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Gericht: Bundesfinanzhof
Urteil verkündet am 27.08.1997
Aktenzeichen: X R 26/95
Rechtsgebiete: EStG


Vorschriften:

EStG § 22 Nr. 2
EStG § 23 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a
BUNDESFINANZHOF

Nach der Anschaffung vorgenommene Herstellungsmaßnahmen schließen die Annahme eines Spekulationsgeschäftes nur aus, wenn dadurch das angeschaffte Wirtschaftsgut bei wirtschaftlicher Betrachtung in ein anderes ("aliud") umgestaltet wird. Baut der Käufer einer Eigentumswohnung, die beim Erwerb lediglich aus einem "Dachboden im absoluten Rohzustand" besteht, diese zu einer Dachgeschoßwohnung aus, um sie anschließend zu veräußern, kommt ein Spekulationsgeschäft nicht hinsichtlich der Dachgeschoßwohnung, sondern nur hinsichtlich des Miteigentumsanteils am Grund und Boden in Betracht (Abgrenzung zu BFH-Urteil vom 29. März 1989 X R 4/84, BFHE 156, 465, BStBl II 1989, 652).

EStG § 22 Nr. 2, § 23 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a

Urteil vom 27. August 1997 - X R 26/95

Vorinstanz: Niedersächsisches FG


Gründe

I.

Die Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) wurden im Streitjahr 1989 zusammenveranlagt.

Der Kläger erwarb am 28. Oktober 1987 im Wege der Zwangsversteigerung drei Eigentumswohnungen im Dachgeschoß eines Hauses in A, zwei davon in ausgebautem, bewohnbarem Zustand. Die dritte Eigentumswohnung umfaßte 943/10 000 Miteigentumsanteile verbunden mit dem Sondereigentum an der --nicht ausgebauten-- "Dachgeschoßwohnung" rechts, ausgewiesen als Nr. 8 des Aufteilungsplanes, nebst Keller; der Kaufpreis hierfür betrug 31 712 DM. Bei dieser "Dachgeschoßwohnung" handelte es sich um einen Dachboden "in absolutem Rohzustand ... mit umfangreichen Schuttmassen". Weder Wände noch Versorgungsleitungen waren vorhanden, die roten Dachziegel waren sichtbar.

In der Folgezeit baute der Kläger den Dachboden mit einem Materialaufwand von ca. 30 000 DM bis 35 000 DM und mit Eigenleistungen im Wert von ca. 30 000 DM bis 40 000 DM zu einer Wohnung aus. Mit notariellem Vertrag vom 13. Februar 1989 veräußerte er die Wohnung im Dachgeschoß zu einem Preis von 125 000 DM.

Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) beurteilte Anschaffung und Veräußerung des Wohnungseigentums als Spekulationsgeschäft i.S. des § 23 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a des Einkommensteuergesetzes (EStG) und ermittelte einen Spekulationsgewinn nach folgender Berechnung:

Veräußerungserlös 125 000 DM

./. anteilige Anschaffungskosten 77 516,20 DM x 40,91 % 31 712 DM

./. anteilige anschaffungsnahe Aufwendungen in geschätzter Höhe (mangels einwandfreier Zuordnung der Gesamtaufwendungen von ca. 39 800 DM auf die einzelnen drei Eigentumswohnungen) 25 000 DM

Spekulationsgewinn 68 288 DM.

Der nach insoweit erfolglosem Vorverfahren dagegen erhobenen Klage gab das Finanzgericht (FG) statt. Es führte aus:

Bei wirtschaftlicher Betrachtung fehle es an der Nämlichkeit von angeschafftem und veräußertem Wirtschaftsgut. Der Kläger habe einen Dachboden im Rohzustand angeschafft, jedoch eine Wohnzwecken dienende Wohnung veräußert. Der danach fehlenden wirtschaftlichen Identität stünden auch die Vorschriften des Wohnungseigentumsgesetzes (WoEigG) nicht entgegen.

Mit der Revision rügt das FA Verletzung der §§ 22 Nr. 2, 23 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a EStG. Das von den Klägern erworbene, als Wirtschaftsgut "roher Dachboden" bezeichnete Wohnungseigentum sei mit der fertiggestellten Dachgeschoß-Eigentumswohnung rechtlich --nach den Vorschriften des WoEigG-- und auch wirtschaftlich identisch. Die räumliche Umschließung der bereits vorhandenen Baulichkeiten der Wohnung im Dachgeschoß sei ebenso gegenständlich existent wie das im Rohbau befindliche Einfamilienhaus im Fall des Urteils des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 29. März 1989 X R 4/84 (BFHE 156, 465, BStBl II 1989, 652).

Das FA beantragt, die Klage unter Aufhebung des angefochtenen FG-Urteils abzuweisen.

Die Kläger beantragen, die Revision zurückzuweisen.

Sie treten dem FG-Urteil bei und führen u.a. aus: Bei Annahme eines Spekulationsgeschäftes müßten zusätzlich die ggf. im Schätzungswege zu ermittelnden Eigenleistungen von der Besteuerung ausgenommen werden.

II.

Die Revision ist begründet. Sie führt --aus anderen als den geltend gemachten Gründen-- zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das FG (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).

1. Spekulationsgeschäfte (§ 22 Nr. 2 EStG) i.S. des § 23 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a EStG (in der im Streitjahr geltenden Fassung) sind Veräußerungsgeschäfte, bei denen --wie im Streitfall bei Grundstücken-- der Zeitraum zwischen Anschaffung und Veräußerung eines Wirtschaftsguts nicht mehr als zwei Jahre beträgt. Die Abgabe des Meistgebots in der Zwangsversteigerung erfüllt die Merkmale eines Anschaffungsgeschäfts i.S. des § 23 EStG (BFH-Urteil vom 28. Juni 1977 VIII R 30/74, BFHE 123, 27, BStBl II 1977, 827). Zu den Grundstücken zählt auch das Wohnungseigentum als besonders ausgestaltetes Miteigentum nach Bruchteilen am (bebauten) Grundstück (vgl. Urteil des Bundesgerichtshofs vom 6. März 1986 VII ZR 111/85, Neue Juristische Wochenschrift 1986, 1811; Beschluß des Bayerischen Obersten Landesgerichts vom 23. Juli 1993 2 Z BR 69/93, BayObLG 1993, 297). Beim Erwerb einer noch nicht fertiggestellten Eigentumswohnung ist auch der neueren BFH-Rechtsprechung seit dem Urteil vom 30. November 1976 VIII R 202/72 (BFHE 120, 522, BStBl II 1977, 384) Rechnung zu tragen, die bei nach Erwerb bebauten Grundstücken zwischen dem Erwerb des Grund und Bodens und der Herstellung eines Gebäudes unterscheidet.

2. Sinn und Zweck des § 23 EStG ist es, innerhalb der Spekulationsfrist realisierte Werterhöhungen oder Wertminderungen aus verhältnismäßig kurzfristigen Wertdurchgängen eines bestimmten Wirtschaftsguts im Privatvermögen des Steuerpflichtigen der Einkommensteuer zu unterwerfen (ausführlich BFH-Urteile in BFHE 120, 522, BStBl II 1977, 384; vom 25. August 1987 IX R 65/86, BFHE 151, 132, BStBl II 1988, 248). § 23 EStG erfaßt als Spekulationsgeschäft nur die Veräußerung von Wirtschaftsgütern, die eine gewisse Zeit vorher angeschafft worden sind. Eine ausdehnende Auslegung der Spekulationsvorschriften über die Anschaffung und Veräußerung von Wirtschaftsgütern auch auf Vorgänge des Erstellens und Veräußerns ist nicht zulässig.

Daraus folgt nach der Rechtsprechung einmal, daß die Veräußerung eines vom Veräußerer selbst hergestellten Wirtschaftsguts grundsätzlich von § 23 EStG nicht erfaßt wird; zum anderen ergibt sich daraus das Erfordernis der Nämlichkeit von angeschafftem und veräußertem Wirtschaftsgut (vgl. BFH-Urteil in BFHE 156, 465, BStBl II 1989, 652, m.w.N.).

3. Nämlichkeit von angeschafftem und veräußertem Wirtschaftsgut bedeutet jedoch lediglich Identität in wirtschaftlichem Sinn. Dies ergibt sich aus § 23 Abs. 4 EStG, der für die Ermittlung des Spekulationsgewinns neben den Anschaffungskosten ausdrücklich auch Herstellungskosten erwähnt. Danach schließen Herstellungsmaßnahmen die wirtschaftliche Identität von angeschafftem und veräußertem Wirtschaftsgut nicht aus, wenn durch die Herstellungsmaßnahmen das angeschaffte Wirtschaftsgut bei wirtschaftlicher Betrachtung nicht in ein anderes Wirtschaftsgut wird (BFH in BFHE 120, 522, BStBl II 1977, 384, 386; Urteil vom 19. Juli 1983 VIII R 161/82, BFHE 139, 251, 252, BStBl II 1984, 26; in BFHE 156, 465, 466 f., BStBl II 1989, 652 f., mit weiteren Hinweisen zur Literatur). Die Frage, ob eine derartige Umgestaltung in ein anderes Wirtschaftsgut ("aliud") vorliegt oder nicht, erfordert einen wertenden Vergleich von angeschafftem und veräußertem Wirtschaftsgut unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls (z.B. Stand des Bauvorhabens, Blümich/Glenk, Einkommensteuergesetz, 15. Aufl., § 23 Rz. 31). Der Senat hat eine Umgestaltung in diesem Sinne verneint, wenn das im Zeitpunkt der Anschaffung im (fortgeschrittenen) Rohbau befindliche Einfamilienhaus anschließend fertiggestellt wird und die Herstellungsmaßnahmen lediglich dazu dienen, das Wirtschaftsgut zu vervollständigen (BFHE 156, 465, BStBl II 1989, 652).

4. Im Streitfall ist zwischen der Dachgeschoßwohnung als Gebäudeteil und dem Miteigentumsanteil am Grund und Boden zu unterscheiden.

a) Hinsichtlich der hat das FG zutreffend ein Spekulationsgeschäft verneint. Denn es fehlt insoweit an der Nämlichkeit zwischen angeschafftem und veräußertem Wirtschaftsgut, da infolge umgestaltender Herstellungsmaßnahmen ein neues, anderes Wirtschaftsgut geschaffen wurde. Zwar hat der Kläger --zivilrechtlich gesehen-- insgesamt Wohnungseigentum angeschafft und dieses wieder veräußert. Das angeschaffte Wirtschaftsgut Dachboden ist indes durch die vom Kläger durchgeführten Ausbaumaßnahmen wirtschaftlich gesehen zu einer Dachgeschoßwohnung vollständig umgestaltet worden. Im Unterschied zum Rohbau-Fall (in BFHE 156, 465, BStBl II 1989, 652) wurde im Streitfall das angeschaffte Wirtschaftsgut nicht nur vervollständigt. Denn der Dachboden, dessen Grundfläche nicht zur Wohnfläche einer Wohnung gehört (§ 42 Abs. 4 Nr. 1 der Zweiten Berechnungsverordnung), befand sich im Zeitpunkt der Anschaffung "in absolutem Rohzustand". Mit dem vollständigen Ausbau des Dachbodens wurde bisher nicht vorhandener Wohnraum neu geschaffen (vgl. auch § 17 Abs. 1 Satz 1, § 2 Abs. 1 des II. Wohnungsbaugesetzes sowie die entsprechende Rechtsprechung zu § 10e Abs. 2 EStG: BFH-Urteile vom 27. Januar 1993 IX R 97/88, BFH 170, 531, BStBl II 1993, 601; vom 29. Juni 1993 IX R 44/89, BFH/NV 1994, 460; vom 8. März 1995 X R 74/94, BFHE 177, 399, BStBl II 1996, 352). Damit wurde auch unter Berücksichtigung der Verkehrsanschauung ein neues, anderes Wirtschaftsgut hergestellt. So sieht auch die Finanzverwaltung (im Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen vom 10. Juli 1996, BStBl I 1996, 689, 690, Tz. 10) im Ausbau eines Dachbodens, an dem Wohnungseigentum begründet ist, zu einer Eigentumswohnung die Herstellung eines neuen Wirtschaftsguts i.S. des § 4 Abs. 1 des Fördergebietsgesetzes und § 7 Abs. 5 EStG. Die vom Kläger durchgeführten Herstellungsmaßnahmen führen daher (unter Zuhilfenahme des angeschafften Wirtschaftsguts; vgl. BFH in BFHE 120, 525, 529, BStBl II 1977, 384, 387) zu einer Wertschöpfung, die steuerlich durch § 23 EStG nicht erfaßt werden soll (vgl. oben unter 2.). b) Zu Unrecht hat das FG hinsichtlich des --steuerlich getrennt zu beurteilenden-- Miteigentumsanteils am Grund und Boden allerdings unberücksichtigt gelassen, daß dieser Anteil --nach unstreitigem Sachverhalt-- innerhalb der Spekulationsfrist angeschafft und unverändert veräußert worden ist. Auch bei Anschaffung und Veräußerung von Wohnungseigentum muß der Wertzuwachs des Anteils am Grund und Boden erfaßt werden. Insoweit (ohne Berücksichtigung des Ausbaus) sind die Voraussetzungen eines Spekulationsgeschäfts i.S. des § 23 EStG bei gegebener Teil-Identität (vgl. Urteil in BFHE 139, 251, BStBl II 1984, 26) erfüllt.

5. Entgegen der Ansicht der Kläger werden auf persönlichem Arbeitseinsatz beruhende Eigenleistungen bei der Ermittlung des Spekulationsgewinns nach § 23 Abs. 4 EStG nicht berücksichtigt (s. dazu im einzelnen Urteil des Senats vom 31. August 1994 X R 66/92, BFH/NV 1995, 391, 393, unter 3. a).

6. Die Sache ist nicht entscheidungsreif. Der Senat kann die Frage, ob und in welcher Höhe bei der Anschaffung und Veräußerung des Miteigentumsanteils am Grund und Boden ein Spekulationsgewinn entstanden ist, nicht selbst entscheiden. Das FG wird die den Miteigentumsanteil betreffenden Feststellungen zur Höhe der anteiligen Anschaffungskosten und des anteiligen Veräußerungserlöses, ggf. im Wege der Schätzung unter Berücksichtigung des vorliegenden Sachverständigen-Gutachtens, nachholen und den Spekulationsgewinn durch Gegenüberstellung dieser Werte ermitteln.

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