dass eine solche Aufforderung gerade in Bezug auf das betreffende Erstattungsverfahren ergeht, ein in anderem verfahrensmäßigen Zusammenhang von den Behörden der Finanzverwaltung erteilter Hinweis auf das Erfordernis eines chargenbezogenen Nachweises der verwendeten Grunderzeugnisse also nicht ausreichend ist. Das soll offenbar sogar dann gelten, wenn ein diesbezüglicher Hinweis vor Abschluss des Verwaltungsverfahrens anderweit (hier: durch den Rückforderungsbescheid) ergeht.

Der beschließende Senat sieht davon ab, auf diesen rechtlichen Ansatz im Einzelnen einzugehen, der --wie sinngemäß bereits das HZA mit Recht angemerkt hat-- darauf hinaus läuft, dass im Rechtsbehelfsverfahren behebbare Fehler der nationalen Zollbehörde bei Erlass eines Ausfuhrerstattungs(rückforderungs-)bescheides die Gewährung von Ausfuhrerstattung zur Folge haben, auf die sonst --hier: das angeblich verfahrensfehlerhafte Unterlassen einer ausdrücklichen Aufforderung zur Vorlage von Nachweisen hinweg gedacht-- nach dem Gemeinschaftsrecht kein Anspruch bestehen würde. Dass das nicht richtig sein kann, bedarf nicht der Klärung in einem Revisionsverfahren, so dass die Revision nicht nach § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO zuzulassen ist.

Das Urteil des FG beruht indes nicht auf diesem rechtlichen Ansatz. Vielmehr ist das Urteil des FG dahin zu deuten, dass das FG als (selbständig tragend) entscheidungserheblich angesehen hat, ob die Klägerin bei einer entsprechenden Aufforderung zur Vorlage von Unterlagen über die verwendeten Grunderzeugnisse in der Lage wäre, für die Ausfuhrware ausreichende Nachweise über die Richtigkeit ihrer Angaben vorzulegen. Das FG ist also offenbar --ungeachtet seines rechtlichen Ausgangspunktes, dass für die Klage entscheidungserheblich sei, ob das HZA (formgerecht) zur Vorlage solcher Unterlagen aufgefordert hat-- davon ausgegangen, dass die Klage abgewiesen werden müsste, wenn die Klägerin solche Nachweise nicht besitzt. Dann aber hätte das FG nach § 76 Abs. 1 FGO selbst prüfen müssen, ob die Klägerin solche Nachweise besitzt und vorlegen kann und ob folglich die Richtigkeit der vorgenannten Angaben von der Klägerin belegt werden kann (wobei die Klägerin zur Mitwirkung hätte herangezogen werden können und müssen, weil nur sie über die dafür erforderlichen Informationen verfügt). Das war umso mehr geboten, als, wie keiner näheren Darlegung bedarf, gewichtige Anhaltspunkte dafür bestehen, dass dies nicht der Fall ist. Es kann davon ausgegangen werden, dass das FG nicht verkannt hat --seine Entscheidung also nicht auf einem einen diesbezüglichen Verfahrensmangel ausschließenden materiellen Rechtsirrtum beruht--, dass die in Art. 7 Abs. 1 VO Nr. 1222/94 und der betreffenden Vorschrift der Vorgängerverordnung normierte verfahrensrechtliche Pflicht des Ausführers, der Behörde (ggf. auf Verlangen) ausreichende Unterlagen vorzulegen und Auskünfte zu erteilen, um die Richtigkeit der Angaben über die verwendeten Grunderzeugnisse zu belegen, einschließt, dass der Anspruch auf Ausfuhrerstattung materiell-rechtlich davon abhängig ist, dass vorgenannte Angaben (nachweislich) zutreffend sind, und dass bei Nichterweislichkeit der Richtigkeit dieser Angaben keine Ausfuhrerstattung gewährt werden kann, der Erstattungsantragsteller also neben der (näher qualifizierten) Beweisführungslast die materielle Beweislast hierfür trägt.

Ob die materiellen Voraussetzungen eines vor Gericht strittigen Anspruches gegeben sind, ist jedoch nach dem deutschen Finanzprozessrecht vom Gericht (in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht) zu prüfen, sofern --wie es hier offensichtlich ist-- daran Zweifel bestehen; das FG darf diese Prüfung und die Entscheidung darüber --vorbehaltlich der in § 100 Abs. 3 Satz 1 FGO getroffenen Ausnahmeregelung, von der das FG keinen Gebrauch gemacht hat und auch keinen Gebrauch machen konnte-- nicht der Finanzbehörde überlassen und erst recht nicht einen über die Rückforderung von Ausfuhrerstattung ergangenen Bescheid aufheben, ohne dass festgestellt worden ist, dass dem Kläger ein Anspruch auf Ausfuhrerstattung tatsächlich zusteht.

Das Urteil des FG ist daher aufzuheben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückzuverweisen, damit dieses ungeachtet etwaiger Ermittlungsdefizite im Verfahren des HZA prüft, ob die Angaben der Klägerin über die für die Ausfuhrware verwendeten Grunderzeugnisse durch beweiskräftige Unterlagen und Auskünfte im Sinne eben genannter Vorschrift belegt werden.

Auf § 126 Abs. 5 FGO wird hingewiesen. Es besteht Anlass, insofern klarzustellen, dass Feststellungen des Hauptzollamts für Prüfungen S für ein anderes Jahr als das, in dem die hier streitigen Waren ausgeführt worden sind, in dem betreffenden Erstattungsverfahren keinem Verwertungsverbot unterliegen und dass sie auch nicht, wie das FG möglicherweise angenommen hat, bei der tatrichterlichen Würdigung aus irgendwelchen anderen Gründen --etwa weil ihre Grundlagen für das FG anhand der vorgelegten Akten nicht ohne weiteres, etwa eine diesbezügliche Nachfrage, klar erkennbar sind-- von vornherein unberücksichtigt gelassen werden dürfen. Im Übrigen kommt es für die Entscheidung des Rechtsstreits allerdings maßgeblich nicht darauf an, ob das HZA von der mangelnden Erweislichkeit der Angaben der Klägerin ausgehen durfte, sondern ob diese ihre Angaben in der nach der VO Nr. 1222/94 bzw. der VO Nr. 3035/80 erforderlichen Weise so belegen kann, dass das FG die volle Gewissheit von deren Richtigkeit gewinnt.

Ende der Entscheidung

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