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Gericht: Bundesfinanzhof
Beschluss verkündet am 15.10.2008
Aktenzeichen: X B 170/07
Rechtsgebiete: FGO, EStG


Vorschriften:

FGO § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2
FGO § 115 Abs. 2 Nr. 3
FGO § 116 Abs. 3 Satz 3
EStG § 6 Abs. 3
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) hat die Zulassungsgründe teils nicht gemäß § 116 Abs. 3 Satz 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) dargelegt, teils sind sie nicht gegeben.

1. Der Kläger macht geltend, die Zulassung der Revision sei zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 FGO erforderlich.

a) Er entnimmt dem Urteil des Finanzgerichts (FG) den Rechtssatz, dass bei einem Einzelhandelsgeschäft das Grundstück, auf dem das Einzelhandelsgeschäft betrieben wird, zu den wesentlichen Betriebsgrundlagen gehört. Er folgert daraus, das FG habe den "absoluten" Grundsatz aufgestellt, das Grundstück stelle stets und ohne weitere Prüfung seiner Bedeutung für den Betrieb eine wesentliche Betriebsgrundlage dar. Demgegenüber verneine der Bundesfinanzhof (BFH) den vom FG angenommenen Automatismus, sondern verlange vielmehr im jeweiligen Fall die Prüfung, ob das Grundstück, auf dem sich das Einzelhandelsgeschäft befinde, "für die Betriebsführung von besonderem Gewicht ist". Für die Frage, ob ein Betriebsgrundstück eine wesentliche Betriebsgrundlage sei, müsse somit nach der Rechtsprechung des BFH die wirtschaftliche Bedeutung eines Betriebsmittels mit der Folge beachtet werden, dass ein Grundstück keine wesentliche Betriebsgrundlage sei, wenn es für den Betrieb ohne oder nur von geringer Bedeutung sei. Diese Grundsätze habe das FG erkennbar nicht angewendet, obwohl sich "hätte aufdrängen müssen, dass möglicherweise das Grundstück eben für die Fortführung des Betriebes der GmbH nicht von erheblichen Gewicht ist". Für deren Geschäftsbetrieb habe die eigentliche Bäckerei und der Firmensitz in der X-straße eine wesentlich höhere Bedeutung gehabt. Dies zeige sich deutlich in der unterschiedlichen Höhe des Pachtzinses für beide Objekte und der stillen Reserven in dem Ladengrundstück und dem GmbH-Anteil des Vaters des Klägers sowie in der für den Geschäftsbetrieb völlig untergeordneten Bedeutung des Ladenlokals B-Straße, in dem nur 1 % des Jahresumsatzes erzielt werde.

b) Zwar hat der Kläger für seine Auffassung die Entscheidungen unter Angabe des Datums, des Aktenzeichens und der Fundstelle genau bezeichnet (z.B. BFH-Urteile vom 13. Februar 1996 VIII R 39/92, BFHE 180, 278, BStBl II 1996, 409; vom 4. Dezember 1997 III R 231/94, BFH/NV 1998, 1001; vom 27. August 1998 III R 96/96, BFH/NV 1999, 758), von denen nach seiner Auffassung das FG abweicht. Damit hat er die angeführte formelle Anforderung an die Darlegung des Zulassungsgrundes der Divergenz erfüllt. Er hat jedoch verkannt, dass es für die Bedeutung der Funktion eines Grundstücks für einen Teilbetrieb im Falle eines Betriebsübergangs nicht auf die Bedeutung des Grundstücks für den Betrieb des Übernehmenden ankommt, sondern allein darauf, welche Bedeutung das Grundstück im Teilbetrieb des Übergebenden innehatte (vgl. Schmidt/Wacker, EStG, 27. Aufl., § 16 Rz 149, 150). Insoweit gehen die Bemühungen des Klägers fehl, eine Abweichung des angefochtenen Urteils von Entscheidungen des BFH darzulegen, zumal das FG in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des BFH aufgrund der Würdigung des Einzelfalls die wesentliche Bedeutung des Betriebsgrundstücks in der B-Straße für einen Einzelhandelsbetrieb bejahen konnte.

2. Eine weitere Abweichung des angefochtenen Urteils von der Rechtsprechung des BFH sieht der Kläger darin, dass nach der Auffassung des FG das Zurückbehalten einer wesentlichen Betriebsgrundlage gleichsam automatisch zur Versagung der Anwendung des § 6 Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG) führe. Das FG habe in einem Satz von der angeblichen Eigenschaft des Grundstücks als wesentliche Betriebsgrundlage auf den Ausschluss des § 6 Abs. 3 EStG geschlossen. Dagegen müsse nach Auffassung des Klägers aus dem BFH-Urteil in BFH/NV 1999, 758, wonach keine unentgeltliche Betriebsübergabe im Ganzen vorliegt, wenn der Übergeber von den wesentlichen Grundlagen des Betriebes einen Teil zurückbehalten hat, der weder der relativen noch der absoluten Größe oder dem Wert nach von untergeordneter Bedeutung war, im Umkehrschluss gefolgert werden, "dass dann, wenn selbst wesentliche Betriebsgrundlagen zurückbehalten werden, die eben 'nach der relativen oder absoluten Größe oder dem Wert von untergeordneter Bedeutung waren', dies einer unentgeltlichen Übertragung des gesamten Betriebes nicht im Wege steht". Der Senat kann es dahingestellt sein lassen, ob der vom Kläger gezogene Umkehrschluss der Intention des BFH-Urteils in BFH/NV 1999, 758 entspricht.

Der Kläger lässt außer Acht, dass für einen Teilbetrieb, dessen Gegenstand --wie im Streitfall ab dem Jahr 1996-- die Verpachtung eines Einzelhandelsgeschäftes ist, unabhängig vom Grundstückswert das Ladengrundstück die wesentliche Betriebsgrundlage ist, und dass sich deren Wert nicht aus der Relation zum übrigen Betriebsvermögen des Übergebers und erst recht nicht aus der Relation zum Wert des Betriebsvermögens des Übernehmers oder der von ihm gehaltenen GmbH ergibt. Infolgedessen fehlt es auch insoweit an der vom Kläger behaupteten Divergenz.

3. Der Kläger führt aus, das angefochtene Urteil stelle eine greifbar gesetzwidrige Entscheidung dar und rechtfertige deshalb die Revisionszulassung nach § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 FGO. Zur Begründung dieser Auffassung weist er darauf hin, dass der Betriebsprüfer den Wert der GmbH-Anteile nach Abschn. 8 der Vermögensteuer-Richtlinien (VStR) 1995 ermittelt habe, wie sich aus der Überschrift der Anlage ergebe, in der die Wertermittlung wiedergegeben sei. Das FG habe übersehen, dass für die Berechnung des gemeinen Wertes der Anteile nach dem Stuttgarter Verfahren für die Streitjahre die Erbschaftsteuer-Richtlinien des Jahres 1998 anzuwenden gewesen seien. Damit habe das FG eine offensichtlich einschlägige entscheidungserhebliche Vorschrift übersehen, was ohne Weiteres erkennbar und ein offensichtlicher Fehler sei.

Dieses Vorbringen rechtfertigt nicht die Annahme einer greifbar gesetzwidrigen Entscheidung. Zum Einen handelt es sich um einen Fehler im Verwaltungsverfahren und nicht im Klageverfahren. Zum Anderen erschöpft sich dieser Fehler --ohne jede materielle Auswirkung-- im Formellen. An der Wertermittlung nach dem Stuttgarter Verfahren hat sich nichts dadurch geändert, dass dieses Verfahren seit 1998 nicht mehr in den VStR, sondern in den Erbschaftsteuer-Richtlinien dargestellt ist (vgl. BFH-Urteile vom 12. Juli 2006 II R 75/04, BFHE 213, 215, BStBl II 2006, 704; vom 1. Februar 2007 II R 19/05, BFHE 215, 508, BStBl II 2007, 635).

4. Der Kläger rügt, das FG habe seine Sachaufklärungspflicht (§ 76 Abs. 1 FGO) verletzt, weil es die Grundlagen des Wertes der GmbH-Anteile nicht genügend erforscht habe, obwohl sich ihm Ermittlungen auch ohne Beweisantritt hätten aufdrängen müssen. Wird die Verletzung der Sachaufklärungspflicht als Verfahrensmangel i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO gerügt, so sind nach ständiger Rechtsprechung des BFH zur schlüssigen Darlegung dieses Zulassungsgrundes u.a. Ausführungen dazu erforderlich, welche Beweise das FG von Amts wegen hätte erheben müssen und welche entscheidungserheblichen Tatsachen sich bei einer Beweisaufnahme voraussichtlich ergeben hätten (vgl. Senatsbeschluss vom 20. November 2002 X B 6/02, BFH/NV 2003, 318). Diese Anforderungen hat der Kläger nicht erfüllt, zumal aus der vorgelegten Unterlage ersichtlich ist, dass der bemängelte Widerspruch auf einem offensichtlichen Versehen beruht. Er hat sich damit begnügt, auf widersprüchliche Zahlenangaben des Betriebsprüfers bei der Ermittlung des Wertes des GmbH-Anteils nach dem Stuttgarter Verfahren hinzuweisen. Dagegen hat er es unterlassen darzulegen, auf welche Weise und mit welchen Mitteln nach seiner Auffassung das FG den Wert hätte ermitteln sollen.

5. Der Kläger rügt, das FG habe seinen Anspruch auf rechtliches Gehör (§ 96 Abs. 2 FGO) verletzt. Es habe ihn weder vom Vorliegen der Betriebsprüfungsakten noch von der Anfrage vom 18. September 2006 des Gerichts an den Beklagten und Beschwerdegegner (Finanzamt --FA--) noch von dessen Antwort vom 16. Oktober 2006 unterrichtet. Dem steht der Inhalt der FG-Akte entgegen. Nach den Vermerken der Geschäftsstelle beim zuständigen Senat des FG sind dem Kläger die von ihm als fehlend bemängelten Informationen zugeleitet worden.

6. Fehl geht die Rüge des Klägers, das FG habe seinen Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt, weil das FG "erstmals und ohne, dass dies nach Aktenlage im Verfahren zuvor tatsächlich und rechtlich erörtert worden ist", auf die Vorschrift des § 6 Abs. 3 EStG eingegangen sei. Das angefochtene Urteil sei deshalb eine Überraschungsentscheidung. Wie Blatt 36 der FG-Akte zeigt, hat das FA schon in seiner Klageerwiderung vom 24. Juni 2003 die Ansicht vertreten, eine Übertragung zu Buchwerten gemäß § 6 Abs. 3 EStG komme nicht in Betracht. Von daher musste der bereits vor dem FG fachkundig vertretene Kläger sich auf diese Überlegung schon lange vor der Entscheidung des FG einstellen. Er konnte entgegen seiner Auffassung von diesem Gedanken nicht überrascht werden. Der Kläger hat es außerdem unterlassen darzulegen, was er ohne die behauptete Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör vorgebracht hätte. Solches Vorbringen ist entgegen seiner Ansicht zur schlüssigen Darlegung dieses Verfahrensfehlers nur dann entbehrlich, wenn durch die Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör dem Beteiligten im Verfahren vor dem FG jede Möglichkeit der Äußerung genommen war, z.B. wegen Verweigerung der mündlichen Verhandlung (Beschluss des Großen Senats des BFH vom 3. September 2001 GrS 3/98, BFHE 196, 39, BStBl II 2001, 802). Es ist jedoch bei einer behaupteten nur punktuellen Beeinträchtigung des Anspruchs auf rechtliches Gehör erforderlich (vgl. Gräber/ Ruban, Finanzgerichtsordnung, 6. Aufl., § 119 Rz 11 und 14, m.w.N. aus der Rechtsprechung).

7. Die Auffassung des Klägers, das angefochtene Urteil stelle eine Überraschungsentscheidung dar und verletze seinen Anspruch auf rechtliches Gehör, weil das FG mit seiner Entscheidung ohne weitere Erörterung im Klageverfahren von seiner Rechtsauffassung im Aussetzungsverfahren abgewichen sei, greift nicht durch. Der Kläger lässt außer Acht, dass das FG im Aussetzungsverfahren die Entscheidung über die unterschiedlichen Rechtsauffassungen dem Hauptsacheverfahren vorbehalten hat.

8. Der Kläger rügt erfolglos einen Verstoß gegen den Inhalt der Akten und damit eine Verletzung der Pflicht, das Urteil auf das Gesamtergebnis des Verfahrens zu stützen (§ 96 Abs. 1 Satz 1 FGO). Zur Begründung führt er aus, während der Prozessbevollmächtigte im Klageverfahren Einverständnis mit dem Ansatz des Wertes der GmbH-Anteile in Höhe von 1 505 500 DM zum 1. Januar 1996 erklärt habe, sei das FG von einem Einverständnis mit dem Wertansatz zum 1. Januar 2000 in Höhe von 1 550 000 DM ausgegangen.

Der Kläger übersieht bei diesem Vorbringen, dass der damalige Prozessbevollmächtigte seiner Einverständniserklärung die Feststellung vorangestellt hat, es werde die Einbeziehung des Veräußerungsgewinns in der Sache selbst bestritten. Aus dem sich anschließenden Einverständnis konnte das FG ohne Widerspruch zum Akteninhalt zutreffend das Einverständnis mit der Höhe des zum 1. Januar 2000 angesetzten Wertes der GmbH-Anteile ableiten. Dieser Wert baute auf dem zum 1. Januar 1996 auf. Die Steigerung war geringfügig und für den damaligen Prozessbevollmächtigten des Klägers offensichtlich so nachvollziehbar, dass er keinen Anlass sah, den Wert zum 1. Januar 2000 in Frage zu stellen. Daher ist der Vorwurf nicht gerechtfertigt, das FG habe seine Überzeugung nicht aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnen.

Ende der Entscheidung

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