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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesfinanzhof
Urteil verkündet am 16.03.2004
Aktenzeichen: VIII R 48/98 (2)
Rechtsgebiete: EStG


Vorschriften:

EStG § 4 Abs. 1 Satz 2
EStG § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 1
Der VIII. Senat hat mit Beschluss vom 14. Oktober 2003 VIII R 48/98 (BFH/NV 2004, 331) seinen Vorlagebeschluss vom 23. Januar 2001 VIII R 48/98 (BFHE 194, 383, BStBl II 2001, 395) aufgehoben. Er sieht davon ab, die Frage nach der Bewertung der Nutzungsentnahme im Fall der privat veranlassten Beschädigung eines Wirtschaftsguts des Betriebsvermögens (hier: Verkehrsunfall auf einer Privatfahrt) dem Großen Senat des BFH erneut vorzulegen.
Gründe:

I.

Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin), eine GbR, unterhält einen Gewerbebetrieb (...). Zu ihrem Anlagevermögen gehörte ein PKW (Mercedes 230 E), der im Streitjahr 1990 auf einer Privatfahrt eines Angehörigen der Gesellschafter ohne Fremdeinwirkung eines Dritten zerstört und anschließend veräußert wurde.

Der Restbuchwert des Fahrzeugs zum Unfallzeitpunkt betrug 6 067 DM, der Veräußerungserlös belief sich auf 2 631 DM. Aus der Vollkaskoversicherung erhielt die Klägerin eine Ersatzleistung in Höhe von 16 717 DM (= 17 367 DM - 650 DM [Selbstbeteiligung]).

Im Anschluss an eine Betriebsprüfung setzte der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) den Gewerbesteuermessbetrag 1990 mit Bescheid vom 6. August 1992 auf 4 120 DM fest, den es mit der Einspruchsentscheidung vom 14. Oktober 1993 auf 4 085 DM herabsetzte. Mit Bescheid vom 14. Oktober 1993 stellte es den Gewinn des Jahres 1990 auf 116 988 DM fest. Der hiergegen gerichtete Einspruch blieb ohne Erfolg.

Beiden Bescheiden liegt die Auffassung zugrunde, dass sowohl der Veräußerungserlös (2 631 DM) als auch --nach Abzug des Restbuchwerts (6 067 DM) --die Versicherungsleistung (16 717 DM) als Betriebseinnahme zu erfassen sei (Gewinnhinzurechnung insgesamt: 13 281 DM = 2 631 DM + 16 717 DM - 6 067 DM).

Die Klage, mit der die Klägerin begehrte, den Gewinn 1990 auf 103 707 DM (= 116 988 DM (Gewinn lauf Feststellungsbescheid( - 13 281 DM) festzustellen und demgemäß den Gewerbesteuermessbetrag 1990 auf 3 420 DM festzusetzen, hatte in vollem Umfang Erfolg, da --so das Finanzgericht (FG)-- einerseits die Leistung aus der Kaskoversicherung (16 717 DM) privat veranlasst und deshalb nicht als Betriebseinnahme zu erfassen sei. Andererseits müsse der Buchwertverlust (3 436 DM = 6 067 DM (Restbuchwert vor Unfall( - 2 631 DM (Restbuchwert nach Unfall = Schrotterlös() durch den Ansatz einer Nutzungsentnahme neutralisiert werden (vgl. Entscheidungen der Finanzgerichte --EFG-- 1998, 1384).

Mit der vom FG zugelassenen Revision hält das FA an seiner Rechtsauffassung fest und beantragt sinngemäß, das finanzgerichtliche Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Der erkennende Senat hat mit Beschluss vom 23. Januar 2001 VIII R 48/98 (BFHE 194, 383, BStBl II 2001, 395) die im anhängigen Verfahren zu entscheidende Frage danach, ob dann, wenn der zum Betriebsvermögen gehörende PKW während einer privat veranlassten Fahrt durch Unfall zerstört oder erheblich beschädigt wird, auch die im Buchwertansatz des PKW ruhenden stillen Reserven in die Bewertung der Nutzungsentnahme einzubeziehen sind, dem Großen Senat vorgelegt. Mit Beschluss vom 14. Oktober 2003 VIII R 48/98 (BFH/NV 2004, 331) hat er den Vorlagebeschluss aus verfahrensrechtlichen Gründen aufgehoben.

II.

Die Revision ist begründet. Das Urteil der Vorinstanz ist aufzuheben und die Klage abzuweisen (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).

Der Ansicht des FG, nach der sowohl der PKW-Unfall als auch der Erhalt der Versicherungsleistung den Gewinn der Klägerin nicht beeinflussen, kann nicht beigepflichtet werden.

a) Ausgehend von der Auffassung des I. Senat des BFH (Urteil vom 24. Mai 1989 I R 213/85, BFHE 157, 521, BStBl II 1990, 8), auf die sich auch die angefochtenen Bescheide stützen (vgl. auch R 18 Abs. 1 Sätze 3 bis 5 der Einkommensteuer-Richtlinien --EStR-- 2002), ist einerseits die Nutzungsentnahme lediglich mit dem Buchwertverlust aufgrund der privat veranlassten Beschädigung des Fahrzeugs (hier: 3 436 DM = 6 067 DM (Buchwert vor Unfall( - 2 631 DM (Buchwert nach Unfall() zu bewerten; andererseits sind jedoch sowohl der Erlös aus der Veräußerung des beschädigten PKW (2 631 DM) als auch die Versicherungsleistung (16 717 DM) --soweit sie die Teilwertabschreibung (3 436 DM) überschreitet-- als Betriebseinnahme zu erfassen (vgl. hierzu auch BFH-Urteil vom 20. November 2003 IV R 31/02, BFH/NV 2004, 567). Im Saldo ergibt sich hieraus --vor Berücksichtigung der Gewerbesteuerrückstellungen-- ein Gewinn in Höhe von 13 281 DM (= 2 631 DM + 16 717 DM - 6 067 DM).

b) Der erkennende Senat hat zwar in seinem Vorlagebeschluss in BFHE 194, 383, BStBl II 2001, 395 ausführlich dargelegt, dass er sich der rechtlichen Begründung des I. Senats nicht anschließen könne und nach seiner Auffassung die Nutzungsentnahme aufgrund des PKW-Unfalls mit dem Teilwert (d.h. der Differenz zwischen den tatsächlichen Werten des Fahrzeugs vor und nach dem Unfall) anzusetzen sowie im Einklang mit dem Veranlassungsprinzip die Versicherungsleistung als private Vermögensmehrung zu qualifizieren sei. Auch nach erneuter Überprüfung ist der Senat der Ansicht, dass --jedenfalls im Grundsatz-- sowohl in rechtssystematischer Sicht als auch in der ökonomischen Gesamtschau, d.h. insbesondere mit Blick auf die Anerkennung etwaiger Reparaturaufwendungen als Betriebsausgaben, die bisherige Rechtsprechung im Sinne des Vorlagebeschlusses korrigiert werde sollte. Er kann diese Frage im anhängigen Verfahren jedoch offen lassen. Denn auch auf der Grundlage der im Vorlagebeschluss vertretenen Beurteilung könnte die Klage keinen Erfolg haben, da sich hiernach --wiederum vor Änderung der Gewerbesteuerrückstellungen-- eine Gewinnerhöhung um 13 931 DM ergäbe (= 17 367 DM (Wert des PKW vor Unfall( - 3 436 DM (Teilwert-AfA aufgrund Unfall() und es dem Senat verwehrt wäre, in Höhe des Unterschiedsbetrags (13 931 DM - 13 281 DM = 650 DM), der der Selbstbeteiligung der Klägerin entspricht, die angefochtenen Bescheide zu Lasten der Klägerin zu ändern (Verbot der reformatio in peius; vgl. Gräber/von Groll, Finanzgerichtsordnung, 5. Aufl., § 96 Rz. 5).

c) Der Senat sieht deshalb davon ab, die Frage nach der Bewertung von Nutzungsentnahmen sowie nach der steuerrechtlichen Qualifikation von Ersatzleistungen erneut dem Großen Senat vorzulegen. Er hat hierbei auch erwogen, den Ansatz der Nutzungsentnahme --in systematischer Abgrenzung zur Sachentnahme-- auf die Höhe der ursprünglichen Anschaffungs- oder Herstellungskosten des beschädigten Wirtschaftsguts zu beschränken. Auch diese Fortentwicklung der im Vorlagebeschluss dargelegten Rechtsgrundsätze könnte der Klage indes nicht zum Erfolg verhelfen, da die Klägerin das betroffene Fahrzeug zu einem Preis von mehr als 40 000 DM erworben hat.

Ende der Entscheidung

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