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Gericht: Bundesfinanzhof
Beschluss verkündet am 22.10.2008
Aktenzeichen: VII B 93/08
Rechtsgebiete: BranntwMonG, VwZG, FGO, BeitreibungsRL


Vorschriften:

BranntwMonG § 143 Abs. 1
BranntwMonG § 143 Abs. 4
VwZG § 9 Abs. 1
VwZG § 14 Abs. 1
VwZG a.F. § 14 Abs. 1
FGO § 115 Abs. 2
FGO § 116 Abs. 3 Satz 3
BeitreibungsRL Art. 5
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

I.

Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) stellte Wodka her, den sie im Steueraussetzungsverfahren mit dem Ziel der Ausfuhr aus der Gemeinschaft im Juni und Juli 1997 nach Litauen befördern ließ. Die ordnungsgemäße Erledigung der Steuerversandverfahren wurde durch gefälschte Zollstempel nur vorgetäuscht. Tatsächlich wurde bei vier Sendungen der Wodka in Deutschland abgeladen und an Abnehmer weiterveräußert. Mit Steuerbescheid vom . nahm der Beklagte und Beschwerdegegner (das Hauptzollamt --HZA--) die Klägerin zunächst auf Zahlung der Branntweinsteuer für insgesamt 15 Sendungen Wodka in Anspruch. Der Bescheid wurde durch das deutsche Generalkonsulat in Mailand im September 2004 bekanntgegeben. Mit Steueränderungsbescheid vom ... reduzierte das HZA die Forderung auf die Branntweinsteuer, die für den Wodka der vier in Deutschland verbliebenen Lieferungen entstanden war. In einem weiteren Schreiben wurde der Betrag aufgrund erfolgter Zahlungen anderer Schuldner nochmals reduziert. Einspruch und Klage hatten keinen Erfolg.

Das Finanzgericht (FG) urteilte, dass der Steuerbescheid über die nach § 143 Abs. 1 und 4 des Branntweinmonopolgesetzes (BranntwMonG) entstandene Steuer der Klägerin wirksam zugestellt worden sei. Abgesehen davon, dass etwaige Zustellungsmängel nach § 9 Abs. 1 des Verwaltungszustellungsgesetzes (VwZG) jedenfalls durch den tatsächlichen Erhalt des Bescheids geheilt worden seien, lasse die Bekanntgabe des Bescheids keine Rechtsfehler erkennen. Die Zustellung sei gemäß § 14 Abs. 1 VwZG in der bis zum 31. Januar 2006 geltenden Fassung durch die konsularische Vertretung des Bundes erfolgt. Dem stehe Art. 5 der Richtlinie 76/308/EWG (BeitreibungsRL) des Rates vom 15. März 1976 über die gegenseitige Unterstützung bei der Beitreibung von Forderungen im Zusammenhang mit Maßnahmen, die Bestandteil des Finanzierungssystems des Europäischen Ausrichtungs- und Garantiefonds für die Landwirtschaft sind, sowie von Abschöpfungen und Zöllen (Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften --ABlEG-- Nr. L 73/18), auf den sich die Klägerin nicht unmittelbar berufen könne, nicht entgegen. Zustellungen außerhalb dieser Vorschrift blieben weiterhin möglich. Dass die Klägerin in Italien eine Sicherheit geleistet habe, spiele im Streitfall keine Rolle. Diese könne allenfalls im Falle einer Beitreibung durch die italienischen Behörden in Anspruch genommen werden. Zudem übersehe die Klägerin, dass die BeitreibungsRL die Vollstreckung aus dem angefochtenen Bescheid in Deutschland unberührt lasse.

Mit ihrer Beschwerde, die sie auf sämtliche in § 115 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) genannten Zulassungsgründe stützt, begehrt die Klägerin die Zulassung der Revision. Sie ist der Auffassung, dass § 14 Abs. 1 VwZG a.F. durch Art. 5 BeitreibungsRL ersetzt worden sei. Soweit dem Gesetz zur Durchführung der EG-Beitreibungsrichtlinie (EG-Beitreibungsgesetz) sowie den hierzu ergangenen Verwaltungsanweisungen etwas anderes entnommen werden könne, sei die Umsetzung des Gemeinschaftsrechts fehlerhaft. Vorsorglich werde beantragt, dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) die Fragen vorzulegen, ob die BeitreibungsRL eine Zustellung nach nationalen Vorschriften verbiete, ob sich der Steuerschuldner zur Abwendung der Vollstreckung auf eine in seinem Mitgliedstaat geleistete Sicherheit berufen könne und ob der Steuerpflichtige auf die BeitreibungsRL insoweit verweisen könne, als Kompetenzkonflikte der Mitgliedstaaten zu seinen Lasten gingen.

Art. 15 und Art. 13 der Richtlinie 92/12/EWG (SystemRL) des Rates vom 25. Februar 1992 über das allgemeine System, den Besitz, die Beförderung und die Kontrolle verbrauchsteuerpflichtiger Waren (ABlEG Nr. L 76/1) würden völlig leer laufen, wenn jeder Mitgliedstaat nach nationalem Recht vollstrecken könnte. Vorsorglich werde deshalb beantragt, vom EuGH die Fragen klären zu lassen, ob sich der Steuerpflichtige gegenüber einem anderen Mitgliedstaat auf eine in seinem Mitgliedstaat nach Art. 15 SystemRL geleistete Sicherheit berufen könne, ob die Sicherheit im Falle der Vollstreckung in einem anderen Mitgliedstaat zu berücksichtigen sei und ob die beteiligten Mitgliedstaaten ein gegenseitiges Einvernehmen zu erzielen hätten, wenn sie eine Verbrauchsteuer aufgrund desselben Sachverhalts geltend machen würden. In der fehlerhaften Auffassung des FG liege zugleich ein Verfahrensmangel.

II.

Die Beschwerde ist unzulässig, weil die geltend gemachten Zulassungsgründe nicht schlüssig dargelegt sind, wie es § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO erfordert.

1.

Im Stil einer Revisionsbegründung wendet sich die Klägerin gegen die ihrer Ansicht nach rechtsfehlerhafte Auffassung des FG, dass der streitgegenständliche Steuerbescheid wirksam zugestellt worden sei, bzw. dass etwaige Zustellungsmängel durch den tatsächlichen Empfang des Schriftstücks geheilt worden seien. Die vermeintlich unzutreffende Rechtsanwendung belegt die Klägerin durch auszugsweise Wiedergabe des Inhalts der BeitreibungsRL, gegen deren Geist das FG verstoßen haben soll. Mit diesem Vorbringen wird allenfalls ein Individualinteresse der Klägerin an einer Überprüfung des erstinstanzlichen Urteils, jedoch nicht ein Interesse der Allgemeinheit an der Klärung einer grundsätzlich bedeutsamen Rechtsfrage dargelegt. Mit dem bloßen Hinweis auf den Beitritt weiterer Mitgliedstaaten und auf das Erfordernis der Kalkulierbarkeit der Risiken eines Steuerversandverfahrens in andere Mitgliedstaaten wird das allgemeine Interesse nicht substantiiert belegt. Auch die Anregung, im Rahmen eines Vorabentscheidungsersuchens mehrere Fragen dem EuGH vorzulegen, reicht nicht aus, zumal die Beschwerde eine vertiefte Auseinandersetzung mit der Rechtsprechung und Literatur zum einschlägigen Gemeinschaftsrecht --insbesondere zur BeitreibungsRL und SystemRL-- sowie zum VwZG vermissen lässt.

Zudem übersieht die Beschwerde, dass das FG seine Entscheidung nicht ausschließlich auf eine wirksam erfolgte Zustellung nach § 14 Abs. 1 VwZG a.F., sondern auch darauf gestützt hat, dass die Klägerin den Steuerbescheid tatsächlich erhalten hat und sich dagegen mit den dafür vorgesehenen Rechtsbehelfen zur Wehr setzen konnte. Sofern diesen Ausführungen ein allgemeiner Rechtsgedanke entnommen werden könnte, würde sich die von der Klägerin aufgeworfene Rechtsfrage, ob die BeitreibungsRL eine Zustellung nach dem VwZG verbiete, nicht stellen. Darüber hinaus geht die Beschwerde nicht auf die Begründungserwägung der BeitreibungsRL ein, dass die Richtlinie nicht dazu führen dürfe, dass die gegenseitige Unterstützung, die sich einige Mitgliedstaaten aufgrund bilateraler oder multinationaler Abkommen oder Vereinbarungen gewähren, eingeschränkt werde. Das in dieser Erklärung zum Ausdruck kommende Verständnis des Anwendungsbereichs der BeitreibungsRL ist deshalb bedeutsam, weil es zwischen Italien und Deutschland entsprechende Vereinbarungen gibt. So besteht mit Italien z.B. ein nichtvertragliches Einverständnis, dass die Bekanntgabe eines Verwaltungsaktes durch einen einfachen Brief erfolgen kann (BStBl I 2000, 190, 199). Dies lässt die Beschwerde, die von einer ausschließlichen Anwendbarkeit von Art. 5 BeitreibungsRL ausgeht, unerörtert.

2.

Sofern die Klägerin weitere Fragen in Bezug auf die vermeintlich gebotene vorrangige Inanspruchnahme der von ihr in Italien geleisteten Sicherheit aufwirft, legt sie die Klärungsbedürftigkeit dieser Fragen in Bezug auf den Streitfall nicht dar, bei dem es allein um die Inanspruchnahme der Klägerin als Steuerschuldnerin einer nach § 143 Abs. 1 BranntwMonG entstandenen Branntweinsteuer und um die Zustellung des entsprechenden Steuerbescheids geht. Die Klägerin übersieht, dass das HZA Vollstreckungsmaßnahmen noch gar nicht eingeleitet und hierzu ein Beitreibungsersuchen an die italienischen Behörden noch gar nicht gerichtet hat. Somit könnten sich Fragen über die Inanspruchnahme der in Italien geleisteten Sicherheit im Streitfall, bei dem es wie bereits ausgeführt nur um die Wirksamkeit der Zustellung eines Steuerbescheids geht, nicht stellen.

3.

Den behaupteten Verfahrensmangel vermag die Beschwerde ebenfalls nicht ausreichend zu bezeichnen. Das Vorbringen erschöpft sich darin, dass das FG die Zustellung zu Unrecht als wirksam angesehen und damit rechtsfehlerhaft geurteilt habe.



Ende der Entscheidung

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