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Gericht: Bundesfinanzhof
Urteil verkündet am 01.07.2003
Aktenzeichen: VIII R 24/01
Rechtsgebiete: EStG, BGB


Vorschriften:

EStG § 15
BGB § 709
BGB § 710
Ist im Gesellschaftsvertrag einer GbR die Führung der Geschäfte einem Gesellschafter allein übertragen, dann beherrscht dieser Gesellschafter die Gesellschaft im Sinne der Rechtsprechungsgrundsätze zur Betriebsaufspaltung auch dann, wenn nach dem Gesellschaftsvertrag die Gesellschafterbeschlüsse einstimmig zu fassen sind.
Gründe:

I.

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR), an deren Gesellschaftskapital sowie Gewinn und Verlust zunächst nur die Gesellschafter HW (zu 60 v.H.) und AK (zu 40 v.H.) beteiligt waren. Gesellschaftszweck war die Vermietung eines der Klägerin gehörenden Bürogebäudes an die T-GmbH, die in diesem Gebäude eine Steuerberatungskanzlei betrieb, an der HW und AK mit zusammen 62,5 v.H. des Stammkapitals beteiligt waren. Das Gebäude wurde ausschließlich für die Geschäftstätigkeit der Steuerberatungsgesellschaft genutzt.

HW und AK hatten kurz nach Fertigstellung des Gebäudes im Jahre 1991 und vor einem weiteren Ausbau des Gebäudes für die betrieblichen Zwecke der GmbH im Jahre 1994 ihre jeweiligen Ehefrauen in die GbR aufgenommen. Diese erhielten aus den Gesellschaftsanteilen ihrer Ehemänner unentgeltlich jeweils 5 v.H. des Gesellschaftskapitals mit einer entsprechenden Beteiligung am Gesellschaftsergebnis. Die Gesellschaftsanteile oder Teile davon durften nur mit Zustimmung der anderen Gesellschafter veräußert werden. Die Gesellschafter-Beschlüsse waren einstimmig zu fassen. Zum alleinigen Geschäftsführer und Vertreter der Gesellschaft wurde HW bestellt. Darüber hinaus hatten die Ehefrauen ihren Ehemännern bereits 1979 bzw. 1984 Generalvollmachten zur Vertretung in allen privaten und behördlichen Angelegenheiten --auch über ihren Tod hinaus-- erteilt, für die eine Vertretung zulässig ist; von der Beschränkung des § 181 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) hatten sie ihre Ehemänner befreit.

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) vertrat im Anschluss an eine Außenprüfung die Ansicht, die der Höhe nach unstreitigen Einnahmen der Klägerin aus der Vermietung des Grundstücks seien als Folge einer zwischen ihr und der GmbH bestehenden Betriebsaufspaltung als Einkünfte aus Gewerbebetrieb zu beurteilen. Der Einspruch gegen den entsprechenden Gewinnfeststellungsbescheid 1995 blieb erfolglos.

Das Finanzgericht (FG) wies die Klage, mit der die Klägerin geltend macht, es fehle wegen der Vermietung eines "Allerweltsgebäudes" an einer sachlichen Verflechtung und wegen des Einstimmigkeitserfordernisses bei der Besitz-GbR auch an einer personellen Verflechtung, als unbegründet ab (Entscheidungen der Finanzgerichte --EFG-- 2001, 1274).

Mit der Revision rügt die Klägerin Verletzung formellen und materiellen Rechts (§ 76 der Finanzgerichtsordnung --FGO--, § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 15 Abs. 2 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes --EStG--).

Sie beantragt sinngemäß, das Urteil des FG aufzuheben und den angefochtenen Feststellungsbescheid für 1995 in Gestalt der Einspruchsentscheidung mit der Maßgabe abzuändern, dass anstelle der Einkünfte aus Gewerbebetrieb solche aus Vermietung und Verpachtung festgestellt werden.

Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

II.

Die Revision ist nicht begründet. Sie war deshalb zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 FGO).

1. Die Verfahrensrüge greift nicht durch. Der Senat sieht gemäß § 126 Abs. 6 Satz 1 FGO von einer Begründung ab.

2. Die Voraussetzungen einer Betriebsaufspaltung --die sachliche und personelle Verflechtung von Besitz- und Betriebsunternehmen (ständige Rechtsprechung im Anschluss an den Beschluss des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 8. November 1971 GrS 2/71, BFHE 103, 440, BStBl II 1972, 63)-- und damit eines gewerblichen Unternehmens i.S. von § 15 Abs. 2 EStG lagen vor.

a) Eine sachliche Verflechtung ist gegeben, wenn es sich bei dem vermieteten Wirtschaftsgut für das Betriebsunternehmen um eine wesentliche Betriebsgrundlage handelt. Bei einem Grundstück ist das der Fall, wenn es für die Betriebsführung der Betriebsgesellschaft von nicht nur geringer Bedeutung ist. Das ist stets anzunehmen, wenn es der räumliche und funktionale Mittelpunkt der Geschäftstätigkeit des Betriebsunternehmens ist. Der Senat verweist hinsichtlich der Begründung auf seine Urteile vom 23. Mai 2000 VIII R 11/99 (BFHE 192, 474, BStBl II 2000, 621, m.w.N.) und vom 23. Januar 2001 VIII R 71/98 (BFH/NV 2001, 894).

Diese Voraussetzung ist im Streitfall erfüllt. Das Gebäude wurde nach den den Senat bindenden Feststellungen des FG ausschließlich für die Geschäftstätigkeit der Steuerberatungs-GmbH genutzt.

b) Eine personelle Verflechtung liegt vor, wenn eine Person oder Personengruppe beide Unternehmen in der Weise beherrscht, dass sie in der Lage ist, in beiden Unternehmen einen einheitlichen Geschäfts- und Betätigungswillen durchzusetzen (ständige Rechtsprechung, vgl. u.a. BFH-Urteil vom 21. Januar 1999 IV R 96/96, BFHE 187, 570, BStBl II 2002, 771, unter 1. der Gründe). Das ist hier für die Betriebs-GmbH nicht streitig; HW und AK waren am Stammkapital der Gesellschaft mit zusammen 62,5 v.H. des Stammkapitals beteiligt. Sie waren aber als Personengruppe auch in der Lage, ihren Willen in der Besitzgesellschaft durchzusetzen.

aa) Eine Betriebsaufspaltung liegt wegen fehlender personeller Verflechtung nicht vor, wenn an der Betriebsgesellschaft nicht alle Gesellschafter der Besitz-Personengesellschaft beteiligt sind und die Beschlüsse der Besitz-Personengesellschaft einstimmig gefasst werden müssen. Davon geht der BFH in nunmehr ständiger Rechtsprechung aus (BFH-Urteil vom 11. Mai 1999 VIII R 72/96, BFHE 188, 397, BStBl II 2002, 722). Danach ist eine Betriebsaufspaltung zwischen einer GbR als Besitzgesellschaft und einer Betriebsgesellschaft grundsätzlich ausgeschlossen. Das gilt jedenfalls dann, wenn das Einstimmigkeitsprinzip auch die laufende Verwaltung der vermieteten Wirtschaftsgüter, die sog. Geschäfte des täglichen Lebens, einschließt (BFH-Urteil in BFHE 187, 570, BStBl II 2002, 771, m.w.N.). Davon ist bei einer GbR regelmäßig auszugehen; denn für jedes Geschäft einer GbR ist die Zustimmung aller Gesellschafter erforderlich (§ 709 Abs. 1 BGB). Im Streitfall gilt dieser Grundsatz jedoch aus den nachfolgenden Gründen nicht.

bb) Im Gesellschaftsvertrag der Klägerin ist die gemeinschaftliche Geschäftsführung abbedungen und dem Gesellschafter HW übertragen; damit sind die übrigen Gesellschafter von der Geschäftsführung ausgeschlossen (§ 710 BGB). Das bedeutet, dass sie zwar bei gesellschaftsfremden Angelegenheiten mitwirken mussten, dass sie aber keinen Einfluss auf die Verwaltungsgeschäfte der Klägerin nehmen konnten. Zu diesen Geschäften gehören bei einer GbR --anders als bei Personenhandelsgesellschaften-- nicht nur solche Geschäfte, die der gewöhnliche Betrieb der Gesellschaft mit sich bringt, sondern alle rechtlichen und tatsächlichen Maßnahmen, auch ungewöhnlicher Art (ganz herrschende Meinung, vgl. Reichsgericht, Urteil vom 7. Oktober 1921 II 169/61, RGZ 102, 410, 412, und Palandt/Sprau, Bürgerliches Gesetzbuch, 61. Aufl., Vor § 709 Rz. 1, m.w.N.; Ulmer in Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch --MünchKomm--, 3. Aufl., § 709 Rz. 24, m.w.N.), soweit sie nicht zu einer Änderung des Bestandes oder der Organisation der Gesellschaft führen (sog. Grundlagengeschäfte; ebenfalls ganz herrschende Meinung, vgl. u.a. Palandt/Sprau, a.a.O., § 705 Rz. 15 bis 17, m.w.N.; Ulmer in MünchKomm, § 709 Rz. 10, m.w.N.; Westermann, Handbuch der Personengesellschaften, I. Teil, Gesellschaftsrecht, Rz. 363, 366).

Der BFH ist in ständiger Rechtsprechung davon ausgegangen, dass jedenfalls nach Begründung der Betriebsaufspaltung die Vermietung oder Verpachtung eines Grundstücks durch das Besitzunternehmen an das Betriebsunternehmen kein Grundlagengeschäft in diesem Sinne, sondern ein Geschäft ist, das die Verwaltung des Grundstücks betrifft und das deshalb z.B. dort, wo Träger des Besitzunternehmens eine Bruchteilsgemeinschaft ist, nicht --wie nach § 745 Abs. 3 Satz 1 BGB für ein Grundlagengeschäft erforderlich-- einstimmig, sondern lediglich mit einfacher Mehrheit vorgenommen werden muss (BFH-Urteile vom 2. August 1972 IV 87/65, BFHE 106, 325, BStBl II 1972, 796; vom 12. November 1985 VIII R 240/81, BFHE 145, 401, BStBl II 1986, 296). Entsprechendes gilt für Personengesellschaften, bei denen es nach dem Gesellschaftsvertrag für die einzelnen Geschäftsführungsmaßnahmen eines Mehrheitsbeschlusses bedarf; auch bei ihnen ist für die Beherrschung im Sinne der Rechtsprechungsgrundsätze zur Betriebsaufspaltung lediglich die Mehrheit der Stimmen und nicht Einstimmigkeit erforderlich (BFH-Urteil vom 27. August 1992 IV R 13/91, BFHE 169, 231, BStBl II 1993, 134, unter II.2.b a.E. der Gründe).

Wie in diesen Fällen ist auch dort, wo es --wie bei der Einzelgeschäftsführung und Einzelvertretung durch einen Gesellschafter nach §§ 710, 714 BGB-- keines Gesellschafterbeschlusses bedarf, für die Maßnahmen im Rahmen der Vermietung und Verpachtung eines Grundstücks keine Einstimmigkeit erforderlich. Die Entscheidung im Streitfall hängt deshalb davon ab, ob die Stellung des Gesellschafters einer GbR, der als deren alleiniger Geschäftsführer ein Grundstück der Gesellschaft im Rahmen einer Betriebsaufspaltung verwalten kann, für eine Beherrschung der GbR im Sinne der Rechtsprechungsgrundsätze zur Betriebsaufspaltung ausreicht.

cc) Der BFH hat diese Frage bisher noch nicht entschieden (zur Bedeutung der Geschäftsführungsbefugnis für die Beherrschung einer Betriebs-GmbH vgl. BFH-Urteile vom 26. Januar 1989 IV R 151/86, BFHE 156, 138, BStBl II 1989, 455; vom 21. August 1996 X R 25/93, BFHE 181, 284, BStBl II 1997, 44, unter 4.b und c der Gründe, für die Beherrschung einer Besitz-GbR in der Form einer Schein-KG BFH-Urteil vom 7. Dezember 1999 VIII R 50, 51/96, BFH/NV 2000, 601; zur persönlichen Verflechtung bei Gesamtgeschäftsführung mit einem "Nur-Besitzgesellschafter" in einer GbR das BFH-Urteil vom 15. März 2000 VIII R 82/98, BFHE 191, 390, BStBl II 2002, 774, Deutsches Steuerrecht --DStR-- 2000, 1136, mit Anm. HG). Sie wird teils mit dem Hinweis auf die Herrschaft über die gewöhnlichen Geschäfte des täglichen Lebens bejaht (FG München, Urteil vom 24. April 1996 1 K 1652/93, EFG 1996, 748), teils mit dem Hinweis darauf verneint, dass durch Gesellschafterbeschluss jedes Geschäft des täglichen Lebens verhindert werden könne, welches der Geschäftsführer aufgrund seiner Geschäftsführung auszuüben berechtigt sei (FG Düsseldorf, Urteil vom 12. April 1996 14 K 5291/92 E, EFG 1996, 704; Söffing, Die Betriebsaufspaltung, 2. Aufl., S. 107).

Der Senat folgt der erstgenannten Ansicht mit der Maßgabe, dass auch die alleinige Geschäftsführungsbefugnis eines Gesellschafters die Beherrschung der Gesellschaft im Sinne der Rechtsprechungsgrundsätze zur Betriebsaufspaltung begründen kann, wenn sie die Möglichkeit zur Verfügung über das vermietete oder verpachtete Wirtschaftsgut einschließt. Solange einem nach § 710 BGB berufenen Gesellschafter-Geschäftsführer die Geschäftsführungsbefugnis nicht --durch einstimmigen Beschluss der übrigen Gesellschafter bei Vorliegen eines wichtigen Grundes (§ 712 BGB)-- entzogen ist, dürfen die anderen Gesellschafter in Angelegenheiten der Geschäftsführung nicht tätig werden. Sie haben auch weder ein Widerspruchsrecht gegen die von dem Geschäftsführer getroffenen Maßnahmen (ganz herrschende Meinung, vgl. u.a. Ulmer in MünchKomm, § 710 Rz. 6, m.w.N.) noch können sie diesem --von hier nicht vorliegenden Ausnahmen abgesehen-- unter Hinweis auf § 713 i.V.m. § 665 BGB und das zwischen den Gesellschaftern und dem Geschäftsführer bestehende Auftragsverhältnis Weisungen erteilen; ihr Stimmrecht beschränkt sich auf Beschlüsse in anderen als Geschäftsführungsangelegenheiten (ebenfalls ganz herrschende Meinung, vgl. u.a. Ulmer in MünchKomm, § 709 Rz. 28 und § 713 Rz. 6, m.w.N.; Erman/ Westermann, Bürgerliches Gesetzbuch, 10. Aufl., § 710 Rz. 3 und § 709 Rz. 19, 20).

Nach diesen Grundsätzen beherrschte der Gesellschafter HW die Klägerin. Ihm konnte die einmal übertragene Geschäftsführungsbefugnis nur durch einstimmigen Beschluss der übrigen Gesellschafter und nur aus wichtigem Grund (z.B. bei grober Pflichtverletzung oder Unfähigkeit zur ordnungsmäßigen Geschäftsführung) wieder entzogen werden. Damit war er nicht nur tatsächlich, sondern auch rechtlich derjenige, der unter Einschluss der Verwaltung des vermieteten Grundstücks das gesamte wirtschaftliche Geschehen in der GbR bestimmen konnte.

dd) Der Annahme einer Betriebsaufspaltung steht nicht entgegen, dass HW die Betriebs-GmbH nicht alleine, sondern nur zusammen mit AK beherrschte. AK war Gesellschafter sowohl der Betriebs-GmbH als auch der Besitz-GbR; er bildete zusammen mit HW eine beide Gesellschaften beherrschende Personengruppe. Es ist in der Rechtsprechung seit langem anerkannt, dass der für die Begründung einer Betriebsaufspaltung erforderliche einheitliche Betätigungswille daraus folgt, dass diese Personengruppe --unabhängig von der Beteiligungshöhe und den jeweiligen Stimmrechten ihrer Mitglieder-- gleich gerichtete Interessen verfolgt (BFH-Urteil in BFHE 106, 325, BStBl II 1972, 796, und ständige Rechtsprechung, vgl. u.a. BFH-Urteil vom 24. Februar 2000 IV R 62/98, BFHE 191, 295, BStBl II 2000, 417, unter 1.b aa der Gründe, und die weiteren Nachweise bei Schmidt, Einkommensteuergesetz, 21. Aufl., § 15 Rz. 823). Von dieser Vermutung ist auch auszugehen, wenn die die Betriebsgesellschaft beherrschenden Gesellschafter ihren Willen in der Besitzgesellschaft nur über die Geschäftsführungsbefugnis des einen Gesellschafters durchsetzen können. Tatsachen, die die Gleichrichtung der Interessen widerlegen könnten, sind im Streitfall weder vorgetragen noch ersichtlich.

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