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Gericht: Bundesfinanzhof
Beschluss verkündet am 08.07.2004
Aktenzeichen: VII B 90/04
Rechtsgebiete: FGO


Vorschriften:

FGO § 57
FGO § 60
FGO § 60 Abs. 1 Satz 1
FGO § 60 Abs. 3
FGO § 78 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

I. Die Beiladungsprätendentin und Beschwerdeführerin (Beiladungsprätendentin) versucht im Wege der Zwangsvollstreckung Forderungen gegenüber einem Herrn W durchzusetzen. Wegen Steuerverbindlichkeiten des Herrn W wurde die Klägerin durch Duldungsbescheid des Beklagten (Finanzamt --FA--) zur Duldung von Vollstreckungsmaßnahmen in ihr Vermögen in Anspruch genommen. Sowohl das FA als auch die Beiladungsprätendentin haben eine von Herrn W an die Klägerin abgetretene Forderung auf Auszahlung eines auf einem Notaranderkonto eingezahlten Betrages gepfändet. Dabei gehen beide Gläubiger davon aus, dass die Abtretung der Forderung aufgrund einer beabsichtigten Gläubigerbenachteiligung anfechtbar sei.

Den Antrag der Beiladungsprätendentin, zu dem Verfahren vor dem Finanzgericht (FG) beigeladen zu werden, hat das FG mit der Begründung abgelehnt, dass steuerliche Interessen der Beiladungsprätendentin nicht berührt seien. Es gehe ihr vielmehr um die zivilrechtliche Durchsetzung der gegen Herrn W bestehenden Forderungen. Die Voraussetzungen für eine einfache Beiladung nach § 60 der Finanzgerichtsordnung (FGO) seien somit nicht erfüllt.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die Beschwerde der Beiladungsprätendentin. Sie ist der Ansicht, dass die Voraussetzungen für eine einfache Beiladung gegeben seien. Da es im finanzgerichtlichen Verfahren um die Wirksamkeit einer im Rahmen eines Darlehensgeschäftes erfolgten Forderungsabtretung gehe, könnte sich die Entscheidung auch auf ihre Rechtsposition auswirken, da auch sie Befriedigung aus der abgetretenen Forderung suche. Eine Aufhebung des gegen die Klägerin erlassenen Duldungsbescheides würde zu einem Aufrücken im Rang und damit zu einer Verbesserung ihrer Rechtsstellung führen. Gleichwohl stehe auf dem Notaranderkonto ein ausreichender Betrag zur Verfügung, aus dem beide Forderungen befriedigt werden könnten. Steuerliche Interessen seien deshalb berührt, weil die Pfändungs- und Einziehungsverfügung des FA sowie der Duldungsbescheid auf steuerrechtlichen Vorschriften beruhten und weil sich das FA als vorrangiger Pfandgläubiger geriere. Darüber hinaus habe der Bundesfinanzhof (BFH) in seiner Entscheidung vom 28. Dezember 1998 VII B 280/98 (BFH/NV 1999, 815) keine sehr hohen Anforderungen an eine einfache Beiladung gestellt. Im Streitfall käme auch eine notwendige Beiladung in Betracht.

Die Beiladungsprätendentin beantragt sinngemäß, sie zu dem finanzgerichtlichen Verfahren der Klägerin beizuladen, hilfsweise die Sache an das FG zurückzuverweisen. Darüber hinaus begehrt sie Akteneinsicht, die ihr vom FG bisher noch nicht gewährt worden sei.

Die Klägerin wendet sich sowohl gegen eine Beiladung der Beiladungsprätendentin als auch gegen eine Akteneinsicht. Sie ist der Ansicht, dass die Beiladungsprätendentin das finanzgerichtliche Verfahren zur Verfolgung ihrer vermeintlichen zivilrechtlichen Ansprüche nutzen wolle. Eine Beiladung im finanzgerichtlichen Verfahren könne jedoch nicht die Funktion haben, den vorgegebenen zivilrechtlichen Weg abzukürzen.

II. Die zulässige Beschwerde (§ 128 Abs. 1 FGO) ist nicht begründet. Es liegt weder ein Fall der notwendigen, noch ein Fall der einfachen Beiladung vor.

1. Nach § 60 Abs. 3 FGO ist eine Beiladung notwendig, wenn an dem streitigen Rechtsverhältnis Dritte derart beteiligt sind, dass die Entscheidung auch ihnen gegenüber nur einheitlich ergehen kann. Das ist dann der Fall, wenn die Entscheidung notwendigerweise und unmittelbar Rechte Dritter gestaltet, verändert oder zum Erlöschen bringt, insbesondere in Fällen, in denen das, was einen Prozessbeteiligten begünstigt oder benachteiligt, notwendigerweise umgekehrt den Dritten benachteiligen oder begünstigen muss (Urteile des BFH vom 27. Februar 1969 IV R 263/66, BFHE 95, 148, BStBl II 1969, 343, und vom 19. April 1988 VII R 56/87, BFHE 153, 472, BStBl II 1988, 789).

Ein solches Verhältnis liegt nach Auffassung des Senats im Streitfall nicht vor. Unabhängig von der Frage, ob die Beiladungsprätendentin überhaupt als Beteiligte i.S. von § 60 Abs. 3 FGO anzusehen wäre, würde die Entscheidung des FG über die Rechtmäßigkeit des Duldungsbescheides nicht unmittelbar in geschützte Rechtspositionen der Beiladungsprätendentin eingreifen. Denn es bliebe ihr unbenommen, ihre vermeintliche Forderung gegen Herrn W sowie die Unwirksamkeit der Abtretung in einem zivilgerichtlichen Verfahren geltend zu machen. Eine unmittelbar benachteiligende Wirkung würde die finanzgerichtliche Entscheidung auch deshalb nicht entfalten, weil die Beiladungsprätendentin selbst vorträgt, dass sich auf dem Notaranderkonto ausreichende Mittel befinden, um die im Vollstreckungsverfahren konkurrierenden Forderungen vollständig zu befriedigen. Eine vorrangige Befriedigung des FA würde somit nicht notwendigerweise zu einer Vereitelung des von der Beiladungsprätendentin geltend gemachten Anspruchs führen.

Auch die Voraussetzungen einer einfachen Beiladung nach § 60 Abs. 1 Satz 1 FGO liegen nicht vor. Nach dieser Vorschrift kann das FG zu einem Rechtsstreit andere beiladen, deren rechtliche Interessen nach den Steuergesetzen durch die Entscheidung berührt werden. Ein von § 60 Abs. 1 Satz 1 FGO gefordertes steuerliches Interesse liegt nur dann vor, wenn die Feststellungen des Urteils für die steuerlichen Pflichten des Dritten von Bedeutung sind (vgl. Brandt in Beermann, Steuerliches Verfahrensrecht, § 60 FGO Rdnr. 69). Im Streitfall ist eine Berührung von steuerlichen Pflichten der Beiladungsprätendentin nicht ersichtlich. Im Vordergrund steht die Durchsetzung eines zivilrechtlichen Anspruchs im Wege der Zwangsvollstreckung nach ausschließlich zivilrechtlichen Vorschriften. Bei dieser Betrachtung ist es ohne Belang, dass das FA die Durchsetzung der mit dem Anspruch der Beiladungsprätendentin konkurrierenden Forderung nach steuerrechtlichen Vorschriften betreibt (§ 191 Abs. 1 der Abgabenordnung --AO 1977--).

Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, das die Klägerin einer Beiladung ausdrücklich widersprochen hat. Nach Auffassung des Senats ist das Interesse des Steuerpflichtigen an der Wahrung des Steuergeheimnisses im Regelfall höher zu bewerten als das Interesse des Beizuladenden an der Verbesserung seiner Rechtsposition durch die Beiladung, wenn der Beizuladende ein den Belangen des Klägers entgegengesetztes Interesse am Ausgang des Rechtsstreits hat und der Steuerpflichtige der Beiladung widerspricht (Senatsbeschluss vom 17. August 1978 VII B 30/78, BFHE 126, 7, BStBl II 1979, 25). Dies schließt jedoch nicht aus, dass im Einzelfall ein anderes Ergebnis aufgrund des möglicherweise gegebenen Gewichts öffentlicher Belange und der Interessen der Hauptbeteiligten gerechtfertigt erscheint (Senatsbeschluss in BFH/NV 1999, 815). Jedenfalls sollte aufgrund des hohen Stellenwertes, den der Gesetzgeber der Wahrung des Steuergeheimnisses beigemessen hat, eine Beiladung gegen den erklärten Willen des Klägers nur in begründeten Ausnahmefällen angeordnet werden (vgl. Spindler in Hübschmann/Hepp/Spitaler, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 10. Aufl., § 60 FGO Rdnr. 90).

Unter diesen Gesichtspunkten ist die Entscheidung des FG nicht zu beanstanden. Sie erscheint schon deshalb ermessensfehlerfrei, weil die Klägerin der beantragten Beiladung ausdrücklich entgegengetreten ist. Besondere Umstände, wie z.B. ein zu berücksichtigendes Gewicht öffentlicher Belange, die eine Ausnahme von den von der Rechtsprechung des BFH entwickelten Grundsätzen geboten erscheinen ließen, vermag der Senat im Streitfall nicht zu erkennen.

2. An einer Entscheidung über den Antrag auf Akteneinsicht ist der Senat gehindert, weil sich der angefochtene Beschluss des FG ausschließlich auf die beantragte Beiladung bezieht und eine erstinstanzliche Entscheidung über die begehrte Akteneinsicht insoweit nicht vorliegt. Aber selbst wenn in der Entscheidung des FG und der Übersendung der den Streitfall betreffenden Akten an den BFH zumindest konkludent auch eine Ablehnung der beantragten Akteneinsicht zu sehen wäre, könnte eine dagegen gerichtete Beschwerde --wenn sie den Ausführungen der Beiladungsprätendentin überhaupt entnommen werden könnte-- keinen Erfolg haben. Denn gemäß § 78 Abs. 1 FGO steht das Recht auf Akteneinsicht nur den am finanzgerichtlichen Verfahren Beteiligten zu. Als Beteiligte kommen nach § 57 FGO nur der Kläger, der Beklagte, der Beigeladene oder die Behörde in Betracht, die dem Verfahren beigetreten ist (§ 122 Abs. 2 FGO). Da der Beiladungsprätendentin im Streitfall keine dieser Rechtsstellungen zukommt, könnte Akteneinsicht nicht gewährt werden. Ein Anspruch am Verfahren nicht beteiligter Dritter auf Akteneinsicht lässt sich § 78 Abs. 1 FGO nicht entnehmen (vgl. Stöcker in Beermann, a.a.O., § 78 FGO, Rdnrn. 9.1, 10, m.w.N.).

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