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Gericht: Bundesfinanzhof
Beschluss verkündet am 29.08.2006
Aktenzeichen: VIII B 124/06
Rechtsgebiete: AO 1977, FGO


Vorschriften:

AO 1977 § 164 Abs. 2
FGO § 69 Abs. 3
FGO § 69 Abs. 6
FGO § 69 Abs. 6 Satz 1
FGO § 69 Abs. 6 Satz 2
FGO § 115 Abs. 2
FGO § 116 Abs. 1
FGO § 128 Abs. 3
FGO § 128 Abs. 3 Satz 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

I. Die Antragstellerin und Beschwerdeführerin (Antragstellerin) ist Rechtsanwältin und wurde zusammen mit ihrem Ehemann zur Einkommensteuer 1987 veranlangt. Dabei wurden mit Einkommensteuerbescheid vom 25. April 1990 Einnahmen in Höhe von 160 000 DM zu Ungunsten der Antragstellerin doppelt erfasst. Im Hinblick auf negative Einkünfte des Ehemannes betrug die Steuerschuld 0 DM. Der Bescheid wurde nicht angefochten. Am 10. Februar 1998 änderte der Antragsgegner und Beschwerdegegner (das Finanzamt --FA--) aufgrund der Ergebnisse von bei der Antragstellerin und ihrem Ehemann durchgeführten Außenprüfungen den Einkommensteuerbescheid nach § 164 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO 1977). Die Antragstellerin legte dagegen Einspruch ein und beantragte getrennte Veranlagung. Das FA führte diese mit Bescheid vom 27. November 2001 durch, die Besteuerungsgrundlagen entnahm es dem Änderungsbescheid vom 10. Februar 1998. In der Folgezeit wurde der Bescheid vom 28. März 2003 nochmals (nach § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO 1977) geändert; das FA legte nunmehr die ursprünglichen Besteuerungsgrundlagen aus dem Bescheid vom 25. April 1990 zu Grunde.

Nachdem die Antragstellerin beim FA erfolglos Aussetzung der Vollziehung (AdV) beantragt hatte, stellte sie einen entsprechenden Aussetzungsantrag beim Finanzgericht (FG). Das FG wies den Aussetzungsantrag mit Beschluss vom 21. Oktober 2003 im Wesentlichen mit der Begründung zurück, das FA habe im angefochtenen Bescheid die unanfechtbar gewordenen Besteuerungsgrundlagen des Ursprungsbescheids vom 25. April 1990 zu Grunde gelegt. Einwendungen hiergegen hätten im Einspruchsverfahren gegen diesen Bescheid geltend gemacht werden müssen. Das sei unterblieben. Soweit die Antragstellerin sich auf Zahlungsverjährung berufe, sei das nur im Steuererhebungs-, nicht aber im Steuerfestsetzungsverfahren erheblich. Die Feststellungen der Betriebsprüfung seien insoweit ohne Belang. Ausschlaggebend für den angefochtenen Bescheid seien eine geänderte Wahl der Veranlagungsart und bereits vor Beginn der Betriebsprüfung feststehende und unanfechtbare Besteuerungsgrundlagen. Die Beschwerde gegen diesen Beschluss hat das FG nicht zugelassen.

Die Antragstellerin beantragte daraufhin gemäß § 69 Abs. 6 der Finanzgerichtsordnung (FGO) unter Abänderung des Beschlusses vom 21. Oktober 2003 erneut AdV. Das FG lehnte den Antrag mit der Begründung als unstatthaft ab, es lägen keine Sachverhalte vor, die im ursprünglichen Aussetzungsantrag unverschuldet nicht hätten vorgetragen werden können. Das gelte auch für den Gesichtspunkt der Festsetzungsverjährung. Es gebe auch keinen Anlass für eine Änderung von Amts wegen nach § 69 Abs. 6 Satz 1 FGO. Denn im Hinblick auf Gründe, die den Anforderungen des § 69 Abs. 6 Satz 2 FGO nicht genügten, liefe eine solche dem Zweck der Norm zuwider (Beschluss vom 11. Juli 2006 12 V 1663/06 A(E)).

Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Antragstellerin, der das FG nicht abgeholfen hat. Die Beschwerde sei nicht darauf gerichtet, eine Aussetzungsentscheidung durch den Bundesfinanzhof (BFH) zu erhalten, sondern ziele darauf, die Verwerfung des Antrages nach § 69 Abs. 6 FGO anzugreifen, um so eine materiell-rechtliche Entscheidung des FG über den ursprünglichen Aussetzungsantrag zu erlangen. Diesem Antrag wäre stattzugeben, denn der angefochtene Beschluss leide unter diversen materiellen Rechtsfehlern.

II. Die Beschwerde ist unzulässig. Sie war deshalb zu verwerfen.

1. Nach § 128 Abs. 3 FGO steht den Beteiligten gegen die Entscheidung des FG über die AdV nach § 69 Abs. 3 FGO die Beschwerde nur zu, wenn sie in der Entscheidung ausdrücklich oder ausnahmsweise noch in einem späteren Beschluss nachträglich vom FG zugelassen worden ist.

Das FG hat im Tenor des angefochtenen Beschlusses die Beschwerde ausdrücklich nicht zugelassen und der Beschwerde auch nicht abgeholfen.

Diese Beschränkung gilt auch für Beschlüsse nach § 69 Abs. 6 FGO. Zwar wird § 69 Abs. 6 FGO in § 128 Abs. 3 FGO nicht erwähnt; doch ist die Entscheidung inhaltlich ein Beschluss nach § 69 Abs. 3 FGO (vgl. Birkenfeld in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 69 FGO Rz. 1255, m.w.N.). Die Beschwerde gegen die Entscheidung über die AdV nach § 69 Abs. 3 FGO kann auch nicht dadurch statthaft werden, dass zunächst die Änderung des Beschlusses nach § 69 Abs. 6 FGO beantragt wird (vgl. BFH-Beschlüsse vom 22. Oktober 1998 X B 163/98, BFH/NV 1999, 504; vom 10. Oktober 1997 V B 109/97, BFH/NV 1998, 345; ebenso Gräber/Koch, Finanzgerichtsordnung, 6. Aufl., § 69 Rz 186). Denn die Zulassungsbeschränkung des § 128 Abs. 3 FGO darf durch einen Antrag nach § 69 Abs. 6 Satz 1 FGO nicht unterlaufen werden.

2. Eine Beschwerde wegen Nichtzulassung der Beschwerde sieht die FGO bei Entscheidungen des FG über einen Antrag auf AdV (§ 69 Abs. 3 FGO) nicht vor. § 128 Abs. 3 Satz 2 FGO ordnet lediglich die entsprechende Anwendung des § 115 Abs. 2 FGO in dem Sinne an, dass die dort genannten Kriterien für die Zulassung der Beschwerde durch das FG maßgebend sind. Die entsprechende Anwendung des § 116 Abs. 1 FGO --die Beschwerde wegen Nichtzulassung der Revision betreffend-- ist in § 128 Abs. 3 FGO nicht vorgesehen (vgl. BFH-Beschluss vom 7. August 2002 I B 83/02, BFH/NV 2003, 61, m.w.N.). Dagegen bestehen nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) keine verfassungsrechtlichen Bedenken (vgl. BVerfG-Beschluss vom 6. Oktober 1977 2 BvR 502/77, Steuerrechtsprechung in Karteiform, Gesetz zur Entlastung des Bundesfinanzhofs, Rechtsspruch 39).

3. Die Beschwerde ist auch nicht als außerordentliche Beschwerde zulässig. Wie der Senat bereits mit Beschluss vom 30. November 2005 VIII B 181/05 (BFHE 211, 37, BStBl 2006, 188) entschieden hat, ist nach In-Kraft-Treten des Gesetzes über die Rechtsbehelfe bei Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör vom 9. Dezember 2004 (BGBl I 2004, 3220) zum 1. Januar 2005 ein derartiger außerordentlicher, gesetzlich nicht geregelter Rechtsbehelf ausgeschlossen.

Ende der Entscheidung

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