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Gericht: Bundesfinanzhof
Beschluss verkündet am 02.11.2007
Aktenzeichen: VII S 24/07 (PKH)
Rechtsgebiete: AO, HGB, FGO, ZPO


Vorschriften:

AO § 75
AO § 75 Abs. 1 Satz 2
AO § 191
HGB § 25
FGO § 116 Abs. 3 Satz 3
FGO § 142
ZPO § 114
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

I. Der Ehemann (E) der Klägerin, Beschwerdeführerin und Antragstellerin (Antragstellerin) betrieb einen Kontierdienst mit Buchführung und Lohnbuchhaltung, den er zuvor von der Antragstellerin übernommen hatte. Ende 1998 meldete E das Gewerbe ab und teilte dem Beklagten und Beschwerdegegner (Finanzamt --FA--) mit, dass der Betrieb zu Buchwerten unentgeltlich der Antragstellerin überlassen worden sei. Diese zeigte beim zuständigen Gewerbeamt die Aufnahme der Tätigkeit Buchführung/ Lohnbuchhaltung an und führte das Unternehmen bis zur Veräußerung an eine Treuhand- und Steuerberatungsgesellschaft (H) fort. In dem Vertrag war zwischen der Antragstellerin und H u.a. die sofortige Übernahme der Mandate durch H und die Zahlung eines Betrages von 50 000 DM vereinbart worden. Da die Steuerschulden des von E geführten Kontierdienstes nicht beigetrieben werden konnten, nahm das FA die Antragstellerin als Betriebsübernehmerin nach § 191 i.V.m. § 75 der Abgabenordnung (AO) auf Zahlung der rückständigen Lohn- und Umsatzsteuern nebst steuerlichen Nebenleistungen in Anspruch. Der gegen den Haftungsbescheid eingelegte Einspruch blieb erfolglos. Auch die Klage hatte keinen Erfolg.

Das Finanzgericht (FG) urteilte, dass die Antragstellerin zu Recht als Betriebsübernehmerin nach § 75 AO in Haftung genommen worden sei. Die Übernahme des Kontierdienstes stehe zur Überzeugung des FG fest. Dass das Unternehmen trotz der behaupteten Verbindlichkeiten werthaltig gewesen sei, ergebe sich aus dem Umstand, dass H vertragsgemäß an die Antragstellerin eine Teilzahlung von 50 000 DM geleistet habe. Auf diesen Betrag erstrecke sich die Haftung der Antragstellerin, denn ein erzielter Erlös trete an die Stelle des aus der Haftungsmasse entfernten Wirtschaftsguts. Der Haftungsbescheid sei nicht deshalb rechtswidrig, weil das FA diesen Betrag bereits gepfändet habe. Zwar beschränke sich die Haftung auf den Bestand des übernommenen Vermögens, doch werde die Haftungsbeschränkung erst im Zwangsvollstreckungsverfahren relevant. Das FA habe zudem das ihm zustehende Entschließungs- und Auswahlermessen rechtsfehlerfrei ausgeübt. Im Übrigen ergebe sich eine Haftung der Antragstellerin auch aus § 25 des Handelsgesetzbuchs.

Gegen die erstinstanzliche Entscheidung hat die Antragstellerin Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt und beantragt, ihr unter Beiordnung von Rechtsanwalt J Prozesskostenhilfe (PKH) zu bewilligen. Mit ihrem Rechtsmittel begehrt die Antragstellerin die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Das Urteil des FG werfe die Frage auf, ob die in § 75 Abs. 1 Satz 2 AO festgelegte Haftungsbeschränkung tatsächlich erst im Zwangsvollstreckungsverfahren relevant sei. Bei einer Veräußerung des übernommenen Unternehmens würden an die Stelle des Unternehmens die erlangten Surrogate treten, nicht jedoch die erzielten Erlöse. Denn nach dem Willen des Gesetzgebers sei die Haftung aus § 75 AO auf den Bestand der übereigneten Gegenstände beschränkt und nicht auf den Wert. Dies habe zur Folge, dass die Haftungsbeschränkung bereits im Haftungsbescheid ausgesprochen werden müsse.

Im Streitfall ergebe sich die zusätzliche Problematik, dass das FA die von H geleistete Teilzahlung gepfändet habe. Eine Haftung komme deshalb nur dann in Betracht, wenn für den Betrieb insgesamt ein höherer Betrag erzielt werden könnte. Dies sei jedoch nicht der Fall. Von grundsätzlicher Bedeutung sei daher die Frage, ob ein Haftungsbescheid dann unbeschränkt erlassen werden dürfe, wenn zum Zeitpunkt seines Erlasses feststehe, dass nur bestimmte Gegenstände oder Ansprüche für die Zwangsvollstreckung in Betracht kämen.

II. Der Antrag auf PKH hat keinen Erfolg.

1. Nach § 142 FGO i.V.m. § 114 der Zivilprozessordnung erhält eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag PKH, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet, d.h. wenn für den Erfolgseintritt bei summarischer Prüfung eine gewisse Wahrscheinlichkeit spricht, und wenn die Rechtsverfolgung nicht mutwillig erscheint.

Der Antragstellerin kann deshalb keine PKH bewilligt werden, weil der Nichtzulassungsbeschwerde bei der gebotenen summarischen Prüfung der Erfolg zu versagen sein müsste.

2. Es kann offenbleiben, ob die Antragstellerin die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache in der nach § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO gebotenen Weise dargelegt hat. Den aufgeworfenen Fragen kommt jedenfalls eine solche Bedeutung nicht zu.

a) Soweit die Antragstellerin die Rechtsfrage aufwirft, ob die Beschränkung der Haftung auf das übernommene Vermögen tatsächlich erst im Zwangsvollstreckungsverfahren relevant wird, hat der Bundesfinanzhof (BFH) diese Frage bereits so entschieden, wie es auch das FG unter Anführung der BFH-Entscheidung getan hat. In seinem Urteil vom 18. März 1986 VII R 146/81 (BFHE 146, 492, BStBl II 1986, 589) hat der Senat ausgeführt, dass es bei der Streitwertbemessung außer Betracht bleibt, dass sich die Haftung des Betriebsübernehmers nach § 75 Abs. 1 Satz 2 AO auf den Bestand des übernommenen Vermögens beschränkt. Denn diese Haftungsbeschränkung werde erst in der Zwangsvollstreckung und nur auf Einwendungen hin relevant. Das Schrifttum hat sich dieser Auffassung --auch nach Abschaffung der Streitwertrevision-- mit der Maßgabe angeschlossen, dass es ausreichend sei, im Haftungsbescheid ohne genaue Angabe der Vermögensgegenstände auf die Beschränkung der Haftung hinzuweisen (Klein/Rüsken, AO, 9. Aufl. § 75 Rz 41; Jatzke in Beermann/Gosch, AO § 75 Rz 31; Schwarz in Schwarz, AO, § 75 Rz 51; a.A. Loose in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 75 AO Rz 65, der fordert, dass die gegenständliche Beschränkung der Haftung im Haftungsbescheid ausgesprochen werden müsse). Von den Instanzgerichten wird zum Teil gefordert, dass die Haftungsgegenstände genau bezeichnet werden müssen, um die Beschränkung der Haftung deutlich zu machen (Urteile des FG Münster vom 8. Oktober 1992 7 K 5455/90 U, Entscheidungen der Finanzgerichte --EFG-- 1993, 423; FG Köln vom 9. Dezember 1999 15 K 1756/91, EFG 2000, 203).

b) Soweit das Vorbringen der Antragstellerin dahingehend gedeutet werden könnte, dass sie der Rechtsfrage grundsätzliche Bedeutung beimisst, ob die Beschränkung der Haftung im Haftungsbescheid ausgesprochen werden müsse, wäre diese Frage in einem Revisionsverfahren nicht klärungsbedürftig. Denn im Streitfall hat das FA im Haftungsbescheid in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 18. März 2004 ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die haftungsrechtliche Inanspruchnahme aufgrund der Übernahme des Kontierdienstes erfolge und dass sich die Haftung auf den Bestand des übernommenen Vermögens beschränke, wobei die geltend gemachte Haftungssumme unterhalb des Wertes des von der Antragstellerin übernommenen betrieblichen Vermögens liege. Insofern trifft die Behauptung der Antragstellerin nicht zu, sie sei ohne Haftungsbeschränkung mit ihrem Privatvermögen in Anspruch genommen worden.

c) Auch die zweite von der Antragstellerin aufgeworfene Rechtsfrage geht von der unzutreffenden Annahme aus, dass die Antragstellerin unbeschränkt mit ihrem Privatvermögen in Anspruch genommen worden sei. Da dies nicht der Fall ist, würde sich die Frage, ob ein Haftungsbescheid unter den von der Antragstellerin angeführten Bedingungen unbeschränkt erlassen werden darf, in einem künftigen Revisionsverfahren nicht stellen.

Ende der Entscheidung

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