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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesfinanzhof
Beschluss verkündet am 03.03.2009
Aktenzeichen: X B 197/08
Rechtsgebiete: AO, FGO


Vorschriften:

AO § 19 Abs. 1 S. 1
AO § 19 Abs. 3
AO § 193 Abs. 2 Nr. 2
AO § 195 S. 2
FGO § 69 Abs. 2 S. 2
FGO § 69 Abs. 3 S. 1
FGO § 102
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

I.

Der Antragsteller und Beschwerdeführer (Antragsteller) ist Gesellschafter und Geschäftsführer der X-KG, die zur sog. Z-Unternehmensgruppe gehört. Außerdem ist er an anderen Unternehmen als Gesellschafter beteiligt.

Der Antragsteller wohnt in BA. Der Sitz der KG befindet sich in BC. Die Einkünfte der KG werden gesondert und einheitlich durch den Antragsgegner und Beschwerdegegner (das Finanzamt --FA--) festgestellt.

Mit Bescheid vom 12. April 2005 ordnete das FA die Durchführung einer Außenprüfung bei der KG betreffend die gesonderte und einheitliche Gewinnfeststellung, Gewerbe- und Umsatzsteuer 2000 bis 2003 an.

Mit Schreiben vom 29. März 2006 beauftragte das FA BC das FA gemäß § 195 Satz 2 der Abgabenordnung (AO) mit der Durchführung einer Außenprüfung beim Antragsteller persönlich wegen Einkommensteuer 2000 bis 2003. Gleichzeitig übertrug es dem FA die Befugnis zum Erlass einer entsprechenden Prüfungsanordnung (§ 5 Abs. 1 Satz 2 der Betriebsprüfungsordnung).

Mit Bescheid vom 16. Oktober 2006 ordnete daraufhin das FA die Durchführung einer Außenprüfung beim Antragsteller betreffend Einkommensteuer 2001 bis 2003 an. Zur Begründung führte es aus, die Prüfung des umfangreichen Auslandsvermögens und die Trennung zwischen Privat- und Sonderbetriebsvermögen seien an Amtsstelle nicht zweckmäßig. Nachdem der Antragsteller hiergegen Einspruch eingelegt hatte, leitete das FA den Vorgang mit Schreiben vom 6. März 2007 an das FA BC mit der Begründung weiter, jene Behörde habe über den Einspruch zu entscheiden. Das FA BC hat die angefochtene Prüfungsanordnung am 17. September 2007 wieder aufgehoben.

Mit Schreiben vom 11. Oktober 2007 unterrichtete das FA BA den Antragsteller darüber, ab sofort sei nicht mehr das FA BC, sondern das FA BA für die Veranlagung des Antragstellers zur Einkommen-, Umsatz- und Kirchensteuer örtlich zuständig. Mit weiterem Schreiben vom 2. November 2007 erteilte das FA BA dem FA einen mit dem vorangegangenen Prüfungsauftrag des FA BC inhaltlich identischen Prüfungsauftrag. Zur Begründung gab es an: "Die Beauftragung erfolgt, weil der Steuerpflichtige Gesellschafter und Mitglied der Überwachungsorgane an Firmen im Konzernverbund X-KG ist. Es ist daher zweckmäßig, die Prüfung im Rahmen der Konzernprüfung durchzuführen."

Mit Bescheid vom 13. November 2007 ordnete das FA unter Berufung auf § 193 Abs. 2 Nr. 2 AO erneut die Durchführung einer Außenprüfung beim Antragsteller für die Einkommensteuer 2001 bis 2003 an. Begründet wurde der Bescheid mit den Gründen aus der Prüfungsanordnung vom 16. Oktober 2006. Hiergegen legte der Antragsteller abermals Einspruch ein und beantragte die Aussetzung der Vollziehung (AdV), die das FA mit Bescheid vom 12. Dezember 2007 ablehnte.

Der Antragsteller beantragte

daraufhin am 28. Januar 2008 beim Finanzgericht (FG) die AdV der Prüfungsanordnung. Das FG lehnte den Antrag mit Beschluss vom 17. Juni 2008 6 V 6027/08 ab. Es vertrat die Auffassung, der AdV-Antrag sei unzulässig, weil nicht das FA, sondern das FA BA der richtige Antragsgegner sei. Mit Beschluss vom 30. Juli 2008 ließ das FG nachträglich die Beschwerde zum Bundesfinanzhof (BFH) zu.

Mit der Beschwerde verfolgt der Antragsteller sein Begehren nach AdV der Prüfungsanordnung weiter. Das FG habe zu Unrecht den Antrag abgewiesen. Zum einen sei das FA der richtige Antragsgegner; zum anderen sei die Vollziehung der Prüfungsanordnung vom 13. November 2007 auszusetzen, weil ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Prüfungsanordnung bestünden.

Das FA beantragt,

die Beschwerde als unbegründet zurückzuweisen.

II.

Die Beschwerde ist begründet. Unter Aufhebung des angefochtenen Beschlusses wird das Verfahren an das FG zur erneuten Entscheidung zurückverwiesen.

1. Nach § 69 Abs. 3 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) kann das Gericht der Hauptsache die Vollziehung eines angefochtenen Verwaltungsakts ganz oder teilweise aussetzen.

a) Die Aussetzung soll u.a. erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Verwaltungsakts bestehen (§ 69 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. Abs. 2 Satz 2 FGO). Ernstliche Zweifel i.S. des § 69 Abs. 2 Satz 2 FGO sind zu bejahen, wenn bei summarischer Prüfung des angefochtenen Steuerbescheids neben für seine Rechtmäßigkeit sprechende Umstände gewichtige Gründe zutage treten, die Unentschiedenheit oder Unsicherheit in der Beurteilung von Tatfragen bewirken (vgl. BFH-Beschluss vom 10. Februar 1967 III B 9/66, BFHE 87, 447, BStBl III 1967, 182, seitdem ständige Rechtsprechung). Die AdV setzt nicht voraus, dass die für die Rechtswidrigkeit sprechenden Gründe überwiegen (vgl. BFH-Beschluss vom 20. Mai 1997 VIII B 108/96, BFHE 183, 174, m.w.N.).

b) Die Entscheidung über einen Antrag auf AdV ergeht wegen dessen Eilbedürftigkeit aufgrund des Prozessstoffs, der sich aus den dem Gericht vorliegenden Unterlagen, insbesondere den Akten der Finanzbehörde und präsenten Beweismitteln ergibt (BFH-Beschluss vom 21. Juli 1994 IX B 78/94, BFH/NV 1995, 116). Aus diesen Unterlagen hat das Gericht seine Feststellungen zum Sachverhalt zu treffen. Im Beschwerdeverfahren über die Ablehnung eines Antrags auf AdV durch das FG hat der BFH als Tatsachengericht grundsätzlich selbst die Befugnis und Pflicht zur Tatsachenfeststellung (BFH-Beschlüsse vom 12. Februar 1969 VII B 60/66, BFHE 95, 84, BStBl II 1969, 318; vom 18. August 1987 VII B 97/87, BFH/NV 1988, 374; vom 17. März 2008 IV B 100, 101/07, BFH/NV 2008, 1177). Diese Pflicht steht jedoch einer Zurückverweisung des Verfahrens zur ergänzenden Tatsachenfeststellung durch das FG nicht entgegen, wenn nach den Umständen des Einzelfalls die Feststellungen besser durch das FG getroffen werden können und die besondere Eilbedürftigkeit des AdV-Verfahrens der Zurückverweisung nicht entgegensteht. Die Zurückverweisungsbefugnis folgt aus §§ 132, 155 FGO i.V.m. § 572 Abs. 3 der Zivilprozessordnung und ist Ausfluss eines tragenden Grundprinzips des Instanzenzuges, nämlich der Aufteilung der Rechtsprechungsfunktionen unter den Gerichten. Als Revisions- und Beschwerdegericht hat der BFH in erster Linie die Aufgabe, die Entscheidungen der FG zu überprüfen, wohingegen die FG dem Rechtsuchenden den ersten Zugang zum Richter zu bieten haben. Sie können diese Aufgabe in der Regel auch schneller und effektiver erfüllen (BFH-Beschlüsse vom 8. Juli 1980 VII B 18/80, BFHE 131, 12, BStBl II 1980, 657; vom 9. Juli 1998 V B 143/97, BFH/NV 1999, 221; vom 22. November 2001 V B 124/01, BFH/NV 2002, 549).

2. Dem Senat stehen nur die Betriebsprüfungsakten als Entscheidungsgrundlage zur Verfügung, nachdem das FG selbst seinem Beschluss keinerlei Feststellungen zu entscheidungserheblichen Tatsachen vorangestellt hat, weil nach seiner Rechtsauffassung der Antrag gegen den falschen Antragsgegner gerichtet war. Auf der Grundlage dieser Unterlagen kann der Senat selbst unter den Bedingungen eines summarischen Verfahrens keine abschließende Entscheidung darüber treffen, ob zur AdV ausreichende Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Prüfungsanordnung bestehen.

a) Der Antragsteller hat den AdV-Antrag gegen den richtigen Antragsgegner gerichtet. Das FA hat als beauftragtes Finanzamt im Streitfall die Prüfungsanordnung erlassen. Deshalb hat es über den gegen die Prüfungsanordnung gerichteten Einspruch zu entscheiden (BFH-Urteil vom 18. November 2008 VIII R 16/07, zur amtlichen Veröffentlichung bestimmt). Zudem ist in Fällen, in denen eine andere Finanzbehörde nach § 195 Satz 2 AO mit der Außenprüfung beauftragt wird, der Antrag auf AdV einer Prüfungsanordnung gegen das FA zu richten, das die Prüfungsanordnung erlassen hat (BFH-Beschluss vom 17. Juli 2008 VI B 40/08, BFH/NV 2008, 1874). Zur Vermeidung von Wiederholungen verweist der Senat auf die Begründung dieser Entscheidungen.

b) In tatsächlicher Hinsicht bedarf es näherer Feststellungen des FG zu folgenden Punkten:

aa) Das FA BA, in dessen Bezirk der Antragsteller nach den Feststellungen des FG wohnt, hat das FA mit der Durchführung der Außenprüfung beauftragt. Das FA BA wäre nach § 19 Abs. 1 Satz 1 AO für die Besteuerung des Antragstellers örtlich zuständig und hätte das FA mit der Durchführung der Außenprüfung beauftragen können, sofern sich die örtliche Zuständigkeit nicht --wie der Kläger im Beschwerdeverfahren vorträgt-- nach § 19 Abs. 3 AO richtet.

bb) Das FG wird zudem zu klären haben, ob die Beauftragung des FA mit der Durchführung der Außenprüfung (§ 195 Satz 2 AO) ermessensfehlerhaft war (§ 102 FGO) und die Voraussetzungen für eine Außenprüfung beim Antragsteller nach § 193 Abs. 2 Nr. 2 AO vorliegen.



Ende der Entscheidung

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