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Gericht: Bundesfinanzhof
Beschluss verkündet am 25.11.2003
Aktenzeichen: VII R 9/03
Rechtsgebiete: FGO


Vorschriften:

FGO § 120 Abs. 2 Satz 1
FGO § 120 Abs. 2 Satz 3
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

I. Die Klage des Klägers und Revisionsklägers (Kläger) gegen die Entscheidung des Beklagten und Revisionsbeklagten (Ministerium der Finanzen des Landes X --FinMin--) wurde vom Finanzgericht (FG) mit am 29. Januar 2003 zugestelltem Urteil abgewiesen. Die vom FG zugelassene Revision ist fristgerecht eingelegt worden. Die Frist für die Begründung der Revision ist auf Antrag des Prozessbevollmächtigten des Klägers vom Vorsitzenden des Senats mehrfach, zuletzt bis zum 30. Mai 2003, verlängert worden.

Der Prozessbevollmächtigte des Klägers hat dem Bundesfinanzhof (BFH) die Revisionsbegründung per Telefax übermittelt. Nach dem auf jeder Seite der aus acht Seiten bestehenden Revisionsbegründungsschrift jeweils oben aufgedruckten Absendevermerk bzw. dem auf jeder Seite unten befindlichen Empfangsaufdruck des empfangenden Telefaxgerätes des BFH sind alle acht Seiten am 30. Mai 2003, 22.55 Uhr, von dem Telefaxgerät des Prozessbevollmächtigten des Klägers kopiert und abgesandt worden, jedoch sind die Seiten 1 und 2 am 30. Mai 2003, 23.58 Uhr, die Seiten 3 bis 5 am 30. Mai 2003, 23.59 Uhr, und die Seiten 6 bis 8 (die letzte Seite trägt die Unterschrift des Prozessbevollmächtigten) am 31. Mai 2003, 00.00 Uhr, von dem Telefaxgerät des BFH empfangen worden.

Mit einem am 21. Juni 2003 zugestellten Schreiben des Gerichts ist der Prozessbevollmächtigte des Klägers auf den Eingang der letzten drei Seiten der Revisionsbegründungsschrift am 31. Mai 2003 hingewiesen worden. Mit dem daraufhin am 5. Juli 2003 gestellten Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand macht der Kläger geltend, dass sein Prozessbevollmächtigter am 30. Mai 2003 ab 23.35 Uhr versucht habe, die fertig gestellte Revisionsbegründung per Telefax an den BFH zu senden. Da die gewählte Faxnummer jedoch zunächst besetzt gewesen sei, sei es erst um 23.55 Uhr gelungen, die Revisionsbegründung per Fax an den BFH abzusenden, allerdings habe das Telefaxgerät aus technischen Gründen noch die Winterzeit geführt und habe deshalb 22.55 Uhr als Uhrzeit ausgewiesen. Die Sendezeit habe 2 Minuten und 42 Sekunden betragen, so dass damit habe gerechnet werden dürfen, dass die Revisionsbegründung rechtzeitig beim BFH eingehen werde. Das Empfangsgerät sei also offenbar zeitlich nicht genau eingestellt gewesen. Der verspätete Eingang sei daher von ihm (dem Kläger) nicht zu vertreten.

Der Prozessbevollmächtigte des Klägers und zwei seiner Mitarbeiter haben die Richtigkeit dieses Vortrags an Eides statt versichert.

Der Kläger beantragt, ihm wegen der Versäumung der Revisionsbegründungsfrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren sowie die Vorentscheidung aufzuheben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückzuverweisen.

Das FinMin beantragt, die Revision als unzulässig zu verwerfen, hilfsweise, die Revision zurückzuweisen.

Es ist der Ansicht, dass die Frist für die Revisionsbegründung versäumt und Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht zu gewähren sei. Der Prozessbevollmächtigte des Klägers hätte damit rechnen müssen, dass das Faxgerät am Ende eines Tages, wenn auch andere Rechtsuchende noch fristwahrende Schriftsätze anbringen wollten, besetzt sei.

II. Die Revision ist unzulässig, weil der Kläger die Frist für die Begründung der Revision versäumt hat und Wiedereinsetzung in den vorigen Stand dem Kläger nicht gewährt werden kann.

1. Nach § 120 Abs. 2 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) ist die Revision innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils schriftlich zu begründen. Im Streitfall ist diese Frist vom Vorsitzenden des Senats gemäß § 120 Abs. 2 Satz 3 FGO bis zum 30. Mai 2003 verlängert worden. Die Revisionsbegründung hätte somit beim BFH bis zum Ablauf dieses Tages eingehen müssen. Die vollständige Revisionsbegründungsschrift des Klägers ist jedoch erst am 31. Mai 2003 eingegangen.

Ebenso wie für die Revision (§ 120 Abs. 1 Satz 1 FGO) ist auch für die Revisionsbegründung Schriftform vorgeschrieben (Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 5. Aufl., § 120 Rz. 37). Bei einem per Telefax dem Gericht übermittelten Schriftsatz wird die erforderliche Schriftform als gewahrt angesehen, wenn das Telefax nicht nur den Namen des Prozessbevollmächtigten, sondern auch dessen auf dem Original des per Telefax übersandten Schriftsatzes befindliche Unterschrift erkennen lässt (ständige Rechtsprechung, vgl. BFH-Beschlüsse vom 2. Dezember 1991 V B 116/91, BFH/NV 1992, 532; vom 19. Mai 2000 VIII B 13/00, BFH/NV 2000, 1358; Senatsbeschlüsse vom 2. März 2000 VII B 137/99, BFH/NV 2000, 1344; vom 31. März 2000 VII B 87/99, BFH/NV 2000, 1224, jeweils m.w.N.). Ein fristgebundener bestimmender Schriftsatz, der dem Gericht per Telefax übermittelt wird, geht daher nur dann fristgerecht beim Gericht ein, wenn er innerhalb der Frist von dem Empfangsgerät vollständig, d.h. einschließlich der Seite, welche die Unterschrift trägt, aufgezeichnet worden ist (BFH-Beschluss in BFH/NV 1992, 532; Senatsbeschluss in BFH/NV 2000, 1344).

Diese Voraussetzungen sind im Streitfall nicht erfüllt, da nach dem auf jeder Seite der Revisionsbegründungsschrift befindlichen Empfangsaufdruck die Seiten 6 bis 8 --Letztere mit der in Kopie wiedergegebenen Unterschrift des Prozessbevollmächtigten-- am 31. Mai 2003, 00.00 Uhr, also erst nach Fristablauf, von dem Telefaxgerät des BFH empfangen worden sind. Der Eingangszeitpunkt bestimmt sich nach diesem Uhrzeitaufdruck durch das Telefaxgerät des Gerichts (vgl. Senatsbeschluss in BFH/NV 2000, 1344, m.w.N.). Die Zeiteinstellung des Telefaxgerätes des BFH wird regelmäßig kontrolliert. Anhaltspunkte, dass die Zeiteinstellung im hier maßgeblichen Zeitpunkt unzutreffend war, sind nicht ersichtlich. Anders als der Kläger meint, kann allein aus der aus dem Sendeprotokoll seines Prozessbevollmächtigten ersichtlichen Absendezeit und der Sendedauer nicht geschlossen werden, dass die Zeit an dem Empfangsgerät beim BFH falsch eingestellt war. Zwischen dem Absenden und dem Empfang eines Telefax vergeht immer eine gewisse --wenn auch normalerweise relativ kurze-- Zeit. Wenn somit das Empfangsjournal des Telefaxgerätes des BFH für das Telefax des Klägers den Beginn des Empfangs am 30. Mai 2003 um 23.58 Uhr und die Dauer der Übertragung mit 2 Minuten und 47 Sekunden --d.h. bis über den Ablauf des Tages hinaus-- ausweist, so liegt hierin nicht unbedingt ein Widerspruch zu der von dem Sendegerät aufgezeichneten Absendezeit. Im Übrigen ist der Hinweis des FinMin zutreffend, dass eher eine falsche Zeiteinstellung an dem sendenden Telefaxgerät des Prozessbevollmächtigten nahe liegen dürfte, da dieses Gerät am 30. Mai 2003 noch die Winterzeit anzeigte, was zeigt, dass offenbar schon lange keine Zeiteinstellung an dem Gerät vorgenommen worden war.

Auch wenn die Fristüberschreitung im Streitfall äußerst geringfügig gewesen ist, kann sie gleichwohl nicht vernachlässigt werden, da ansonsten eine klare Entscheidung über die Rechtskraft eines Urteils nicht möglich wäre (BFH-Beschluss in BFH/NV 1992, 532).

2. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand kann dem Kläger nicht gewährt werden, weil er nicht ohne Verschulden verhindert war, die Revisionsbegründungsfrist einzuhalten (§ 56 Abs. 1 FGO). Ein Verschulden seines Prozessbevollmächtigten muss sich der Kläger wie eigenes Verschulden zurechnen lassen (§ 155 FGO i.V.m. § 85 Abs. 2 der Zivilprozessordnung).

Zwar ist es zutreffend, dass eine Frist im Interesse des Rechtsschutz suchenden Bürgers bis zuletzt ausgeschöpft werden kann (vgl. BFH-Beschluss vom 28. September 2000 VI B 5/00, BFHE 193, 40, BStBl II 2001, 32, m.w.N.). Jedoch ist beim vollen Ausnutzen der Frist besondere Sorgfalt auf die Fristwahrung zu verwenden (Schwarz, Kommentar zur Abgabenordnung, § 110 Rz. 6 d, m.w.N.). Wird ein fristwahrender Schriftsatz erst kurz vor Fristablauf per Telefax an das Gericht übermittelt und geht er dort verspätet ein, so ist die Fristversäumnis nur dann unverschuldet, wenn der Absender mit der Übermittlung so rechtzeitig begonnen hat, dass er unter gewöhnlichen Umständen mit dem Abschluss des Übermittlungsvorgangs noch vor Fristablauf rechnen konnte (Beschluss des Bundesverfassungsgerichts --BVerfG-- vom 19. November 1999 2 BvR 565/98, Neue Juristische Wochenschrift --NJW-- 2000, 574; BFH-Beschluss in BFHE 193, 40, BStBl II 2001, 32). Dies ist z.B. für Fälle angenommen worden, in denen das empfangende Telefaxgerät defekt ist oder eine sonstige Störung auf der Empfängerseite vorliegt (vgl. BVerfG-Beschluss vom 21. Juni 2001 1 BvR 436/01, NJW 2001, 3473).

So liegt der Streitfall jedoch nicht. Das Empfangsgerät beim BFH arbeitete am betreffenden Tag störungsfrei. Der Prozessbevollmächtigte des Klägers, der das Telefax erst wenige Minuten vor Fristablauf absandte, musste bei diesem Schriftsatz von acht Seiten mit einer gewissen Übertragungszeit, mit einer gewissen Zeit für den Ausdruck durch das Empfangsgerät und deshalb auch damit rechnen, dass das Telefax auch bei einem störungsfreien Übermittlungsvorgang nicht vollständig vor Fristablauf beim BFH eingehen werde.

Das Vorbringen der Revision, dass der Prozessbevollmächtigte des Klägers zuvor von 23.35 Uhr bis 23.55 Uhr erfolglos versucht habe, das Telefax an den BFH zu senden, weil die gewählte Nummer besetzt gewesen sei, lässt die Fristversäumnis ebenfalls nicht entschuldbar erscheinen. Zum einen lässt sich dieser Vortrag anhand des Empfangsjournals des Telefaxgerätes des BFH nicht nachvollziehen, das in der Zeit von 23.35 Uhr bis 23.55 Uhr nur ein anderes eingehendes Telefax mit einer Übertragungsdauer von 9 Minuten und 26 Sekunden ausweist. Zum anderen ist die Belegung eines angewählten Empfangsgerätes eines Gerichts durch andere Teilnehmer in den Abend- und Nachtstunden ein gewöhnliches Ereignis, auf das sich der Rechtsuchende einstellen muss, da diese Zeit wegen günstiger Tarife und wegen drohenden Fristablaufs genutzt wird, um fristwahrende Schriftsätze per Telefax zu übermitteln (BVerfG-Beschluss in NJW 2000, 574). Ob man deshalb bei einem Fristversäumnis nur dann von einem fehlenden Verschulden ausgehen kann, wenn glaubhaft gemacht ist, dass schon mehrere Stunden vor Fristablauf vergeblich versucht worden ist, den Schriftsatz per Telefax an das Gericht zu übermitteln (vgl. Hellwig in Hübschmann/Hepp/ Spitaler, Kommentar zur Abgabenordnung und Finanzgerichtsordnung, § 64 FGO Rz. 33; Zöller/Greger, Zivilprozessordnung, 23. Aufl., § 233 Rz. 23 "Telefax"), kann offen bleiben. Jedenfalls ist es kein ungewöhnliches Ereignis, mit dem der Absender des Telefax nicht rechnen musste, wenn das Empfangsgerät --wie von der Revision behauptet-- für eine Zeit von zwanzig Minuten belegt ist.

Ende der Entscheidung

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