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Gericht: Bundesfinanzhof
Beschluss verkündet am 01.08.2002
Aktenzeichen: VII B 352/00
Rechtsgebiete: FGO, AO 1977, BKGG, ZPO


Vorschriften:

FGO § 114
FGO § 69 Abs. 3
FGO § 114 Abs. 3
FGO § 114 Abs. 5
AO 1977 § 256
AO 1977 § 258
AO 1977 § 257 Abs. 1
BKGG § 3 Abs. 2
ZPO § 767
ZPO § 920 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

I. Mit bestandskräftigem Bescheid vom ... hob das beklagte Arbeitsamt (Beklagter) gegenüber der Antragstellerin und Beschwerdeführerin (Antragstellerin) die Bewilligung des Kindergeldes für deren Tochter D betreffend den Zeitraum Februar bis Mai 1997 auf und forderte gleichzeitig die Rückzahlung in Höhe von X DM.

Da die Rückzahlung des Kindergeldes nicht erfolgte, kündigte das Hauptzollamt (HZA) im August 1999 die Vollstreckung an und forderte die Antragstellerin zur Zahlung des Rückstandes nebst Mahngebühren auf. Im Januar 2000 übermittelte der Vollstreckungsbeamte der Antragstellerin eine weitere Zahlungsaufforderung und kündigte einen erneuten Vollstreckungstermin an. Unter dem ... teilte das HZA dem Beklagten mit, dass bei der Antragstellerin fruchtlos gepfändet, von der Abnahme einer eidesstattlichen Versicherung aber abgesehen worden sei.

Am ... hat die Antragstellerin Klage erhoben und gleichzeitig die Bewilligung von Prozesskostenhilfe (PKH) beantragt. Mit der Klage, die als Zwangsvollstreckungsabwehrklage bezeichnet ist, begehrt die Antragstellerin sinngemäß die Feststellung, dass die Zwangsvollstreckung aus dem Vollstreckungsbescheid des Beklagten, durchgeführt durch das HZA, und die Pfändung des HZA vom ... Januar 2000 unzulässig sind.

Des Weiteren enthält der Klageschriftsatz den Antrag, die Zwangsvollstreckung einstweilen einzustellen.

Zur Begründung ihres Begehrens führt die Antragstellerin aus, Leistungsempfänger des Kindergeldes sei der von ihr getrennt lebende und inzwischen geschiedene Ehemann gewesen. Das Geld sei auf dessen Konto überwiesen worden.

Das Finanzgericht (FG) hat das Begehren der Antragstellerin als Antrag auf einstweilige Anordnung gemäß § 114 der Finanzgerichtsordnung (FGO) ausgelegt und mit dem streitgegenständlichen Beschluss den Antrag auf Bewilligung von PKH abgelehnt, da die beabsichtigte Rechtsverfolgung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg biete. Der Antrag auf Feststellung der Unzulässigkeit der Pfändung sei unzulässig, da nach Aktenlage eine Pfändung nicht erfolgt sei. Da gegen eine Pfändungsverfügung nur der Antrag gemäß § 69 Abs. 3 FGO in Betracht komme, könne die einstweilige Anordnung überdies schon wegen der Subsidiaritätsklausel des § 114 Abs. 5 FGO keinen Erfolg haben. Im Übrigen fehle es sowohl an dem Vorliegen eines Anordnungsanspruchs als auch eines Anordnungsgrundes. Mit den Einwendungen gegen den bestandskräftigen Rückforderungsbescheid sei die Antragstellerin gemäß § 256 der Abgabenordnung (AO 1977) ausgeschlossen. Die Antragstellerin verkenne zudem, dass sie die Zahlung des Kindergeldes auf das Konto des Ehemannes beantragt habe. Soweit sie darüber nicht verfügungsberechtigt gewesen sei, gelte die Zahlung an ihren Ehemann als ihren Vertreter erfolgt. Die Voraussetzungen für eine Einstellung und Beschränkung der Vollstreckung gemäß § 257 Abs. 1 AO 1977 lägen nicht vor. Der unmittelbar an das FG gerichtete Antrag gemäß § 258 AO 1977 sei unzulässig, da es an einem diesbezüglichen Ablehnungsbescheid der Vollstreckungsbehörde fehle.

Dagegen wendet sich die Antragstellerin mit ihrer Beschwerde und führt in Ergänzung zu dem bisherigen Vorbringen aus, das FG habe die Vorschriften des Bundeskindergeldgesetzes (BKGG) außer Acht gelassen. Sie habe ihr Bestimmungsrecht gemäß § 3 Abs. 2 BKGG dahin ausgeübt, dass ihr damaliger Ehemann Empfänger des Geldes und damit Berechtigter im Sinne des BKGG geworden sei.

Die Antragstellerin beantragt, unter Aufhebung der vorinstanzlichen Entscheidung ihr PKH zu bewilligen.

II. Die Beschwerde gegen die Versagung der PKH ist nicht begründet. Die beabsichtigte Rechtsverfolgung bietet keine hinreichende Aussicht auf Erfolg (§ 142 Abs. 1 FGO, § 114 der Zivilprozessordnung --ZPO--). Das FG hat den Antrag auf Gewährung von PKH im Ergebnis zu Recht abgelehnt.

Eine beabsichtigte Rechtsverfolgung verspricht hinreichende Aussicht auf Erfolg, wenn das Gericht den Rechtsstandpunkt des Antragstellers aufgrund dessen Sachdarstellung und der vorhandenen Unterlagen zumindest für vertretbar hält, in tatsächlicher Hinsicht von der Möglichkeit der Beweisführung überzeugt ist und deshalb bei summarischer Prüfung für einen Eintritt des angestrebten Erfolges eine gewisse Wahrscheinlichkeit besteht (vgl. Beschlüsse des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 16. Dezember 1986 VIII B 115/86, BFHE 148, 215, BStBl II 1987, 217, und vom 2. Juni 1987 VII B 20/87, BFH/NV 1988, 261). Nach Auffassung des Senats sind diese Voraussetzungen im Streitfall nicht gegeben.

1. Der Senat kann dahinstehen lassen, ob das FG das Rechtsschutzbegehren der anwaltlich vertretenen Antragstellerin zutreffend nur als Antrag auf einstweilige Anordnung gemäß § 114 FGO gewürdigt hat, was angesichts der gestellten Anträge und der Bezeichnung des Schriftsatzes als Zwangsvollstreckungsabwehrklage zumindest zweifelhaft erscheint.

a) Die Bewilligung von PKH für eine Zwangsvollstreckungsabwehrklage würde schon daran scheitern, dass, wie der Senat bereits mehrfach entschieden hat, die Vollstreckungsabwehrklage gemäß § 767 ZPO, mit der die Erklärung der Unzulässigkeit der von den Finanzbehörden betriebenen Vollstreckung unmittelbar durch das Gericht angestrebt wird, im steuerlichen Vollstreckungsverfahren nicht gegeben ist (Senatsurteil vom 23. Juli 1996 VII R 88/94, BFHE 181, 202, BStBl II 1996, 511, m.w.N.).

b) Einer Klage auf Feststellung der Unzulässigkeit der Pfändung vom ... Januar 2000, die wohl in eine Anfechtungsklage umgedeutet werden müsste, würde es am Rechtsschutzbedürfnis mangeln, da eine Pfändung nach Aktenlage nicht erfolgt ist.

2. Zutreffend hat das FG die Erfolgsaussichten des Antrages auf einstweilige Anordnung verneint, da weder ein Anordnungsanspruch noch ein Anordnungsgrund glaubhaft gemacht worden ist.

a) Die Antragstellerin hat im vorliegenden Verfahren lediglich vorgetragen, dass nicht sie, sondern ihr geschiedener Ehemann Leistungsempfänger des Kindergeldes gewesen und sie deshalb zu Unrecht zur Rückzahlung herangezogen worden sei.

Diese Einwendungen richten sich ausschließlich gegen die Rechtmäßigkeit des Rückforderungsbescheides vom ..., der der Vollstreckung zugrunde liegt. Im Vollstreckungsverfahren können Einwendungen gegen die zu vollstreckenden Verwaltungsakte aber nicht berücksichtigt werden. Die Antragstellerin hätte vielmehr die Einwendungen außerhalb des Vollstreckungsverfahrens mit den hierfür zugelassenen Rechtsbehelfen verfolgen müssen (§ 256 AO 1977). Die Antragstellerin hat gegen den Rückforderungsbescheid vom ..., nachdem ihr dagegen eingelegter Einspruch als unbegründet zurückgewiesen wurde, keine Klage erhoben. Der Rückforderungsbescheid ist daher in Bestandskraft erwachsen, weshalb die Antragstellerin auch außerhalb des Vollstreckungsverfahrens Einwendungen gegen die Rechtmäßigkeit der Sachentscheidung nicht mehr geltend machen kann.

b) Wie der Senat aber entschieden hat, kann dem Vollstreckungsschuldner --unabhängig von etwaigen Rechtsbehelfen gegen den der Vollstreckung zugrunde liegenden Verwaltungsakt oder seine Vollziehung-- ein anerkennenswertes Interesse daran zugebilligt werden, sich gegen die Zwangsvollstreckung selbst mit der Begründung wehren zu können, dass diese unbillig i.S. des § 258 AO 1977 sei. Sein auf einstweilige Einstellung oder Beschränkung der Zwangsvollstreckung oder Aufhebung einer Vollstreckungsmaßnahme i.S. des § 258 AO 1977 gerichtetes Begehren kann der Vollstreckungsschuldner auch im Wege des vorläufigen Rechtsschutzes mit dem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung verfolgen. In diesem Fall ist der für den Erlass einer einstweiligen Anordnung gemäß § 114 Abs. 3 FGO i.V.m. § 920 Abs. 2 ZPO glaubhaft zu machende Anordnungsanspruch der Anspruch auf Einstellung, Beschränkung oder Aufhebung der Vollstreckung nach § 258 AO 1977 (vgl. Senatsbeschluss vom 17. Mai 1988 VII B 27/88, BFH/NV 1989, 114).

Selbst wenn der Senat das Rechtsschutzbegehren der Antragstellerin dahin auslegen könnte, dass damit auch die Unbilligkeit der Vollstreckung als solche gerügt werden soll und darüber hinaus zugunsten der Antragstellerin davon ausginge, dass das Gericht im Verfahren nach § 114 FGO befugt ist, die mit dem Anordnungsanspruch nach § 258 AO 1977 verbundene Ermessensentscheidung selbst zu treffen (Interimsermessen, vgl. Beschlüsse des Senats vom 5. und 13. Mai 1977 VII B 9/77, BFHE 122, 28, BStBl II 1977, 587, und vom 4. November 1986 VII B 108/86, BFH/NV 1987, 555, 556), so ist die Entscheidung des FG im Ergebnis nicht zu beanstanden, da es bereits an der Glaubhaftmachung des Anordnungsanspruchs fehlt. Denn über die nicht zu berücksichtigenden Einwendungen gegen die Rechtmäßigkeit des zu vollstreckenden Rückforderungsbescheides hinaus, enthält die Beschwerde keinerlei Begründung dazu, warum die Vollstreckung als solche für die Antragstellerin unbillig sein könnte. Auch zur Begründung ihres Antrages auf Gewährung von vorläufigem Vollstreckungsschutz hat die Antragstellerin keinen Umstand dargelegt, der die Unbilligkeit der Vollstreckung begründen könnte (vgl. BFH-Beschluss vom 24. November 1987 VII B 34/87, BFH/NV 1988, 423, 424).

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