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Gericht: Bundesfinanzhof
Urteil verkündet am 31.01.2002
Aktenzeichen: VII B 94/01
Rechtsgebiete: FGO


Vorschriften:

FGO § 115 Abs. 2 Nr. 2
FGO § 116 Abs. 3 Satz 3
FGO § 115 Abs. 2 Nr. 1
FGO § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

I. Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) war seit 1980 Direktor einer belgischen Militäreinrichtung. Im Verlaufe von gegen den Kläger im Jahre 1996 eingeleiteten Ermittlungen wegen des Verdachts der Steuerhinterziehung ergaben sich Hinweise darauf, dass der Kläger einem verdeckten Ermittler auf Nachfrage die Veräußerung unversteuerter Zigaretten angeboten hatte. Gestützt auf daraufhin durchgeführte Beobachtungen der belgischen Militäreinrichtung durch die Zollfahndung, in deren Verlauf Aktivitäten des Klägers im Zusammenhang mit einem LKW mit deutschem Kennzeichen und deutschem Fahrer festgestellt worden waren, in dem anschließend 207 600 Stück Zigaretten verschiedener Marken sichergestellt wurden, die nach Auffassung der Zollfahndung in der Militäreinrichtung geladen worden waren, die Aussagen des Klägers in seiner am selben Tage von belgischen Polizeibeamten durchgeführten Vernehmung und insbesondere die Feststellungen des rechtskräftigen Strafurteils des Militärgerichts kam der Beklagte und Beschwerdegegner (das Hauptzollamt --HZA--) zu dem Ergebnis, dass der Kläger an den deutschen Staatsangehörigen P zwischen dem 12. und 15. Februar 1996 vier Packungen mit je 20 Stück unversteuerter Zigaretten veräußert sowie an dieselbe Person am 20. Februar 1996 insgesamt 207 600 Stück unversteuerter Zigaretten verkauft hat. Das HZA setzte deswegen mit dem angefochtenen Steuerbescheid Einfuhrabgaben in Höhe von insgesamt 37 122,80 DM fest. Einspruch und Klage dagegen blieben erfolglos.

Das Finanzgericht (FG) urteilte, das HZA habe die Eingangsabgaben zu Recht gegen den Kläger festgesetzt. U.a. führte es aus, dass sich die Zigaretten seiner Überzeugung nach in der Zollgutverwendung der belgischen Streitkräfte befunden hätten. Daraus habe sie der Kläger entnommen, indem er den Besitz daran auf P übertragen habe, der nicht berechtigt gewesen sei, die Waren im Rahmen der Zollgutverwendung zu übernehmen. Damit sei eine Zollschuld entstanden, für die der Kläger Abgabenschuldner geworden sei. Die Angaben des Klägers in seiner Vernehmung vom 20. Februar 1996 ließen keine Zweifel daran, dass P die Zigaretten auf Dauer übernehmen sollte. Die seinerzeit gemachten Angaben habe der Kläger nicht substantiiert bestritten. Auch das Militärgericht habe in seinem rechtskräftig gewordenen Urteil festgestellt, dass der Kläger als Leiter der Einrichtung die fraglichen 207 600 Stück unversteuerter Zigaretten an den verdeckten Ermittler P weiterverkauft habe. Eine nur vorübergehende Übergabe habe das Militärgericht dagegen nicht festgestellt. Auch diese in dem rechtskräftig gewordenen Strafurteil enthaltenen Feststellungen habe der Kläger nicht substantiiert bestritten. Entgegen der Ansicht des Klägers könne sich das FG die Feststellungen des Militärgerichts daher zu Eigen machen.

Mit seiner Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision gegen das Urteil des FG macht der Kläger geltend, die angegriffene Entscheidung habe der Problematik zu wenig Beachtung gewidmet, dass das Strafverfahren, auf das sich das FG stütze, von einem Militärgericht, genannt Kriegsgericht, der belgischen Armee verkündet worden ist. Das Zueigenmachen der durch die Militärjustiz getroffenen Feststellungen, Beweiswürdigungen und rechtlichen Beurteilungen durch das FG könne keine Akzeptanz finden, wie der Kläger im Einzelnen ausführt. Insofern sei nicht nur eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung zu entscheiden, sondern ebenso jene, welche der Fortbildung des Rechts und der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung diene, zumal das Militärgericht, wie näher ausgeführt wird, an gravierenden Verfahrensmängeln leide, welche den Anforderungen des deutschen Grundgesetzes nicht entsprächen. Die grundsätzliche Bedeutung limitiere sich dabei nicht nur auf die Frage der Übertragung einer militärischen strafgerichtlichen Feststellung, sondern auf die weitere Frage, welche Kriterien zu beachten sind, damit überhaupt eine ausländische strafgerichtliche Entscheidung im Rahmen des finanzgerichtlichen Verfahrens verwendet werden kann.

II. 1. Die Nichtzulassungsbeschwerde ist als unzulässig zu verwerfen. Der Beschwerdebegründung ist zu entnehmen, dass der Kläger seine Nichtzulassungsbeschwerde auf die in § 115 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) genannten Gründe stützen möchte. Er hat jedoch nicht, wie nach § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO erforderlich, hinreichend dargelegt, dass diese Gründe vorliegen.

2. Die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung i.S. von § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO setzt nach allgemeiner Auffassung auch unter Geltung des neuen Rechts, d.h. nach In-Kraft-Treten des Zweiten Gesetzes zur Änderung der Finanzgerichtsordnung und anderer Gesetze vom 19. Dezember 2000 (BGBl I 2000, 1757), u.a. voraus, dass eine konkrete Rechtsfrage gestellt wird, die im Interesse der Allgemeinheit an einer einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts klärungsbedürftig ist (vgl. Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 5. Aufl., § 115 Rz. 23). Im Streitfall fehlt es bereits an der konkreten Formulierung einer solchen Rechtsfrage.

Sollte den Beschwerdeausführungen des Klägers zu entnehmen sein, dass er die Frage geklärt wissen möchte, ob das FG sich auf die Feststellungen des Militärgerichts in dem Urteil vom 18. Dezember 1997 stützen durfte, so hat der Kläger jedenfalls nicht dargelegt, weshalb diese Frage über den Streitfall hinaus von allgemeiner Bedeutung sein könnte. Die Einwendungen in der Beschwerdebegründung, die nur darstellen, dass und warum der Kläger die Ausführungen des FG insoweit für unzutreffend hält, reichen nicht aus, um die grundsätzliche Bedeutung dieser Rechtsfrage darzulegen.

3. Sieht man in dem in § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 1 FGO genannten Zulassungsgrund (Fortbildung des Rechts) nicht nur einen Spezialfall der Grundsatzrevision, sondern darüber hinaus einen eigenständigen Zulassungsgrund, der dann vorliegt, wenn der Einzelfall Veranlassung gibt, Leitsätze für die Auslegung von Gesetzesbestimmungen des materiellen oder Verfahrensrechts aufzustellen oder Gesetzeslücken rechtsschöpferisch auszufüllen (vgl. Bundesgerichtshof, Beschluss vom 12. November 1970 1 StR 263/70, BGHSt 24, 15, 21; dazu auch Bundesfinanzhof --BFH--, Beschluss vom 30. August 2001 IV B 79, 80/01, BFHE 196, 30, BStBl II 2001, 837), so sind dafür ebenfalls die notwendigen Voraussetzungen nicht hinreichend dargelegt. Denn auch insoweit ist ein allgemeines, über den Einzelfall hinausgehendes Interesse Voraussetzung für die Zulassung der Revision (vgl. Gräber/Ruban, a.a.O., § 115 Rz. 41). Dass ein solches allgemeines Interesse besteht, hat der Kläger jedoch in seiner Beschwerdebegründung nicht hinreichend dargelegt.

Wie das FG zutreffend ausgeführt hat, ist anerkannt, dass im finanzgerichtlichen Verfahren Feststellungen verwertet werden dürfen, die in strafgerichtlichen Verfahren getroffen worden sind, wenn sich die Beteiligten nicht substantiiert dagegen wehren (vgl. dazu auch Gräber/von Groll, a.a.O., § 76 Rz. 20). Ob und inwieweit von diesem Grundsatz Ausnahmen erforderlich sind, falls es sich um Feststellungen handelt, die aus Verfahren stammen, die vor ausländischen Strafgerichten (hier einem belgischen Militärgericht) stattgefunden haben, hängt davon ab, inwieweit das im Streitfall in Rede stehende Gerichtsverfahren mit den Rechtsgrundsätzen des Verfahrens nach der Abgabenordnung (AO 1977) und der FGO vereinbar ist. Insoweit beziehen sich die Ausführungen des Klägers zu der besonderen Stellung und Verfahrensweise des belgischen Militärgerichts nur auf den besonderen Fall der Verwertung von von diesem Gericht getroffenen Feststellungen. Aus ihnen lässt sich jedoch kein Bedürfnis dafür ableiten, über den Streitfall hinaus allgemein gültige Verfahrensleitsätze darüber aufzustellen, unter welchen Voraussetzungen nicht substantiiert bestrittene tatsächliche Feststellungen eines ausländischen Strafgerichts im finanzgerichtlichen Verfahren verwertet werden dürfen.

4. Der Kläger hat auch nicht in der erforderlichen Weise dargelegt, dass die Sicherstellung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des BFH erfordert (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 FGO).

a) Soweit sich dieser Zulassungsgrund auf die Fälle der bisherigen Divergenzrevision bezieht, fehlt es bereits an der Voraussetzung, eine Entscheidung zu benennen, zu der sich das FG in Gegensatz gesetzt hat.

b) Geht man davon aus, dass auch Fehler von erheblichem Gewicht bei der Auslegung revisiblen Rechts, die geeignet sind, das Vertrauen in die Rechtsprechung zu beschädigen, die Zulassung der Revision zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordern (vgl. Gesetzesbegründung in BTDrucks 14/4061), so hätte der Kläger die grobe Fehlerhaftigkeit des angefochtenen Urteils darlegen müssen. Der Kläger hält es zwar für rechtswidrig, dass sich das FG auf die Feststellungen des belgischen Militärgerichtsurteils gestützt hat; seiner Beschwerde sind aber keine Gründe zu entnehmen, aus denen sich ergibt, dass das Gericht Fehler von so erheblichem Gewicht begangen hat, dass das Vertrauen in die Rechtsprechung beschädigt sein könnte.

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