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Gericht: Bundesfinanzhof
Urteil verkündet am 22.02.2005
Aktenzeichen: VIII R 24/03
Rechtsgebiete: EStG, KStG


Vorschriften:

EStG § 20 Abs. 1 Nr. 1
EStG § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2
KStG § 8 Abs. 3 Satz 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

I. Die Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) wurden in den Streitjahren 1991 bis 1993 zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Der Kläger war seit 1990 mit 30 v.H., die weitere Gesellschafterin GG mit 70 v.H. des Stammkapitals an der GS-GmbH beteiligt. Alleiniger Geschäftsführer der GmbH war der Kläger. GG war bei der GmbH als kaufmännische Angestellte beschäftigt und Lebenspartnerin des Bruders MG des Klägers, der ebenfalls im Unternehmen der GmbH angestellt war.

MG war berechtigt, die GmbH allein zu vertreten. Aufgrund dieser Befugnis und mit Wissen von GG hatte er in den Streitjahren Materialverkäufe zu Lasten der GmbH auf eigene Rechnung getätigt.

Die der GmbH dadurch entgangenen Gewinne schätzte das Finanzamt S-K im Anschluss an eine Außenprüfung mit 2 638 793 DM (1991), 490 277 DM (1992) und 495 883 DM (1993) und nahm in dieser Höhe eine verdeckte Gewinnausschüttung (vGA) auf der Ebene der GmbH an. Diese Beurteilung ist zwischen den Beteiligten unstreitig.

Auf der Ebene der Gesellschafter rechnete der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) die vGA GG und dem Kläger entsprechend ihrer Beteiligung an der GmbH zu; auf den Kläger entfielen danach Beträge in Höhe von 791 638 DM (1991), 147 083 DM (1992) und 148 765 DM (1993). Zur Begründung verwies das FA auf ein Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen (BMF) vom 8. März 1999 IV C 6 -S 2252- 2/99 (BStBl I 1999, 514), nach dem ein an eine dem Gesellschafter nahe stehende Person gewährter Vorteil dem Gesellschafter unabhängig davon als Einnahme zuzurechnen ist, ob bei ihm ein Zufluss tatsächlich vorliegt. Entsprechend änderte es die bestandskräftigen Einkommensteuerbescheide 1991 bis 1993. Die Einsprüche blieben erfolglos.

Das Finanzgericht (FG) gab der Klage statt (Entscheidungen der Finanzgerichte --EFG-- 2003, 849).

Mit der Revision rügt das FA die Verletzung materiellen Rechts (§ 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 des Einkommensteuergesetzes --EStG--). Der dem Empfänger der vGA nahe stehende Gesellschafter müsse sich stets den Zufluss bei dem Empfänger zurechnen lassen, weil er der Inhaber der Beteiligung sei, als deren Ertrag die vGA anzusehen sei. Dementsprechend sei er auch zur Anrechnung der auf die vGA bei der Kapitalgesellschaft entfallenden Körperschaftsteuer berechtigt. Zudem habe der Kläger durch die Unterzeichnung von Rechnungen an der Entstehung des Schadens mitgewirkt und es unterlassen, als Geschäftsführer der GmbH Ersatzansprüche gegenüber seinem Bruder geltend zu machen.

Das FA beantragt, das Urteil des FG aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Kläger beantragen, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

II. Die Revision ist nicht begründet. Sie war deshalb zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).

1. Dem Kläger sind die Vorteile, die seinem Bruder aus den Materialverkäufen in den Streitjahren 1991 bis 1993 zugeflossen sind, nicht als vGA zuzurechnen (§ 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG).

a) Eine vGA i.S. des § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG ist gegeben, wenn die Kapitalgesellschaft ihrem Gesellschafter außerhalb dergesellschaftsrechtlichen Gewinnverteilung einen Vermögensvorteil zuwendet und diese Zuwendung ihren Anlass im Gesellschaftsverhältnis hat (ständige Rechtsprechung, vgl. u.a. Beschluss des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 14. Juli 1998 VIII B 38/98, BFHE 186, 379, m.w.N.).

Im Rahmen des § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG ist die vGA beim Gesellschafter zu erfassen, wenn ihm der Vermögensvorteil zufließt (ebenfalls ständige Rechtsprechung, vgl. BFH-Beschluss in BFHE 186, 379, und zum Zufluss bei mittelbarer Zuwendung u.a. BFH-Urteil vom 19. März 1991 VIII R 2/85, BFH/NV 1992, 19).

b) Eine vGA kann aber auch ohne tatsächlichen Zufluss beim Gesellschafter dann anzunehmen sein, wenn der Vorteil dem Gesellschafter mittelbar in der Weise zugewendet wird, dass eine ihm nahe stehende Person aus der Vermögensverlagerung Nutzen zieht. Das "Nahestehen" in diesem Sinne kann familienrechtlicher, gesellschaftsrechtlicher, schuldrechtlicher oder auch rein tatsächlicher Art sein (BFH-Urteil vom 18. Dezember 1996 I R 139/94, BFHE 182, 184, BStBl II 1997, 301, unter II.A.1.a der Gründe). Danach war der Bruder MG des Klägers eine sowohl diesem als auch seiner Lebensgefährtin GG nahe stehende Person.

c) Die der GmbH aus den von MG getätigten Materialverkäufen entgangenen Vorteile sind jedoch nicht als vGA in der Form mittelbarer Zuwendungen beim Kläger zu erfassen.

aa) Die Zuwendung eines Vermögensvorteils an eine nahe stehende Person ist stets unabhängig davon als vGA zu beurteilen, ob auch der Gesellschafter selbst ein vermögenswertes Interesse an dieser Zuwendung hat. Der I. Senat des BFH hat dies für die vGA i.S. von § 8 Abs. 3 Satz 2 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) angenommen (Urteil in BFHE 182, 184, BStBl II 1997, 301, unter II.A.1.b der Gründe); für die vGA i.S. von § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG gilt nichts anderes (Senatsurteil vom 25. Mai 2004 VIII R 4/01, BFHE 207, 103, m.w.N.; zum Streitstand vgl. u.a. Streck, Körperschaftsteuergesetz, 6. Aufl., § 8 Rz. 106, und Schmidt/Heinicke, Einkommensteuergesetz, 23. Aufl., § 20 Rz. 74). Allerdings gilt dies uneingeschränkt nur für den Fall, dass andere Ursachen für die Zuwendung als das Nahestehen des Empfängers zu einem Gesellschafter auszuschließen sind. Nur in diesem Fall spricht der Beweis des ersten Anscheins dafür, dass die nahe stehende Person den Vorteil ohne ihre Beziehung zum Gesellschafter nicht erhalten hätte (vgl. u.a. BFH-Urteile vom 27. November 1974 I R 250/72, BFHE 114, 236, BStBl II 1975, 306; vom 29. September 1981 VIII R 8/77, BFHE 135, 31, BStBl II 1982, 248; zur "indiziellen Wirkung" des Nahestehens vgl. auch BFH-Urteil in BFHE 182, 184, BStBl II 1997, 301, unter II.A.1.b und 2. der Gründe; Döllerer, Betriebs-Berater --BB-- 1989, 1175, 1176). Dies vorausgesetzt ist die Zuwendung zu Lasten der GmbH so zu beurteilen, als hätte der Gesellschafter den Vorteil erhalten und diesen an die nahe stehende Person weitergegeben (einkommensteuerrechtlich unbeachtliche Einkommensverwendung; zu gleichzeitig vollzogenen Vermögensübertragungen zwischen Gesellschaft, Gesellschaftern und nahe stehenden Personen vgl. u.a. BFH-Beschluss vom 9. Juni 1997 GrS 1/94, BFHE 183, 187, BStBl II 1998, 307, unter C.III. der Gründe, m.w.N.).

bb) Dieser Beweis des ersten Anscheins kann im Allgemeinen nur durch die Feststellung erschüttert werden, dass die Zuwendung des Vorteils ihre Ursache ausschließlich in einer vom Gesellschaftsverhältnis zum nahe stehenden Gesellschafter unabhängigen Beziehung der Kapitalgesellschaft zum Empfänger der Zuwendung hat; die Kapitalgesellschaft bzw. der nahe stehende Gesellschafter haben dies darzulegen (BFH-Urteil in BFHE 114, 236, BStBl II 1975, 306).

Der Erschütterungsbeweis ist aber auch dann geführt, wenn die Zuwendung des Vorteils auch auf der persönlichen Beziehung zu einem anderen, dem Empfänger ebenfalls nahe stehenden Gesellschafter beruhen kann. Der erkennende Senat hat für den Fall, dass unmittelbarer Empfänger der vGA ein nahe stehender Mitgesellschafter ist, bereits ausgeführt, dass die vGA ausschließlich diesem zuzurechnen ist, soweit ihm nicht (auch) sein Mitgesellschafter etwas zuwenden wollte (BFH-Urteil in BFHE 135, 31, BStBl II 1982, 248). Für den vorliegenden Fall, dass unmittelbarer Empfänger der vGA eine (auch) dem Mitgesellschafter nahe stehende Person ist, kann nichts anderes gelten. Es ist --ohne Beweiserleichterung-- festzustellen, wer in diesem Fall die vGA veranlasst hat. Es handelt sich dann um eine mittelbare Zuwendung an diesen Gesellschafter.

cc) Von dieser Sachlage ist hier auszugehen.

Das FG hat festgestellt, dass MG die GmbH im Zusammenwirken mit seiner Lebensgefährtin und beherrschenden Gesellschafterin GG geschädigt hat. Dagegen konnte der Nachweis nicht geführt werden, dass auch der Kläger Kenntnis von den Schwarzgeschäften seines Bruders hatte. Den vom FA mit seiner Revisionsbegründung vorgetragenen abweichenden Sachverhalt kann der Senat nicht berücksichtigen (§ 118 Abs. 2 FGO). Das gilt auch für den Vortrag, die GmbH habe in Kenntnis dieses Sachverhalts auf Schadensersatzansprüche gegen MG verzichtet. Zudem haben die Kläger diesem Vortrag widersprochen und ein notariell beurkundetes Schuldanerkenntnis des MG gegenüber der GmbH über einen Gesamtbetrag von 4 426 958 DM vorgelegt.

Ende der Entscheidung

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