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Gericht: Bundesfinanzhof
Beschluss verkündet am 06.12.2006
Aktenzeichen: VII B 48/06
Rechtsgebiete: MinöStG 1993, FGO


Vorschriften:

MinöStG 1993 § 4 Abs. 1 Nr. 2
FGO § 116 Abs. 3 Satz 3
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

I. Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) stellt aus Naturgraphit, Siliciumcarbid, Silicium, Tonerde und Kunstharz kohlenstoffgebundene Siliciumcarbidschmelztiegel her. Das Brennen der Tiegelrohlinge, zu dem die Klägerin Erdgas einsetzt, erfolgt zunächst im so genannten Verkokungsbrand entweder in einem Herdwagenofen oder in einem Kassettenringtiefofen. Danach werden die Rohlinge im so genannten Glasurbrand in einem Herdwagenofen mit einer Glasur überzogen. Der Verkokungsbrand dient der Verfestigung der Gemengestruktur aus Siliciumcarbid und Graphit. Das als Bindemittel dienende Kunstharz wird durch thermische Zersetzung (Pyrolyse) in Koks umgewandelt und liefert Kohlenstoff für die Strukturfestigung. Im Gegensatz zum Brennen im Herdwagenofen findet im Kassettenringtiefofen kein direkter Kontakt der Erdgasflamme mit dem Tiegelrohling statt. Denn der Tiegel ist von einem schützenden Koksbett umgeben, das mit aufgeheizt wird und den vorhandenen Restsauerstoff abfängt. Durch den Brennvorgang werden Teile des eingesetzten Siliciums durch Luftstickstoff und Sauerstoff bei hohen Temperaturen in Siliciumnitrid bzw. Siliciumoxynitrid umgewandelt, wodurch der Schmelztiegel zusätzliche Festigkeit erhält. Der Stoffumwandlungsprozess findet bei ca. 1 100°C statt, wobei Voraussetzung ist, dass der Graphitkohlenstoff und das Kunstharz nicht vom Restsauerstoff der Verbrennungsluft oxydiert werden können.

Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Hauptzollamt --HZA--) sah den Einsatz des Erdgases beim Glasurbrand und beim Verkokungsbrand im Herdwagenofen als steuerfreie Verwendung i.S. von § 4 Abs. 1 Nr. 2 des Mineralölsteuergesetzes (MinöStG 1993) an. Dagegen wertete es die Verwendung des Erdgases im Kassettenringtiefofen als die Steuerfreiheit ausschließendes Verheizen (§ 4 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b MinöStG 1993). Infolgedessen lehnte es mit Bescheid vom 15. Januar 2002 den Antrag der Klägerin auf steuerfreie Verwendung des im Kassettenringtiefofen eingesetzten Erdgases ab. Einspruch und Klage hatten keinen Erfolg. Das Finanzgericht (FG) urteilte, dass die Klägerin das Erdgas zur Wärmeerzeugung einsetze. Die den Tiegelrohling umgebende Koksschüttung fungiere als Wärmeträger, der die Wärme auf den Tiegelrohling übertrage, damit dort die Stoffumwandlungsprozesse des Verkokungsbrandes stattfinden könnten. Weder Erdgas noch Koks gingen in nennenswertem Umfang in das Endprodukt ein. Die Koksschüttung, die den Restsauerstoff beseitige, ginge ihrer stofflichen Beschaffenheit nicht verlustig. Der Vorgang sei mineralölsteuerrechtlich anders als der Glasurbrand zu beurteilen, bei dem die Glasur im Direktkontakt mit offener Flamme aufgebracht werde. Das gefundene Ergebnis stimme mit der Rechtsprechung des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) zum Verbrauch von Mineralöl als Heizstoff überein, auch wenn es sich bei der Erdgassteuer um eine nicht harmonisierte Steuer handle.

Mit ihrer Beschwerde begehrt die Klägerin die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--) und zur Rechtsfortbildung und Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO). Es gehe um die Rechtsfrage, ob es sich bei dem im Kassettenringtiefofen ablaufenden Prozess der Herstellung von Siliciumkarbidschmelztiegel um ein Verheizen handle. Zutreffend habe das FG ausgeführt, dass die Erdgasflamme nicht unmittelbar auf das Brenngut einwirke. Vielmehr werde die Flamme über den Brenner in Kassettensteine geführt. Diese transportierten die Energie auf den Koks und von dort auf den Schmelztiegel. Das eingesetzte Erdgas diene der stofflichen Umwandlung der Schmelztiegel. Allerdings könne das Brenngut nicht der offenen Erdgasflamme ausgesetzt, sondern müsse vollständig gegen Oxydation geschützt werden. Insofern liege ein einheitlicher Verwendungsvorgang vor, bei dem das Erdgas nicht zur Erzeugung von Wärmeenergie verheizt werde. Es diene vielmehr ausschließlich der stofflichen Umwandlung der Schmelztiegel. Die erstinstanzliche Entscheidung stehe im Widerspruch zur ständigen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH), der auf Grund einer Gesamtbetrachtung des jeweiligen Produktionsprozesses differenziere. Es sei zudem sachlich nicht nachvollziehbar, dass die Prozesse im Herdwagenofen steuerbefreit seien und im Kassettenringtiefofen nicht.

Das HZA tritt der Beschwerde entgegen. Es ist der Ansicht, dass die Klägerin weder eine konkrete Rechtsfrage formuliert noch die Klärungsbedürftigkeit dargelegt habe. Mit ihren Ausführungen bestätige die Klägerin die Auffassung des FG, dass der Koksschüttung die Eigenschaft eines neuen Energieträgers zukomme. Offen lasse die Klägerin, worin die Abweichung des erstinstanzlichen Urteils von der BFH-Rechtsprechung liegen solle.

II. Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Der Senat lässt offen, ob die Klägerin die grundsätzliche Bedeutung der von ihr aufgeworfenen Rechtsfrage hinreichend dargelegt hat, wie dies § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO erfordert; jedenfalls kommt der Frage keine Klärungsbedürftigkeit zu. Die behauptete Divergenz liegt zudem nicht vor.

1. Nach der Rechtsprechung des BFH fehlt es an der Klärungsbedürftigkeit einer Rechtsfrage, wenn sich ihre Beantwortung ohne weiteres aus dem Gesetz und anhand der Rechtsprechung des BFH ergibt, so dass sie sich so beantworten lässt, wie es die Vorinstanz getan hat (BFH-Entscheidungen vom 16. Juni 2004 X B 172/03, BFH/NV 2004, 1528, und vom 9. Januar 2002 III B 81/01, BFH/NV 2002, 667).

a) Ausgehend von der Grundkonzeption der Mineralölbesteuerung, jegliche Nutzung von Mineralöl zur Erzeugung von motorischer Leistung und Wärme zu erfassen (vgl. Senatsurteil vom 27. August 1996 VII R 14/95, BFHE 181, 243, 246), hat der BFH in mehreren Entscheidungen den Begriff des "Verheizens" präzisiert und dabei Grundsätze entwickelt, die auf den Streitfall deshalb uneingeschränkte Anwendung finden, weil die Klägerin das Erdgas zu Heizzwecken und nicht als Kraftstoff verwendet hat. Die im Zeitpunkt der Antragstellung noch geltende Richtlinie 92/81/EWG des Rates vom 19. Oktober 1992 zur Harmonisierung der Struktur der Verbrauchsteuern auf Mineralöl --Mineralölstrukturrichtlinie-- (Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften --ABlEG-- Nr. L 316/12) sieht eine Besteuerung von Erdgas nämlich nur dann vor, wenn es als Kraftstoff eingesetzt wird. Die Besteuerung von Erdgas, das wie im Streitfall zu Heizzwecken verwendet wird, stand den Mitgliedstaaten bis zum Inkrafttreten der Richtlinie 2003/96/EG des Rates vom 27. Oktober 2003 zur Restrukturierung der gemeinschaftlichen Rahmenvorschriften zur Besteuerung von Energieerzeugnissen und elektrischen Strom (ABlEG Nr. L 283/51) frei. Insoweit handelte es sich bei der Erdgassteuer bis zum 1. Januar 2004 um eine in der Gemeinschaft nicht harmonisierte Verbrauchsteuer, weshalb auch die Rechtsprechung des EuGH zur Auslegung des in der Mineralölstrukturrichtlinie verwendeten Begriffes des Verheizens noch keine Anwendung finden kann.

b) Nach der vom beschließenden Senat entwickelten Rechtsprechung bedeutet "Verheizen" die gewollte Ausnutzung des Heizwertes eines Stoffes, d.h. sein (ganzes oder teilweises) Verbrennen zur Erzeugung von Wärme, die (ganz oder teilweise) auf einen anderen Stoff übertragen wird, wobei die Wärmeerzeugung und die Übertragung der Wärme neben anderen Zwecken der Verwendung des Mineralöls nicht nur eine untergeordnete Bedeutung haben darf (BFH-Urteil vom 25. Oktober 1994 VII R 96/93, BFHE 176, 165, m.w.N.). Entscheidend ist, dass die durch den Mineralöleinsatz erzeugte Wärme auf einen anderen Stoff übertragen wird, der seinerseits wieder als Energieträger (Heizmittel) fungiert, ohne dabei --z.B. durch Cracken-- seiner stofflichen Beschaffenheit verlustig zu gehen (zuletzt Senatsbeschluss vom 16. Juni 2005 VII B 138/04, BFH/NV 2005, 1869, m.w.N.). Ein Verheizen liegt demnach nicht vor, wenn der Wärmeträger der Wärme selbst als Objekt zur Herstellung eines bestimmten anders beschaffenen Produktes ausgesetzt ist (Senatsurteil vom 30. September 1997 VII R 114/96, BFHE 184, 170).

c) Nach den Feststellungen des FG, gegen die Verfahrensrügen nicht erhoben worden sind und die infolgedessen für den Senat bindend sind, geht der Koks, mit dem der zu brennende Schmelztiegel umgeben ist, nicht in nennenswertem Umfang in das Endprodukt ein. Ihrer stofflichen Beschaffenheit geht die Koksschüttung demnach nicht verlustig. Vielmehr nimmt der Koks die durch die Verbrennung des Erdgases erzeugte Wärme auf und überträgt diese auf den Tiegelrohling. Bei diesem Vorgang, bei dem die Wärme, wie die Klägerin selbst ausführt, "zwischengeleitet" wird, wird bewusst der Heizwert des eingesetzten Erdgases ausgenutzt. Unter Beachtung der ständigen BFH-Rechtsprechung hat das FG daher zu Recht entschieden, dass in diesem Fall ein die steuerfreie Verwendung ausschließendes Verheizen vorliegt. Dass das Brennen des Tiegelrohlings mittels einer direkten Flammeneinwirkung verfahrenstechnisch nicht möglich ist, vermag an der zutreffenden rechtlichen Würdigung nichts zu ändern.

2. Damit liegt auch die von der Klägerin behauptete Abweichung des FG-Urteils von der Rechtsprechung des BFH nicht vor.

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