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Gericht: Bundesfinanzhof
Urteil verkündet am 11.11.1997
Aktenzeichen: VIII R 49/95
Rechtsgebiete: GewStG


Vorschriften:

GewStG § 8 Nr. 1
GewStG § 12 Abs. 2 Nr. 1
BUNDESFINANZHOF

1. Es reicht für die Zuordnung eines Wechselkredits zur Finanzierung von Warengeschäften zu den Verbindlichkeiten des laufenden Geschäftsverkehrs nicht aus, daß nur gedanklich oder aufgrund der Tilgungsreihenfolge des § 366 Abs. 2 BGB festgestellt werden kann, inwieweit ein zur Finanzierung mehrerer Geschäftsvorfälle dienender Kreditbetrag nach Anlaß und Abwicklung wirtschaftlich mit einem dieser Geschäftsvorfälle zusammenhängt.

2. Es liegt eine Dauerschuld vor, wenn ein Wechselkontingent mit einer Laufzeit von mehr als einem Jahr in Wechsel mit der Laufzeit von nur drei Monaten aufgeteilt wird und der Zeitpunkt des Eingangs der Warenerlöse für die Wechselfälligkeit keine Bedeutung hat.

GewStG § 8 Nr. 1, § 12 Abs. 2 Nr. 1

Urteil vom 11. November 1997 - VIII R 49/95

Vorinstanz: FG Köln


Gründe

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) --eine KG-- ist zusammen mit ca. 50 anderen Baustoffhändlern als Kommanditistin an der M-KG beteiligt. Der Zusammenschluß dient der Kooperation der Unternehmen zum Zweck eines gemeinsamen Wareneinkaufs und Marktaufbaus.

Die Gesellschafter der Baustoffhändler sind auch Gesellschafter der A-AG mit Sitz in der Schweiz. Diese Beteiligung ermöglicht es ihnen, Wechselkredite für den Bezug ihrer Waren bis zum Zehnfachen des gezeichneten Aktienkapitals in Anspruch zu nehmen. Das Kreditlimit der Klägerin belief sich auf 3,24 Mio sfr.

Der Warenverkehr wurde in folgender Weise abgewickelt: Die Klägerin bestellte die Waren bei der M-KG. Diese gab die Bestellungen im eigenen Namen an die jeweiligen Warenhersteller weiter. Die Hersteller lieferten die Waren unmittelbar an die Klägerin. Die Rechnungen richteten sie an die M-KG; sie waren innerhalb von vier Wochen zu begleichen. Die M-KG gab sodann die Rechnungen im Rahmen des Wechselkreditlimits mit einem sog. Handling-Zuschlag in Form von Sammelrechnungen an die A-AG weiter. In den Sammelrechnungen waren die Rechnungen der Warenhersteller einzeln aufgelistet. Die M-KG und A-AG bezahlten die Rechnungen unter Inanspruchnahme von Boni und Skonti sofort.

Der Umsatz der Klägerin belief sich in den Streitjahren auf durchschnittlich 32 Mio DM pro Jahr. Der fast ausschließlich über die M-KG bzw. die A-AG abgewickelte Wareneinsatz lag bei durchschnittlich 26,5 Mio DM pro Jahr.

Der Kreditierung der Warenschulden lag folgendes Finanzierungssystem zugrunde: Die bei der A-AG eingehenden Warenrechnungen wurden von dieser in Höhe von 50 v.H. des Kreditlimits über einen Drei-Monats-Wechsel in Höhe von 1,62 Mio sfr finanziert, der von der Klägerin akzeptiert und von der A-AG bei einer Luxemburger Bank zur eigenen Refinanzierung hinterlegt worden war. Der Wechsel (sfr-Wechsel) wurde ständig prolongiert bzw. bei Fälligkeit gegen einen neuen Wechsel über denselben Betrag eingetauscht. Der Klägerin stand damit in allen Jahren ein Wechselkreditvolumen von 1,62 Mio sfr zur Verfügung.

Warenrechnungen, die über 50 v.H. des Wechselkreditlimits hinausgingen, wurden von der A-AG bis zur Grenze des Wechselkreditlimits von 3,24 Mio sfr über zusätzliche Drei-Monats-Wechsel (DM-Wechsel) finanziert, die nach ihren Angaben jeweils bei Fälligkeit eingelöst wurden. Die andere Hälfte der Warenrechnungen wurde in bar, per Scheck oder Überweisung bezahlt. Bei diesen Wechseln ergab sich in allen Jahren ein dauerhafter DM-Wechselbestand. Der "niedrigste Bestand über 8 Tage" betrug 1 200 000 DM (1980), 873 000 DM (1981), 996 000 DM (1982), 1 576 000 DM (1983), 1 317 000 DM (1984), 698 000 DM (1985).

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) vertrat die Ansicht, daß die Wechselverbindlichkeiten der Klägerin Dauerschulden und die Wechseldiskonte Dauerschuldzinsen seien, rechnete diese dem Gewerbekapital bzw. dem Gewerbeertrag der Klägerin für die Streitjahre hinzu und setzte die einheitlichen Gewerbesteuermeßbeträge 1979 bis 1985, 1987 und 1988 entsprechend fest. Die Einsprüche und die Klage blieben erfolglos.

Mit der --vom Finanzgericht (FG) zugelassenen-- Revision rügt die Klägerin Verletzung materiellen und formellen Rechts (§§ 8 Nr. 1, 12 Abs. 2 Nr. 1 des Gewerbesteuergesetzes --GewStG--, § 76 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).

Die Klägerin beantragt,

1. die Vorentscheidung aufzuheben und die Steuermeßbeträge unter Änderung der angefochtenen Gewerbesteuermeßbescheide in Gestalt der Einspruchsentscheidungen vom 2. August 1994 um folgende Beträge herabzusetzen: 1 875 DM (1979), 18 801 DM (1980), 18 551 DM (1981), 16 771 DM (1982), 7 969 DM (1983), 6 107 DM (1984), 1 804 DM (1985), 1 225 DM (1987) und 1 975 DM (1988),

2. hilfsweise, das Verfahren im Hinblick auf das beim Bundesverfassungsgericht (BVerfG) anhängige Normenkontrollverfahren zur Verfassungsmäßigkeit der Gewerbeertragsteuer (Vorlagebeschluß des Niedersächsischen FG vom 23. Juli 1997 IV 317/91) auszusetzen.

Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Die Revision ist nicht begründet. Sie war deshalb zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 FGO).

I.

Die von der Klägerin erhobenen Verfahrensrügen sind unbegründet. Der Senat sieht insoweit von einer Begründung ab (Art. 1 Nr. 8 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs --BFHEntlG--).

II.

1. Das Verfahren war nicht nach § 74 FGO auszusetzen.

Der III. Senat des Bundesfinanzhofs (BFH) hat in seinem Beschluß vom 7. Februar 1992 III B 24, 25/91 (BFHE 166, 418, BStBl II 1992, 408); vgl. auch Urteil vom 7. Februar 1992 III R 61/91 (BFHE 167, 279, BStBl II 1992, 592) entschieden, daß die Finanzgerichte bei bereits anhängigen Musterverfahren unter bestimmten Voraussetzungen das bei ihnen anhängige Verfahren gemäß § 74 FGO auszusetzen haben. Der Senat läßt offen, ob diese Voraussetzungen im Streitfall gegeben sind. Eine Aussetzung des Verfahrens kommt schon deshalb nicht in Betracht, weil nicht zu erwarten ist, daß sich eine die Verfassungswidrigkeit des GewStG bestätigende Entscheidung des BVerfG auf das anhängige Besteuerungsverfahren auswirken wird.

Der II. Senat des BFH hat in seinem Beschluß vom 5. August 1992 II B 75/92 (BFHE 168, 402, BStBl II 1992, 967); vgl. auch Beschlüsse vom 11. Juni 1986 II B 49/83 (BFHE 146, 474, BStBl II 1986, 782, unter 3. der Gründe) und vom 18. Juni 1997 II B 33/97 (BFHE 182, 379, BStBl II 1997, 515) sowie Urteil vom 30. Juli 1997 II R 9/95 (BFHE 183, 235, BStBl II 1997, 635) ausgeführt, daß die Entscheidung über die Aussetzung des Verfahrens nach § 74 FGO auch davon abhängt, ob mit einer Aufhebung des verfassungswidrigen Gesetzes für die Vergangenheit zu rechnen oder nur zu erwarten ist, daß das BVerfG dem Gesetzgeber eine angemessene Frist zur Herbeiführung eines verfassungsgemäßen Zustandes setzen wird. Letzteres ist hier anzunehmen. Das GewStG gilt seit 1. Dezember 1986, die Gewerbesteuer ist in Art. 106 Abs. 6 des Grundgesetzes (GG) als Realsteuer ausdrücklich erwähnt und vom BVerfG mehrfach als verfassungsgemäß bestätigt worden (vgl. z.B. Beschlüsse des Ersten Senats vom 13. Mai 1969 1 BvR 25/65, BVerfGE 26, 1, und vom 25. Oktober 1977 1 BvR 15/75, BVerfGE 46, 224). Es war in den Streitjahren, für die die Veranlagungen im wesentlichen abgeschlossen sind, Grundlage der Finanz- und Haushaltsplanung der Gemeinden, Länder und des Bundes. Eine rückwirkende Nichtigkeitserklärung des GewStG würde deshalb zu einem derart schwerwiegenden Eingriff in das Wirtschaftsgefüge führen, daß sich der danach ergebende Zustand der verfassungsmäßigen Ordnung ferner stünde als der bestehende. Es wäre deshalb selbst für den Fall, daß das GewStG gegen den Gleichheitssatz verstoßen sollte, nicht mit einer Nichtigkeits-, sondern lediglich mit einer Unvereinbarkeitserklärung und einer Änderungsverpflichtung des Gesetzgebers für die Zukunft zu rechnen (vgl. dazu BVerfG, Beschlüsse des Zweiten Senats vom 22. Juni 1995 2 BvL 37/91, BVerfGE 93, 121, 148, und vom 22. Juni 1995 2 BvR 552/91, BVerfGE 93, 165, 178 f. sowie Beschluß des Ersten Senats vom 12. März 1996 1 BvR 609, 692/90, BVerfGE 94, 241, 265).

2. Aus demselben Grund war die Rechtssache dem BVerfG auch nicht nach Art. 100 Abs. 1 Satz 1 GG vorzulegen. Das GewStG wäre in den Streitjahren auch dann wie bisher anzuwenden, wenn es mit Art. 3 Abs. 1 GG nicht in Einklang stünde.

III.

Die Wechselverbindlichkeiten waren als Dauerschulden i.S. von § 12 Abs. 2 Nr. 1 GewStG dem Gewerbekapital, die Wechseldiskontbeträge als Dauerschuldzinsen i.S. von § 8 Nr. 1 GewStG dem Gewerbeertrag hinzuzurechnen (zum Zinscharakter der Diskontbeträge vgl. u.a. BFH-Urteil vom 15 November 1983 VIII R 179/83, BFHE 140, 96, BStBl II 1984, 213, unter 1. der Gründe).

1. Nach § 8 Nr. 1 GewStG i.d.F. der Streitjahre werden zur Berechnung des Gewerbeertrags dem Gewinn aus Gewerbebetrieb die bei seiner Ermittlung abgezogenen Zinsen für Schulden wieder hinzugerechnet, die der nicht nur vorübergehenden Verstärkung des Betriebskapitals dienen. Dementsprechend sind nach § 12 Abs. 2 Nr. 1 GewStG zur Berechnung des Gewerbekapitals dem Einheitswert des gewerblichen Betriebs die bei seiner Ermittlung abgezogenen Verbindlichkeiten wieder hinzuzurechnen, die den Schuldzinsen i.S. des § 8 Nr. 1 GewStG entsprechen.

Schulden dienen der nicht nur vorübergehenden Verstärkung des Betriebskapitals, wenn der Gegenwert der Schulden aufgrund ihrer tatsächlichen Laufzeit das Betriebskapital für längere Zeit, d.h. im allgemeinen länger als ein Jahr, verstärkt. Sie sind Dauerschulden aufgrund ihrer Laufzeit. Den Gegensatz dazu bilden die laufenden Verbindlichkeiten, die im gewöhnlichen Geschäftsverkehr eines Unternehmens entstehen, soweit sie in der nach Art des Geschäftsvorfalls üblichen Frist getilgt werden (BFH-Urteile vom 7. August 1990 VIII R 40/87, BFHE 162, 122, BStBl II 1990, 1077; vom 7. August 1990 VIII R 6/90, BFHE 162, 350, BStBl II 1991, 246; vom 12. September 1990 I R 107/87, BFHE 162, 441, BStBl II 1991, 251; vom 3. August 1993 VIII R 40/92, BFHE 174, 174, BStBl II 1994, 664, jeweils m.w.N.; vom 24. Januar 1996 I R 160/94, BFHE 180, 160, BStBl II I996, 328, unter II. 5. a der Gründe).

2. Die von der Klägerin in Anspruch genommenen Wechselkredite sind keine Verbindlichkeiten des laufenden Geschäftsverkehrs. Das gilt sowohl für die sfr-Wechsel als auch für die DM-Wechsel.

a) Zum laufenden Geschäftsverkehr in diesem Sinne gehören insbesondere Geschäfte, die mit dem Erwerb und der Veräußerung von Umlaufvermögen in wirtschaftlichem Zusammenhang stehen (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. BFH-Urteile vom 7. August 1990 VIII R 30/89, BFHE 162, 129, BStBl II 1990, 1081; vom 7. August 1990 VIII R 423/83, BFHE 162, 117, BStBl II 1991, 23; in BFHE 174, 174, BStBl II 1994, 664). Demgemäß sind auch die Warenschulden grundsätzlich den Verbindlichkeiten des laufenden Geschäftsverkehrs zuzurechnen. Dasselbe gilt für (Wechsel-)Kredite zur Finanzierung von Warenschulden, wenn und soweit sie den einzelnen Warengeschäften eindeutig zugeordnet werden können (ebenfalls ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. BFH in BFHE 162, 122, BStBl II 1990, 1077; in BFHE 162, 350, BStBl II 1991, 246; in BFHE 162, 441, BStBl II 1991, 251, jeweils m.w.N.).

b) Die Auflösung eines einheitlich gewährten Kredits in einzelne, steuerlich für sich zu beurteilende Kreditgeschäfte ist nur zulässig, wenn ein enger wirtschaftlicher Zusammenhang zwischen den Kreditgewährungen, den einzelnen Warengeschäften und deren Abwicklung festgestellt werden kann (ebenfalls ständige Rechtsprechung, vgl. BFH in BFHE 162, 350, BStBl II 1991, 246, unter 2. der Gründe, und in BFHE 174, 174, BStBl II 1994, 664, unter 4. der Gründe). Der Zusammenhang muß von den Beteiligten vertraglich begründet und bei der Abwicklung des Geschäfts auch tatsächlich gewahrt werden. Das war im Streitfall nur bei Aufnahme des Kredits hinreichend gewährleistet; danach war der erforderliche Zusammenhang nicht mehr gegeben.

aa) Ein hinreichender Zusammenhang der Warenbezüge mit den Krediten liegt vor, wenn die Zahlungsfristen und die Tilgung der Warenschulden mit den Zahlungsfristen und der Tilgung der Kredite übereinstimmen (BFH in BFHE 162, 441, BStBl II 1991, 251, unter 3. b der Gründe; in BFHE 162, 122, BStBl II 1990, 1077, unter 2. b der Gründe). An die Stelle zeitlich bestimmter bzw. üblicher Zahlungsfristen kann aber auch die Vereinbarung treten, daß die Ware erst bezahlt werden muß, wenn der Erwerber sie wieder verkauft hat. Dementsprechend gehört zu den Verbindlichkeiten des laufenden Geschäftsverkehrs auch ein Warenkredit, der aus dem Erlös der Waren zu tilgen ist (objektgebundener Kredit, vgl. BFH-Urteile vom 18. April 1991 IV R 6/90, BFHE 164, 381, BStBl II 1991, 584; in BFHE 162, 117, BStBl II 1991, 23; in BFHE 174, 174, BStBl II 1994, 664, unter 3. a der Gründe, m.w.N.).

bb) Im Streitfall liegt weder eine hinreichende zeitlich befristete Bindung noch eine Objektbindung zwischen Warengeschäft und Kredit vor.

aaa) Die Laufzeit der Wechsel betrug drei Monate. Sie war von der vier Wochen betragenden Zahlungsfrist und der Zahlung der Warenschuld unabhängig. Die zeitliche Differenz zwischen der Erfüllung der Warenschuld und der Tilgung des Wechselkredits war vielmehr einer der Gründe für die Einschaltung der A-AG in das Warengeschäft; denn die Wechselfinanzierung sollte der Klägerin den Skontovorteil erhalten, den diese durch die Bezahlung der Ware in der für die Skontogewährung üblichen Frist in Anspruch nehmen konnte und der nach den eigenen Ausführungen der Klägerin ein Mehrfaches der Diskontspesen für die Wechsel betrug.

bbb) Die von den Kreditparteien im Streitfall gewählte Gestaltung ist weder mit dem sog. Wechsel-Scheckverfahren (BFH-Urteil vom 22. Juni 1965 I 202/64 U, BFHE 82, 657 BStBl III 1965, 484) noch mit der diesem Verfahren ähnlichen Fallvariante vergleichbar, bei der der Wechselkreditgeber --wie im Streitfall auch die A-AG-- selbst die Zahlung mit Erfüllungswirkung für den Gewerbetreibenden leistet (modifiziertes Wechsel-Scheckverfahren, vgl. BFH-Urteil vom 2. März 1966 I 33/65, BFHE 85, 192, BStBl III 1966, 280). Der BFH hat mit dem Wechsel-Scheckverfahren das Erfordernis der zeitlichen Übereinstimmung von Laufzeit der Warenschuld und Laufzeit des Wechsels zwar gelockert und bei einer Zahlung des Rechnungsbetrags abzüglich Skonto durch den Erwerber oder für den Erwerber der Waren bei gleichzeitiger Aufnahme eines auf denselben Betrag lautenden Wechselkredits keine Dauerschuld angenommen, wenn der Wechsel bei Fälligkeit eingelöst wird. So lag der Fall hier aber nicht. Der BFH hat bereits in seinem Urteil vom 23. Februar 1967 IV 344/65 (BFHE 88, 134, BStBl III 1967, 322) darauf hingewiesen, daß die Verminderung der Anforderungen an die zeitliche Bindung von Kredit und Abwicklung des Warengeschäfts nur dann hingenommen werden könne, wenn ein zur Warenfinanzierung gewährter laufender Wechselkredit mit der Auflage verbunden wird, diesen mit dem Erlös aus dem Warenverkauf abzudecken; andernfalls wäre es dem Kreditnehmer möglich, nach Eingang des Erlöses aus dem Weiterverkauf der Ware mit der Wechselsumme vor Fälligkeit des Wechsels andere Vorhaben als das Warengeschäft zu finanzieren. Daran hielt die Rechtsprechung in der Folgezeit fest. Sie hat eine hinreichend enge wirtschaftliche Verknüpfung zwischen (Wechsel-)Kredit und finanziertem Geschäft --auch für Kontokorrentverhältnisse und kontokorrentähnliche Verhältnisse-- nur dann angenommen, wenn vereinbart und nachprüfbar sichergestellt ist, daß der sich aus der Abwicklung des einzelnen Geschäfts ergebende Erlös dem kreditgebenden Gläubiger zusteht, zur Abwicklung des einzelnen Kreditgeschäfts verwendet wird und damit der freien Verfügung des Schuldners entzogen ist (BFH-Urteile vom 11. Dezember 1986 IV R 185/83, BFHE 149, 248, BStBl II 1987, 443; in BFHE 162, 129, BStBl II 1990, 1081, unter 3. b der Gründe; in BFHE 164, 381, BStBl II 1991, 584; vom 17. Juni 1993 IV R 10/92, BFHE 172, 106, BStBl II 1993, 843; in BFHE 174, 174, BStBl II 1994, 664, am Ende). Es besteht, wie der erkennende Senat bereits in seinem Urteil in BFHE 162, 129, BStBl II 1990, 1081 (dort unter 4. der Gründe) ausgeführt hat, kein Anlaß zu einer weiteren Lockerung dieser Anforderungen. Der Senat hat dort auch darauf hingewiesen, daß diese Grundsätze auch dann anzuwenden sind, wenn der Kreditnehmer seine Forderungen aus der Veräußerung der Waren an den Kreditgeber abgetreten hat, die Erlöse aber weiterhin dem Kreditnehmer zufließen.

ccc) Diese Grundsätze könnten der Entscheidung im Streitfall allerdings dann nicht zugrunde gelegt werden, wenn die A-AG selbst Lieferantin der Ware --im Reihengeschäft-- gewesen wäre, wie die Klägerin vorträgt. Für Lieferantenkredite und Wechselkredite, bei denen der Lieferant als Aussteller und Indossatar in die Abwicklung des Warenkreditverhältnisses einbezogen ist, hat die Rechtsprechung auch dann noch Verbindlichkeiten des laufenden Geschäftsverkehrs angenommen, wenn die bei Warenschulden üblichen Zahlungsfristen und die Laufzeiten der Kredite auseinanderfallen. Denn es kann unterstellt werden, daß ein Warenlieferant zwar im Interesse des Absatzes seiner Waren Sonderkredite einräumt; es ist aber unwahrscheinlich, daß ein Lieferant über die reine Warenfinanzierung hinaus für seine Abnehmer eine wechselmäßige Haftung für einen allgemeinen Geschäftskredit übernimmt (BFH-Urteile in BFHE 88, 134, BStBl III 1967, 322; in BFHE 162, 122, BStBl II 1990, 1077, unter 2. b der Gründe).

Dieser Ausnahmefall liegt hier jedoch nicht vor. Das FG hat mit zutreffenden Erwägungen ausgeschlossen, daß die A-AG Lieferantin der Waren war. Der erkennende Senat weist lediglich ergänzend noch darauf hin, daß die Feststellung des FG, die A-AG sei nicht Händlerin, sondern nur Vermittlerin günstiger Finanzierungsbedingungen gewesen, dadurch bestätigt wird, daß die A-AG zwar das Kredit-, Inkasso- und Wechselrisiko trug, nicht aber das für einen Händler typische Verkaufsrisiko einschließlich der Mängelhaftung.

ddd) War die A-AG nicht Händlerin, hängt die Entscheidung, ob die Wechselkredite zu den Verbindlichkeiten des laufenden Geschäftsverkehrs gehören, ausschließlich davon ab, ob und inwieweit die Klägerin den Erlös aus dem Verkauf der Waren zur Abdeckung des Wechselkredits bei der A-AG verwenden mußte.

Eine solche Verpflichtung bestand hier nicht. Die Laufzeit des Kredits wurde durch den Eingang der Erlöse aus dem Warenverkauf nicht beeinflußt. Daran ändert sich auch nichts, wenn man unterstellt, daß bei der Vielzahl der kreditierten Einzelgeschäfte die Finanzierungsspielräume, die durch die Erfüllung von Warenschulden vor Ablauf der Laufzeit der Wechsel entstanden sind, durch neue Warengeschäfte wieder entfallen sind. Es reicht für die Zuordnung eines Kredits zu den Verbindlichkeiten des laufenden Geschäftsverkehrs nicht aus, daß nur gedanklich oder aufgrund der Tilgungsreihenfolge des § 366 Abs. 2 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) festgestellt werden kann, inwieweit ein zur Finanzierung mehrerer Geschäftsvorfälle dienender Kreditbetrag nach Anlaß und Abwicklung wirtschaftlich mit einem dieser Geschäftsvorfälle zusammenhängt (BFH-Beschluß vom 4. Dezember 1990 VIII R 81/89, BFH/NV 1991, 478). Die Objektbindung des Kredits ist in diesen Fällen nicht hinreichend nachprüfbar.

3. Dienten die Wechselkredite nicht dem laufenden Geschäftsverkehr, weil es an dem erforderlichen engen wirtschaftlichen Zusammenhang zwischen der Kreditgewährung und der Abwicklung der einzelnen Warengeschäfte fehlt, waren sie insoweit als Dauerschulden zu behandeln, als ihr Gegenwert aufgrund der tatsächlichen Laufzeit des Kredits das Betriebskapital der Klägerin länger als ein Jahr verstärkt hat (zur Bedeutung der Jahresfrist BFH-Urteil vom 27. Februar 1991 I R 29/89, BFHE 164, 89, BStBl II 1991, 529, m.w.N.; Blümich/Hofmeister, Gewerbesteuergesetz, 15. Aufl., § 8 Rdnrn. 44 ff.; Lenski/Steinberg, Kommentar zum Gewerbesteuergesetz, 9. Aufl., § 8 Nr. 1 Anm. 93 ff.). Diese Voraussetzung lag in allen Streitjahren sowohl für die sfr-Wechselkredite als auch für die DM-Wechselkredite vor.

a) Für die sfr-Wechselkredite ergibt sich diese Rechtsfolge bereits daraus, daß die Klägerin gegen die A-AG aufgrund der vorweg getroffenen Abrede über die Kreditlinie einen gesicherten Anspruch auf die Prolongation bzw. Erneuerung des Wechselkredits hatte und die Klägerin diese Kreditlinie in allen Jahren voll ausgeschöpft hat (zu den Voraussetzungen einer Dauerschuld bei Wechselprolongation vgl. z.B. BFH-Urteile in BFHE 140, 96, BStBl II 1984, 213; in BFHE 162, 441, BStBl II 1991, 251, unter 5. a der Gründe, und bei Wechselerneuerung BFH-Urteile vom 28. Juni 1978 I R 81/75, BFHE 125, 564, BStBl II 1978, 651; in BFHE 180, 160, BStBl II 1996, 328, unter II. 5. a der Gründe; allgemein zum sog. Revolving-Kredit BFH-Urteil vom 6. Februar 1991 I R 101/88, BFHE 164, 369, BStBl II 1991, 851). Ihr stand damit über den gesamten Zeitraum der Kreditgewährung ein ständiger Sockelbetrag von 1,62 Mio sfr zur Verfügung.

Diesem Ergebnis steht nicht entgegen, daß dieser Sockelbetrag auf einer Vielzahl von Warengeschäften mit branchenüblichem Zahlungsziel beruhte, die sich zeitlich überschnitten und deshalb ständig zu einem bestimmten Betrag an Fremdmitteln führten. Dieser Betrag wäre nur dann keine Dauerschuld gewesen, wenn er --gleichgültig ob es sich um einen der Höhe nach wechselnden oder um einen wegen einer Kreditlinie auf einen Höchstbetrag begrenzten und bei einer ständigen Überschreitung der Höhe nach gleichbleibenden Betrag handelte-- auf einer Bündelung von Einzelkrediten beruht hätte, die jeweils für sich betrachtet in einem engen wirtschaftlichen Zusammenhang mit den jeweiligen Warenschulden gestanden hätte (BFH-Urteile vom 4. Juli 1969 VI R 276/66, BFHE 96, 535, BStBl II 1969, 712; vom 12. Juni 1975 IV R 34/72, BFHE 116, 386, BStBl II 1975, 784; in BFHE 162, 122, BStBl II 1990, 1077, unter 2. a der Gründe; in BFHE 162, 129, BStBl II 1990, 1081, unter 3. der Gründe; in BFHE 162, 350, BStBl II 1991, 246, unter 2. der Gründe; in BFHE 174, 174, BStBl II 1994, 664). Das aber war, wie ausgeführt, hier nicht der Fall.

b) Auch die DM-Wechselkredite standen der Klägerin --in Höhe des vom FA festgestellten unstreitigen jährlichen Mindestbetrags-- länger als ein Jahr zur Verfügung.

Bei dieser Beurteilung geht der Senat zugunsten der Klägerin und entgegen den Feststellungen des FG davon aus, daß die Wechsel weder prolongiert noch erneuert wurden. Die Wechselverbindlichkeiten waren hier aus einem anderen Grund als Dauerschulden zu beurteilen. Die Einzelgeschäfte waren nach Art einer Kontokorrentabrede bis zu einem Kredithöchstbetrag von (zusätzlich) 1,62 Mio sfr zusammengefaßt. Es ist für die rechtliche Beurteilung dieses Wechselkontingents ohne Bedeutung, daß es seiner äußeren Form nach in Drei-Monats-Akzepte aufgegliedert war (vgl. z.B. BFH in BFHE 162, 441, BStBl II 1991, 251, unter 5. c der Gründe, m.w.N.). Das Gewerbesteuerrecht stellt bei der Beurteilung der Frage, ob eine Dauerschuld vorliegt, nicht auf die einzelnen zivilrechtlich selbständigen (Wechsel-)Schuldverhältnisse ab, sondern will die objektive Wirtschaftskraft des Gewerbebetriebs erfassen (BFH-Urteile vom 6. Juni 1973 I R 257/70, BFHE 109, 465, BStBl II 1973, 670; vom 5. November 1980 I R 132/77, BFHE 132, 87, BStBl II 1981, 219). Dieser Gesetzeszweck fordert eine einheitliche Beurteilung von Schuldverhältnissen, die wirtschaftlich eng zusammenhängen und durch Vereinbarungen zwischen den Kreditparteien derart miteinander verknüpft sind, daß gerade die Verknüpfung dem Kreditnehmer die längerfristige Nutzung der Kreditmittel sichert und diese dadurch zu einer "nicht nur vorübergehenden Verstärkung des Betriebskapitals" i.S. von § 8 Nr. 1 GewStG macht (BFH-Urteile in BFHE 164, 369, BStBl II 1991, 851, und in BFHE 180, 160, BStBl II 1996, 328, jeweils m.w.N.).

Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt. Die Klägerin konnte die Wechselkredite innerhalb der Kreditlinie ohne weiteres in Anspruch nehmen. Der Streitfall ist insoweit nicht anders zu beurteilen als die Sachverhalte, über die der Senat in den Urteilen in BFHE 162, 122, BStBl II 1990, 1077 und in BFHE 162, 129, BStBl II 1990, 1081 zu entscheiden hatte.

Ende der Entscheidung

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