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Gericht: Bundesfinanzhof
Urteil verkündet am 29.04.2009
Aktenzeichen: X R 30/08
Rechtsgebiete: EStG, GG, LV RhPf, HochSchG RhPf


Vorschriften:

EStG § 10 Abs. 1 Nr. 9
GG Art. 7 Abs. 4
LV RhPf Art. 30 Abs. 1 S. 1
HochSchG RhPf § 115 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

I.

Die Sache befindet sich im dritten Rechtsgang. Streitig ist, ob Studiengebühren für den Besuch einer wissenschaftlichen Hochschule in privater Trägerschaft im Rahmen des § 10 Abs. 1 Nr. 9 des Einkommensteuergesetzes (EStG) als Sonderausgaben abziehbar sind.

Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) werden als Eheleute für das Streitjahr 1992 zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. In ihrer Einkommensteuererklärung machten sie u.a. 1 650 DM als Sonderausgaben i.S. des § 10 Abs. 1 Nr. 9 EStG ("Schulgeld") geltend; hierbei handelte es sich um 30% der Studiengebühren von 5 500 DM für ihren Sohn, der ab Oktober 1992 ein Studium an der wissenschaftlichen Hochschule für Unternehmensführung in Koblenz (im Folgenden WHU) begonnen hatte.

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) berücksichtigte diese Aufwendungen nicht; Einspruch und Klage hatten keinen Erfolg. Das Finanzgericht (FG) führte im Urteil vom 23. November 2001 18 K 9791/97 E (Entscheidungen der Finanzgerichte --EFG-- 2002, 398) aus, der Gesetzgeber knüpfe in § 10 Abs. 1 Nr. 9 EStG erkennbar an schulrechtliche Begriffe ("Ersatzschule", "Ergänzungsschule") an. Die von dem Sohn der Kläger besuchte private Hochschule sei indes schon begrifflich keine Ersatzschule; Hochschulen stünden außerhalb des von Art. 7 des Grundgesetzes (GG) geregelten Schulwesens. Dass nach Art. 30 Abs. 1 Satz 1 der Landesverfassung Rheinland-Pfalz (LV RhPf) mit staatlicher Genehmigung auch private Hochschulen als Ersatz für öffentliche Hochschulen errichtet und betrieben werden könnten, ändere an der grundgesetzlich verankerten Unterscheidung zwischen Schulwesen und Hochschulwesen nichts.

Der Bundesfinanzhof (BFH) hob mit Urteil vom 5. November 2002 IX R 32/02 (BFH/NV 2003, 599) die Entscheidung des FG auf. Die Qualifikation einer Schule als Ersatzschule i.S. des § 10 Abs. 1 Nr. 9 EStG sei den zuständigen Kultusbehörden der Länder vorbehalten, und zwar mit Bindungswirkung für die Finanzbehörden. Das FG hätte deshalb prüfen müssen, ob für die vom Sohn der Kläger besuchte private Hochschule "eine Genehmigung als Ersatzschule" vorliege; diese Prüfung sei nachzuholen.

Im zweiten Rechtsgang entschied das FG, dass die WHU nach Landesrecht nicht als Ersatzschule genehmigt worden sei, weil es sich bei ihr um eine Hochschule handele. Der BFH hob das klageabweisende FG-Urteil auf, weil die Voraussetzungen für eine Entscheidung ohne mündliche Verhandlung wegen eines nicht wirksamen Verzichts der Kläger nicht vorgelegen hätten (BFH-Beschluss vom 9. Januar 2006 XI B 176/04, BFH/NV 2006, 1105).

Auch im dritten Rechtsgang wies das FG die Klage ab. Der BFH habe ausdrücklich eine Genehmigung durch die Kultusbehörden als Ersatzschule gefordert. Eine solche Genehmigung als Ersatzschule sei der WHU im Streitfall nicht erteilt worden. Die WHU könne --so das Landesministerium-- nach Landesrecht schon nicht als Ersatzschule genehmigt werden, weil es sich bei ihr gerade nicht um eine Schule, sondern um eine Hochschule handele.

Mit der Revision machen die Kläger geltend:

Das FG berücksichtige nicht den Inhalt der Genehmigungsurkunde für die WHU vom 20. August 1984. Aus der Urkunde ergebe sich eindeutig, dass die WHU als Ersatzschule genehmigt worden sei. Art. 30 LV RhPf befasse sich nur mit Ersatzschulen. Auf die teilweise widersprüchlichen Formulierungen im Schreiben des Kultusministeriums vom 11. August 2003 komme es nicht an. Im Übrigen bestätige dieses Schreiben, dass die WHU als Ersatzhochschule und damit als Ersatzschule i.S. von Art. 30 LV RhPf genehmigt worden sei. Die Genehmigung nach Art. 30 LV RhPf sei zwingend eine Genehmigung als Ersatzschule. Die WHU sei eine nach Landesrecht erlaubte Ersatzschule. Art. 30 LV RhPf unterscheide gerade nicht zwischen Schulen und Hochschulen, sondern schließe Hochschulen ausdrücklich bei den "Schulen" ein.

Die Kläger beantragen,

das FG-Urteil aufzuheben und unter Änderung des Änderungsbescheides vom 5. Mai 2004 Sonderausgaben gemäß § 10 Abs. 1 Nr. 9 EStG in Höhe von 1 650 DM (844 EUR) abzuziehen.

Den zunächst gestellten Antrag, auch die Beiträge zur Rentenversicherung in Höhe von ... als vorweggenommene Werbungskosten bei den sonstigen Einkünften abzuziehen, haben die Kläger mit Schriftsatz vom 6. Februar 2009 zurückgenommen.

Das FA beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

II.

Die Revision ist gemäß § 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) als unbegründet zurückzuweisen. Das angefochtene Urteil ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Entgegen der Auffassung der Kläger ist die von dem Sohn der Kläger besuchte Hochschule keine Schule i.S. des § 10 Abs. 1 Nr. 9 EStG.

1.

Abgezogen werden können nach § 10 Abs. 1 Nr. 9 EStG 30% des Entgelts, das der Steuerpflichtige für ein Kind, für das er einen Kinderfreibetrag oder Kindergeld erhält, für den Besuch einer gemäß Art. 7 Abs. 4 GG staatlich genehmigten oder nach Landesrecht erlaubten Ersatzschule sowie einer nach Landesrecht anerkannten allgemeinbildenden Ergänzungsschule entrichtet mit Ausnahme des Entgelts für Beherbergung, Betreuung und Verpflegung.

Mit den in § 10 Abs. 1 Nr. 9 EStG genannten Schulen knüpft der Gesetzgeber erkennbar an (landes-)schulrechtliche Begriffe an, die durch Art. 7 Abs. 4 GG vorgeprägt und in den Gesetzen der Bundesländer, welche die staatliche Schulaufsicht über Schulen in freier Trägerschaft regeln, konkretisiert sind (Kulosa in Herrmann/Heuer/Raupach, § 10 EStG Rz 277-279; Söhn, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 10 Rz L 30 ff.). Ersatzschulen gemäß Art. 7 Abs. 4 GG sind nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts Schulen, die nach dem mit ihrer Errichtung verfolgten Gesamtzweck als Ersatz für eine in dem jeweiligen Bundesland vorhandene oder grundsätzlich vorgesehene öffentliche Schule dienen sollen. Solche Ersatzschulen bedürfen nach Art. 7 Abs. 4 GG der staatlichen Genehmigung und unterstehen den Landesgesetzen. Die Genehmigung ist zu erteilen, wenn die privaten Schulen in ihren Lehrzielen und Einrichtungen sowie in der wissenschaftlichen Ausbildung ihrer Lehrkräfte nicht hinter öffentlichen Schulen zurückstehen und eine "Sonderung der Schüler nach den Besitzverhältnissen der Eltern nicht gefördert wird". Ergänzungsschulen sind inländische Schulen, die keine Ersatzschulen sind; sie bedürfen --im Gegensatz zu Ersatzschulen-- keiner Genehmigung und müssen lediglich die Aufnahme des Betriebs anzeigen; Schulgeld für den Besuch von Ergänzungsschulen ist nur begünstigt, wenn es sich um eine nach Landesrecht anerkannte allgemeinbildende Ergänzungsschule handelt (vgl. im Einzelnen BFH-Urteil vom 11. Juni 1997 X R 77/94, BFHE 183, 432, BStBl II 1997, 615).

Die landesrechtlichen Genehmigungs- und Anerkennungsentscheidungen sind bindende Grundlagenentscheidungen für den Abzug nach § 10 Abs. 1 Nr. 9 EStG (BFH-Urteile in BFHE 183, 432, BStBl II 1997, 615, unter II.2.c; vom 5. November 2002 IX R 32/02, BFH/NV 2003, 599; vom 14. Dezember 2004 XI R 32/03, BFHE 209, 40, BStBl II 2005, 518, unter II.1.).

2.

Bei Anwendung dieser Grundsätze liegen die Voraussetzungen für den Schulgeldabzug im Streitfall nicht vor. Die WHU ist weder Ersatz- noch Ergänzungsschule (so auch Söhn, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, a.a.O., § 10 Rz L 54).

a)

Soweit die Kläger der Auffassung sind, dass nach Art. 30 LV RhPf die privaten Hochschulen stets als Ersatzschulen zu behandeln seien, kann ihnen nicht gefolgt werden.

Aus Art. 30 LV RhPf folgt, dass neben Privatschulen auch Hochschulen in privater Trägerschaft betrieben werden können. Die LV RhPf lässt in Art. 30 Abs. 1 Satz 1 auch die private Trägerschaft von Hochschulen an der grundrechtlichen Freiheit teilhaben; insoweit geht Art. 30 Abs. 1 LV RhPf über das GG hinaus (Hennecke, in Grimm/Caesar, Verfassung für Rheinland-Pfalz, 2001, Art. 30 Rz 4). Daraus lässt sich aber entgegen der Auffassung der Kläger nicht der Schluss ziehen, dass jede Hochschule in privater Trägerschaft ("Ersatzhochschule") zwangsläufig auch den Status einer Ersatzschule besitzt. Art. 30 Abs. 1 LV RhPf besagt lediglich, dass auch Hochschulen mit staatlicher Genehmigung errichtet und betrieben werden können; Art 30 Abs. 1 LV RhPf besagt aber nicht, dass eine Hochschule in privater Trägerschaft in jedem Fall als (Ersatz-) Schule zu behandeln ist. Diese Rechtsfolge lässt sich entgegen der Auffassung der Kläger auch nicht daraus herleiten, dass Art. 30 Abs. 1 LV RhPf die Genehmigungsfähigkeit von "Privatschulen ... einschließlich der Hochschulen" normiert. Die Genehmigungsfähigkeit einer Hochschule bedeutet nicht, dass jede Hochschule zugleich auch Ersatzschule ist.

b)

Die WHU ist (nur) als wissenschaftliche Hochschule anerkannt und eingerichtet worden. Die staatliche Anerkennung der Hochschule vom 20. August 1984 stützt sich auf § 115 Abs. 1 des Hochschulgesetzes Rheinland-Pfalz (HochSchG RhPf) i.V.m. Art. 30 der LV RhPf. Nach § 115 Abs. 1 HochSchG RhPf können unter bestimmten Voraussetzungen Einrichtungen des Bildungswesens, die nicht wissenschaftliche Hochschulen des Landes sind, vom Kultusminister die staatliche Anerkennung als wissenschaftliche Hochschule in freier Trägerschaft erhalten. Die Regelung des § 115 HochSchG RhPf ist Teil des Zehnten Teils des HochSchG RhPf, der mit "Wissenschaftliche Hochschulen in freier Trägerschaft" überschrieben ist. Die Bezugnahme auf Art. 30 LV RhPf erklärt sich daraus, dass Art. 30 Abs. 1 LV RhPf die Voraussetzungen normiert, unter denen eine Genehmigung zu erteilen ist. Demzufolge hat --auf entsprechende Anfrage des FG-- das Ministerium für Wissenschaft, Weiterbildung, Forschung und Kultur mit Schreiben vom 11. August 2003 erklärt, dass eine landesrechtliche Genehmigung als Ersatzschule zu keinem Zeitpunkt erfolgt sei.

3.

Soweit die Kläger zunächst mit ihrer Revision auch geltend gemacht haben, dass die von ihnen gezahlten Rentenbeiträge in vollem Umfang als vorweggenommene Werbungskosten abzuziehen seien, haben sie diesen Antrag mit Schriftsatz vom 6. Februar 2009 zurückgenommen.

Ende der Entscheidung

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