Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesfinanzhof
Beschluss verkündet am 27.03.2001
Aktenzeichen: X B 142/00
Rechtsgebiete: EStG, FGO, GG


Vorschriften:

EStG § 10e
EStG § 10e Abs. 5a
EStG § 10e Abs. 1
EStG § 26b
EStG § 26 Abs. 1
EStG § 7g
EStG § 34f
FGO § 115 Abs. 2 Nr. 3
FGO § 115 Abs. 3 Satz 3
GG Art. 3 Abs. 1
GG Art. 12
GG Art. 14
GG Art. 12 Abs. 1
GG Art. 12 Abs. 1 Satz 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe

Die Beschwerde ist unbegründet.

1. Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit einer steuerrechtlichen Vorschrift können zwar grundsätzlich eine Zulassung der Revision rechtfertigen. Die vom Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) aufgeworfenen Rechtsfragen sind jedoch nicht von grundsätzlicher Bedeutung. Es verstößt weder gegen Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) noch gegen Art. 12 und 14 GG, dass die Grundförderung nach § 10e des Einkommensteuergesetzes (EStG) Alleinstehenden mit Einkünften aus selbständiger Arbeit nur bis zu einem Gesamtbetrag der Einkünfte im jeweiligen Veranlagungszeitraum in Höhe von 120 000 DM gewährt wird, obwohl diese in aller Regel Aufwendungen für die Altersabsicherung aufbringen.

a) Art. 14 GG ist nicht tangiert. Dem Kläger wurde keine Abgabe auferlegt. Vielmehr wurde ihm eine Steuervergünstigung nicht gewährt. Der Kläger hat weder dargetan noch ist ersichtlich, inwiefern die Nichtgewährung einer steuerlichen Subvention gegen den verfassungsrechtlichen Schutz des Eigentums verstoßen könnte.

b) Steuerrechtliche Vorschriften sind nur dann an Art. 12 Abs. 1 GG zu messen, wenn sie in engem Zusammenhang zur Ausübung eines Berufes stehen und objektiv eine berufsregelnde Tendenz erkennen lassen. Deshalb können sie Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG grundsätzlich auch dann berühren, wenn sie nicht unmittelbar auf die Berufsfreiheit abzielen, sondern nur in ihrer tatsächlichen Auswirkung geeignet sind, diese zu beeinträchtigen (vgl. Beschluss des Bundesverfassungsgerichts --BVerfG-- vom 29. November 1989 1 BvR 1402, 1528/87, BVerfGE 81, 108). Das ist hier jedoch nicht der Fall. Die ohne Übergangsregelung ausgestattete Freigrenze nach § 10e Abs. 5a EStG knüpft nicht an die Berufsausübung an. Sie trifft Steuerpflichtige mit Einkünften aus Erwerbstätigkeit ebenso wie Steuerpflichtige, die lediglich Vermögenserträge beziehen. Auch wenn der Kläger Rentabilitätsüberlegungen angestellt hat und gegebenenfalls in seinem Beruf weniger arbeitet, um in späteren Veranlagungszeiträumen den Abzugsbetrag gemäß § 10e Abs. 1 EStG zu erhalten, so ist er dennoch nicht in seinem Grundrecht der freien Berufsausübung tangiert.

c) Der Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG kann auch dann verletzt sein, wenn Normadressaten gleich behandelt werden, obwohl zwischen ihnen Unterschiede von solcher Art und von solchem Gewicht bestehen, dass eine unterschiedliche Behandlung geboten ist (vgl. Senats-Urteil vom 17. Mai 1995 X R 129/92, BFHE 177, 487, BStBl II 1996, 183, m.w.N. zur Rechtsprechung des BVerfG). Dabei ist es grundsätzlich Sache des Gesetzgebers zu entscheiden, welche Elemente der zu vergleichenden Lebensverhältnisse er als maßgeblich für eine Gleich- oder Ungleichbehandlung ansieht. Es ist nicht zu untersuchen, ob er die zweckmäßigste und gerechteste Lösung gefunden hat, sondern nur, ob er die verfassungsrechtlichen Grenzen seiner Gestaltungsfreiheit eingehalten hat, insbesondere ob er nicht willkürlich verfahren ist (Senats-Urteil in BFHE 177, 487, BStBl II 1996, 183). Bei der Schaffung von Steuervergünstigungen wie auch bei deren Abbau ist dem Gesetzgeber eine weitgehende Gestaltungsfreiheit eingeräumt.

Die Entscheidung des Gesetzgebers, die Grundförderung nach näherer Maßgabe des § 10e Abs. 5a EStG für bestimmte Objekte nur dann zu gewähren, wenn der Gesamtbetrag der Einkünfte 120 000 DM, bei nach § 26b EStG zusammenveranlagten Eheleuten 240 000 DM, nicht übersteigt, überschreitet die ihm gezogene Grenze nicht; sie ist nicht sachwidrig.

§ 10e EStG ist, wie das Finanzgericht (FG) zutreffend festgestellt hat, eine Subventionsvorschrift (Senats-Beschluss vom 16. Januar 1996 X B 138/95, BFH/NV 1996, 402). In ihrer ursprünglichen Fassung wurde die Grundförderung einkommensunabhängig gewährt. Durch das Gesetz zur Entlastung der Familien und Verbesserung der Rahmenbedingungen für Investitionen und Arbeitsplätze (Steueränderungsgesetz 1992 --StÄndG 1992--) wurde § 10e Abs. 5a EStG eingefügt. Nach der Gesetzesbegründung (BTDrucks 12/1108, S. 57; 12/1506, S. 171) sollten "als Beitrag zum Subventionsabbau" allein stehende Steuerpflichtige mit einem Gesamtbetrag der Einkünfte über 120 000 DM von der Förderung ausgeschlossen werden.

Zudem können die Betroffenen den Gesamtbetrag der Einkünfte durch ihr Verhalten beeinflussen. Dieser Umstand eröffnet dem Gesetzgeber zusätzlich einen weiten Gestaltungsspielraum (BVerfG-Beschluss vom 8. Juni 1993 1 BvL 20/85, BStBl II 1994, 59, unter B. I.). Gerade Ehegatten bietet sich durch die Wahl der Veranlagungsform die Möglichkeit, einen Verlust der steuerlichen Förderung zu vermeiden oder zu begrenzen. Bei tatsächlicher Zusammenveranlagung von Ehegatten nach § 26 Abs. 1 EStG verdoppelt sich die Obergrenze auf 240 000 DM. Hätten der Kläger und seine Frau --ebenso wie in den Vorjahren-- auch im Streitjahr die Zusammenveranlagung gewählt, wäre der Abzugsbetrag gemäß § 10e Abs. 1 EStG in voller Höhe gewährt worden. Auch lässt sich die Höhe des Gesamtbetrags der Einkünfte --wie gerade der Streitfall zeigt-- durch die Beteiligung an geschlossenen Immobilienfonds, durch die Anschaffung fremdfinanzierter Mietwohngrundstücke, die Gewährung von Berlindarlehen und Verlustzuweisung aus Beteiligungen entscheidend beeinflussen.

d) Der Einwand des Klägers, der seine positiven Einkünfte vornehmlich aus selbständiger Arbeit bezieht, die Anknüpfung des Abzugsbetrags gemäß § 10e Abs. 1 EStG an den Gesamtbetrag der Einkünfte benachteilige ihn willkürlich gegenüber nichtselbständig Tätigen, insbesondere Beamten, greift nicht durch.

Zwar mindern die notwendigen Aufwendungen eines Freiberuflers für die Absicherung bei Krankheit und im Alter das für die Schaffung selbstgenutzten Eigentums zur Verfügung stehende Einkommen, während bei Beamten mit Beihilfe- und Pensionsanspruch weniger Eigenvorsorge erforderlich ist. Indes hat das FG zutreffend darauf hingewiesen, dass das deutsche Einkommensteuerrecht durch den Dualismus der Einkünfteermittlung (Gewinneinkünfte gemäß § 2 Abs. 2 Nr. 1 EStG und Überschusseinkünfte gemäß § 2 Abs. 2 Nr. 2 EStG) gekennzeichnet ist. Nach der Rechtsprechung des BVerfG ist dieser Einkünftedualismus nicht gleichheitswidrig (z.B. Beschluss vom 11. Mai 1970 1 BvL 17/67, BVerfGE 28, 227). Obgleich in den vergangenen Jahren Unterschiede in der Besteuerung von Gewinn- und Überschusseinkünften beseitigt wurden, verblieben Gestaltungsunterschiede (Beschluss des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 19. Februar 1993 VI R 74/91, BFHE 170, 410, BStBl II 1993, 551). Steuerpflichtige mit Gewinneinkünften haben bei der Ermittlung ihres Gewinns in größerem Umfang legale Gestaltungsmöglichkeiten als Arbeitnehmer. Durch die Ausübung steuerlicher Bilanzierungswahlrechte wie beispielsweise der Bildung einer Ansparabschreibung nach § 7g EStG können sie die Höhe des Gewinns und somit auch die Höhe des Gesamtbetrags der Einkünfte beeinflussen, die wiederum darüber entscheidet, ob ihnen ein Abzugsbetrag nach § 10e Abs. 1 EStG zusteht. Angesichts dieser unterschiedlichen Regelungen bei Gewinn- und Überschusseinkünften kann nicht ein einzelner Bereich --hier: die unterschiedliche Belastung von Selbständigen und Arbeitnehmern (Beamten) durch Vorsorgeaufwendungen, die sich auf den Gesamtbetrag der Einkünfte nicht auswirkt-- herausgegriffen und an diesem eine willkürliche Ungleichbehandlung festgemacht werden.

e) Dass der Ausschluss der Förderung nach § 10e Abs. 5a EStG ohne gleitende Übergangsregelung ausgestaltet wurde, führt gleichfalls nicht zur Verfassungswidrigkeit der Norm.

Die Ausgestaltung der Regelung in § 10e Abs. 5a EStG hat zwar zur Folge, dass einzeln oder getrennt veranlagte Steuerpflichtige mit einem Gesamtbetrag der Einkünfte in Höhe von 120 000 DM die gesamte Grundförderung gemäß § 10e Abs. 1 EStG und gegebenenfalls auch das Baukindergeld gemäß § 34f EStG erhalten. Steuerpflichtige, bei denen der Gesamtbetrag der Einkünfte 120 001 DM beträgt, erhalten hingegen weder den Abzugsbetrag nach § 10e Abs. 1 EStG noch Baukindergeld gemäß § 34f EStG. Hierin ist jedoch kein gleichheitswidriger Progressionssprung zu sehen, der dem Prinzip des gleichmäßigen Belastungsanstiegs widerspricht (vgl. dazu Beschluss des BVerfG vom 25. September 1992 2 BvL 5, 8, 14/91, BVerfGE 87, 153, BStBl II 1993, 413).

§ 10e EStG ist eine Subventionsvorschrift (vgl. Senats-Beschluss in BFH/NV 1996, 402). Angesichts begrenzter Haushaltsmittel wollte der Gesetzgeber durch die Einführung von § 10e Abs. 5a EStG einen Beitrag zum Subventionsabbau leisten. Sowohl bei der Einführung als auch beim Abbau von Subventionen steht dem Gesetzgeber ein weiter Gestaltungsspielraum zu (vgl. oben). Dem Gesetzgeber stand deshalb nach Auffassung des Senats auch die Möglichkeit zu, die Wohneigentumsförderung bereits wesentlich unter dem in § 10e Abs. 5a EStG normierten Grenzbetrag zu versagen, zumal die Steuerpflichtigen durch ihr Verhalten häufig die Höhe des Gesamtbetrags der Einkünfte beeinflussen können (vgl. oben). Der Gesetzgeber hätte auch einen gleitenden Abbau der Förderung, beginnend bei dem wesentlich geringeren Grenzbetrag und auslaufend bei dem nach Auffassung des Senats relativ hohen Gesamtbetrag der Einkünfte von mehr als 120 000 DM (Senats-Beschluss in BFH/NV 1996, 402), vorsehen können. Angesichts der knappen Haushaltsmittel war es somit nicht willkürlich, Steuerpflichtige ab einem bestimmten Gesamtbetrag der Einkünfte ganz von der Wohneigentumsförderung auszunehmen (vgl. auch BFH-Urteil vom 21. Juli 2000 VI R 153/99, BFHE 192, 316, BStBl II 2000, 566). Im Übrigen hat der Gesetzgeber auch die Förderung nach dem Eigenheimzulagengesetz (EigZulG) ohne gleitende Übergangsgrenze ausgeschlossen, sofern der Gesamtbetrag der Einkünfte einen bestimmten Betrag überschreitet (vgl. § 5 EigZulG). Der Überlegung des Bundesrats, eine stufenweise Kürzung der Förderbeträge ab einem geringeren zu versteuernden Einkommen vorzusehen, wurde wegen der damit zusammenhängenden Planungsunsicherheit für Bauherrn und Eigenheimerwerber nicht entsprochen (BTDrucks 13/2476, S. 8).

2. Einen Verfahrensmangel i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) schließlich hat der Kläger nicht "bezeichnet". Der hierzu gemäß § 115 Abs. 3 Satz 3 FGO i.d.F. vor In-Kraft-Treten des Zweiten Gesetzes zur Änderung der Finanzgerichtsordnung und anderer Gesetze vom 19. Dezember 2000 (BGBl I 2000, 1757) erforderliche schlüssige Vortrag (Gräber/ Ruban, Finanzgerichtsordnung, 4. Aufl. 1997, § 115 Rz. 33, m.w.N.) fehlt. Mögliche Fehler des FG bei der Auslegung von Vorschriften des Einkommensteuergesetzes sind keine Verfahrensmängel, sondern materiell-rechtliche Fehler.



Ende der Entscheidung

Zurück