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Gericht: Bundesfinanzhof
Beschluss verkündet am 09.12.2004
Aktenzeichen: VII S 29/03 (PKH)
Rechtsgebiete: InsO, FGO, ZPO


Vorschriften:

InsO §§ 53 ff.
InsO § 55
InsO § 55 Abs. 1 Nr. 1
FGO § 11 Abs. 3 Satz 1
FGO § 62a
FGO § 142 Abs. 1
ZPO § 116 Satz 1 Nr. 1
ZPO § 119 Abs. 1 Satz 2
ZPO § 121 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

Mit Beschluss des Amtsgerichts ... vom 22. Juli 2002 wurde über das Vermögen der X-GmbH das Insolvenzverfahren eröffnet und der Antragsteller, Kläger und Beschwerdegegner (Antragsteller) zum Insolvenzverwalter bestellt.

Mit in der beigefügten Rechtsmittelbelehrung ausdrücklich als Leistungsgebot bezeichnetem Bescheid vom 31. Juli 2002 forderte der Beklagte und Beschwerdeführer (das Finanzamt --FA--) den Antragsteller durch seine Vollstreckungsstelle auf, Kraftfahrzeugsteuer in Höhe von 853,84 € (bereits unter Abzug eines vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens zugebuchten Betrags in Höhe von 61,58 €) für das Fahrzeug mit dem amtlichen Kennzeichen ... für die Zeit vom 30. März 2002 bis zum 29. März 2003 (Ablauf des laufenden Besteuerungszeitraums) als "sonstige Masseverbindlichkeit" i.S. des § 55 der Insolvenzordnung (InsO) zu zahlen. Mit Bescheid vom 19. März 2003 reduzierte das FA das Leistungsgebot auf 714,76 € für die Zeit vom 30. März 2002 bis zum 20. Februar 2003.

Nach erfolglosem Einspruch (Einspruchsentscheidung vom 24. März 2003) hatte die Klage des Antragstellers vor dem Finanzgericht (FG) Erfolg. Das FG führte im Wesentlichen aus, den Leistungsgeboten des FA fehle es an einem Verwaltungsakt, der die geschuldete Steuer festsetze. Der gegen die GmbH ergangene Kraftfahrzeugsteuerbescheid vom 23. April 1999 wirke nicht gegenüber dem Antragsteller fort, da mit den Leistungsgeboten ausschließlich zur Zahlung von Kraftfahrzeugsteuer aufgefordert worden sei, die nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens entstanden sei. Als Masseverbindlichkeit i.S. des § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO sei die nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens begründete Steuer durch einen an den Antragsteller als Insolvenzverwalter gerichteten Steuerbescheid geltend zu machen.

Hiergegen hat das FA Beschwerde wegen Nichtzulassung der Revision (Az. VII B 304/03) erhoben und diese auf grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache und auf Divergenz gestützt (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 und 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Das FG habe die Erhebung der Klage unter der Bedingung der Gewährung von Prozesskostenhilfe (PKH) als zulässig angesehen und sich insoweit in Widerspruch zu näher bezeichneter Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) gesetzt. Die Frage, ob eine Klage unter der Bedingung der Gewährung von PKH zulässig ist, habe auch grundsätzliche Bedeutung. Ferner weiche das FG mit seiner Beurteilung, der gegen den Insolvenzschuldner ergangene Kraftfahrzeugsteuerbescheid wirke nicht gegen den Insolvenzverwalter fort, vom BFH-Urteil vom 4. Mai 1993 VII R 96/92 (BFH/NV 1994, 287) in entscheidungserheblicher Weise ab.

Der Antragsteller, der selbst Rechtsanwalt ist, beantragt, die Nichtzulassungsbeschwerde des FA zurückzuweisen und begehrt für seine Rechtsverteidigung im Beschwerdeverfahren die Gewährung von PKH unter Beiordnung von Rechtsanwalt A in B. Zur Begründung seines Antrags verweist er auf die Angaben und Unterlagen, die zur Bewilligung von PKH im erstinstanzlichen Verfahren geführt haben und macht ferner ausführliche und belegte Angaben zu den seitdem eingetretenen Änderungen der wirtschaftlichen Verhältnisse. Die Gewährung von PKH sei hiernach auch weiterhin erforderlich, da die Kosten des Beschwerdeverfahrens aus der verwalteten Masse nicht aufgebracht werden könnten.

Der Antrag ist begründet.

1. Nach § 142 Abs. 1 FGO i.V.m. § 116 Satz 1 Nr. 1 der Zivilprozessordnung (ZPO) erhält ein Insolvenzverwalter als Partei kraft Amtes (vgl. BFH-Beschluss vom 15. Mai 2002 I S 4/01, BFH/NV 2002, 1319, m.w.N.) auf Antrag PKH, wenn die Kosten aus der verwalteten Vermögensmasse nicht aufgebracht werden können und den am Gegenstand des Rechtsstreits wirtschaftlich Beteiligten nicht zuzumuten ist, die Kosten aufzubringen. Dabei wird grundsätzlich vorausgesetzt, dass die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint (§ 116 Satz 2 i.V.m. § 114 letzter Halbsatz ZPO). Wird die PKH in einem höheren Rechtszug beantragt, ist nach § 119 Abs. 1 Satz 2 ZPO nicht zu prüfen, ob die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet oder mutwillig erscheint, wenn der Gegner das Rechtsmittel eingelegt hat.

2. Im Streitfall, in dem der Antragsteller für das Verfahren in der Beschwerdeinstanz PKH begehrt, hat das FA Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt, sodass die Erfolgsaussichten der Rechtsverteidigung des Antragstellers nicht zu prüfen sind.

a) Der Antragsteller hat schlüssig und glaubhaft dargelegt, dass er die Kosten der Rechtsverteidigung nicht aus der von ihm verwalteten Insolvenzmasse (§ 35 InsO) aufbringen kann. Aus den Darlegungen des Antragstellers ergibt sich, dass der gegenwärtige Barbestand der vorhandenen Masse bei weitem nicht ausreicht, die Massekosten (§ 54 InsO) und die sonstigen bereits fälligen sowie dem Grunde nach entstandenen Masseverbindlichkeiten (§ 55 InsO) zu decken. Sonstiges werthaltiges Sachanlagevermögen steht nicht zur Verfügung; der Forderungsbestand der GmbH ist weitgehend uneinbringlich. Soweit noch Beträge durch anhängige Rechtsstreitigkeiten beigetrieben werden, ist deren Ausgang nicht absehbar, sodass auch keine kurzfristig liquidierbaren Vermögenswerte zur Verfügung stehen. Unter diesen Umständen darf der Antragsteller für seine Rechtsverteidigung im vorliegenden Beschwerdeverfahren der Insolvenzmasse keine Mittel entziehen (vgl. Zöller/Philippi, Zivilprozessordnung, 24. Aufl. 2004, § 116 Rn. 4, m.w.N.).

b) Auch den am Gegenstand des Rechtsstreits wirtschaftlich Beteiligten ist nicht zuzumuten, die Kosten der Rechtsverteidigung des Antragstellers aufzubringen. Für die gewöhnlichen Insolvenzgläubiger folgt dies bereits daraus, dass die Masse bei einem Obsiegen des Antragstellers nur geringfügig um den streitgegenständlichen Betrag in Höhe von 714,76 € reicher wäre, ohne dass sich dadurch allerdings an der nach Abzug der Massekosten und Masseverbindlichkeiten verbleibenden Unterdeckung wesentlich etwas änderte. Auch in diesem Fall gingen die genannten Insolvenzgläubiger leer aus.

Der Insolvenzverwalter (hinsichtlich der Mittel zur Aufbringung der Verwaltervergütung) und die Massegläubiger i.S. der §§ 53 ff. InsO sind zwar ebenfalls wirtschaftlich am Gegenstand des Rechtsstreits beteiligt; es ist jedoch anerkannt, dass es weder dem Insolvenzverwalter noch den sog. echten Massegläubigern zuzumuten ist, Prozesskosten aufzubringen (vgl. Zöller/ Philippi, a.a.O., § 116 Rn. 6, 10a und 10b, jeweils m.w.N.).

3. Hiernach war dem Antragsteller PKH zu gewähren und ihm antragsgemäß Rechtsanwalt A in B als Prozessbevollmächtigter beizuordnen. Dem steht nicht entgegen, dass der Antragsteller selbst Rechtsanwalt ist. § 142 Abs. 1 FGO i.V.m. § 121 Abs. 1 ZPO schreibt zwingend vor, dass für den Fall, dass --wie im Streitfall gemäß § 62a FGO für das Beschwerdeverfahren vor dem BFH-- eine Vertretung durch Anwälte vorgeschrieben ist, dem Beteiligten ein zur Vertretung bereiter Rechtsanwalt seiner Wahl beigeordnet wird. Hierauf hat der Antragsteller einen Rechtsanspruch, auch wenn er sich als Rechtsanwalt selbst vor dem BFH vertreten könnte. Der Senat folgt insoweit der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (vgl. Beschluss vom 25. April 2002 IX ZB 106/02, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung 2002, 1046), die er --auch wenn sie im entschiedenen Fall nicht tragend war-- für überzeugend hält, weil sie dem Wortlaut des Gesetzes entspricht und auch zweckgerecht erscheint, weil es in aller Regel untunlich ist, sich in eigener Sache vor Gericht zu vertreten. Zwar hat der I. Senat des BFH in seinem Beschluss in BFH/NV 2002, 1319 (ebenso für den Konkursverwalter in seinem Beschluss vom 26. Juni 2002 I S 4/02, nicht veröffentlicht) diese Frage abweichend entschieden (keine Beiordnung eines Rechtsanwalts nach § 121 Abs. 1 ZPO, wenn der Insolvenzverwalter selbst Rechtsanwalt ist; jedoch könne der Insolvenzverwalter im Rahmen der bewilligten PKH die Gebühren und Auslagen in Ansatz bringen, die er als bevollmächtigter Rechtsanwalt verlangen könnte). Der I. Senat hat jedoch auf Anfrage gemäß § 11 Abs. 3 Satz 1 FGO erklärt, dass er an dieser Rechtsauffassung nicht mehr festhält.

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