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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesfinanzhof
Beschluss verkündet am 20.09.2000
Aktenzeichen: VII B 33/00
Rechtsgebiete: AO 1977, StPO, FGO


Vorschriften:

AO 1977 § 191
AO 1977 § 71
AO 1977 § 324
StPO § 170 Abs. 2
FGO § 100 Abs. 1 Satz 4
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe

Gegen die Antragstellerin und Beschwerdeführerin (Antragstellerin) ist ein steuerstrafrechtliches Ermittlungsverfahren wegen des Vorwurfs, sie habe als alleinige Geschäftsführerin der P GmbH (an deren Stammkapital in Höhe von 100 000 DM die Antragstellerin 95 000 DM hielt) gemeinsam mit ihrem Ehemann (der mit den restlichen 5 000 DM am Stammkapital beteiligt war) Steuern der GmbH dadurch verkürzt, dass Rechnungen doppelt oder Rechnungen nicht existenter Scheinfirmen gebucht worden seien, durchgeführt worden. Nach Schätzungen der Steuerfahndung aufgrund der sichergestellten Unterlagen beliefen sich die Steuerschulden der GmbH auf ... DM. Daraufhin nahm das beklagte Finanzamt (FA) noch vor Abschluss der Fahndungsprüfung die Antragstellerin durch Haftungsbescheid vom 7. Juli 1997 für die zu erwartenden Steuerverbindlichkeiten der GmbH als Haftungsschuldnerin gemäß § 191 der Abgabenordnung (AO 1977) i.V.m. § 71 AO 1977 in Anspruch, ohne zuvor die GmbH als Steuerschuldnerin in Anspruch genommen zu haben (§ 219 Satz 2 AO 1977).

Gleichzeitig ordnete das FA den dinglichen Arrest nach § 324 AO 1977 in ein im Eigentum der Antragstellerin stehendes Grundstück an. Zur Begründung führte das FA aus, die Antragstellerin habe sich vermögenslos gestellt und Bargeld nach Luxemburg geschafft. Es bestehe deshalb die Gefahr, dass sie ihren Grundbesitz auf Dritte übertrage und dadurch der Vollstreckung entziehe. In Vollziehung des Arrestes wurde am 9. Juli 1997 eine Sicherungshypothek in das Grundbuch eingetragen.

Gegen die Arrestanordnung hat die Antragstellerin Sprungklage (s. § 45 Abs. 4 der Finanzgerichtsordnung --FGO--) zum Finanzgericht (FG) erhoben, mit der sie die Aufhebung der Arrestanordnung wegen Rechtswidrigkeit beantragte. Mit Bescheid vom 26. März 1998 nahm das FA den Haftungsbescheid teilweise zurück und ermäßigte den Haftungsbetrag auf nunmehr ... DM. In diesem Bescheid forderte es die Antragstellerin erstmals zur Zahlung des Haftungsbetrags innerhalb von vier Wochen auf.

Danach stellte die Antragstellerin ihren Klageantrag um und beantragte nunmehr festzustellen, dass die Arrestanordnung vom 7. Juli 1997 rechtswidrig gewesen sei. Das berechtigte Interesse an dieser Feststellung ergebe sich u.a. daraus, dass sie das Land ... auf Schadensersatz in Anspruch nehmen wolle, weil im Hinblick auf die Arrestanordnung ein Kaufvertrag über das betreffende Hausgrundstück mit einem Kaufpreis in Höhe von 745 000 DM nicht zustande gekommen sei und sie das Haus erst im September 1998 zu einem um 20 000 DM geringeren Kaufpreis habe veräußern können.

Zur Durchführung dieses Klageverfahrens hat die Antragstellerin beim FG beantragt, ihr Prozesskostenhilfe (PKH) unter Beiordnung ihres jetzigen Prozessbevollmächtigten zu bewilligen. Das FG wies diesen Antrag als unbegründet ab, weil die beabsichtigte Rechtsverfolgung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg biete. Zur Begründung führte das FG aus, ein Feststellungsinteresse sei deshalb zu verneinen, weil die Antragstellerin nicht glaubhaft gemacht habe, dass sie einen Zivilrechtsstreit anstrengen wolle und weil der behauptete Schadensersatzanspruch nach derzeitiger Aktenlage offensichtlich aussichtslos wäre. Jedenfalls fehle es an der von der Antragstellerin vorgetragenen Kausalität zwischen der Arrestverfügung und dem Nichtzustandekommen des Kaufvertrags zum Preis von 745 000 DM. Die von der Antragstellerin hierzu vorgelegte Bestätigung der eingeschalteten Grundstücksmaklerin besage lediglich, dass der Verkauf deshalb nicht zustande gekommen sei, weil die Antragstellerin ihren Verkaufsauftrag zurückgezogen habe. Eine Kausalität zwischen Arrestanordnung und Scheitern des Kaufvertrags werde hierdurch gerade nicht glaubhaft gemacht. Im Übrigen hätte die Arresthypothek die Antragstellerin nicht gehindert, das Hausgrundstück zu verkaufen.

Mit der vorliegenden Beschwerde gegen die Ablehnung der Bewilligung der PKH durch das FG verfolgt die Antragstellerin ihr Begehren weiter. Zum Feststellungsinteresse bringt sie vor, eine Schadensersatzklage wegen Amtspflichtverletzung gegen das Land ... sei inzwischen beim Landgericht (LG) O eingereicht worden, was vom LG bestätigt worden ist. Sie hält daran fest, dass der Kaufvertrag im Hinblick auf die Arrestverfügung nicht zustande gekommen sei und sie mithin durch den erst später erfolgten Verkauf einen Verlust in Höhe von 20 000 DM erlitten habe. Ferner bestehe auch ein Rehabilitierungsinteresse, weil sie sich durch die Arrestanordnung des FA erheblich in ihren Rechten beeinträchtigt und zugleich auch diskriminiert fühle. Schließlich sei das gegen sie durchgeführte steuerstrafrechtliche Ermittlungsverfahren nunmehr gemäß § 170 Abs. 2 der Strafprozeßordnung (StPO) eingestellt worden.

Das FA beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen. Es teilt die Auffassung des FG.

Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Der Antragstellerin kann, wie von der Vorinstanz zutreffend entschieden, PKH nicht gewährt werden, weil es bei der auch im PKH-Beschwerdeverfahren gebotenen summarischen Prüfung an dem Bewilligungserfordernis der hinreichenden Erfolgsaussicht für das Klageverfahren fehlt (§ 142 Abs. 1 FGO i.V.m. § 114 der Zivilprozeßordnung --ZPO--).

1. Zutreffend ist das FG davon ausgegangen, dass jedenfalls mit dem am 26. März 1998 erlassenen Leistungsgebot zum Haftungsbescheid das bisherige Arrestverfahren in das normale Vollstreckungsverfahren übergeleitet und die Arrestanordnung dadurch gegenstandslos geworden ist. Der über die Arrestanordnung geführte Anfechtungsrechtsstreit hat damit in der Hauptsache seine Erledigung gefunden und das Rechtsschutzbedürfnis für den ursprünglichen Sachantrag ist entfallen (vgl. Bundesfinanzhof --BFH--, Urteil vom 7. Juli 1987 VII R 167/84, BFH/NV 1987, 702). Die Antragstellerin konnte ihr Begehren gemäß § 100 Abs. 1 Satz 4 FGO lediglich noch im Wege der Fortsetzungsfeststellungsklage weiterverfolgen und, wie geschehen, beantragen, das FG möge die Rechtswidrigkeit der Arrestanordnung feststellen. Das nach dem Gesetz erforderliche berechtigte Interesse an einer solchen Feststellung hat die Klägerin jedoch weder im Verfahren vor dem FG noch im vorliegenden Beschwerdeverfahren ausreichend substantiiert dargelegt, so dass bei der im PKH-Verfahren gebotenen summarischen Betrachtung nicht von der Zulässigkeit der erhobenen Fortsetzungsfeststellungsklage und damit auch nicht von einer hinreichenden Erfolgsaussicht im Hauptsacheverfahren ausgegangen werden kann.

2. Wird das Feststellungsinteresse, wie im Streitfall, mit dem Hinweis auf einen im Hinblick auf die behauptete Rechtswidrigkeit der Arrestanordnung zu führenden Schadensersatzprozess gegen die Behörde bzw. die Körperschaft, der die Behörde angehört, begründet, wird von der Rechtsprechung die substantiierte Darlegung gefordert, dass ein Schadensersatzprozess, wenn nicht schon anhängig, so doch mit hinreichender Sicherheit zu erwarten ist, dass die Entscheidung nach § 100 Abs. 1 Satz 4 FGO für den Schadensersatzprozess nicht unerheblich ist und dass der Schadensersatzprozess nicht offenbar aussichtslos ist (BFH-Urteil vom 27. Juni 1994 II R 109/91, BFH/NV 1995, 322, m.w.N.).

Das FG ist aufgrund der ihm vorliegenden Aktenlage zu Recht davon ausgegangen, dass die von der Antragstellerin --damals noch angekündigte, inzwischen beim LG O eingereichte-- Schadensersatzklage offensichtlich aussichtslos ist, weil es die Kausalität der Arrestanordnung für den geltend gemachten Schaden, nämlich den Unterschiedsbetrag in Höhe von 20 000 DM zwischen dem ursprünglich mit einem ersten Kaufinteressenten vereinbarten (745 000 DM) und dem später von einem anderen Käufer erzielten Kaufpreis (725 000 DM) für das von der Arrestanordnung erfasste Grundstück, verneint hat. Zur Begründung hat sich dabei das FG hauptsächlich auf die von der Antragstellerin selbst eingereichte Bestätigung vom 17. September 1998 der mit dem Verkauf beauftragten Maklerin gestützt, aus der sich klar ergibt, dass der Verkauf des Grundstücks an den Kaufinteressenten zu einem Preis von 745 000 DM deshalb nicht zustande gekommen ist, weil die Antragstellerin ihren Verkaufsauftrag zurückgezogen hat. Wer sein Angebot zum Abschluss eines Kaufvertrages zurücknimmt und damit die in Gang gekommene, auf den Abschluss des Vertrages zielende Kausalitätskette unterbricht, ist selbst dafür verantwortlich, wenn ihm durch das Nichtzustandekommen des Vertrags etwa ein Schaden entsteht, denn sein Verhalten, nicht etwa ein außenstehendes Ereignis wie die Arrestanordnung, war dann kausal für den Schaden. Dies gilt auch dann, wenn die Zurücknahme des Verkaufsauftrags, wie die Antragstellerin vorbringt, durch die bestehende Arrestanordnung motiviert gewesen wäre. Denn allein das Bestehen einer Arrestanordnung mitsamt nachfolgendem Vollzug dieser Arrestanordnung durch Eintragung einer Arresthypothek zugunsten des FA im Grundbuch hindert, wie bereits das FG ausgeführt hat, den Eigentümer nicht an der Veräußerung seines Grundstücks.

Auch im vorliegenden Beschwerdeverfahren konnte die Antragstellerin den vom FG mit Recht beanstandeten Kausalitätsmangel nicht beheben, so dass die Entscheidung des FG insoweit ohne weiteres zu bestätigen ist. Soweit die Antragstellerin erstmals im Beschwerdeverfahren Kosten in Höhe von 9 500 DM, die ihr im Zusammenhang mit der Abwehr der Arresthypothek beim Grundbuchamt und bei Anwalt und Steuerberater entstanden sein sollen, als zu liquidierenden Schaden geltend macht, kann der Senat offen lassen, ob solche Kosten isoliert für sich ein ausreichendes Feststellungsinteresse i.S. des § 100 Abs. 1 Satz 4 FGO abgeben, denn jedenfalls fehlt es im Streitfall an der erforderlichen substantiierten Darlegung oder Berechnung dieser Beträge. Auch in der beim LG eingereichten Klageschrift sind diese Beträge weder spezifiziert noch durch Belege nachgewiesen. Unter diesen Umständen erscheint dem Senat auch insoweit der angestrengte Schadensersatzprozess nach Aktenlage als offensichtlich aussichtslos.

3. Auch das Rehabilitierungsinteresse, auf welches sich die Antragstellerin erstmals im Beschwerdeverfahren unter Hinweis auf das inzwischen nach § 170 Abs. 2 StPO eingestellte steuerstrafrechtliche Ermittlungsverfahren beruft, um augenscheinlich den vom FA erhobenen Vorwurf der Steuerhinterziehung aus der Welt zu schaffen, führt im Streitfall nicht zur Annahme eines berechtigten Interesses i.S. des § 100 Abs. 1 Satz 4 FGO. Zwar kann ein solches Rehabilitierungsinteresse grundsätzlich eine Fortsetzungsfeststellungsklage rechtfertigen. Hat sich allerdings das Verfahren über die Arrestanordnung durch den Erlass des entsprechenden Steuerbescheids in der Hauptsache erledigt, so besteht für die Fortsetzungsfeststellungsklage kein Rechtsschutzbedürfnis, wenn das mit ihr verfolgte Ziel, die Ehre des Betroffenen wiederherzustellen, auch im Anfechtungsverfahren gegen den Steuerbescheid erreicht werden kann, weil die Steuerfestsetzung u.a. auf dem Vorwurf der Steuerhinterziehung beruht (vgl. BFH-Urteil in BFH/NV 1995, 322). Entsprechendes gilt, wenn an Stelle eines Steuerbescheids ein Haftungsbescheid das Verfahren über die Arrestanordnung zur Erledigung bringt und der u.a. auf eine Steuerhinterziehung gestützte Haftungsbescheid angefochten wird. Im Streitfall kann die Antragstellerin ihr Ziel, den Vorwurf der Steuerhinterziehung zu beseitigen, in dem durch die Einspruchseinlegung bereits eingeleiteten Anfechtungsverfahren gegen den Haftungsbescheid erreichen. Damit ist auch mit dem geltend gemachten Rehabilitierungsinteresse eine Zulässigkeit der von der Antragstellerin erhobenen Fortsetzungsfeststellungsklage nicht zu begründen.



Ende der Entscheidung

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