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Gericht: Bundesfinanzhof
Beschluss verkündet am 14.09.2000
Aktenzeichen: X B 58/00
Rechtsgebiete: ZPO, AO 1977, FGO


Vorschriften:

ZPO § 114
AO 1977 § 355 Abs. 1
AO 1977 § 356 Abs. 1
AO 1977 § 122 Abs. 2
FGO § 142
FGO § 96 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe

I. Der Kläger, Antragsteller und Beschwerdeführer (Kläger) betrieb während eines Teils des Streitjahres 1991 einen Kurierdienst. Da er trotz Aufforderung keine Einkommensteuer- und Umsatzsteuererklärung für das Streitjahr 1991 abgegeben hatte, schätzte das beklagte Finanzamt (FA) die Besteuerungsgrundlagen und erließ am 3. Juni 1998 entsprechende Bescheide.

Am 31. Juli 1998 gingen unter Mitwirkung eines Steuerberaters erstellte Steuererklärungen für Einkommensteuer- und Umsatzsteuer 1991 ein, die das FA nach Rücksprache mit dem Kläger als Einsprüche gegen die Schätzungsbescheide vom 3. Juni 1998 wertete und wegen Versäumung der Rechtsbehelfsfrist als unzulässig verwarf.

Der Kläger erhob --vertreten durch seinen Prozessbevollmächtigten-- gegen die Schätzungsbescheide und die Einspruchsentscheidung Klage. Außerdem beantragte er, ihm für das Klageverfahren Prozesskostenhilfe (PKH) zu gewähren und seinen Prozessbevollmächtigten beizuordnen. Zur Begründung des Antrags führte der Prozessbevollmächtigte aus, die Rechtsbehelfsfrist habe nicht zu laufen begonnen, weil die Schätzungsbescheide keine Rechtsbehelfsbelehrung enthalten hätten. Er legte eine eidesstattliche Versicherung des Klägers vor, in der dieser erklärte, er erinnere sich nicht, jemals die vom FA behaupteten Rechtsmittelbelehrungen erhalten zu haben. Sein Vater habe in der Sache mit dem FA wegen einer Fristverlängerung telefoniert. Das FA habe daraufhin die Frist bis zum 31. Juli 1998 verlängert. Innerhalb dieser Frist seien die Unterlagen eingereicht worden. Auf die Aufforderung des Finanzgerichts (FG), die Originalbescheide vorzulegen, erklärte der Kläger, die Bescheide seien ihm offensichtlich abhanden gekommen bzw. derzeit nicht auffindbar.

Das FG lehnte den Antrag auf PKH --unter Bezugnahme auf den am gleichen Tag erlassenen, die Klage abweisenden Gerichtsbescheid-- mangels hinreichender Erfolgsaussicht durch Beschluss ab.

Mit der Beschwerde gegen den Beschluss trägt der Prozessbevollmächtigte vor, dem Kläger sei PKH zu gewähren. Das FA habe nicht schlüssig darlegen können, dass ihm "ein rechtsmittelfähiger Steuerbescheid zugegangen" sei. Das FG habe seine ablehnende Entscheidung auf die unpräzise Formulierung der eidesstattlichen Versicherung gestützt, der Kläger erinnere sich nicht, eine Rechtsmittelbelehrung erhalten zu haben. Es habe hieraus den Schluss gezogen, dass eine Rechtsbehelfsbelehrung --wie üblich-- mit ausgedruckt gewesen sei. Diesen Sachverhalt hätte das FA aber nachweisen müssen, was im Streitfall nicht geschehen sei.

II. Die Beschwerde ist unbegründet.

Nach § 142 der Finanzgerichtsordnung (FGO) i.V.m. § 114 der Zivilprozeßordnung (ZPO) erhält eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, nur dann PKH, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung (hier Klage gegen die Schätzungsbescheide und die Einspruchsentscheidung) hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint.

a) Nach zutreffender Auffassung des FG verspricht das finanzgerichtliche Verfahren, für das der Kläger PKH begehrt, keinen Erfolg, weil die als Einsprüche zu wertenden Steuererklärungen erst nach Ablauf der einmonatigen Rechtsbehelfsfrist (§ 355 Abs. 1 der Abgabenordnung --AO 1977--) beim FA eingegangen sind, mit der Folge, dass die Schätzungsbescheide bestandskräftig sind und nicht mehr geändert werden können.

b) Das FG ist aufgrund der vorliegenden Indizien zu Recht davon ausgegangen, dass den Bescheiden eine Rechtsbehelfsbelehrung beigefügt war und somit die Rechtsbehelfsfrist mit Zustellung der Schätzungsbescheide in Lauf gesetzt worden ist (§ 356 Abs. 1 AO 1977).

c) Nach § 122 Abs. 2 AO 1977 gilt ein schriftlicher Verwaltungsakt, der durch die Post übermittelt wird, zu dem dort näher bezeichneten Zeitpunkt als bekannt gegeben; im Zweifel hat die Behörde den Zugang des Verwaltungsakts nachzuweisen. Für den Nachweis des Zugangs gelten die allgemeinen Beweisregeln, insbesondere die des Indizienbeweises. Demnach können bestimmte Verhaltensweisen des Steuerpflichtigen innerhalb eines längeren Zeitraums nach Absendung des Steuerbescheids im Zusammenhang mit dem Nachweis der Absendung vom FG im Wege einer freien Beweiswürdigung nach § 96 Abs. 1 FGO dahin gehend gewürdigt werden, dass --entgegen der Behauptung des Steuerpflichtigen-- von einem Zugang des Steuerbescheids ausgegangen wird (z.B. Entscheidungen des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 14. März 1989 VII R 75/85, BFHE 156, 66, BStBl II 1989, 534; vom 29. April 1999 V B 173/98, BFH/NV 1999, 1442).

d) Im vorliegenden Fall bestreitet der Kläger nicht den Zugang der Schätzungsbescheide, sondern nur den Erhalt der Rechtsbehelfsbelehrung. Für den Nachweis, dass den Steuerbescheiden jeweils eine Rechtsbehelfsbelehrung beigefügt war, gelten ebenfalls die allgemeinen Beweisregeln einschließlich der des Indizienbeweises.

e) Wie aus den Ausfertigungen der Steuerbescheide für die Akten ersichtlich ist, wurden die Schätzungsbescheide maschinell erstellt. Die Würdigung des FG, dass die dem Kläger zugegangenen Steuerbescheide eine Rechtsbehelfsbelehrung enthielten, weil vom Programm her Steuerbescheide stets mit Rechtsbehelfsbelehrung erstellt werden, ist nicht zu beanstanden, zumal der Kläger die --angeblich nicht auffindbaren-- Steuerbescheide auch nicht vorgelegt hat.

f) Zu Recht hat das FG im Rahmen der Beweiswürdigung auch darauf hingewiesen, dass der Kläger nicht mit Bestimmtheit erklärt hat, die Bescheide hätten keine Rechtsbehelfsbelehrungen enthalten, sondern nur ausgeführt hat, er erinnere sich nicht, Rechtsbehelfsbelehrungen vom FA erhalten zu haben. Die Schlussfolgerung des FG, der Kläger habe der üblicherweise im Bescheid enthaltenen Rechtsbehelfsbelehrung vermutlich keine Beachtung geschenkt, ist ebenfalls nicht zu beanstanden.

g) Für die Behauptung des Klägers, das FA habe die Frist zur Abgabe der Steuerklärungen bis zum 31. Juli 1998 verlängert, finden sich keine Hinweise in den Akten. Nach Erlass der Schätzungsbescheide hätte das FA die Frist auch nicht mehr verlängern können. Nur bei rechtzeitiger Erhebung eines Einspruchs gegen den jeweiligen Schätzungsbescheid hätte das FA eine Frist zur Begründung des Einspruchs bzw. zur Abgabe der Steuererklärung einräumen können.



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