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Gericht: Bundesfinanzhof
Beschluss verkündet am 30.09.2005
Aktenzeichen: VIII B 150/04
Rechtsgebiete: FGO, AO 1977


Vorschriften:

FGO § 48
FGO § 48 Abs. 1 Nr. 4
FGO § 48 Abs. 1 Nr. 5
FGO § 48 Abs. 2
FGO § 60 Abs. 3
FGO § 96 Abs. 1 Satz 2
AO 1977 § 180 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

Die Beschwerde ist unbegründet.

1. Eine Divergenz (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 2. Alternative der Finanzgerichtsordnung --FGO--) zum Beschluss des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 18. Juni 2001 IV B 88/00 (BFH/NV 2001, 1550) liegt nicht vor. Vielmehr macht sich das Finanzgericht (FG) die darin bestätigten Grundsätze der ständigen Rechtsprechung zu Eigen. Es stellt insbesondere nicht einen abstrakten Rechtssatz auf, wonach das für die Annahme einer Mitunternehmerschaft erforderliche Mitunternehmerrisiko ausnahmslos an eine Beteiligung an den stillen Reserven geknüpft sei. Vielmehr verlangt das FG für einen solchen Fall entsprechend dem genannten Beschluss des BFH eine besonders ausgeprägte Mitunternehmerinitiative.

Soweit das FG diese besonders ausgeprägte Mitunternehmerinitiative im Streitfall verneint, ist weder eine Divergenz zur Rechtsprechung des BFH schlüssig dargelegt noch, dass die Fortbildung des Rechts eine Entscheidung des BFH erforderte (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 1. Alternative FGO). Eine Entscheidung des BFH zur Fortbildung des Rechts ist vornehmlich in Fällen erforderlich, in denen über bisher ungeklärte Rechtsfragen zu entscheiden ist, so beispielsweise, wenn der Einzelfall Veranlassung gibt, Grundsätze für die Auslegung von Gesetzesbestimmungen des materiellen oder des Verfahrensrechts aufzustellen oder Gesetzeslücken rechtsschöpferisch auszufüllen (BFH-Beschluss vom 14. August 2001 XI B 57/01, BFH/NV 2002, 51), oder wenn gegen eine bestehende höchstrichterliche Rechtsprechung gewichtige Argumente vorgetragen werden, die der BFH noch nicht erwogen hat (vgl. z.B. Senatsbeschluss vom 4. November 2002 VIII B 94/02, BFH/NV 2003, 484). Substantiierten Vortrag in diesem Sinn enthält die Beschwerdeschrift nicht. Vielmehr ist die Feststellung einer besonders ausgeprägten Mitunternehmerinitiative nach dem Gesamtbild des jeweiligen Einzelfalls zu treffen, was das FG getan hat.

2. Auch die geltend gemachten Verfahrensrügen (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO) greifen im Ergebnis nicht durch.

a) §§ 48 und 60 Abs. 3 FGO sind nicht verletzt.

Einer atypisch stillen Gesellschaft kommt nach der Rechtsprechung des Senats nicht die Fähigkeit zu, Beteiligte eines Finanzrechtsstreits zu sein (BFH-Beschluss vom 11. Januar 2001 VIII B 83/00, BFH/NV 2001, 578, unter 2. der Entscheidungsgründe, m.w.N.). Bei der atypischen stillen Gesellschaft ist auch zivilrechtlich der Inhaber des Handelsgeschäfts nicht der zur Vertretung berufene Geschäftsführer (Steinhauff in Hübschmann/Hepp/Spitaler --HHSp--, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, Kommentar, § 48 FGO Rz. 94, m.w.N.). In Betracht kommt lediglich eine Prozessstandschaft des Empfangsbevollmächtigten gemäß § 48 Abs. 2 FGO (Senatsbeschluss vom 3. März 1998, VIII B 62/97, BFHE 185, 131, BStBl II 1998, 401). Eine solche liegt hier vor.

Dass das FG im Ergebnis nicht von einer atypisch stillen Gesellschaft ausgegangen ist, ist unerheblich.

Ein atypisch stiller Gesellschafter ist beizuladen, wenn er nach § 48 Abs. 1 Nr. 4 bzw. 5 FGO klagebefugt ist, aber selbst nicht klagt (vgl. Steinhauff in HHSp, § 48 FGO Rz. 26, 270; Gräber/Koch, Finanzgerichtsordnung, Kommentar, 5. Aufl., § 60 Rz. 65, jeweils m.w.N.). Klagebefugt für die streitige Gewinnfeststellung ist aber allein der Klagebevollmächtigte (§ 48 Abs. 2 FGO).

b) Das FG hat auch den Beweisantrag der Kläger zur Zeugenvernehmung des Betriebsprüfers sowie Beiziehung der Beiakte zur Betriebsprüfung hinsichtlich von Ergänzungsverträgen von 1994 nicht ermessensfehlerhaft übergangen (§ 79b Abs. 3 FGO). Weder bestehen Anhaltspunkte für einen Ermessensnichtgebrauch seitens des FG noch musste das FG angesichts einer Ermessensreduzierung auf null dem Beweisantrag stattgeben. Da ein erneuter Termin erforderlich gewesen wäre, um den Zeugen zu laden, ist das FG zutreffend davon ausgegangen, dass die Zulassung des Beweises die Erledigung des Rechtsstreits verzögert hätte. Die Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) haben die Verspätung auch nicht genügend entschuldigt (§ 79b Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 FGO). Der Vortrag der Kläger, der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt --FA--) habe am Terminstag den Klageabweisungsantrag auf völlig neue Gründe gestützt, entspricht nicht der Aktenlage. Schon im Schriftsatz vom 30. Januar 1997 (S. 27/28 unter 3.2.3.) haben die Kläger auch hinsichtlich des Vorliegens einer Mitunternehmerschaft Erklärungsbedarf gesehen. Sie haben sich hier mit dem Betriebsprüfungsbericht des Steuerprüfers beschäftigt, der nach dem übergangenen Beweisantrag als Zeuge vernommen werden sollte (Anlage 18 zum Schriftsatz vom 30. Januar 1997, Bl. 164 f. FG-Akten). Der in diesem Schriftsatz in Bezug genommene Gesellschaftsvertrag (Anlage 23, Bl. 182 FG-Akten) entspricht dem vom FG im Tatbestand genannten Gesellschaftsvertrag lt. Schreiben vom 22. November 1993. Schon vor diesem Hintergrund war auch mit einer Prüfung des Vorliegens der atypisch stillen Gesellschaft seitens des FG zu rechnen.

Aus diesem Grunde ist auch nach den Grundsätzen der Gewährung rechtlichen Gehörs in der Variante des Verbots von Überraschungsentscheidungen (Art. 103 Abs. 1 des Grundgesetzes --GG--) nicht von einer Verletzung rechtlichen Gehörs auszugehen. Eine Überraschungsentscheidung liegt nur vor, wenn das Gericht seine Entscheidung auf einen bis dahin nicht erörterten rechtlichen oder tatsächlichen Gesichtspunkt stützt und damit dem Rechtsstreit eine Wendung gegeben hat, mit dem auch ein kundiger Prozessbeteiligter selbst unter Berücksichtigung vertretbarer Rechtsauffassungen nach dem bisherigen Verlauf des Verfahrens nicht rechnen musste (Beschluss des Bundesverfassungsgerichts --BVerfG-- vom 29. Mai 1991 1 BvR 1383/90, BVerfGE 84, 188; BFH-Beschlüsse vom 3. September 2002 I B 107/01, BFH/NV 2003, 68; vom 11. Februar 2003 XI B 4/02, BFH/NV 2003, 802, m.w.N.). Darüber hinaus war für die Kläger jedenfalls seit dem Schreiben des FG an den Klägervertreter vom 17. Mai 2001 im Parallelverfahren zur Aussetzung der Vollziehung (AdV) erkennbar, dass das FG Zweifel am Vorliegen einer atypisch stillen Gesellschaft hatte. Damit wäre ein Beweisantrag jedenfalls nicht erst in der mündlichen Verhandlung möglich gewesen.

Allein daraus, dass das FG den Termin zur mündlichen Verhandlung im Ergebnis erst auf den 28. April 2004 angesetzt hat, obwohl die Kläger den Klageantrag bereits am 30. Januar 1998 begründet hatten, ergibt sich kein Ermessensfehler seitens des FG.

c) Das FG hat auch nicht gegen § 96 Abs. 1 Satz 2 FGO (Bindung an das Klagebegehren) verstoßen. Der Klageantrag war auf Aufhebung der Feststellungs- und Einspruchsbescheide gerichtet, was auch die Feststellung zur Mitunternehmerschaft umfasste. Aus dem Hilfsantrag ergibt sich zudem, dass die Kläger auch eine Prüfung der Voraussetzungen einer atypisch stillen Gesellschaft begehrten. Soweit sie rügen, das Gericht habe insoweit auf die Stellung eines nicht sachdienlichen Antrags hingewirkt (§ 76 Abs. 2 FGO), können sich die sachkundig vertretenen Kläger hierauf nicht berufen.

d) Dadurch, dass das FG dem Hilfsantrag stattgegeben hat, hat es auch eine im Feststellungsverfahren nach § 180 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a der Abgabenordnung (AO 1977) sachlich vorgesehene Entscheidung getroffen. Mit der Verneinung der atypisch stillen Gesellschaft hat das FG nicht zugleich das Vorliegen einer Gesellschaft abgelehnt. Es geht nicht um eine Einzelveranlagung, sondern um eine einheitliche und gesonderte Feststellung von Einkünften aus Kapitalvermögen, die von einer typisch stillen Gesellschaft erzielt wurden, mit der Folge einer Verlustzurechnung beim tätigen Gesellschafter. Etwaige Rechtsfehler bei dieser Verlustrechnung (vgl. dazu Senatsurteil vom 23. Juli 2002 VIII R 36/01, BFHE 199, 477, BStBl II 2002, 858) sind nicht geeignet, die Revisionszulassung zu begründen.

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