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Gericht: Bundesfinanzhof
Beschluss verkündet am 08.11.2006
Aktenzeichen: VII R 20/06
Rechtsgebiete: FGO


Vorschriften:

FGO § 56 Abs. 1
FGO § 56 Abs. 2 Satz 1
FGO § 120 Abs. 2 Satz 1, 2. Halbsatz
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

I. Auf die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) hat der Senat mit Beschluss vom 11. April 2006 VII B 180/05, der Klägerin zugestellt am 28. April 2006, die Revision gegen das Urteil des Finanzgerichts zugelassen. Die Klägerin hat mit am 1. Juni 2006 beim Bundesfinanzhof (BFH) eingegangenem Schriftsatz die Revision begründet. Auf den Hinweis des Gerichts, dass die Revisionsbegründung verspätet eingegangen sei, hat die Klägerin die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt. Zur Begründung des Wiedereinsetzungsantrags trägt sie vor, dass die Fristversäumung auf einen Fehler der seit mehr als zehn Jahren in der Kanzlei der Prozessbevollmächtigten tätigen Büroangestellten zurückzuführen sei, die ausreichend geschult sei und bisher sämtliche Fristen fehlerfrei berechnet habe. Der Senatsbeschluss über die Zulassung der Revision sei am Freitag, dem 28. April 2006, nach Büroschluss durch Einwurf in den Briefkasten zugestellt worden. Als die Büroangestellte am Dienstag, dem 2. Mai 2006, die Post sortiert habe, habe sie den Senatsbeschluss versehentlich mit dem Eingangsstempel dieses Tages versehen und das Ende der Rechtsmittelfrist dementsprechend auf den 2. Juni 2006 notiert.

Die Klägerin beantragt, ihr wegen der Versäumung der Revisionsbegründungsfrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren sowie die Vorentscheidung und die Verwaltungsentscheidungen aufzuheben und den Beklagten und Revisionsbeklagten (Hauptzollamt --HZA--) zu verpflichten, den Antrag auf Erstattung der Einfuhrabgaben aus dem Abgabenbescheid vom 30. Oktober 1997 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden.

Das HZA beantragt, die Revision als unzulässig zu verwerfen, hilfsweise, die Revision zurückzuweisen.

II. Die Revision ist unzulässig und durch Beschluss zu verwerfen (§ 124 Abs. 1, § 126 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--), weil die Klägerin die Frist für die Begründung der Revision versäumt hat und Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht gewährt werden kann.

Nach § 120 Abs. 2 Satz 1, 2. Halbsatz FGO ist die Revision innerhalb eines Monats nach Zustellung des Beschlusses über die Zulassung der Revision zu begründen. Diese Frist lief im Streitfall am Montag, dem 29. Mai 2006, ab. Die Revisionsbegründung der Klägerin ist jedoch erst am 1. Juni 2006 beim BFH eingegangen.

Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 56 Abs. 1 FGO kann der Klägerin nicht gewährt werden. Die Klägerin war nicht ohne Verschulden verhindert, die Frist für die Begründung der Revision einzuhalten. Sie muss sich das Verschulden ihrer Prozessbevollmächtigten zurechnen lassen (§ 155 FGO i.V.m. § 85 Abs. 2 der Zivilprozessordnung).

Der Vortrag eines Prozessbevollmächtigten zur Begründung eines Wiedereinsetzungsantrags, dass die Frist aufgrund eines Versehens eines Büroangestellten nicht oder unzutreffend im Kalender eingetragen worden sei, ist unvollständig, wenn nicht zugleich innerhalb der insoweit vorgeschriebenen Begründungsfrist (§ 56 Abs. 2 Satz 1 FGO) konkrete Angaben gemacht werden, wie die Fristenkontrolle im Büro im Einzelnen organisiert ist und durch welche organisatorischen Maßnahmen die ordnungsgemäße Überwachung der Frist unter normalen Umständen gewährleistet ist (BFH-Beschluss vom 13. November 1998 X R 31/97, BFH/NV 1999, 941).

Ein Prozessbevollmächtigter ist verpflichtet, seinen Bürobetrieb so zu organisieren, dass Fristversäumnisse ausgeschlossen sind. Dazu ist unerlässlich, dass ein Fristenkontrollbuch (Fristenkalender) oder eine vergleichbare Einrichtung zur Wahrung von Fristen geführt wird. In diesem Buch muss der Fristablauf für jede einzelne Sache vermerkt sein. Die Einhaltung der laufenden Fristen muss durch tägliche Einsichtnahme in den Fristenkalender gesichert werden. Die notierte Frist darf frühestens gelöscht werden, wenn das zur Fristwahrung bestimmte Schriftstück abgesandt oder zumindest postfertig gemacht worden ist (vgl. BFH-Beschlüsse vom 14. Dezember 1994 X R 176/93, BFH/NV 1995, 798; in BFH/NV 1999, 941, jeweils m.w.N).

Im Streitfall ist indes nicht ersichtlich, auf welche Weise die Prozessbevollmächtigten ihrer Obliegenheit nachgekommen sind, durch organisatorische Maßnahmen Vorsorge für eine rechtzeitige und den prozessrechtlichen Anforderungen entsprechende Revisionsbegründung zu treffen. Es fehlt jeder Vortrag, wie die Fristenkontrolle im Büro der Prozessbevollmächtigten im Einzelnen organisiert war (vgl. dazu BFH-Beschluss in BFH/NV 1995, 798). Dass im Streitfall durch organisatorische Maßnahmen im Büro der Prozessbevollmächtigten, wie z.B. besondere Anweisungen und Schulungen des Personals sowie durch das Führen von Fristenkontroll- und Postausgangsbüchern, die Überwachung und Einhaltung von Fristen gesichert war, ist nicht schlüssig dargelegt, geschweige denn durch präsente Beweismittel, wie z.B. die Kopien von Fristen- oder Postausgangsbüchern (vgl. BFH-Beschluss vom 4. November 1999 X B 81/99, BFH/NV 2000, 546) glaubhaft gemacht. Es ist seitens der Klägerin lediglich vorgetragen worden, dass die Büroangestellte, die die Frist falsch berechnet und eingetragen habe, zuverlässig sei und bis dahin die Fristen fehlerfrei berechnet habe. Darüber hinaus ist --nach Ablauf der Begründungsfrist des § 56 Abs. 2 Satz 1 FGO-- nur eine unleserliche Kopie eines Kalenderblatts des 2. Juni 2006 vorgelegt worden, die weder erkennen lässt, dass es sich hierbei um die Kopie des Fristenkontrollbuchs handelt, noch dass für diesen Tag das Ende der Frist für die Revisionsbegründung in dem Verfahren der Klägerin vermerkt ist. Insbesondere fehlen auch Angaben dazu, durch welche Anweisungen oder sonstige Maßnahmen gesichert war, dass der Eingang von Schriftstücken im Büro der Prozessbevollmächtigten auch dann zutreffend vermerkt werden konnte, wenn diese von der Büroangestellten erst nach einem Wochenende dem Briefkasten entnommen wurden.

Die Begründung des Wiedereinsetzungsantrags ist nach alledem nicht geeignet, die Fristversäumung mit einem Fehler des Büropersonals zu erklären, da als Fehlerursache auch ein eigenes Verhalten der Prozessbevollmächtigten in Betracht kommt.

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