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Gericht: Bundesfinanzhof
Urteil verkündet am 05.10.2004
Aktenzeichen: VIII R 38/03
Rechtsgebiete: EStG, BVerfGG, FGO, AO 1977


Vorschriften:

EStG § 32 Abs. 6
EStG § 32 Abs. 7
EStG § 39a Abs. 1 Nr. 1
EStG § 39a Abs. 1 Nr. 2
EStG § 39a Abs. 1 Nr. 3
EStG § 39a Abs. 1 Nr. 4
EStG § 39a Abs. 1 Nr. 5
EStG § 39a Abs. 1 Nr. 6
EStG § 39a Abs. 1 Nr. 7
EStG § 38b Satz 1 Nr. 2
EStG § 32 Abs. 3
EStG § 32 Abs. 4
EStG § 33c
EStG § 33c Abs. 3
EStG § 2 Abs. 4
EStG § 32 Abs. 6 Satz 2
BVerfGG § 31
BVerfGG § 31 Abs. 1
BVerfGG § 31 Abs. 2
BVerfGG § 31 Abs. 2 Satz 3
BVerfGG § 80 Abs. 2 Satz 1
BVerfGG § 78
FGO § 100 Abs. 1 Satz 4
FGO § 74
AO 1977 § 163
AO 1977 § 227
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

I. Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) wird mit seiner Ehefrau zusammen zur Einkommensteuer veranlagt (§§ 26, 26b des Einkommensteuergesetzes --EStG--). Die unbeschränkt steuerpflichtigen Ehegatten haben zwei im Jahre 1999 und 2002 geborene Kinder, die bei ihnen leben und für die sie jeweils den Kinderfreibetrag nach § 32 Abs. 6 EStG bzw. Kindergeld erhalten.

Der Kläger beantragte, auf seiner Lohnsteuerkarte für 2003 in entsprechender Anwendung des § 32 Abs. 7 EStG einen zusätzlichen Freibetrag in Höhe von 2 871 € (5 616 DM) einzutragen. Er machte geltend, der Tatbestand dieser Vorschrift sei zwar nicht erfüllt. Es bestehe aber nach dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 10. November 1998 2 BvR 1057/91, 2 BvR 1226/91, 2 BvR 980/91 (BVerfGE 99, 216, BStBl II 1999, 182) wegen der verfassungswidrigen Weitergeltung des § 32 Abs. 7 EStG keine Besteuerungsgrundlage in Höhe des früheren Haushaltsfreibetrages.

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) lehnte den Antrag ab. Es stimmte der Sprungklage (§ 45 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--) des Klägers zu.

Das Finanzgericht (FG) wies die Klage ab. Das Urteil ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2003, 1242 veröffentlicht.

Der Kläger rügt mit der Revision eine Verletzung der Art. 2, 3, 6 und 12 des Grundgesetzes (GG) sowie des § 31 des Bundesverfassungsgerichtsgesetzes (BVerfGG) i.V.m. dem Beschluss des BVerfG in BVerfGE 99, 216, BStBl II 1999, 182.

Er beantragt, in Abänderung des Bescheids vom 15. November 2002 einen Freibetrag in Höhe von 2 871 € auf seiner Lohnsteuerkarte 2003 einzutragen, hilfsweise, gemäß § 100 Abs. 1 Satz 4 FGO die Rechtswidrigkeit der Ablehnung der Eintragung eines Freibetrages auf der Lohnsteuerkarte festzustellen.

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

II. Die Revision des Klägers ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 FGO). Dem verheirateten Kläger steht nach zutreffender Ansicht der Vorinstanz für das Streitjahr 2003 kein Anspruch auf einen Freibetrag in Höhe von 2 871 € zu. Ein derartiger Anspruch ergibt sich weder aus einer analogen Anwendung des § 32 Abs. 7 EStG noch aus § 31 Abs. 1 oder Abs. 2 BVerfGG i.V.m. dem Beschluss des BVerfG in BVerfGE 99, 216, BStBl II 1999, 182. Deshalb war die Ablehnung der Eintragung eines entsprechenden Freibetrages auf der Lohnsteuerkarte für 2003 entgegen der Auffassung des Klägers rechtmäßig.

1. Der Senat geht mit der Vorinstanz davon aus, dass die Klage mit dem Begehren, auf der Lohnsteuerkarte des Klägers einen Freibetrag in Höhe von 2 871 € einzutragen, ursprünglich zulässig war. Für dieses Klagebegehren ist jedoch mit Ablauf des 31. März 2004 das Rechtsschutzbedürfnis entfallen, so dass dem Hauptantrag der Revision schon aus diesem Grund der Erfolg zu versagen ist.

a) Die Zulässigkeit der Klage scheitert nicht bereits daran, dass der erstrebte Freibetrag im Gesetz nicht vorgesehen ist. Der Haushaltsfreibetrag gemäß § 32 Abs. 7 EStG ist in § 39a Abs. 1 Nr. 1 bis 7 EStG nicht aufgeführt. Der Anspruch auf einen Haushaltsfreibetrag wird vielmehr gemäß § 38b Satz 1 Nr. 2 EStG durch die Einstufung in die Steuerklasse II berücksichtigt. Im Streitfall konnte das Klagebegehren nicht dahin ausgelegt werden, dass der Kläger in die Steuerklasse II eingestuft werden wollte. Denn er ist verheiratet und wird mit seiner Ehefrau zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Der Senat teilt aber die Auffassung der Vorinstanz, dass ein Rechtsanspruch auf Eintragung eines im Gesetz nicht vorgesehenen Freibetrags bestehen kann, wenn dies erforderlich ist, um lohnsteuerpflichtige und vorauszahlungspflichtige Steuerzahler gleichzustellen (vgl. Beschluss des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 29. April 1992 VI B 152/91, BFHE 167, 152, BStBl II 1992, 752).

b) Für die danach ursprünglich zulässige Klage ist aber mit Ablauf des 31. März 2004 das Rechtsschutzbedürfnis entfallen, weil sich nach diesem Zeitpunkt Änderungen der Eintragungen auf der Lohnsteuerkarte des Streitjahres 2003 nicht mehr auswirken konnten (vgl. § 42b Abs. 3 EStG).

2. Die Klage ist jedoch mit dem hilfsweise gestellten Revisionsantrag nach Ablauf des 31. März 2004 als sog. Fortsetzungsfeststellungsklage gemäß § 100 Abs. 1 Satz 4 FGO zulässig. Der BFH hat in gefestigter Rechtsprechung angenommen, es bestehe ein berechtigtes Interesse im Sinne dieser Vorschrift an der Feststellung, dass der ursprünglich vom FA erlassene Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen sei, wenn die Veranlagung für das betreffende Jahr noch nicht abgeschlossen ist und sich die zu beurteilende Sach- und Rechtslage nicht geändert hat oder wenn sich die Streitfrage für die künftigen Lohnsteuerverfahren in gleicher Weise stellt (vgl. BFH-Urteil vom 29. Mai 1979 VI R 21/77, BFHE 128, 148, BStBl II 1979, 650; BFH-Beschluss vom 2. November 2000 X R 156/97, BFH/NV 2001, 476, m.w.N.).

Die erstgenannte Voraussetzung ist im Streitfall erfüllt. Die umstrittene Frage, ob dem Kläger ein Freibetrag in Höhe von 2 871 € zusteht, stellt sich weiterhin im Rahmen seiner Veranlagung zur Einkommensteuer für das Jahr 2003.

3. Die Revision hat auch mit dem Hilfsantrag keinen Erfolg.

a) Ein Anspruch auf die Eintragung eines Freibetrages ergibt sich nicht aus § 32 Abs. 7 EStG in der für das Streitjahr 2003 gültigen Fassung der Bekanntmachung vom 19. Oktober 2002 (BGBl I 2002, 4210, BStBl I 2002, 1209, 1267). Der Tatbestand dieser Vorschrift ist nicht erfüllt, weil der Kläger mit seiner Ehefrau zusammen zur Einkommensteuer veranlagt wird. Die Voraussetzungen für eine analoge Anwendung dieser Vorschrift sind ebenfalls nicht gegeben. Die dafür erforderliche planwidrige Gesetzeslücke besteht nicht. Denn der Gesetzgeber hat den Betreuungs- und Erziehungsbedarf eines Kindes zugunsten aller Eltern durch den Freibetrag in § 32 Abs. 6 EStG berücksichtigt und die zusätzliche Entlastung alleinstehender Eltern für eine Übergangszeit bewusst fortbestehen lassen wollen (vgl. BTDrucks 14/6160, S. 12 f.).

b) Ein Anspruch auf den begehrten Freibetrag folgt entgegen der Ansicht des Klägers auch nicht aus § 31 BVerfGG i.V.m. dem Beschluss des BVerfG in BVerfGE in 99, 216, BStBl II 1999, 182.

aa) Das BVerfG hat im Tenor dieses Beschlusses vom 10. November 1998, der im Bundesgesetzblatt I 1999, 143 veröffentlicht ist, u.a. wie folgt entschieden:

"1. ...

2. § 32 Absatz 3 und Absatz 4 des Einkommensteuergesetzes seit der Fassung der Bekanntmachung der Neufassung des Einkommensteuergesetzes vom 24. Januar 1984 (Bundesgesetzbl. I Seite 113) bis zur Änderung durch Artikel 1 Nummer 8 des Gesetzes zur leistungsfördernden Steuersenkung und zur Entlastung der Familie (Steuersenkungsgesetz 1986/ 1988) vom 26. Juni 1985 (Bundesgesetzbl. I Seite 1153) sowie § 32 Absatz 7 des Einkommensteuergesetzes seit der Fassung der Bekanntmachung der Neufassung des Einkommensteuergesetzes vom 15. April 1986 (Bundesgesetzbl. I Seite 441), einschließlich aller nachfolgenden Fassungen, sind mit Artikel 6 Absatz 1 und Absatz 2 des Grundgesetzes unvereinbar, soweit sie die in ehelicher Gemeinschaft lebenden, unbeschränkt steuerpflichtigen Eltern von der Gewährung des Haushaltsfreibetrags ausschließen.

...

5. Der Gesetzgeber ist verpflichtet, spätestens mit Wirkung zum 1. Januar 2000 eine Neuregelung hinsichtlich der unter 1. und spätestens mit Wirkung zum 1. Januar 2002 hinsichtlich der unter 2. für verfassungswidrig erklärten Vorschriften zu treffen. Bis zu diesem Zeitpunkt bleiben die bisherigen Regelungen weiter anwendbar.

Soweit mit Wirkung zum 1. Januar 2000 noch keine Neuregelung in Kraft getreten ist, gilt § 33c des Einkommensteuergesetzes mit der Maßgabe weiter, daß ab diesem Zeitpunkt Kinderbetreuungskosten in Höhe der in § 33c Absatz 3 des Einkommensteuergesetzes genannten Beträge - unabhängig von einer Erwerbstätigkeit und von konkreten Aufwendungen - bei der Ermittlung des zu versteuernden Einkommens bei allen Eltern, denen Kinderfreibeträge oder Kindergeld für das Kind zustehen, vom Einkommen im Sinne des § 2 Absatz 4 des Einkommensteuergesetzes abgezogen werden."

Das BVerfG hat unter Abschn. D.II. Abs. 2 der Gründe des Beschlusses in BVerfGE 99, 216, BStBl II 1999, 182 ausgeführt:

"Sollte die Neuregelung für die unter Nr. 2 des Tenors bezeichneten Vorschriften nicht spätestens mit Wirkung zum 1. Januar 2002 in Kraft getreten sein, so fehlt aufgrund der festgestellten Unvereinbarkeit der Regelung über den Haushaltsfreibetrag mit dem Grundgesetz für die Besteuerung des Einkommens der Eltern, denen ein Kinderfreibetrag oder Kindergeld für ein oder mehrere Kinder zusteht, in Höhe von 5 616 DM (vgl. C.II.) die gesetzliche Grundlage."

bb) Nach § 31 Abs. 1 BVerfGG binden die Entscheidungen des BVerfG die Verfassungsorgane des Bundes und der Länder sowie alle Gerichte und Behörden. Nach Abs. 2 der Vorschrift hat die Entscheidung des BVerfG u.a. dann Gesetzeskraft, wenn das BVerfG in einer Entscheidung über eine Verfassungsbeschwerde (§ 13 Nr. 8 a BVerfGG) ein Gesetz als mit dem Grundgesetz vereinbar oder unvereinbar oder für nichtig erklärt. In diesem Fall ist nach § 31 Abs. 2 Satz 3 BVerfGG die Entscheidungsformel im Bundesgesetzblatt zu veröffentlichen. Der Beschluss des BVerfG in BVerfGE 99, 216, BStBl II 1999, 182 ist aufgrund von Verfassungsbeschwerden ergangen; die Entscheidungsformel ist --wie oben dargelegt-- im Bundesgesetzblatt veröffentlicht worden.

Ein Anspruch des Klägers auf den begehrten Freibetrag ergibt sich jedoch weder aus § 31 Abs. 1 BVerfGG noch aus Abs. 2 der Vorschrift i.V.m. der im Bundesgesetzblatt veröffentlichten Entscheidungsformel des Beschlusses in BVerfGE 99, 216, BStBl II 1999, 182.

aaa) Der Gesetzgeber ist der ihm durch Nr. 5 des Tenors dieses Beschlusses auferlegten Pflicht dadurch nachgekommen, dass er durch das Gesetz zur Familienförderung (FamFöG) vom 22. Dezember 1999 (BGBl I 1999, 2552, BStBl I 2000, 4) in § 32 Abs. 6 EStG mit Wirkung ab dem 1. Januar 2000 (vgl. § 52 Abs. 1 EStG) zusätzlich zu dem Freibetrag für das sächliche Existenzminimum einen Betreuungsfreibetrag von 1 512 DM für jedes Kind, welches das 16. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, eingeführt hat.

Er hat weiterhin mit Wirkung ab dem 1. Januar 2002 allen Eltern eine steuerliche Entlastung wegen des Erziehungsbedarfs eines Kindes gewährt. Denn durch das Zweite Gesetz zur Familienförderung vom 16. August 2001 --FamFöG 2-- (BGBl I 2001, 2074, BStBl I 2001, 533) ist in § 32 Abs. 6 Satz 2 EStG ein Freibetrag von 1 080 € eingeführt worden, der u.a. auch den Erziehungsbedarf eines Kindes abgilt; dieser Freibetrag verdoppelt sich bei zusammen zur Einkommensteuer veranlagten Ehegatten.

bbb) Indem der Gesetzgeber allen Eltern, also ehelichen und nichtehelichen Erziehungsgemeinschaften gleichermaßen, einen Erziehungsfreibetrag eingeräumt hat, hat er den verfassungsgerichtlichen Appell gemäß Nrn. 2 und 5 des Tenors des Beschlusses in BVerfGE 99, 216, BStBl II 1999, 182 insoweit erfüllt, als sich mit Wirkung ab dem 1. Januar 2002 auch bei verheirateten Eltern Erziehungsleistungen steuermindernd auswirken. Deswegen liegen die Voraussetzungen, unter denen nach den Entscheidungsgründen des Beschlusses des BVerfG in BVerfGE 99, 216, BStBl II 1999, 182 bei der Einkommensteuerveranlagung von Eltern ein Betrag in Höhe von 5 616 DM wegen fehlender Besteuerungsgrundlage steuerfrei zu lassen ist (vgl. Abschn. D.II. 2. Abs. der Gründe), nicht vor. Für den tatsächlich eingetretenen Sachverhalt, dass der Gesetzgeber mit Wirkung ab dem 1. Januar 2002 zwar allen Eltern eine steuerliche Entlastung durch einen Freibetrag für den Erziehungsbedarf ihrer Kinder zubilligt, aber gleichwohl für nichtverheiratete Eltern den Haushaltsfreibetrag gemäß § 32 Abs. 7 EStG in abgeschmolzener Höhe fortbestehen lässt, hat das BVerfG weder im Tenor noch in den Entscheidungsgründen seines Beschlusses Regelungen getroffen.

4. Die Voraussetzungen für eine Vorlage an das BVerfG nach Art. 100 Abs. 1 GG liegen nicht vor.

a) Der Gesetzgeber hat durch die Neuregelung der Steuerentlastung von Eltern wegen des Erziehungsbedarfs ihrer Kinder die ihm erteilten Auflagen für die Jahre 2002 und 2003 nur unvollständig erfüllt, da der nach Ansicht des BVerfG durch § 32 Abs. 7 EStG in der bis zum Jahre 1998 gültigen Fassung bewirkte gleichheitswidrige Begünstigungsausschluss ehelicher Erziehungsgemeinschaften über den 1. Januar 2002 hinaus fortbesteht.

aa) Das BVerfG hat in seinem Beschluss in BVerfGE 99, 216, BStBl II 1999, 182 ausgeführt, Art. 6 Abs. 1 GG enthalte einen besonderen Gleichheitssatz, der es verbiete, Ehe und Familie gegenüber anderen Lebens- und Erziehungsgemeinschaften schlechter zu stellen; die Vorschrift untersage eine Benachteiligung von Ehegatten gegenüber Ledigen, von Eltern gegenüber Kinderlosen sowie von ehelichen gegenüber anderen Erziehungsgemeinschaften; dieses Benachteiligungsverbot stehe jeder belastenden Differenzierung entgegen, die an die Existenz einer Ehe (Art. 6 Abs. 1 GG) oder die Wahrnehmung des Elternrechts in ehelicher Erziehungsgemeinschaft (Art. 6 Abs. 1 und Abs. 2 GG) anknüpfe (BVerfGE 99, 216, BStBl II 1999, 182, unter Abschn. B.I.2.a der Gründe). Eine Benachteiligung liege auch vor, wenn Ehepartner oder Eltern wegen ihrer Ehe oder Familie und deren Gestaltung von Steuerentlastungen ausgeschlossen würden (BVerfGE 99, 216, BStBl II 1999, 182, unter Abschn. B.I.2.b der Gründe). § 32 Abs. 7 EStG verstoße gegen Art. 6 Abs. 1 und Abs. 2 GG, weil diese Vorschrift die eheliche gegenüber anderen Erziehungsgemeinschaften benachteilige (BVerfGE 99, 216, BStBl II 1999, 182, unter Abschn. B.II.2. der Gründe).

Der Haushaltsfreibetrag als weiterer Grundfreibetrag für unverheiratete Eltern sei mit Art. 6 Abs. 1 und Abs. 2 GG nicht vereinbar, weil er der ehelichen Erziehungsgemeinschaft vorenthalten, unverheirateten Eltern dagegen auch dann gewährt werde, wenn sie eine Erziehungsgemeinschaft bildeten und beide steuerpflichtig seien. In diesem Fall werde das jeweilige Einkommen steuerlich bereits in Höhe des Grundfreibetrags verschont. Durch den Haushaltsfreibetrag als "dritten Grundfreibetrag" würden damit solche Erziehungsgemeinschaften der ehelichen Erziehungsgemeinschaft gegenüber bevorzugt (BVerfGE 99, 216, BStBl II 1999, 182, unter Abschn. B.II.2. der Gründe).

bb) Der Gesetzgeber hat § 32 Abs. 7 EStG seit dem 1. Januar 2002 im Wesentlichen wortgleich mit der bisherigen Fassung fortbestehen lassen und lediglich die Höhe des Freibetrags auf 2 340 € für die Jahre 2002 und 2003 abgeschmolzen. § 32 Abs. 7 EStG ist erst durch Art. 9 Nr. 23 Buchst. c und Art. 29 des Haushaltsbegleitgesetzes 2004 (HBegleitG 2004) vom 29. Dezember 2003 (BGBl I 2003, 3076, BStBl I 2004, 120) ab dem Veranlagungszeitraum 2004 entfallen.

Damit ist für die Jahre 2002 und 2003 die nach Meinung des BVerfG gleichheitswidrige Benachteiligung von ehelichen gegenüber nichtehelichen Erziehungsgemeinschaften und der Ausschluss ehelicher Erziehungsgemeinschaften vom Abzug eines Haushaltsfreibetrags (vgl. BVerfGE 99, 216, BStBl II 1999, 182, unter Abschn. D.I.2. Satz 2 der Gründe) nicht beseitigt worden. Denn da die Freibeträge nach § 32 Abs. 6 EStG auch unverheirateten Eltern zustehen, sind eheliche Erziehungsgemeinschaften im Streitjahr 2003 weiterhin von einer steuerlichen Begünstigung ausgeschlossen, die dem Partner einer nichtehelichen Erziehungsgemeinschaft gemäß § 32 Abs. 7 EStG zusätzlich zusteht.

b) Doch auch wenn der Senat entgegen der Rechtsauffassung der Vorinstanz annimmt, dass § 32 Abs. 7 EStG in der für das Streitjahr 2003 gültigen Fassung wegen eines gleichheitswidrigen Begünstigungsausschlusses ehelicher Erziehungsgemeinschaften verfassungswidrig ist, liegen die Voraussetzungen für eine Vorlage an das BVerfG nicht vor.

Eine solche Vorlage ist gemäß Art. 100 Abs. 1 GG, § 80 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG nur zulässig, wenn das vorlegende Gericht, "ein Gesetz, auf dessen Gültigkeit es bei der Entscheidung ankommt, für verfassungswidrig" hält. Nach der Rechtsprechung des BVerfG kommt es auf die Gültigkeit der vorgelegten Norm für die Entscheidung nur dann an, wenn das Prozessgericht für den Fall der Gültigkeit der Norm im Ergebnis anders entscheiden würde als für den Fall ihrer Ungültigkeit (vgl. z.B. Beschluss des BVerfG vom 2. Dezember 1997 2 BvL 55, 56/92, BVerfGE 97, 49, 60, m.w.N.; vgl. auch BFH-Beschluss vom 23. August 1991 VI B 44/91, BFHE 165, 172, BStBl II 1991, 885, unter II.3.a der Gründe, m.w.N.).

aa) Danach wäre eine Vorlage an das BVerfG unzulässig, wenn anzunehmen wäre, dass das BVerfG die beanstandete Norm wegen des gleichheitswidrigen Begünstigungsausschlusses für nichtig (vgl. §§ 78, 80, 82 BVerfGG) erklären würde. Denn dieser Ausspruch brächte dem Kläger keinen rechtlichen Vorteil, weil er damit keinen zusätzlichen Freibetrag erlangen könnte.

Es sprechen wegen der besonderen Umstände des zu beurteilenden Sachverhalts beachtliche Gründe für die Annahme, dass das BVerfG § 32 Abs. 7 EStG in seiner für das Streitjahr 2003 gültigen Fassung im Falle einer Vorlage durch den Senat gemäß Art. 100 Abs. 1 GG für nichtig (vgl. §§ 78, 80, 82 BVerfGG) und nicht nur für mit dem Grundgesetz unvereinbar erklären würde. Denn die seit dem 1. Januar 2002 in Bezug auf § 32 Abs. 7 EStG bestehende Rechtslage unterscheidet sich von derjenigen, die das BVerfG in dem Beschluss in BVerfGE 99, 216, BStBl II 1999, 182 zu beurteilen hatte. Der Grund, der im Zeitpunkt der Entscheidung des BVerfG (10. November 1998) für die vorübergehende Weitergeltung des § 32 Abs. 7 EStG und damit für eine Unvereinbarkeitserklärung gesprochen hat, ist durch die Einführung des Freibetrags wegen des Betreuungs- und Erziehungsbedarfs durch § 32 Abs. 6 EStG entfallen. Nach Ansicht des BVerfG wurde bei nichtverheirateten Eltern durch § 32 Abs. 7 EStG a.F. jedenfalls im rechnerischen Ergebnis u.a. auch der Erziehungsbedarf eines Kindes berücksichtigt (vgl. BVerfG-Beschluss in BVerfGE 99, 216, BStBl II 1999, 182, unter Abschn. C.II. der Gründe). Diese Vorschrift entsprach danach insoweit einem verfassungsrechtlichen Gebot. Der ersatzlose Wegfall hätte deshalb eine Rechtslage geschaffen, die nach Ansicht des BVerfG mit Art. 6 Abs. 1 und 2 GG noch weniger vereinbar gewesen wäre als ihre vorübergehende Weitergeltung (vgl. BVerfGE 99, 216, BStBl II 1999, 182, unter Abschn. D.I. 2. Abs.; Beschluss des 2. Senats, 3. Kammer, vom 23. November 1999 2 BvR 1455/98, Neue Juristische Wochenschrift --NJW-- 2000, 723). Dadurch, dass der Gesetzgeber der nach Ansicht des BVerfG bestehenden Pflicht zur steuermindernden Berücksichtigung des Erziehungsbedarfs eines Kindes in § 32 Abs. 6 EStG für alle Eltern --nach Auffassung des erkennenden Senats in hinreichender Höhe-- Rechnung getragen hat, ist ab dem 1. Januar 2002 der Gesichtspunkt entfallen, der das BVerfG veranlasst hat, die befristete Weitergeltung dieser Vorschrift anzuordnen. Letztlich kann diese Frage aber offen bleiben.

bb) Denn selbst dann, wenn man annähme, dass das BVerfG nur die Verfassungswidrigkeit und Unvereinbarkeit des § 32 Abs. 7 EStG mit den Grundgesetz und nicht gemäß § 78 BVerfGG die Nichtigkeit der Vorschrift feststellen würde, wäre eine Vorlage gemäß Art. 100 Abs. 1 GG nicht zulässig. Zwar ist dann, wenn die Vorenthaltung einer gesetzlichen Begünstigung als gleichheitswidrig beanstandet wird, die Entscheidungserheblichkeit der Vorlage bereits dann zu bejahen, wenn die Feststellung der Verfassungswidrigkeit der zur Prüfung gestellten Vorschrift dem Kläger die Chance offen hält, eine für ihn günstigere Regelung durch den Gesetzgeber zu erreichen (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. BVerfG-Beschlüsse vom 31. Januar 1996 2 BvL 39, 40/93, BVerfGE 93, 386, 395, m.w.N.; vom 29. April 1998 1 BvL 25/93, BVerfGE 98, 70, 81). Von einer derartigen Chance kann im Streitfall aber nicht ausgegangen werden. Denn der Gesetzgeber hat nach Erlass des angefochtenen Urteils den Gleichheitsverstoß für die Zukunft dadurch geheilt, dass er --wie oben dargelegt-- § 32 Abs. 7 EStG durch das HBegleitG 2004 mit Wirkung ab dem 1. Januar 2004 aufgehoben hat. Da der Gesetzgeber bei einer Unvereinbarkeitserklärung aufgrund der ihm zustehenden Gestaltungsfreiheit einen gleichheitswidrigen Begünstigungsausschluss auch durch die Streichung der beanstandeten Norm heilen kann (vgl. BVerfG-Beschluss vom 28. November 1967 1 BvR 515/63, BVerfGE 22, 349, 361), erscheint es nach Auffassung des Senats ausgeschlossen, dass er im Falle der Unvereinbarkeitserklärung für das Streitjahr 2003 eine Regelung treffen würde, die allen Eltern --zusätzlich zu den bereits durch § 32 Abs. 6 EStG gewährten Freibeträgen-- einen Haushaltsfreibetrag einräumen würde (vgl. zur Prognose der gesetzgeberischen Entscheidung im Falle einer Unvereinbarkeitserklärung und zur offensichtlichen Unhaltbarkeit einer gegenteiligen Rechtsansicht des Vorlagegerichts, BVerfG-Beschluss 2. Senat, 4. Kammer, vom 27. Februar 2000 2 BvL 8/95, juris).

c) Eine Vorlage an das BVerfG kommt entgegen der Auffassung des Klägers auch nicht unter dem Gesichtspunkt in Betracht, dass das BVerfG den BFH in einem solchen Verfahren dazu verpflichten könnte, unter Billigkeitsgesichtspunkten allein dem Kläger den Haushaltsfreibetrag zu gewähren. Soweit das BVerfG in seinem Beschluss vom 10. November 1998 2 BvL 42/93 (BVerfGE 99, 246, BStBl II 1999, 174, unter C.III. der Gründe) einen Steuererlass durch den BFH entsprechend dem Grundgedanken der §§ 163, 227 der Abgabenordnung (AO 1977) für möglich gehalten hat, war der von ihm zu beurteilende Sachverhalt mit demjenigen des Streitfalls nicht vergleichbar. Denn anders als dort ist bei der hier zu beurteilenden Einkommensteuerveranlagung des Klägers und seiner Ehefrau das von Verfassungs wegen zu berücksichtigende Kinderexistenzminimum gewährt worden. Der Kläger wird lediglich gleichheitswidrig von einer solchen steuerlichen Begünstigung ausgeschlossen, die von Verfassungs wegen nicht geboten ist. Für einen derartigen Sachverhalt hat auch das BVerfG bisher nicht die Prüfung eines Steuererlasses für die Beteiligten anhängiger Verfahren angeregt. Vielmehr hat es --wie oben dargelegt-- ausdrücklich anerkannt, dass der Gesetzgeber einen gleichheitswidrigen Begünstigungsausschluss durch Streichung der beanstandeten Norm heilen kann; dagegen war der Gesetzgeber nach dem Beschluss in BVerfGE 99, 246, BStBl II 1999, 174 (unter C.III. der Gründe) zu einer Gesetzesänderung verpflichtet, falls es in den noch anhängigen Verfahren zu keiner Billigkeitsregelung kommen sollte.

d) Entgegen dem Begehren des Klägers hält der Senat es auch nicht für gerechtfertigt, das Verfahren gemäß § 74 FGO auszusetzen, um dem FA Gelegenheit zu einer abweichenden Steuerfestsetzung im Billigkeitsweg gemäß § 163 AO 1977 zu geben. Voraussetzung für einen Billigkeitserlass durch die Behörde wäre, dass nach dem erklärten oder mutmaßlichen Willen des Gesetzgebers angenommen werden kann, dass die Besteuerung nach dem Gesetz zu einem vom Gesetzgeber offensichtlich nicht gewollten Ergebnis führt (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. BFH-Beschluss vom 17. Dezember 2003 XI R 63/00, BFH/NV 2004, 940). Diese Voraussetzung ist im Streitfall nicht erfüllt. Denn der Gesetzgeber wollte solchen Eltern, die verheiratet sind und zusammenleben, den Haushaltsfreibetrag nicht gewähren. Tatsächliche Besonderheiten, die im Streitfall ausnahmsweise eine andere Würdigung als möglich erscheinen lassen könnten, wie z.B. eine dauerhafte Erkrankung oder Pflegebedürftigkeit eines Elternteils, hat das FG nicht festgestellt und der Kläger auch nicht geltend gemacht.



Ende der Entscheidung

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