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Gericht: Bundesfinanzhof
Urteil verkündet am 03.03.2004
Aktenzeichen: X R 20/02
Rechtsgebiete: ZPO, EStG


Vorschriften:

ZPO § 323
EStG § 10 Abs. 1 Nr. 1a Satz 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

I. Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) sind Eheleute, die in den Streitjahren 1995 bis 1997 zur Einkommensteuer zusammenveranlagt wurden. Der Kläger erzielt als Inhaber einer Gärtnerei Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft.

Dieser Betrieb samt einem bebauten Grundstück war ihm mit notariellem Vertrag vom 28. Januar 1980 von seinem Vater (V) übertragen worden. Der Kläger verpflichtete sich in diesem Vertrag zur Zahlung eines "monatlichen Altenteils" von 1 200 DM. Dieser Betrag sollte sich ändern, wenn sich der Lebenshaltungskostenindex für einen Vier-Personen-Arbeitnehmerhaushalt mit mittlerem Einkommen um 10 % ändert. Nach § 3 Abs. 4 des Vertrages sollte ein Rückgang des Gewinns aus der Gärtnerei auf weniger als 66 2/3 % des im Jahre 1980 erzielten Gewinns als wesentliche Änderung i.S. des § 323 der Zivilprozessordnung (ZPO) gelten. Ferner verpflichtete sich der Kläger, für V und dessen Ehefrau (M) einen Anbau zu erstellen und nach Fertigstellung ein lebenslängliches unentgeltliches Wohnungsrecht einschließlich der Heizkosten eintragen zu lassen.

Der Kläger zahlte in den Streitjahren als Bar-Altenteil jeweils 14 400 DM. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) ließ diese Beträge in den angefochtenen Bescheiden nicht zum Abzug als Sonderausgaben zu, weil es den Vertrag wegen der unterbliebenen Erhöhung der Zahlbeträge entsprechend der Wertsicherungsklausel als nicht tatsächlich durchgeführt ansah.

Der Einspruch hatte keinen Erfolg. Am 29. Dezember 1999 --zwischen dem Ergehen der Einspruchsentscheidung und der Klageerhebung-- erklärte M zu notariellem Protokoll, sie und V hätten von der Wertsicherungsklausel keinen Gebrauch gemacht, weil sie die Voraussetzungen dafür in Anbetracht des Gesamtinhalts des Vertrags nicht als gegeben angesehen hätten. Weil die Einkünfte aus dem übertragenen Betrieb rückläufig gewesen seien, wäre auch eine Absenkung der Leistungen nach § 323 ZPO möglich gewesen; letztlich habe man auf die Durchführung der beiden gegenläufigen Anpassungen verzichtet. In derselben Urkunde vereinbarte M --die dabei angab, auch für den aus Altersgründen an der Teilnahme verhinderten V zu handeln-- mit dem Kläger, die Wertsicherungsklausel gegen Zahlung eines Einmalbetrags von 1 500 DM aufzuheben. Die Abänderungsmöglichkeit nach § 323 ZPO sollte bestehen bleiben.

Im Klageverfahren trugen die Kläger --unter Bezugnahme auf die notarielle Erklärung der M sowie eine schriftliche Erklärung des Sohnes der Kläger-- vor, die schwierige wirtschaftliche Lage des Betriebs sei zwischen 1980 und 1990 immer wieder Gegenstand von Diskussionen und Auseinandersetzungen zwischen den Klägern und den Übergebern gewesen. Eine Erhöhung der Baraltenteilsleistungen sei zu keiner Zeit erwogen worden; umgekehrt hätte eine Herabsetzung der Leistungen aber zu finanziellen Problemen der Übergeber geführt. Die Entwicklung des Betriebs habe gezeigt, dass dieser so, wie er übernommen worden sei, nicht lebensfähig gewesen sei. Im schlechtesten Jahr (1990) sei der Gewinn wegen des Strukturwandels und des zunehmenden Erfolgs der Gartencenter auf 17 182 DM gesunken. Hätten die Übergeber sich auf die Wertsicherungsklausel berufen, hätte der Kläger eine gegenläufige Anpassung nach § 323 ZPO verlangt. Die nach 1990 eingetretene Gewinnsteigerung habe nicht auf dem übernommenen Betrieb, sondern auf der vom Kläger durchgeführten Betriebsumstellung (Vergrößerung der Gewächshausfläche und Absatz über den Blumengroßmarkt) beruht.

Das Finanzgericht (FG) wies die Klage ab (Entscheidungen der Finanzgerichte --EFG-- 2002, 903).

Mit ihrer Revision rügen die Kläger eine Verletzung von § 10 Abs. 1 Nr. 1a Satz 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG). Sie sind der Auffassung, das FG habe verkannt, dass nicht jede Abweichung vom Vereinbarten notwendigerweise zur Versagung der steuerrechtlichen Anerkennung führen müsse. Es habe weder die Auseinandersetzungen zwischen den Vertragsparteien noch die Gewinnentwicklung des übergebenen Betriebs ausreichend gewürdigt.

Die Kläger beantragen, das angefochtene Urteil sowie die Einspruchsentscheidung vom 13. Dezember 1999 aufzuheben und die Einkommensteuer für die Jahre 1995 bis 1997 unter Änderung der Bescheide vom 3. September 1999 in der Weise festzusetzen, dass zusätzlich eine dauernde Last in Höhe von jeweils 14 400 DM jährlich berücksichtigt wird.

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

II. Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der nicht spruchreifen Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).

Das FG hat es rechtsfehlerhaft unterlassen, die Frage der ertragsteuerrechtlichen Anerkennung des Versorgungsvertrages anhand einer Gesamtwürdigung der objektiven Gegebenheiten zu beurteilen. Vielmehr hat es den begehrten Sonderausgabenabzug allein deshalb abgelehnt, weil die Höhe der Versorgungsleistungen nicht entsprechend der vereinbarten Wertsicherungsklausel angepasst worden ist.

1. Hinsichtlich der allgemeinen Grundsätze zur ertragsteuerrechtlichen Anerkennung von Verträgen zwischen nahen Angehörigen sowie der Bedeutung der Nichtbeachtung einer in einem Versorgungsvertrag vereinbarten Wertsicherungsklausel verweist der Senat zur Vermeidung von Wiederholungen auf sein zur amtlichen Veröffentlichung bestimmtes Urteil vom heutigen Tage X R 14/01 unter II. 4. bis 6.

Danach ist die Frage, ob Verträge zwischen nahen Angehörigen der Besteuerung zugrunde gelegt werden können, anhand der Gesamtheit der objektiven Gegebenheiten zu beurteilen. Jedenfalls bei Versorgungsverträgen ist für diese Gesamtwürdigung entscheidend, ob eine festgestellte Abweichung von den vertraglichen Vereinbarungen darauf hindeutet, dass es den Parteien am erforderlichen Rechtsbindungswillen fehlt. Letzteres ist vor allem dann anzunehmen, wenn der Vollzug der Vereinbarung durch Schwankungen in der Höhe des Zahlbetrags, die nicht durch Änderungen der Verhältnisse gerechtfertigt sind, gekennzeichnet ist.

2. Nach diesen Maßstäben erweist sich die Auffassung des FG, schon die Nichtbeachtung der Wertsicherungsklausel müsse zur Versagung des Sonderausgabenabzugs führen, als rechtsfehlerhaft. Denn allein die dauerhafte Zahlung der Versorgungsleistungen mit ihrem ursprünglich vereinbarten Nennbetrag rechtfertigt nicht zwingend den Schluss, dass die Parteien ihren vertraglichen Pflichten insgesamt nicht mehr hätten nachkommen wollen.

3. Die Sache ist nicht spruchreif. Sie geht zur Nachholung der --dem Bereich der tatsächlichen Feststellungen zugehörigen-- Gesamtwürdigung an das FG zurück. Dabei wird das FG zu beachten haben, dass Abweichungen, die in ihrer Summe nicht so gewichtig sind, als dass sie den Gesamteindruck der Ernsthaftigkeit der vertraglichen Vereinbarung und ihrer Durchführung erschüttern könnten, der ertragsteuerrechtlichen Anerkennung von Vertragsverhältnissen unter nahen Angehörigen nicht entgegenstehen (Urteil des Bundesfinanzhofs vom 15. Oktober 2002 IX R 46/01, BFHE 200, 372, BStBl II 2003, 243, unter II. 2. c).

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