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Gericht: Bundesfinanzhof
Urteil verkündet am 14.10.1998
Aktenzeichen: X R 130/96
Rechtsgebiete: EStG, AO 1977


Vorschriften:

EStG § 10e
EStG § 10h
EStG § 10h Satz 2 Nr. 4
EStG § 10e Abs. 6
EStG § 52 Abs. 21
EStG § 21 Abs. 2 Satz 1
AO 1977 § 15 Abs. 1 Nr. 3 und 4
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe

I. Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) sind Eheleute, die im Streitjahr 1992 zusammen zur Einkommensteuer veranlagt wurden.

Mit notariellem Vertrag vom 6. März 1992 haben die Eltern des Klägers diesem im Wege der vorweggenommenen Erbfolge ein Grundstück samt aufstehendem Gebäude übertragen. Die Eltern behielten sich ein lebenslängliches Wohnungs- und Mitbenutzungsrecht vor: Das Recht gibt Anspruch auf die ausschließliche Benutzung aller Räume im Obergeschoß des Hauses sowie auf Mitbenutzung des Kellers und des Hausgartens. Wohnungs- und Mitbenutzungsrecht sollten unentgeltlich sein. Die Wohnberechtigten waren lediglich verpflichtet, verbrauchsabhängige Kosten wie Strom, Wasser, Abwasser usw. zu tragen. Im Zeitpunkt der Übertragung diente das Obergeschoß noch als Speicher.

Im Anschluß an die Übertragung wurde das Gebäude mit einem Aufwand von insgesamt 480 945 DM umgebaut. Hierbei wurde das Wohnhaus unter Entfernung der Zwischenwände weitgehend entkernt. Der bisherige Speicher wurde zu einer Dachgeschoßwohnung ausgebaut, auf die 39 v.H. der gesamten Baukosten entfielen. Im Dezember 1992 zogen die Kläger und die Eltern des Klägers ein.

In ihrer Einkommensteuererklärung für 1992 beantragten die Kläger die Steuerbegünstigung nach § 10e des Einkommensteuergesetzes (EStG) für die eigengenutzte Wohnung sowie --insoweit erfolglos-- einen Abzugsbetrag nach § 10h EStG für die auf die elterliche Wohnung im Dachgeschoß entfallenden Aufwendungen. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) vertrat die Auffassung, die Voraussetzungen für die Steuerbegünstigung lägen nicht vor: Die Kläger hätten vor Beginn der Baumaßnahme die Wohnung nicht zu eigenen Wohnzwecken genutzt und darüber hinaus die Wohnung nicht unentgeltlich an die Eltern überlassen, denn diese nutzten die Wohnung aufgrund des vorbehaltenen Nutzungsrechtes.

Das Finanzgericht (FG) hat die nach erfolglosem Einspruch erhobene Klage als unbegründet abgewiesen. Das Urteil ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1997, 223 abgedruckt.

Mit der Revision rügen die Kläger Verletzung materiellen Rechts. Sie führen aus:

Die Vereinbarung des Wohnungsrechtes sei lediglich die dinglich gesicherte Verpflichtung, die Wohnungsnutzung durch die Berechtigten zu dulden, mithin diesen die Wohnung zur Nutzung zu "überlassen"; erst der Ausbau zu einer Wohnung habe deren Überlassung an die Eltern ermöglicht. § 10h EStG verlange eine Überlassung auf Dauer. Das sei bei einer "gesicherten Rechtsposition" anzunehmen. Der Vorbehalt eines Wohnungsrechtes bilde auch kein Entgelt für das übertragene Grundstück, weshalb ein entgeltlicher Erwerb insoweit nicht vorliege. Umgekehrt sei deshalb auch die Grundstücksübertragung kein Entgelt für das vorbehaltene Wohnungsrecht. Nur so werde auch dem Zweck der Regelung Genüge getan.

Die Kläger beantragen, das angefochtene Urteil sowie die Einspruchsentscheidung aufzuheben und den Einkommensteuerbescheid für 1992 dahin zu ändern, daß ein Abzugsbetrag gemäß § 10h EStG in Höhe von 11 253 DM gewährt wird.

Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

II. Die Revision ist unbegründet. Eine Wohnung ist nicht i.S. des § 10h Satz 2 Nr. 4 EStG überlassen, wenn sie der Angehörige aufgrund eines vorbehaltenen Wohnungsrechtes nutzt.

Die Steuerbegünstigung nach § 10h EStG setzt u.a. voraus, daß der Steuerpflichtige die Wohnung insgesamt im jeweiligen Jahr des Begünstigungszeitraums voll unentgeltlich einem Angehörigen i.S. des § 15 Abs. 1 Nr. 3 und 4 der Abgabenordnung (AO 1977) auf Dauer zu Wohnzwecken überlassen hat (§ 10h Satz 2 Nr. 4 EStG). Überlassen einer Wohnung bedeutet, daß der Nutzungsberechtigte seine Berechtigung vom Steuerpflichtigen ableitet. Das ist der Fall, wenn der Steuerpflichtige als bürgerlich-rechtlicher oder wirtschaftlicher Eigentümer dem Angehörigen die Nutzung der für diesen fremden Wohnung durch Einräumung eines --obligatorischen oder dinglichen-- Nutzungsrechtes ermöglicht. Umstritten ist lediglich, ob eine unentgeltliche Überlassung i.S. des § 10h Satz 2 Nr. 4 EStG auch dann vorliegt, wenn --wie im Streitfall-- der bisherige Eigentümer sich das Nutzungsrecht anläßlich der Übertragung des Eigentums vorbehalten hat.

Dies bejahen das FG Münster (Urteil vom 6. Dezember 1994 16 K 1585/94E, EFG 1996, 701) sowie ein Teil des Schrifttums (Koller in Deutsches Steuerrecht 1992, 844, 847; Meyer in Herrmann/Heuer/Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz mit Nebengesetzen, Kommentar, § 10h EStG Rz. 47; Kleeberg in Kirchhof/Söhn, Einkommensteuergesetz, § 10h Anm. B 12; a.A. Stephan in Littmann/Bitz/Hellwig, Das Einkommensteuerrecht, § 10h EStG Rz. 10; zweifelnd Schmidt/Drenseck, Einkommensteuergesetz, 17. Aufl., § 10h Rz. 8). Der erkennende Senat folgt dieser Ansicht nicht.

a) Behält sich der bisherige Eigentümer anläßlich der Übertragung des Grundstückes ein Nutzungsrecht vor, stellt die Einräumung des Nutzungsrechtes kein Entgelt dar. Das Nutzungsrecht mindert vielmehr von vornherein den Wert des übertragenen Vermögens (Urteile des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 10. April 1991 XI R 7, 8/84, BFHE 164, 343, BStBl II 1991, 791, und vom 7. Juni 1994 IX R 33, 34/92, BFHE 175, 70, BStBl II 1994, 927, m.w.N.). Das bedeutet, der Erwerber --hier die Kläger-- kann dem Nutzungsberechtigten kein Recht verschaffen, das dieser sich bereits bei der Übertragung vorbehalten hat. Daß die Sache, auf die sich das Nutzungsrecht bezieht --wie im Streitfall-- in ihrem Zustand noch verändert werden soll, ist unerheblich. Auch ein dingliches Nutzungsrecht an einem Gebäude kann vor dessen Errichtung bestellt werden, wenn die von dem Recht betroffenen Räumlichkeiten genau bestimmt sind (für das Wohnungsrecht z.B. Staudinger/Ring, Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, 13. Bearbeitung 1994, § 1093 Rz. 6).

b) Entgegen der Auffassung des FG Münster (in EFG 1996, 701) läßt sich die zur Nutzungswertbesteuerung ergangene Rechtsprechung nicht auf § 10h EStG übertragen. Die Vorschrift des § 10h EStG ist in Anlehnung an die Steuerbegünstigung nach § 10e EStG geschaffen worden und nimmt überdies hinsichtlich der Vorkosten ausdrücklich auf § 10e Abs. 6 EStG Bezug (§ 10h Satz 2 Nr. 5 und Satz 3 EStG). Mit der Einführung des § 10e EStG durch das Wohneigentumsförderungsgesetz endete aber --abgesehen von den unter die Übergangsregelung nach § 52 Abs. 21 EStG fallenden Wohnungen-- die in mehrfacher Hinsicht als unbefriedigend beurteilte Nutzungswertbesteuerung. Schon dies spricht dagegen, die Rechtsprechung zur Zurechnung des Nutzungswertes auf Vorschriften zu übertragen, welche eigengenutzte Wohnungen außerhalb des Anwendungsbereichs der Nutzungswertbesteuerung betreffen.

Die vom FG in Bezug genommene Rechtsprechung betraf überdies die --allein durch die Einnahmefiktion der Nutzungswertbesteuerung bedingte-- Frage, wem bei unentgeltlicher Überlassung einzelner Räume in einer Wohnung der Nutzungswert dieser Räume zuzurechnen ist, da § 21 Abs. 2 Satz 1 EStG nur den Fall der Zurechnung des Nutzungswertes im Falle der unentgeltlich überlassenen Wohnung regelt (BFH-Urteile vom 11. August 1992 IX R 223/87, BFHE 169, 85, BStBl II 1993, 31, m.w.N.; vom 25. Juli 1991 XI R 4/89, BFH/NV 1992, 31). Der IX. Senat stellt darauf ab, ob der Eigentümer aufgrund einer umfassenden Leibgedingevereinbarung die überlassenen Räume auch selbst nutzen muß und kann. § 10h EStG dagegen regelt, unter welchen Voraussetzungen "Aufwendungen für Baumaßnahmen zur Herstellung einer Wohnung" in einem Gebäude ausnahmsweise einkommensteuerrechtlich berücksichtigt werden dürfen, obwohl diese Wohnung für einkommensteuerrechtlich grundsätzlich unbeachtliche private Zwecke --durch unentgeltliche Überlassung an einen Angehörigen-- genutzt wird. Es ist ohne Bedeutung für die Förderung nach § 10h EStG, in welcher Weise das Gebäude vor Fertigstellung der Wohnung genutzt worden ist oder ob ein Nutzungsrecht mit anderen für eine Altenteils- oder Leibgedingevereinbarung typischen Leistungen verknüpft ist.

c) Zu keinem anderen Ergebnis führt der Einwand der Kläger, auch die Aufwendungen im Streitfall erfüllten im Ergebnis den Zweck der Begünstigung.

Maßgebend für die Auslegung ist der in der Vorschrift zum Ausdruck gekommene Zweck der Regelung, so wie er sich aus dem Gesetzeswortlaut und aus dem Sinnzusammenhang ergibt, in den diese hineingestellt ist (z.B. BFH-Urteil vom 25. Januar 1995 X R 191/93, BFHE 177, 65, BStBl II 1995, 586, m.w.N.). Steuerbegünstigungsvorschriften sind zwar unter sinnvoller Würdigung des mit ihnen verfolgten Regelungszweckes auszulegen; es darf aber kein durch das Gesetz nicht belegter Begünstigungstatbestand geschaffen werden. Das § 10h EStG zugrundeliegende Regelungsziel, Wohnraumreserven zu mobilisieren, das Zusammenwohnen mehrerer Generationen in einem Haus zu erleichtern und den Wohnungsmarkt zu entlasten (BTDrucks 12/1506, S. 171) ließ sich auf verschiedenen Wegen erreichen. Bei Regelungen, die --wie § 10h EStG-- eine steuerliche Förderung zum Gegenstand haben, steht dem Gesetzgeber ein weiter Gestaltungsspielraum zu; er konnte die Förderung auf bestimmte Maßnahmen beschränken. Eine über den möglichen Wortsinn der Begünstigungsvorschrift hinausgehende Auslegung wäre nur zulässig, wenn die Regelung lückenhaft wäre, d.h. wenn der bloße Wortlaut des Gesetzes, gemessen an dessen Regelungsziel unvollständig und damit ergänzungsbedürftig wäre und eine Ergänzung nicht einer vom Gesetzgeber gewollten Beschränkung auf bestimmte Tatbestände widerspräche (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 25. Juli 1995 VIII R 25/94, BFHE 178, 418, BStBl II 1996, 684, m.w.N.). Das ist nicht der Fall.

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