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Gericht: Bundesfinanzhof
Beschluss verkündet am 16.06.2008
Aktenzeichen: VII S 8/08 (PKH)
Rechtsgebiete: FGO


Vorschriften:

FGO § 115 Abs. 2 Nr. 1
FGO § 116 Abs. 3 Satz 3
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

I. In einem Strafverfahren vor dem Landgericht (LG), das im November 2000 zur Verurteilung des L wegen gewerbsmäßiger Steuerhehlerei in 192 Fällen führte, war das LG nach den im Strafurteil aufgrund der geständigen Einlassungen des L getroffenen Feststellungen (u.a.) davon ausgegangen, dass dieser in den Jahren 1997 bis 1999 und in den ersten Monaten des Jahres 2000 monatlich 100 Stangen (insgesamt 4 100 Stangen) geschmuggelte Zigaretten vom Kläger, Beschwerdeführer und Antragsteller (Antragsteller) erworben hatte. Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Hauptzollamt) setzte daraufhin gegen den Antragsteller die auf die genannte Menge Zigaretten entfallenden Einfuhrabgaben fest.

Das Finanzgericht (FG) wies die nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhobene Klage ab. Das FG urteilte, dass die Abgabenschuld entstanden sei, weil die Zigaretten vorschriftswidrig in das Zollgebiet der Gemeinschaft verbracht worden seien, und dass der Antragsteller Abgabenschuldner sei, weil er die Zigaretten vor ihrer Auslieferung an L erworben oder in Besitz gehabt habe, obwohl er im Zeitpunkt des Erwerbs oder Erhalts der Zigaretten wegen der fehlenden Steuerzeichen zumindest vernünftigerweise hätte wissen müssen, dass sie vorschriftswidrig in das Zollgebiet der Gemeinschaft verbracht worden waren. Dies ergebe sich aus dem Urteil des LG, dessen tatsächliche Feststellungen das Gericht sich insoweit zu eigen mache. Der Antragsteller habe diese Feststellungen nicht substantiiert bestritten. Er habe eingeräumt, in der Zigarettenszene in verschiedenen Rollen bekannt gewesen zu sein, und habe die streitigen Lieferungen an L lediglich in Abrede gestellt und geltend gemacht, dass seine Beteiligung an diesen Taten nicht festgestellt worden sei.

Hiergegen richtet sich die unter dem Aktenzeichen VII B 42/08 anhängige Nichtzulassungsbeschwerde des Antragstellers, welche er auf die Zulassungsgründe der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache, der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung sowie des Verfahrensmangels (§ 115 Abs. 2 Nr. 1, 2 und 3 der Finanzgerichtsordnung --FGO--) stützt. Zur Durchführung jenes Beschwerdeverfahrens hat der Antragsteller die Bewilligung von Prozesskostenhilfe (PKH) beantragt.

II. Der Antrag auf Bewilligung von PKH ist abzulehnen, weil die beabsichtigte Rechtsverfolgung, keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet (§ 142 Abs. 1 FGO i.V.m. § 114 der Zivilprozessordnung), denn die geltend gemachten Gründe für die Zulassung der Revision sind nicht schlüssig dargelegt, wie es § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO erfordert.

1. Grundsätzliche Bedeutung i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO ist einer Rechtsfrage beizumessen, wenn ihre Beantwortung in dem angestrebten Revisionsverfahren aus Gründen der Rechtssicherheit, der Rechtseinheitlichkeit und/oder Rechtsentwicklung im allgemeinen Interesse liegt. Dabei muss es sich um eine Frage handeln, die klärungsbedürftig und im konkreten Streitfall auch klärungsfähig ist (vgl. Beschluss des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 29. April 2002 IV B 29/01, BFHE 198, 316, BStBl II 2002, 581, m.w.N.). Das Vorliegen dieser Zulassungsvoraussetzungen muss der Beschwerdeführer innerhalb der Begründungsfrist schlüssig und substantiiert darlegen (§ 116 Abs. 3 Satz 1 und 3 FGO).

Diesen Anforderungen wird die Beschwerde nicht gerecht, da sie nicht einmal eine konkrete Rechtsfrage bezeichnet, geschweige denn Ausführungen zu ihrer Klärungsbedürftigkeit macht, sondern vielmehr im Stil einer Revisionsbegründung vorträgt, dass das FG die Reichweite der strafprozessualen Begriffe der "strafgerichtlichen Feststellung" und der "Rechtskraft eines Strafbefehls" verkannt habe.

Soweit dem Beschwerdevorbringen entnommen werden kann, dass die Frage für klärungsbedürftig gehalten wird, unter welchen Voraussetzungen sich das FG die in einem Strafurteil getroffenen Feststellungen zu eigen machen kann, ist auf die ständige Rechtsprechung des BFH und die entsprechenden in dem angefochtenen FG-Urteil zitierten Entscheidungen zu verweisen, aus denen folgt, dass das FG berechtigt ist, tatsächliche Feststellungen aus einem in das Verfahren eingeführten Strafurteil zu verwerten, wenn keine substantiierten Einwendungen gegen diese Feststellungen erhoben werden und keine verfahrenserheblichen Beweisanträge gestellt werden, und dass das FG an der Übernahme der strafgerichtlichen Feststellungen auch dann nicht gehindert ist, wenn der Betroffene des finanzgerichtlichen Verfahrens an dem Strafverfahren nicht beteiligt war. Einen weiteren Klärungsbedarf bezeichnet die Beschwerde nicht.

2. Darlegungen zu dem von Seiten der Beschwerde geltend gemachten Zulassungsgrund der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung fehlen.

3. Auch Verfahrensmängel sind nicht schlüssig dargelegt.

Dem Vorbringen der Beschwerde, dass die BFH-Rechtsprechung zur Übernahme strafrichterlicher Feststellungen im Streitfall "nicht einschlägig" sei, ist nicht zu folgen. Soweit die Beschwerde im Hinblick auf die Angaben des L im Strafverfahren meint, dass von einer Feststellung des Strafgerichts nur gesprochen werden könne, wenn diese nach den Vorschriften der Strafprozessordnung getroffen worden sei, verkennt sie, dass strafrichterliche Feststellungen zweifellos auf die Einlassungen des Angeklagten im Strafverfahren gestützt werden dürfen. Für die von der Beschwerde für erforderlich gehaltene Differenzierung zwischen richterlichen Feststellungen von Tatsachen, welche unmittelbar zur Verurteilung wegen der zur Last gelegten Straftat führen, und solchen Tatsachen, die nur die Begleitumstände der Tat betreffen, geben die prozessualen Vorschriften keinen Anhaltspunkt. Zu den in einem Strafurteil getroffenen Feststellungen gehören auch solche, die für die angeordnete Rechtsfolge nur von untergeordneter Bedeutung sind. Auch geht es nicht darum --wie die Beschwerde meint--, dass die Aussage eines Angeklagten in einem Strafverfahren in einem anderen --hier dem finanzgerichtlichen-- Verfahren als Zeugenaussage bewertet wird. Das FG hat keine Zeugenaussage bewertet, sondern hat sich eine in einem Strafurteil getroffene Feststellung des Strafgerichts für das finanzgerichtliche Verfahren zu eigen gemacht.

Diese Feststellung des LG besagt, dass L über einen Zeitraum von mehr als drei Jahren monatlich (insgesamt in 41 Fällen) 100 Stangen geschmuggelte Zigaretten vom Antragsteller erworben hat. An der Übernahme dieser strafrichterlichen Feststellung wäre das FG nur gehindert gewesen, wenn der Antragsteller insoweit substantiierte Einwendungen erhoben oder verfahrenserhebliche Beweisanträge gestellt hätte. Hieran fehlte es jedoch nach Ansicht des FG.

Soweit sich die Beschwerde gegen die Ausführungen des FG wendet, dass die entsprechenden Einlassungen des Antragstellers zu diesen monatlichen Zigarettenlieferungen unsubstantiiert geblieben seien, wendet sie sich gegen die Tatsachenwürdigung des FG, legt jedoch keinen Verfahrensmangel dar. Auch soweit sie bemängelt, dass das FG dem in der mündlichen Verhandlung gestellten Antrag, L als Zeugen zu vernehmen, nicht gefolgt sei, wird der damit gerügte Verfahrensmangel einer unzureichenden Sachaufklärung nicht schlüssig dargelegt.

Zur schlüssigen Rüge der Verletzung der Sachaufklärungspflicht durch das Ablehnen bzw. Übergehen eines Beweisantrags gehören genaue Angaben darüber, welchen Inhalt der betreffende Beweisantrag hatte, inwiefern das FG aufgrund dieses Inhalts von einem zulässigen, insbesondere ausreichend substantiierten Beweisantrag hätte ausgehen müssen und ggf. dass es an Gründen fehlte, den Beweisantrag abzulehnen. An solchen Angaben fehlt es im Streitfall. Auch lässt sich dem Sitzungsprotokoll lediglich entnehmen, dass der Antrag gestellt wurde, L "als Zeugen zu vernehmen". Dies war kein zulässiger Beweisantrag, dem das FG hätte folgen müssen. Es fehlte die Bezeichnung eines konkreten Beweisthemas und es fehlten in Anbetracht des Umstandes, dass L im Strafverfahren Angaben über monatliche Zigarettenlieferungen des Antragstellers gemacht hatte, Angaben darüber, dass und weshalb Anhaltspunkte für die Annahme bestanden, dass L nunmehr zu diesem Punkt eine andere Aussage machen werde. Auch den im finanzgerichtlichen Verfahren eingereichten Schriftsätzen war hierzu nichts zu entnehmen. Ohne solche Anhaltspunkte war aber dem in der mündlichen Verhandlung gestellten Beweisantrag nicht zu folgen, weil eine entsprechende Beweisaufnahme einen unzulässigen Ausforschungsbeweis dargestellt hätte.

Ende der Entscheidung

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