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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesfinanzhof
Beschluss verkündet am 26.05.2009
Aktenzeichen: X B 38/09
Rechtsgebiete: FGO, StBerG, EGV


Vorschriften:

FGO § 62 Abs. 2 S. 2
StBerG § 3 Nr. 4
EGV Art. 50
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

I.

Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin (Beschwerdeführer) ist nicht als Steuerberater bestellt, da seine Bestellung bestandskräftig widerrufen worden ist. Der Beschwerdeführer ist dennoch der Auffassung, er sei unbeschränkt zur Steuerberatung befugt und tritt unter dem Briefkopf "Staatl. gepr. Betriebswirt Rechnungswesen - Steuern - Finanzierung - Belastingadviseur - Belastingconsulent" auf. Dabei vertritt er unter seiner belgischen Adresse in X und seiner niederländischen Adresse in Y im Inland ansässige Steuerpflichtige in Steuerangelegenheiten.

In dem Klageverfahren vor dem Finanzgericht (FG) Köln 14 K 2612/05 wegen des Aufteilungsbescheides zur Einkommensteuer 2000 hat das FG den Beschwerdeführer gemäß § 62 Abs. 2 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO-- (in der bis 30. Juni 2008 geltenden Fassung) mit Beschluss vom 18. Januar 2008 zurückgewiesen. Zur Begründung hat das FG im Wesentlichen Folgendes ausgeführt:

Gemäß § 62 Abs. 2 Satz 2 FGO seien Bevollmächtigte und Beistände zurückzuweisen, die geschäftsmäßig Hilfe in Steuersachen leisteten, ohne dazu nach den Vorschriften des Steuerberatungsgesetzes (StBerG) befugt zu sein. Diese Voraussetzungen seien im Streitfall erfüllt. Die Bestellung des Beschwerdeführers als Steuerberater sei bestandskräftig widerrufen worden. Nicht in Betracht komme eine Befugnis des Beschwerdeführers nach § 3 Nr. 4 StBerG (in der bis 11. April 2008 geltenden Fassung) zur geschäftsmäßigen Hilfeleistung in Steuersachen. Vom Begriff der Dienstleistung i.S. des Art. 50 des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft (EGV) seien nach gefestigter Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) und des Bundesfinanzhofs (BFH) nur vorübergehende grenzüberschreitende Dienstleistungen erfasst. Der Beschwerdeführer leiste aber keine grenzüberschreitende, vorübergehende Steuerberatung anlässlich eines im Niederlassungsstaat begründeten Steuerberatungsfalles, sondern erbringe im Inland geschäftsmäßig und dauerhaft Hilfe in Steuersachen, ohne hierzu befugt zu sein.

Der Beschwerdeführer beantragt,

den Beschluss des FG Köln vom 18. Januar 2008 aufzuheben.

Er macht geltend, er sei aufgrund der im EG-Vertrag statuierten Dienstleistungsfreiheit in Verbindung mit der Richtlinie 2005/36/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 7. September 2005 über die Anerkennung von Berufsqualifikationen --Qualifikations-Anerkennungsrichtlinie-- (Amtsblatt der Europäischen Union --ABlEU-- Nr. 1 255/22) und der Richtlinie 2006/123/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2006 über Dienstleistungen im Binnenmarkt --Dienstleistungsrichtlinie-- (ABlEU Nr. 1 376/36) zur uneingeschränkten Dienstleistung in Steuersachen befugt. Die in dem Beschluss des FG angeführte Rechtsprechung entspreche nicht (mehr) der gegebenen Rechtslage.

II.

Die Beschwerde ist unbegründet. Das FG hat den Beschwerdeführer zu Recht gemäß § 62 Abs. 2 Satz 2 FGO zurückgewiesen. Der Beschwerdeführer ist im Inland nicht zur geschäftsmäßigen Hilfeleistung in Steuersachen befugt.

1.

Der Beschwerdeführer kann eine dahingehende Befugnis nicht aus § 3 Nr. 1 StBerG herleiten. Seine frühere Bestellung zum Steuerberater ist wirksam widerrufen worden.

2.

Die Befugnis des Beschwerdeführers zur geschäftsmäßigen Hilfeleistung in Steuersachen folgt auch nicht aus dem im Zeitpunkt der Zurückweisung des Beschwerdeführers durch das FG noch gültigen § 3 Nr. 4 StBerG. Danach sind zu solchen Dienstleistungen Personen oder Vereinigungen berechtigt, "die in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union als Deutschland oder in der Schweiz beruflich niedergelassen sind und dort befugt geschäftsmäßig Hilfe in Steuersachen nach dem Recht des Niederlassungsstaats leisten, soweit sie mit der Hilfeleistung in Steuersachen eine Dienstleistung nach Art. 50 EGV erbringen".

a)

Der Beschwerdeführer ist vom FG zu Recht als Prozessbevollmächtigter zurückgewiesen worden, weil er nicht nur vorübergehend in Deutschland tätig geworden ist.

aa)

Nach der Begründung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung zum 7. Steuerberatungsänderungsgesetz (BGBl. I 2000, 874) zu § 3 Nr. 4 Satz 1 StBerG ist mit der Beschränkung dieses Erlaubnistatbestandes auf die Erbringer von Dienstleistungen in Steuersachen den Anforderungen des EGV im Bereich der Dienstleistungsfreiheit bei grenzüberschreitenden Hilfeleistungen in Steuersachen Rechnung getragen worden (BTDrucks 14/2667, 27).

bb)

Von dem für § 3 Nr. 4 Satz 1 StBerG somit maßgebenden Begriff der Dienstleistung i.S. des Art. 50 EGV werden nur grenzüberschreitende vorübergehende Hilfeleistungen in Steuersachen erfasst. Darunter fallen solche zeitlich begrenzten Leistungen, die ohne dauerhafte Niederlassung (nach Art. 50 Satz 3 EGV: "vorübergehend") in dem betreffenden Mitgliedstaat erbracht werden (EuGH-Urteile vom 4. Dezember 1986 Rs. 205/84, Slg. 1986, 3755, 3801; vom 11. Dezember 2003 Rs. C-215/01, Slg. 2003, I-14847; BFH-Beschlüsse vom 11. Februar 2003 VII B 330/02, VII S 41/02, BFHE 201, 483, BStBl II 2003, 422, m.w.N.; vom 21. Januar 2004 VII B 99/03, BFH/NV 2004, 827). An dieser Begriffsbestimmung hält auch der seit dem 12. April 2008 im StBerG an die Stelle des im Zeitpunkt der Entscheidung des FG geltenden § 3 Abs. 4 StBerG getretene § 3a StBerG fest.

cc)

Der vorübergehende Charakter einer grenzüberschreitenden Dienstleistung ist nicht nur unter Berücksichtigung der Dauer der Leistung, sondern auch ihrer Häufigkeit, regelmäßigen Wiederkehr oder Kontinuität zu beurteilen. Er schließt zwar nicht die Möglichkeit für den Dienstleistungserbringer i.S. des Art. 50 EGV aus, sich im Aufnahmemitgliedstaat mit einer bestimmten Infrastruktur (einschließlich eines Büros, einer Praxis oder einer Kanzlei) auszustatten, soweit diese Infrastruktur für die Erbringung der fraglichen Leistung erforderlich ist. Wer jedoch in "stabiler" und kontinuierlicher Weise eine Berufstätigkeit in einem anderen Mitgliedstaat ausübt, fällt unter die Vorschriften des Kapitels über das Niederlassungsrecht und nicht unter die des Kapitels über die Dienstleistungen. Dies ist in den einführenden Erwägungen zur genannten Dienstleistungsrichtlinie in Tz. 77 ausdrücklich klargestellt und wird entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers von den Entscheidungen des EuGH vom 11. September 2007 Rs. C-76/05 (BFH/NV 2008, Beilage 1, S. 5) und Rs. C-318/05 (BFH/NV 2008, Beilage 1, S. 14) in keiner Weise berührt.

dd)

Diese Erwägungen beruhen auf einer gefestigten Rechtsprechung des EuGH und des BFH. Der angerufene Senat hat daher keine Zweifel daran, dass durch § 3 Nr. 4 StBerG (im Zeitpunkt des Beschlusses des FG einschlägig) bzw. --seit 12. April 2008-- durch § 3a StBerG die in Art. 43 ff. EGV gewährleistete Niederlassungsfreiheit und die in Art. 49, 50 EGV garantierte Dienstleistungsfreiheit nicht unzulässig beeinträchtigt werden (vgl. auch BFH-Beschlüsse in BFHE 201, 483, BStBl II 2003, 422; in BFH/NV 2004, 827; vom 12. März 2007 X B 179/05, BFH/NV 2007, 1197).

ee)

Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze hat das FG den vorübergehenden Charakter der Tätigkeit des Beschwerdeführers im Inland zutreffend verneint. Wer, wie der Beschwerdeführer, im Inland nicht nur einzelne, sondern mehrere Steuerpflichtige an verschiedenen Orten berät und vor verschiedenen Finanzämtern und Finanzgerichten in einer Vielzahl von Verfahren vertritt, ist nicht nur vorübergehend im Inland tätig, sondern erbringt seine Leistungen in "stabiler" und kontinuierlicher Weise. Er überschreitet damit den durch die Dienstleistungsfreiheit gezogenen Rahmen (vgl. dazu auch Beschluss des angerufenen Senats vom 13. November 2008 in der Rechtssache des Beschwerdeführers X B 82/08, Zeitschrift für Steuern und Recht 2009, R 214 - R 215).

b)

Es kann daher offenbleiben, ob der Beschwerdeführer nach dem Recht der Staaten, in denen er nach seiner Behauptung niedergelassen ist, zur geschäftsmäßigen Hilfeleistung in Steuersachen befugt ist. Ebenso kann unentschieden bleiben, ob das zum Schutz der Steuerpflichtigen in § 3 Nr. 4 Sätze 2 und 3 StBerG enthaltene Transparenzgebot und dessen Missachtung durch den Beschwerdeführer seine Zurückweisung rechtfertigen würden.

Ende der Entscheidung

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