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Gericht: Bundesfinanzhof
Beschluss verkündet am 16.01.2001
Aktenzeichen: VII B 70/00
Rechtsgebiete: FGO


Vorschriften:

FGO § 115 Abs. 2 Nr. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe

I. Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) ist eine im Dezember 1991 zum Zweck der Milchproduktion gegründete Gesellschaft der Landwirte P und H. H hat in die Gesellschaft u.a. sein Milchvieh eingebracht; P, der kein eigenes Milchvieh besaß, brachte Weideland und eine vorläufige spezifische Anlieferungs-Referenzmenge in die Gesellschaft ein. Diese Referenzmenge hatte ihm seine Molkerei im Rahmen der SLOM II-Regelung 1992 berechnet, nachdem er im Jahre 1978 an den Regelungen der Verordnung (EWG) Nr. 1078/77 (VO Nr. 1078/77) des Rates vom 17. Mai 1977 zur Einführung einer Prämienregelung für die Nichtvermarktung von Milch ... (Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften --ABlEG-- Nr. L 131/1) teilgenommen hatte.

Die Klägerin lieferte in 12 zusammenhängenden Monaten vor dem 1. Juli 1993 83 % der von der Molkerei festgesetzten vorläufigen spezifischen Anlieferungs-Referenzmenge. Daraufhin wurde P durch Mitteilung der Molkerei vom 21. Juli 1993 eine endgültige spezifische Anlieferungs-Referenzmenge von rd. ... kg Milch zugeteilt.

Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Hauptzollamt) hat diese Anlieferungs-Referenzmenge jedoch mit Ablauf des 31. März 1996 freigesetzt. Es hat diese Entscheidung damit begründet, dass P nicht seinen ganzen Betrieb in die Klägerin eingebracht habe, sondern nur einen Teil seines Betriebsgeländes.

Die hiergegen erhobene Klage hatte keinen Erfolg. Das Finanzgericht (FG) urteilte, nach den einschlägigen gemeinschaftsrechtlichen Vorschriften setze die Zuteilung einer spezifischen Anlieferungs-Referenzmenge als Verschärfung des Flächenbindungsprinzips die Bewirtschaftung des ehemaligen Nichtvermarktungsbetriebs voraus; der Landwirt müsse in der Lage sein, die Referenzmenge in vollem Umfang in seinem Betrieb zu erzeugen. Nehme der Landwirt die Milchproduktion nicht alleine, sondern in einem gesellschaftlichen Zusammenschluss mit einem anderen Landwirt wieder auf, müsse er seinen Nichtvermarktungsbetrieb in die Gesellschaft einbringen. Grünflächen, die von P außer der Referenzmenge und der Arbeit in die Klägerin eingebracht worden seien, seien jedoch kein landwirtschaftlicher Betrieb. Die Milchproduktion sei also nicht im Nichtvermarktungsbetrieb aufgenommen worden.

Gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil richtet sich die Beschwerde der Klägerin, mit der grundsätzliche Bedeutung geltend gemacht wird.

Die Klägerin möchte folgende beiden Fragen geklärt wissen:

1. Reicht es für die Zuteilung einer SLOM-Referenzmenge aus, dass der ehemalige Nichtvermarkter nur die ehemaligen Milcherzeugungsflächen seines Nichtvermarktungsbetriebes in eine Gesellschaft bürgerlichen Rechst (GbR) eingebracht hat und die Gesellschaft auf diesen Flächen die Milcherzeugung wieder aufgenommen hat?

2. Ist die Übertragung einer Milchreferenzmenge eines Milcherzeugers auf eine GbR nur möglich, wenn der Milcherzeuger seinen gesamten Betrieb in die Gesellschaft einbringt oder reicht es aus, wenn der Milcherzeuger nur die Milcherzeugungsflächen in die Gesellschaft einbringt? Kann er seinen übrigen Betrieb als selbständigen Betrieb unabhängig von der Gesellschaft weiter führen?

Die Klägerin trägt dazu im Einzelnen vor, die Rechtsansicht des FG, der Erzeuger müsse seinen gesamten Betrieb in die Gesellschaft einbringen, sei fehlerhaft. Sowohl bei SLOM-Betrieben als auch bei sonstigen Betrieben müsse es ausreichen, dass eine bereits zugeteilte Milchreferenzmenge bzw. eine noch zuzuteilende oder noch zu ermelkende SLOM-Referenzmenge in eine Gesellschaft eingebracht werde. Die gegenteilige Auffassung verstoße gegen das Prinzip der Flächenbindung der Milchreferenzmenge. Dieses gelte auch für SLOM-Referenzmengen.

Das FG habe im Übrigen die Rechtsprechung des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) nicht ausreichend berücksichtigt. Der EuGH stelle bei der Wiederzuteilung von SLOM-Referenzmengen darauf ab, ob der betreffende Landwirt tatsächlich die ehemaligen Milcherzeugungsflächen des Nichtvermarktungsbetriebes in Bewirtschaftung habe. Insbesondere in dem Urteil vom 16. Oktober 1997 Rs. C-165/95 (EuGHE 1997, I-5543) erkläre der EuGH, dass nicht sämtliche Flächen des ehemaligen Nichtvermarktungsbetriebes von vornherein als Milcherzeugungsflächen anzusehen seien; wenn der Betrieb vielmehr ein Mischbetrieb gewesen sei, so sei zu erforschen, welche Flächen der Milcherzeugung gedient hätten, und dem Übernehmer nur die entsprechende SLOM-Referenzmenge zuzuteilen. Diese zu SLOM III-Referenzmengen ergangene Rechtsprechung gelte auch für eine SLOM II-Referenzmenge.

Bei den in die Gesellschaft eingebrachten 5,78 ha Betriebsfläche handle es sich um die ehemalige Milcherzeugungsfläche. Die Milchquote müsse deshalb auf die Klägerin übergehen. Wenn es nämlich nach der Rechtsprechung grundsätzlich möglich war, die Milcherzeugung der SLOM-Referenzmenge auch innerhalb einer GbR wieder aufzunehmen, so spreche nichts dagegen, wenn lediglich die ehemaligen Milcherzeugungsflächen in diese Gesellschaft eingebracht werden. Der ehemalige Nichtvermarkter sei nicht gezwungen, die Milcherzeugung in seinen eigenen alten Stallungen wieder aufzunehmen.

Im Übrigen habe das FG jedenfalls die vorgenannten Fragen nicht ohne Anrufung des EuGH entscheiden dürfen.

II. Die zulässige Beschwerde ist nicht begründet. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung. Der Klägerin steht eine endgültige spezifische Referenzmenge aufgrund der von P in die Gesellschaft eingebrachten Betriebsfläche und der darauf ruhenden vorläufigen spezifischen Referenzmenge nicht zu.

Nach Art. 3a Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 Buchst. b der Verordnung (EWG) Nr. 857/84 (VO Nr. 857/84) des Rates vom 31. März 1984 über Grundregeln für die Anwendung der Abgabe gemäß Art. 5c der Verordnung (EWG) Nr. 804/68 im Sektor Milch und Milcherzeugnisse (ABlEG Nr. L 90/13), geändert durch die Verordnung (EWG) Nr. 764/89 des Rates vom 20. März 1989 zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 857/84 ... (ABlEG Nr. L 84/2) i.d.F. der Verordnung (EWG) Nr. 1639/91 des Rates vom 13. Juni 1991 zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 857/84 ... (ABlEG Nr. L 150/35) erhalten nur solche (sog. SLOM-)Erzeuger eine vorläufige spezifische Referenzmenge zur Wiederaufnahme der nach der früheren Nichtvermarktungsregelung der VO Nr. 1078/77 vorübergehend eingestellten Milcherzeugung, die nachweisen, dass sie die Referenzmenge in vollem Umfang "in ihrem Betrieb" erzeugen können. Die Zuteilung einer vorläufigen spezifischen Referenzmenge an SLOM-Erzeuger geschieht also in der Erwartung und zu dem Zweck, dass sie ihre frühere berufliche Betätigung als Milcherzeuger im Rahmen ihres landwirtschaftlichen Betriebes wieder aufnehmen. Denn diese Erzeuger durften darauf vertrauen, dass es ihnen möglich sein würde, nach Ablauf ihres Nichtvermarktungs- oder Umstellungszeitraums die Vermarktung von Milch wieder aufzunehmen und ihre frühere Berufstätigkeit unter Bedingungen wieder auszuüben, die sie gegenüber den anderen Milcherzeugern nicht diskriminieren; sie durften jedoch nicht darauf vertrauen, dass ihnen die gemeinsame Milchmarktorganisation einen nicht aus ihrer Berufstätigkeit herrührenden kommerziellen Vorteil verschaffen würde und sie in der Lage sein würden, einen Vorteil wie die Zuteilung einer Referenzmenge nach der Zusatzabgabenregelung kommerziell zu verwerten (Urteil des EuGH vom 22. Oktober 1991 Rs. C-44/89, EuGHE 1991, I-5119).

Diese Bindung der nach Maßgabe der SLOM-Regelung zugeteilten spezifischen Referenzmenge nicht nur an die Milcherzeugungsfläche, sondern an den ehemaligen Nichtvermarktungsbetrieb setzt sich in der Zuteilung der endgültigen spezifischen Referenzmenge nach Art. 3a Abs. 3 VO Nr. 857/84 fort (vgl. Beschluss des Senats vom 16. Mai 2000 VII B 232/99, BFH/NV 2000, 1376); diese ist nur rechtmäßig, wenn die vorläufige Referenzmenge von dem ehemaligen Nichtvermarktungsbetrieb in dem dort vorgesehenen Umfang aus seiner wiederaufgenommenen Milchproduktion beliefert worden ist; anderenfalls ist sie wieder einzuziehen.

Da unter einem Betrieb im Sinne der vorstehenden Ausführungen nach der in Art. 12 Buchst. d VO Nr. 857/84 enthaltenen gesetzlichen Begriffsbestimmung die Gesamtheit der von einem Erzeuger bewirtschafteten Produktionseinheiten zu verstehen ist, darf die endgültige Zuteilung der spezifischen Referenzmenge an einen ehemaligen Nichtvermarkter nur erfolgen, wenn dieser die Milch nicht nur unter Einsatz der ihm vorläufig zugeteilten Referenzmenge und zu seinem Betrieb gehörender Milcherzeugungsfläche erwirtschaftet hat, sondern dafür auch seine Arbeitskraft als landwirtschaftlicher Betriebsleiter (Art. 12 Buchst. c VO Nr. 857/84) und die sonstigen ihm zuzurechnenden landwirtschaftlichen Produktionsmittel, die zur Milcherzeugung benötigt werden, kurzum: seinen Betrieb eingesetzt hat.

Nicht hinderlich für die Zuteilung der endgültigen spezifischen Referenzmenge ist es dabei allerdings, wenn der Erzeuger die Milcherzeugung nicht alleine, sondern in gesellschaftlicher Verbundenheit mit anderen Milcherzeugern wieder aufnimmt. Schon nach dem Wortlaut der einschlägigen Vorschriften der VO Nr. 857/84 spricht nichts dagegen, dass die Milcherzeugung im Rahmen einer Vereinigung oder einer Gruppe von Personen, die gemeinsam die Bewirtschaftung des Betriebes des SLOM-Erzeugers übernehmen, Milcherzeugung in dessen Betrieb ist und daher die Umwandlung der einem ehemaligen Nichtvermarkter zugeteilten vorläufigen in eine endgültige Referenzmenge rechtfertigt (vgl. EuGH-Urteil vom 27. Januar 1994 Rs. C-98/91, EuGHE 1994, I-223, Rdnr. 29). Jedoch kann eine spezifische Referenzmenge in diesem Falle ebenfalls nur unter der Bedingung zugeteilt werden, dass die Vereinigung oder die Gruppe von Personen nicht ausschließlich zum Zweck der Erzielung des Marktwerts der spezifischen Referenzmenge gebildet worden ist (EuGH, ebenda), sondern zumindest auch zum Zwecke der Bewirtschaftung des Betriebes, von dessen Wiederaufnahme als milcherzeugendem Betrieb die Zuteilung der Referenzmenge, wie ausgeführt, abhängt. Dementsprechend sieht der EuGH die für die Zuteilung einer spezifischen Referenzmenge wesentliche Voraussetzung, dass der ehemalige Nichtvermarkter die Erzeugung tatsächlich und persönlich wieder aufnimmt (EuGH-Urteil vom 17. April 1997 Rs. C-15/95, EuGHE 1997, I-1961, Rdnr. 33), bei Gründung einer Vereinigung von Personen nur dann als erfüllt an, wenn die Gesamtheit der die Vereinigung bildenden Personen die für die Erzeugereigenschaft erforderlichen Voraussetzungen erfüllt (ebenda, Rdnr. 25).

Diese besonderen Bedingungen, von denen der gemeinschaftliche Verordnungsgeber die Wiederaufnahme der Milcherzeugung durch einen ehemaligen Nichtvermarktungsbetrieb abhängig macht, stehen in Einklang mit der Rechtsprechung des EuGH, dessen Umsetzung sie dienen sollen und der eine Berücksichtigung der ehemaligen Nichtvermarkter bei der Milchquotenvergabe verlangt hat, weil diese hätten darauf vertrauen dürfen, dass sie nach dem Ende ihrer Nichtvermarktungs-Verpflichtung nicht Beschränkungen unterworfen werden, die sie wegen dieser Verpflichtung in besonderer Weise beeinträchtigen (vgl. u.a. EuGH-Urteile 3. Dezember 1992 Rs. C-264/90, EuGHE 1992, I-6285, und vom 9. Juli 1992 Rs. C-236/90, EuGHE 1992, I-4483). Hingegen hat der EuGH nicht verlangt und lässt sich aus dem Grundsatz des Vertrauensschutzes auch nicht herleiten, dass im Rahmen der Regulierung des Milchmarktes durch das Quotensystem der VO Nr. 857/84 auch solche Landwirte berücksichtigt werden müssen, die ihren landwirtschaftlichen Betrieb endgültig auf andere Produktionsziele umgestellt haben und daran auch künftig festhalten wollen und die eine Referenzmenge nur begehren, um den Marktwert, den diese inzwischen verkörpert, ausnutzen zu können.

Nach alledem ist die von der Beschwerde aufgeworfene erste Frage dahin zu beantworten, dass es für die endgültige Zuteilung einer SLOM-Referenzmenge nicht ausreicht, Milcherzeugungsflächen eines Nichtvermarktungsbetriebes in eine Gesellschaft einzubringen und diese Flächen der Gesellschaft zur Milcherzeugung zu überlassen. Der beschließende Senat hält hierfür weder ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 234 des Vertrages zur Gründung der Europäischen Gemeinschaften (EG) noch die Durchführung eines Revisionsverfahrens für erforderlich; denn die richtige Antwort auf die von der Beschwerde aufgeworfene Frage steht unter Berücksichtigung der bisher schon ergangenen einschlägigen höchstrichterlichen Rechtsprechung fest. Geklärte oder im Beschwerdeverfahren anhand des Gesetzes und der Rechtsprechung klärbare Rechtsfragen verleihen jedoch einer Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung i.S. des hier nach Art. 4 des Zweiten Gesetzes zur Änderung der Finanzgerichtsordnung und anderer Gesetze noch anzuwendenden § 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) in der bis zum In-Kraft-Treten jenes Gesetzes geltenden Fassung.

Sofern die zweite von der Beschwerde aufgeworfene Rechtsfrage über die erste hinausgreift, nämlich sinngemäß dahin geht, ob der Nichtvermarkter die Milcherzeugung in der Weise wieder aufnehmen dürfe, dass er einen aus seinem Betrieb herausgelösten Teilbetrieb in die Gesellschaft einbringt und neben der Milchproduktion im Rahmen der Gesellschaft seinen Restbetrieb selbst weiter bewirtschaftet, würde sich diese Frage in dem angestrebten Revisionsverfahren nicht stellen, weil in die Klägerin nach den bindenden tatsächlichen Annahmen des FG kein Teilbetrieb, sondern lediglich einzelne Produktionsmittel eingebracht worden sind. Die vorgenannte Frage kann folglich die Zulassung der Revision ebenfalls nicht rechtfertigen.



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