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Gericht: Bundesfinanzhof
Urteil verkündet am 20.12.2006
Aktenzeichen: X R 38/05
Rechtsgebiete: EStG, BGB, AO 1977, ZPO, FGO


Vorschriften:

EStG § 3 Nr. 62
EStG § 10 Abs. 3 Nr. 2 Satz 2 Buchst. a
EStG § 10c Abs. 3 Nr. 1
EStG § 10c Abs. 3 Nr. 2
BGB § 130 Abs. 1 Satz 2
BGB § 130 Abs. 3
AO 1977 § 357 Abs. 1 Satz 1
AO 1977 § 357 Abs. 1 Satz 2
AO 1977 § 362 Abs. 1
ZPO § 418 Abs. 1
ZPO § 418 Abs. 3
FGO § 44 Abs. 1
1. Der Vorwegabzug für Vorsorgeaufwendungen ist auch für Veranlagungszeiträume nach Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses zu kürzen, wenn in wirtschaftlichem Zusammenhang mit der früheren Beschäftigung stehender Arbeitslohn nachträglich an den Steuerpflichtigen ausgezahlt wird und der Steuerpflichtige durch arbeitgeberfinanzierte Zukunftssicherungsleistungen oder Altersversorgungsansprüche begünstigt worden war.

2. Der Einspruchsführer kann eine bereits abgegebene, der Finanzbehörde aber noch nicht zugegangene Erklärung über die Rücknahme des Einspruchs durch Abgabe einer gegenläufigen Erklärung widerrufen, wenn der Widerruf der Behörde spätestens zeitgleich mit der Rücknahmeerklärung zugeht.

3. Der Finanzbehörde gehen die an ihre Postfachanschrift übersandten Schriftstücke zu, sobald sie von dem abholenden Bediensteten aus dem Postfach entnommen werden.


Gründe:

A.

Die Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) wurden im Streitjahr (2001) als Eheleute zur Einkommensteuer zusammenveranlagt. Der Kläger hatte bis zum Ablauf des dem Streitjahr vorangegangenen Veranlagungszeitraums als Angestellter eines ...-Unternehmens Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit bezogen und war mit Beendigung dieses Arbeitsverhältnisses zum 31. Dezember 2000 in den Ruhestand getreten. Im Streitjahr bezog der Kläger von seinem früheren Arbeitgeber aufgrund einer ihm zugesagten betrieblichen Altersversorgung laufende Pensionszahlungen von insgesamt 171 912 DM. Daneben erhielt er im April 2001 für das Jahr 2000 eine persönliche Gratifikation von 53 750 DM sowie eine Erfolgsbeteiligung von 168 900 DM ausgezahlt, für die der frühere Arbeitgeber jeweils keine Sozialversicherungsbeiträge einbehalten hatte.

Die in der Einkommensteuererklärung der Kläger angesetzten Versicherungsbeiträge von 22 481 DM berücksichtigte der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) nur teilweise als beschränkt abziehbare Sonderausgaben. Dabei kürzte er den Vorwegabzug (§ 10 Abs. 3 Nr. 2 Satz 2 des Einkommensteuergesetzes --EStG--; hier in der bis Ende 2004 geltenden Fassung --a.F.--) unter Hinweis auf die dem Kläger zugeflossenen Lohnzahlungen für Gratifikation und Erfolgsbeteiligung in voller Höhe. Während seines früheren Beschäftigungsverhältnisses als Angestellter hatten beim Kläger die Kürzungsvoraussetzungen des Buchst. a dieser Vorschrift vorgelegen.

Gegen den Einkommensteuerbescheid vom 4. Juni 2002 legte der Kläger mit Schreiben vom 16. Juni 2002 Einspruch ein, den er mit Schreiben vom 1. Juli 2002 damit begründete, dass der Vorwegabzug von 12 000 DM zu Unrecht nicht berücksichtigt worden sei. Beide Schreiben nennen zwar den Kläger, nicht aber die Klägerin im Briefkopf. Die Schreiben sind lediglich vom Kläger unterzeichnet und in der ersten Person Singular ("ich") abgefasst. Im Betreff enthalten sie die gemeinsame Steuernummer beider Kläger beim FA.

Das FA vertrat die Auffassung, der Einspruch habe keine Aussicht auf Erfolg, weil der Kläger zum Personenkreis des § 10c Abs. 3 Nr. 2 EStG gehöre "und somit die Vorsorgepauschale zu kürzen" sei. Es wandte sich an beide Kläger mit der Anfrage, ob der Einspruch aufrechterhalten bleibe. Der Kläger verfasste daraufhin ein wiederum in der ersten Person Singular gehaltenes und auf den 21. August 2002 datiertes Schreiben, in dem er erklärte, seinen Einspruch vom 16. Juni 2002 zurückzuziehen. Dieses Schreiben sandte er an die Postfach-Anschrift des FA ab.

Am 22. August 2002 rief der Kläger bei dem für seinen Steuerfall zuständigen Sachbearbeiter des FA an. Über den Inhalt dieses Telefongesprächs fertigte der Sachbearbeiter einen Aktenvermerk mit folgendem Inhalt: "Laut Anruf des Steuerpflichtigen wurde bereits Einspruchsrücknahme in Briefkasten geworfen. Steuerpflichtiger will aufgrund neuer Informationen den Einspruch aber nicht zurücknehmen. Diesbezüglich kommt neues Schreiben."

Mit Computerfax vom gleichen Tage teilte der Kläger dem FA mit, "heute" habe er dem FA ein Schreiben mit Datum vom 21. August 2002 zugeschickt, in dem er seinen Einspruch gegen den Bescheid zur Einkommensteuer 2001 zurückgezogen habe. Dieses Schreiben werde dem FA "morgen" zugehen. Den Inhalt dieses Schreibens widerrufe er und halte seinen Einspruch aufrecht. Das Fax trägt in der Kopfzeile den durch den Computer des Klägers erzeugten Datums- und Uhrzeitaufdruck "22.08.2002 14:23:12" und --in davon abweichendem Schrifttyp-- in der Fußzeile den durch das Faxgerät des FA angebrachten Datums- und Uhrzeitaufdruck "22-AUG-2002 14:28".

Das FA versah sowohl das auf dem Postweg übersandte Rücknahmeschreiben des Klägers vom 21. August 2002 als auch das die Rücknahme widerrufende Computerfax vom Folgetag jeweils mit seinem Eingangsstempel und mit dem Datum vom 22. August 2002. Dabei verfuhr das FA bei der Datierung des Eingangsstempels wie folgt: Die eingehende Post, die am Morgen aus dem bei der Post unterhaltenen Postfach des FA entnommen worden war, erhielt --ebenso wie die bei Dienstbeginn im Hausbriefkasten des FA befindliche Post und die bei Dienstbeginn im Telefax-Empfangsgerät des FA vorgefundenen Faxschreiben-- den Eingangsstempel mit dem Datum des Vortages. Erst nach der morgendlichen Leerung des Postfachs, des Hausbriefkastens und des Telefaxgeräts und nach Erfassung der bis zu diesem Zeitpunkt eingetroffenen Eingänge wurde der Eingangsstempel auf das gegenwärtige Datum umgestellt. Sodann wurde die weitere Post des jeweiligen Tages mit dem aktuellen Tagesdatum versehen.

Unter dem 5. Dezember 2002 erließ das FA eine an beide Kläger gerichtete Einspruchsentscheidung. Der Einspruch wurde als unzulässig verworfen, weil er durch das Schreiben des Klägers vom 21. August 2002 wirksam zurückgenommen worden sei.

Mit ihrer gemeinsam erhobenen Klage zum Finanzgericht (FG) machten die Kläger geltend, dass das Rücknahmeschreiben erst am Vormittag des 22. August 2002 in einen Straßenbriefkasten der Post eingeworfen worden sei. Es könne daher unmöglich schon vor der Übermittlung des Computerfax vom gleichen Tage beim FA eingegangen sein. In der Sache sei die Kürzung des Vorwegabzugs nicht berechtigt, weil der Kläger im Streitjahr 2001 weder Einkünfte, die eine Anwartschaft auf eine künftige Altersversorgung begründeten, bezogen noch eine Berufstätigkeit i.S. des § 10c Abs. 3 Nr. 2 EStG ausgeübt habe.

Das FG hat der Klage mit seinem in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2006, 125 abgedruckten Urteil stattgegeben und --ohne die Einspruchsentscheidung des FA ausdrücklich aufzuheben-- die Einkommensteuer für das Streitjahr antragsgemäß herabgesetzt.

Mit der Revision rügt das FA die Verletzung materiellen Rechts. Den Klägern habe der volle Nachweis oblegen, dass der formell ordnungsgemäße Eingangsstempel des FA hinsichtlich des Beweises für die Eingangszeit des Rücknahmeschreibens unrichtig gewesen sei. Diesen Nachweis hätten sie nicht erbracht. Die im Streitjahr bezogene Gratifikation und die Erfolgsbeteiligung rührten aus einem Arbeitsverhältnis her, in dessen Rahmen der Kläger beitragsfreie Pensionsanwartschaften erworben habe. Der insoweit im Streitjahr bezogene Arbeitslohn gehöre daher zu den Einnahmen i.S. des § 10 Abs. 3 Nr. 2 Satz 2 Buchst. a EStG a.F. Dass im Streitjahr selbst keine Anwartschaften zur Altersversorgung mehr erdient wurden, sei demgegenüber unbeachtlich.

Das FA beantragt, das Urteil der Vorinstanz aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Kläger beantragen, die Revision zurückzuweisen.

Sie machen geltend, der Bundesfinanzhof (BFH) sei an die tatsächlichen Feststellungen des FG zum Ablauf der Geschehnisse gebunden. Angesichts der vom FA eingeräumten Stempelpraxis für die sog. Morgenpost könnten auch Schriftstücke unter den auf den 22. August 2002 eingestellten Eingangsstempel fallen, die tatsächlich erst zwischen 0.00 Uhr und Dienstbeginn am Folgetag beim FA eingegangen seien. Insoweit habe das FG zu Recht erkannt, dass der Eingangsstempel sich als unrichtig erwiesen habe. Für die Nichtanwendbarkeit der zur Kürzung des Vorwegabzugs berechtigenden Vorschriften sprächen vor allem deren Wortlaut sowie das Prinzip der Abschnittsbesteuerung. Zum gleichen Ergebnis führe daneben aber auch die verfahrensökonomische und verfassungskonforme Auslegung der im Streit stehenden Rechtsnormen. Die fiskalisch motivierte Rechtsauffassung des FA bewirke eine intertemporale Kürzungsverhaftung der Einnahmen aus dem früheren Dienstverhältnis, die mit dem Wortlaut des Gesetzes und dessen Vereinfachungszweck nicht zu vereinbaren sei.

B.

Die Revision ist zum wesentlichen Teil begründet. Sie führt, soweit der Rechtsstreit des Klägers betroffen ist, zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Abweisung der Klage. Soweit die Revision das Verfahren der Klägerin betrifft, war neben dem Urteil auch die Einspruchsentscheidung des FA aufzuheben und die Klage im Übrigen als unzulässig abzuweisen (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).

I.

Die seitens der Klägerin erhobene Klage hat nur teilweise Erfolg, da die Klägerin zwar die Aufhebung der gegen sie ergangenen Einspruchsentscheidung, nicht jedoch die Änderung des streitigen Einkommensteuerbescheides beanspruchen kann. Da die Klägerin gegen die Festsetzung der Einkommensteuer keinen Einspruch eingelegt hat, ist der Steuerbescheid mit Ablauf der einmonatigen Einspruchsfrist bestandskräftig geworden. Die Klage ist daher, soweit sie auf die Änderung des Einkommensteuerbescheides gerichtet ist, mangels Durchführung eines Vorverfahrens gemäß § 44 Abs. 1 FGO als unzulässig abzuweisen. Die der rechtswidrigen Einspruchsentscheidung innewohnende Beschwer konnte die Klägerin durch Erhebung einer isolierten Anfechtungsklage beseitigen.

1. Nach § 357 Abs. 1 Satz 1 der Abgabenordnung (AO 1977) ist der Einspruch schriftlich einzureichen oder zur Niederschrift zu erklären; es genügt, wenn aus dem Schriftstück hervorgeht, wer den Einspruch eingelegt hat (Satz 2 der Vorschrift).

Nach ständiger Rechtsprechung des BFH muss sich aus der Rechtsbehelfsschrift hinreichend klar ergeben, wer die Verwaltungsentscheidung angreift. Bei Zusammenveranlagung muss feststehen, welcher Ehegatte sich beschwert fühlt und die Nachprüfung des Steuerbescheides begehrt. Dabei hat ein von dem einen Ehegatten eingelegter Rechtsbehelf nicht ohne weiteres die Wirkung eines auch von dem anderen Ehegatten eingelegten Rechtsbehelfs. Selbst wenn angenommen würde, dass der den Rechtsbehelf einlegende Ehegatte bereits aufgrund der gemeinsamen, von beiden Eheleuten unterschriebenen Einkommensteuererklärung von dem anderen Ehegatten wirksam zur Vornahme aller im Besteuerungsverfahren erforderlichen Rechtshandlungen bevollmächtigt worden wäre, so ist für die wirksame Rechtsbehelfseinlegung des einen Ehegatten auch für den anderen erforderlich, dass der das Rechtsmittel führende Ehegatte unmissverständlich zum Ausdruck bringt, er lege den Rechtsbehelf auch für den anderen Ehegatten ein (BFH-Urteile vom 27. November 1984 VIII R 73/82, BFHE 143, 32, BStBl II 1985, 296; vom 14. Januar 1997 VII R 66/96, BFHE 182, 262, Deutsches Steuerrecht/Entscheidungsdienst --DStRE-- 1997, 570; vom 30. Oktober 1997 III R 27/93, BFH/NV 1998, 942; vom 26. August 2004 IV R 68/02, BFH/NV 2005, 553; zustimmend das Schrifttum: Klein/Brockmeyer, AO, 9. Aufl., § 357 Rz 5; Pahlke/Koenig/Pahlke, Abgabenordnung § 357 Rz 18; Tipke in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 357 AO Rz 13; Dumke in Schwarz, AO, § 357 Rz 25a).

2. Aus dem Einspruchsschreiben wie auch aus der innerhalb der Einspruchsfrist eingereichten Begründung geht nicht hervor, dass der Einspruch auch für die Klägerin eingelegt werden sollte. Der in den Schreiben verwendete Briefkopf, die Ich-Form, die Unterschrift sowie die Namensangabe unter dem Schreiben sprechen vielmehr erkennbar für eine Einspruchseinlegung allein durch den Kläger.

3. Liegt danach ein Einspruch der Klägerin nicht vor, sind die Sachentscheidungsvoraussetzungen des § 44 Abs. 1 FGO nicht etwa schon deshalb erfüllt, weil das FA die Einspruchsentscheidung unzutreffend auch gegen die Klägerin gerichtet hat. Die Einspruchsentscheidung ist vielmehr rechtswidrig (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 8. April 1998 VIII R 14/95, BFH/NV 1999, 145). Weder kann der fehlerhaften Einspruchsentscheidung eine konkludente Zustimmung des FA zur Sprungklage entnommen werden, noch kann auf die Durchführung eines Vorverfahrens durch rügelose Einlassung des FA verzichtet werden (vgl. BFH-Urteil in BFH/NV 2005, 553).

4. Gleichwohl war die Klage der Klägerin nicht in vollem Umfang als unzulässig abzuweisen. Denn der im finanzgerichtlichen Verfahren gestellte Klageantrag, der auf die Änderung des Einkommensteuerbescheides in Gestalt der Einspruchsentscheidung gerichtet war, hatte bei sachgerechter Auslegung zugleich das Begehren der Klägerin auf (isolierte) Aufhebung der gegen sie gerichteten Einspruchsentscheidung zum Inhalt. Insoweit ist ihr Klageantrag begründet. Die Einspruchsentscheidung vom 5. Dezember 2002 durfte nicht gegen die Klägerin ergehen, weil diese keinen Einspruch eingelegt hatte.

Das dem Klagebegehren in vollem Umfang stattgebende Urteil des FG ist daher, soweit es gegenüber der Klägerin ergangen ist, aufzuheben. Die Sache ist insoweit spruchreif. Der Senat kann --was im angefochtenen Urteil zwar dem Sinn nach, nicht aber ausdrücklich geschehen ist-- klarstellend aussprechen, dass die gegen die Klägerin gerichtete Einspruchsentscheidung aufgehoben wird (vgl. BFH-Urteil in BFH/NV 2005, 553).

II.

Hinsichtlich des vom Kläger betriebenen Klageverfahrens ist das stattgebende Urteil des FG aufzuheben und die Klage als unbegründet abzuweisen. Der angefochtene Einkommensteuerbescheid in Gestalt der Einspruchsentscheidung verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten.

1. Der erkennende Senat tritt der Vorinstanz darin bei, dass die strittige Einkommensteuerfestsetzung nicht durch Rücknahme des Einspruchs bestandskräftig geworden ist.

Nach Ansicht des FG war die Rücknahmeerklärung des Klägers vom 21. August 2002 unbeachtlich, weil sie dem FA erst zu einem Zeitpunkt zugegangen war, als der Kläger die Rücknahme bereits wirksam widerrufen hatte. Die dieser Auffassung zugrunde liegende tatsächliche Würdigung des Geschehensablaufs sowie die daraus gezogenen rechtlichen Schlussfolgerungen lassen keine Rechtsfehler erkennen.

a) Nach § 362 Abs. 1 Satz 1 AO 1977 kann der Einspruch bis zur Bekanntgabe der Entscheidung über den Einspruch zurückgenommen werden. Die Rücknahme hat den Verlust des eingelegten Einspruchs zur Folge (§ 362 Abs. 3 Satz 1 AO 1977). Auf die Rücknahme des Einspruchs ist § 357 Abs. 1 und 2 AO 1977 sinngemäß anzuwenden (§ 362 Abs. 1 Satz 2 AO 1977). Aus diesem Verweis ergibt sich unter anderem auch, dass die Rücknahme schriftlich einzureichen oder zur Niederschrift zu erklären und dass sie bei der Behörde anzubringen ist, deren Verwaltungsakt angefochten worden ist. Daraus folgt, dass die Erklärung über die Rücknahme des Einspruchs nach § 362 AO 1977 erst wirksam wird, wenn sie der zuständigen Finanzbehörde zugeht.

b) Sowohl im Schrifttum als auch in der Rechtsprechung der Finanzgerichte wird die Auffassung vertreten, dass eine bereits abgegebene, der zuständigen Behörde aber noch nicht zugegangene Rücknahmeerklärung von dem Einspruchsführer durch Abgabe einer gegenläufigen Erklärung widerrufen werden kann. In einem solchen Falle soll der eingelegte Einspruch aufrechterhalten bleiben, wenn der Widerruf der Behörde vor oder spätestens zeitgleich mit der Erklärung über die Rücknahme zugeht (vgl. dazu neben der Vorinstanz auch FG München, Urteil vom 16. März 1999 12 K 616/94, EFG 1999, 654; Birkenfeld in Hübschmann/Hepp/ Spitaler --HHSp--, § 362 AO Rz 102; Dumke in Schwarz, a.a.O., § 362 Rz 7; ähnlich v.Wedel in Beermann/Gosch, AO § 362 Rz 12).

Der erkennende Senat schließt sich dieser Auffassung an.

aa) Zum einen gelten für die Auslegung, den Zugang und das Wirksamwerden der Einspruchsrücknahme die für empfangsbedürftige Willenserklärungen bestehenden Regelungen des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) entsprechend (BFH-Entscheidungen vom 8. Juni 2000 IV R 37/99, BFHE 193, 85, BStBl II 2001, 162, und vom 3. April 2002 IX B 151/01, BFH/NV 2002, 900; Birkenfeld in HHSp, § 362 AO Rz 15, m.w.N.). § 130 Abs. 1 Satz 2, Abs. 3 BGB bestimmt in diesem Zusammenhang ausdrücklich, dass eine Willenserklärung, die einer Behörde gegenüber abzugeben ist, nicht wirksam wird, wenn der Behörde vorher oder gleichzeitig ein Widerruf zugeht.

bb) Zum anderen wird die Rücknahme aufgrund der mit ihr verbundenen unmittelbaren Gestaltungswirkung auf das Einspruchsverfahren nach allgemeiner Ansicht jedenfalls dann nicht wirksam erklärt, wenn der Einspruchsführer in der Rücknahmeerklärung widersprüchliche Angaben zur Reichweite der Rücknahme gemacht oder die Rücknahme mit einer Bedingung verknüpft hat (vgl. Tipke in Tipke/Kruse, a.a.O., § 362 AO Rz 6; Klein/Brockmeyer, a.a.O., § 362 Rz 4). Der Sachverhalt stellt sich aus Sicht der Behörde nicht anders dar, wenn sich vergleichbare Einschränkungen zwar nicht aus dem Rücknahmeschreiben selbst, wohl aber aus einem weiteren Schriftstück des Einspruchsführers ergeben. Das gilt insbesondere dann, wenn dieses zweite Schreiben seinem Sinn nach die Rücknahme für hinfällig erklärt, die Absicht zur Fortsetzung des Einspruchsverfahrens erkennen lässt und der Finanzbehörde im Zeitpunkt des Zugangs der Rücknahme bereits vorliegt oder ihr jedenfalls zeitgleich mit der Rücknahme zugegangen ist.

cc) Ist danach der vorherige oder gleichzeitige Widerruf der Einspruchsrücknahme grundsätzlich möglich, so ist für die Wirksamkeit des Widerrufs ferner zu beachten, dass sowohl für die Rücknahme- als auch für die Widerrufserklärung die bürgerlich-rechtlichen Regelungen über den Zugang empfangsbedürftiger Willenserklärungen entsprechend gelten. Danach ist eine empfangsbedürftige Willenserklärung in dem Zeitpunkt zugegangen, in dem die zuständige Finanzbehörde zu den behördenüblichen Zeiten die Möglichkeit der Kenntnisnahme vom Inhalt des Schriftstücks erhalten konnte (vgl. BFH-Beschluss in BFH/NV 2002, 900). Das ist indessen noch nicht mit dem Einsortieren der Sendung in das Postschließfach der Behörde der Fall; an die Postfachanschrift des FA gerichtete Schreiben gehen vielmehr erst mit der Abholung der Sendung durch einen Amtsträger der Behörde zu (Birkenfeld in HHSp, § 362 AO Rz 23). Wird das Schriftstück der Behörde dagegen per Telefax übermittelt, ist regelmäßig bereits mit seiner vollständigen Übermittlung an das Empfangsgerät des FA von der Möglichkeit zur Kenntnisnahme auszugehen, sofern in der Behörde zu diesem Zeitpunkt noch Dienstbetrieb herrscht.

c) Unter Anwendung dieser Rechtsgrundsätze hat das FG das tatsächliche Geschehen des Streitfalls dahingehend gewürdigt, dass dem FA das den Widerruf enthaltende Computerfax vom 22. August 2002 zeitlich eher zugegangen ist als die Rücknahmeerklärung des Klägers vom 21. August 2002. An diese Feststellungen ist der erkennende Senat gebunden (§ 118 Abs. 2 FGO). Sie enthalten keinen Rechtsirrtum, verstoßen nicht gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze und beruhen auch nicht auf einem Verfahrensmangel.

aa) Dass die Widerrufserklärung dem FA noch am 22. August 2002 zugegangen war, wird bereits durch die auf eine Übertragung am frühen Nachmittag dieses Tages hindeutenden Sende- und Empfangsvermerke der beiden an dem Übermittlungsvorgang beteiligten Faxgeräte hinreichend plausibel belegt und vom FA im Übrigen auch nicht substantiiert in Abrede gestellt.

bb) Soweit das FG aus der Adressierung an die Postfachanschrift des FA und aus verschiedenen anderen sich aus der Darstellung des Klägers ergebenden Anhaltspunkten darauf geschlossen hat, dass das vom Kläger mit Datum vom 21. August 2002 erstellte Rücknahmeschreiben erst in den Morgenstunden des 23. August 2002 aus dem bei der Briefpost unterhaltenen Postfach des FA entnommen worden ist, ist die Beweiswürdigung schlüssig. Dass der angenommene Geschehensablauf denkgesetzlich ausgeschlossen sei, hat auch das FA nicht behauptet.

cc) Entgegen der Ansicht des FA ist es aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden, dass das FG dem Umstand, dass das FA die Rücknahmeerklärung (ebenfalls) mit seinem Eingangsstempel vom 22. August 2002 versehen hatte, nur den Beweiswert beigemessen hat, das Schriftstück sei der Finanzbehörde in dem Zeitraum zwischen der Umstellung des Stempeldatums vom 21. August 2002 auf den 22. August 2002 und der Umstellung des Stempeldatums vom 22. August 2002 auf den Folgetag zugegangen und könne daher auch erst in den Morgenstunden des 23. August 2002 aus dem Postfach des FA entnommen worden sein.

Nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung kommt dem Eingangsstempel der Finanzbehörden als öffentlicher Urkunde im Rahmen freier richterlicher Beweiswürdigung ein hoher Beweiswert zu. Im Regelfall erbringt er nach allgemeinen Erfahrungssätzen den vollen Beweis für die darin beurkundeten Tatsachen (BFH-Entscheidungen vom 19. Juli 1995 I R 87, 169/94, BFHE 178, 303, BStBl II 1996, 19; vom 17. Oktober 1972 VIII R 36-37/69, BFHE 108, 141, BStBl II 1973, 271; vom 12. März 1998 III B 9/97, BFH/NV 1998, 1232; vom 9. August 2004 VI B 79/02, BFH/NV 2004, 1548). Indessen kann die Beweiskraft nur so weit reichen, wie die zur Beurkundung befugte Person die Tatsachen selbst verwirklicht oder aufgrund eigener Wahrnehmung zutreffend festgestellt hat (vgl. § 418 Abs. 3 der Zivilprozessordnung --ZPO--; vgl. Beschluss des Bundesverfassungsgerichts --BVerfG-- vom 20. Februar 1992 2 BvR 884/91, Neue Juristische Wochenschrift Rechtsprechungs-Report Zivilrecht --NJW-RR-- 1992, 1084; Entscheidungen des BFH vom 8. Juni 2005 X B 54/04, BFH/NV 2005, 1620, sowie des Bundesgerichtshofs --BGH-- vom 6. Mai 2004 IX ZB 43/03, Neue Juristische Wochenschrift --NJW-- 2004, 2386, und vom 13. Oktober 1993 XII ZR 120/92, NJW-RR 1994, 564; Zöller/Geimer, ZPO, 26. Aufl., § 418 Rz 3).

Steht daher --wie im Streitfall-- fest, dass der mit der Kennzeichnung der eingehenden Postsendungen mit dem Eingangsstempel betraute Beamte des FA sämtliche bis zum Dienstbeginn dem Hausbriefkasten, dem Postfach und dem Telefaxgerät entnommenen Schriftstücke mit dem Datum des Vortages versehen und den Eingangsstempel erst nach Bearbeitung dieser Eingänge taggenau auf das Datum des jeweiligen Arbeitstages umgestellt hat, so erbringt der Eingangsstempel vom 22. August 2002 den genannten Beweis lediglich für die Tatsache, dass der den Stempel führende Bedienstete das Rücknahmeschreiben zu einem nicht näher spezifizierten Zeitpunkt innerhalb der Zeitspanne vom Dienstbeginn am 22. August 2002 bis zum Dienstbeginn am 23. August 2002 in der Eingangspost des FA vorgefunden hat. Dazu steht die vom FG vorgenommene Würdigung des tatsächlichen Geschehensablaufs nicht in Widerspruch.

2. Nicht beizutreten ist der Auffassung des FG, dem Kläger sei der Vorwegabzug ungekürzt zu belassen, weil sein früherer Arbeitgeber die persönliche Gratifikation sowie die Erfolgsbeteiligung im Streitjahr ohne Abführung von Sozialversicherungsbeiträgen ausgezahlt und der Kläger auch nicht zum Personenkreis des § 10c Abs. 3 Nr. 1 oder 2 EStG gehört habe.

Das FA hat den Vorwegabzug zu Recht gekürzt. Der Kläger hatte auf der Grundlage des früher bestehenden Beschäftigungsverhältnisses einen persönlichen Versorgungsstatus erreicht, der nach Wortlaut, Systematik und Sinn der gesetzlichen Vorschriften in dem Umfang, in dem dem Kläger aufgrund dieses Beschäftigungsverhältnisses Arbeitslohn aus nichtselbständiger Tätigkeit --mit Ausnahme von Versorgungsbezügen-- zufließt, einen Vorwegabzug ausschließt. Dies gilt auch dann, wenn der Arbeitslohn nachträglich in einem späteren Veranlagungszeitraum ausgezahlt wird, in dessen Verlauf Ausgaben des Arbeitgebers für die Zukunftssicherung des Klägers i.S. des § 3 Nr. 62 EStG nicht mehr erbracht oder Ansprüche und Anwartschaften auf Altersversorgung i.S. des § 10c Abs. 3 Nr. 1 oder 2 EStG nicht mehr erworben werden.

a) Vorsorgeaufwendungen werden nach § 10 Abs. 3 EStG a.F. "je Kalenderjahr" mit bestimmten Höchstbeträgen, unter anderem mit einem Grundhöchstbetrag und mit einem Vorwegabzug von --bezogen auf den Streitfall-- 12 000 DM berücksichtigt. Der Vorwegabzug ist gemäß Nr. 2 Satz 2 dieser Vorschrift zu kürzen um 16 v.H. der Summe der Einnahmen

- aus nichtselbständiger Arbeit i.S. des § 19 EStG --ohne Versorgungsbezüge i.S. des § 19 Abs. 2 EStG--, "wenn für die Zukunftssicherung des Steuerpflichtigen Leistungen i.S. des § 3 Nr. 62 (EStG) erbracht werden oder der Steuerpflichtige zum Personenkreis des § 10c Abs. 3 Nr. 1 oder 2 (EStG) gehört" (Buchst. a), sowie

- "aus der Ausübung eines Mandats im Sinne des § 22 Nr. 4 (EStG)" (Buchst. b).

§ 10c Abs. 3 Nrn. 1 und 2 EStG umschreiben einen Personenkreis von Arbeitnehmern, "die während des ganzen oder eines Teils des Kalenderjahrs"

- "in der gesetzlichen Rentenversicherung versicherungsfrei oder auf Antrag des Arbeitgebers von der Versicherungspflicht befreit waren und denen für den Fall ihres Ausscheidens aus der Beschäftigung auf Grund des Beschäftigungsverhältnisses eine lebenslängliche Versorgung oder an deren Stelle eine Abfindung zusteht oder die in der gesetzlichen Rentenversicherung nachzuversichern sind" (Nr. 1 der Vorschrift) oder die

- "nicht der gesetzlichen Rentenversicherungspflicht unterliegen, eine Berufstätigkeit ausgeübt und im Zusammenhang damit auf Grund vertraglicher Vereinbarungen Anwartschaftsrechte auf eine Altersversorgung ganz oder teilweise ohne eigene Beitragsleistung erworben haben" (Nr. 2 der Vorschrift).

Zum Personenkreis des § 10c Abs. 3 EStG gehören mithin diejenigen Steuerpflichtigen, die für ihre Absicherung im Alter nicht in vollem Umfang selbst aufkommen müssen, weil jedenfalls auch ihr Arbeitgeber Vorsorge für ihre Altersversorgung trifft.

b) Der Vorwegabzug hat den Sinn, --nur-- jenen Steuerpflichtigen eine zusätzliche Steuerentlastung zu gewähren, die im Gegensatz zu Arbeitnehmern und Beamten ihre gesamte Altersvorsorge aus eigenem Einkommen finanzieren müssen (BVerfG-Urteil vom 6. März 2002 2 BvL 17/99, BVerfGE 105, 73, BStBl II 2002, 618, unter C.V.1.b der Gründe, unter Bezugnahme auf BTDrucks 3/2573, S. 17, 21; BTDrucks 8/292, S. 21; s. ferner BTDrucks 11/2157, S. 144; BFH-Entscheidungen vom 16. Oktober 2002 XI R 25/01, BFHE 200, 554, BStBl II 2004, 546, und vom 5. Juli 2005 XI B 101/04, BFH/NV 2005, 1854; Kulosa in Herrmann/Heuer/ Raupach, § 10 EStG Anm. 362). Bei Steuerpflichtigen, die nicht der gesetzlichen Rentenversicherungspflicht unterliegen, denen jedoch ohne eigene Beitragsleistung eine betriebliche Pensionsanwartschaft zugesagt wird, soll der Vorwegabzug gekürzt werden (vgl. BTDrucks 8/292, S. 21). Korrespondierend hiermit steht den Steuerpflichtigen, die ihre Altersversorgung in voller Höhe selbst finanzieren müssen, der Vorwegabzug ungekürzt zu (vgl. auch BTDrucks 11/2157, S. 144; Senatsurteil vom 26. September 2006 X R 3/05, Deutsches Steuerrecht --DStR-- 2007, 102, BFH/NV 2007, 323, zur Veröffentlichung bestimmt, m.w.N.). Daher wird der Vorwegabzug zunächst zwar allen Steuerpflichtigen in voller Höhe gewährt; anschließend wird er in einem zweiten Schritt jedoch bei dem Personenkreis gekürzt, der nach der Wertung des Gesetzgebers einer solchen Begünstigung ganz oder teilweise nicht bedarf (BFH-Urteil vom 16. Oktober 2002 XI R 61/00, BFHE 200, 540, BStBl II 2003, 183, m.w.N.).

c) Der erkennende Senat hat mit Urteilen vom 17. Mai 2006 X R 19/05 (BFH/NV 2006, 2049) und vom 26. September 2006 X R 7/05 (BFH/NV 2007, 34) entschieden, dass der Vorwegabzug zu kürzen ist, wenn der Arbeitslohn aus einem aktiven Beschäftigungsverhältnis stammt, in dessen Rahmen der Steuerpflichtige durch Ausgaben des Arbeitgebers für seine Zukunftssicherung i.S. des § 3 Nr. 62 EStG oder durch den Erwerb von Altersversorgungsansprüchen i.S. des § 10c Abs. 3 Nr. 1 oder 2 EStG begünstigt worden ist. Dies gilt auch dann, wenn der Arbeitslohn nachträglich in einem späteren Veranlagungszeitraum ausgezahlt wird, in dessen Verlauf derartige Ausgaben nicht mehr erbracht oder derartige Ansprüche und Anwartschaften nicht mehr erworben werden (in diesem Sinne bereits BFH-Urteile vom 4. März 1998 X R 109/95, BFH/NV 1998, 1466, und vom 3. Dezember 2003 XI R 11/03, BFHE 204, 461, BStBl II 2004, 709).

Es entspricht der Absicht des Gesetzgebers, aus dem Umstand, dass überhaupt Zukunftssicherungsleistungen i.S. des § 3 Nr. 62 EStG erbracht oder Anwartschaftsrechte auf eine Altersversorgung ohne eigene Beitragsleistung erworben werden, im Wege einer generalisierenden Regelung darauf zu schließen, dass ein weiterer Vorwegabzug nicht geboten ist (vgl. BFH-Urteile vom 16. Oktober 2002 XI R 71/00, BFHE 200, 544, BStBl II 2003, 343, und in BFHE 200, 540, BStBl II 2003, 183). Dieser pauschalierende Gedanke greift auch in Fällen, in denen zeitlich nach Beendigung des mit der Gewährung vorwegabzugsschädlicher Vorteile verbundenen Beschäftigungsverhältnisses Arbeitslohn ausgezahlt wird, der --wie im Streitfall die Gratifikation und die Erfolgsbeteiligung-- mit der früheren aktiven Tätigkeit in engem wirtschaftlichen Zusammenhang steht. Für diese Auslegung spricht zudem, dass sie die bisherige höchstrichterliche Rechtsprechung zu § 10 Abs. 3 Nr. 2 Satz 2 Buchst. a EStG a.F. sachgerecht fortentwickelt. Wegen der weiteren Begründung wird auf die Urteile in BFH/NV 2006, 2049 und in BFH/NV 2007, 34 Bezug genommen.

d) An dieser Auffassung hält der Senat fest.

aa) Die Auffassung des Senats wird durch den Wortlaut des § 10 Abs. 3 EStG a.F. und des § 10c EStG gestützt, die durch eine Verweisung zu einem Regelungsverbund verklammert sind.

Zwar könnte die Formulierung des § 10 Abs. 3 Nr. 2 Satz 2 Buchst. a EStG a.F. in der Zeitform der Gegenwart ("wenn ... Leistungen ... erbracht werden") im Kontext mit dem einleitenden Hinweis auf das Kalenderjahr die vom Kläger beanspruchte, dem Jahressteuerprinzip (§ 2 Abs. 7 EStG) folgende Auslegung nahelegen, dass vorwegabzugsschädlich nur solche Leistungen des Arbeitgebers zur Altersvorsorge sind, die in demjenigen Veranlagungszeitraum erbracht werden, für den der Abzug der Vorsorgeaufwendungen begehrt wird. Ein solches Verständnis ist indes nicht zwingend. Denn die Bezugnahme auf das Kalenderjahr kann sich in der Regelung eines Zeitrahmens für den Höchstbetrag erschöpfen. Dann aber ist der im Präsens gehaltene Wortlaut des § 10 Abs. 3 Nr. 2 Satz 2 Buchst. a Halbsatz 2 EStG a.F. dahin zu verstehen, dass die fraglichen Leistungen und Ansprüche vom Arbeitgeber im Rahmen des konkreten Beschäftigungsverhältnisses erbracht bzw. eingeräumt werden müssen und aufgrund dieser Verpflichtung auch tatsächlich --zu irgendeinem Zeitpunkt-- erbracht oder eingeräumt werden (in diesem Sinne auch BFH-Urteil vom 21. Januar 2004 XI R 38/02, BFHE 205, 419, BStBl II 2004, 650, unter II.2.d der Gründe).

Diese Deutung wird bestätigt durch die Tatbestandselemente des Gesetzeswortlauts, die den Versorgungsstatus des Steuerpflichtigen, auf den nach dem bereits dargelegten Sinn der hier streitigen Vorschriften die Kürzung des Vorwegabzugs abhebt, beschreiben. So nimmt § 10 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 Buchst. a EStG a.F. Bezug auf den durch § 10c Abs. 3 Nr. 1 und 2 EStG definierten "Personenkreis". Dieser wird durch den Einleitungssatz des § 10c Abs. 3 EStG zunächst dadurch gekennzeichnet, dass für ihn "während des ganzen oder eines Teils des Kalenderjahrs" keine Sozialversicherungsbeiträge gezahlt werden. Eine weitere Eingrenzung normiert das Gesetz mittels zusätzlicher ("und") Bezugnahme auf Merkmale, mit denen ein personenbezogener Sicherungsstatus beschrieben wird. In diesem Zusammenhang sind rechtserheblich

- der Anspruch auf eine lebenslängliche Versorgung "auf Grund des Beschäftigungsverhältnisses" im Falle des Ausscheidens aus diesem,

- der Anspruch auf eine die genannte lebenslängliche Versorgung ersetzende Abfindung,

- der Anspruch auf Nachversicherung in der gesetzlichen Rentenversicherung oder

- die im Zusammenhang mit einer ausgeübten Berufstätigkeit vertraglich erworbenen Anwartschaftsrechte auf eine Altersversorgung.

Alle diese Merkmale beschreiben unterschiedliche Versorgungssituationen, denen indes gemeinsam ist, dass sie ihren Rechtsgrund in einer in der Vergangenheit --vor dem jeweiligen Veranlagungszeitraum-- ausgeübten Berufstätigkeit ("auf Grund des Beschäftigungsverhältnisses") haben, und die sich in künftigen bzw. gegenwärtigen Ansprüchen oder Anwartschaftsrechten konkretisieren und dadurch den Versorgungsstatus der Steuerpflichtigen nachhaltig verbessern. Es reicht hiernach aus, dass den Steuerpflichtigen ein Versorgungsanspruch oder eine Anwartschaft auf Altersversorgung "zusteht" oder dass sie einen derartigen Status --§ 10c Abs. 3 Nr. 2 EStG verwendet die Vergangenheitsform des Perfekt-- "erworben haben". Insbesondere letztere Formulierung verweist auf eine in die Gegenwart hineinwirkende Verwirklichung zeitlich vor dem Veranlagungszeitraum, für den der Abzug von Vorsorgeaufwendungen als Sonderausgaben begehrt wird. Hieraus folgt --bezogen auf den Streitfall-- im Umkehrschluss, dass eine aufgrund eines Beschäftigungsverhältnisses oder einer Berufstätigkeit verbesserte Versorgungssituation nicht deswegen ihre wirtschaftliche und rechtliche Bedeutung verliert, weil das Beschäftigungsverhältnis, aufgrund dessen Zukunftssicherungsleistungen nach § 3 Nr. 62 EStG erbracht worden sind, geendet hat und solche Leistungen aktuell nicht mehr zu zahlen sind.

bb) Dieser Auslegung nach dem Wortlaut entspricht es, dass § 10 Abs. 3 Nr. 2 Satz 2 Buchst. b EStG a.F., der in sachlichem Zusammenhang mit dem vorangegangenen Buchst. a und mit § 10c EStG steht, lediglich auf den Zufluss von Einnahmen "aus der Ausübung eines Mandats" abstellt, ohne dass vorausgesetzt würde, dass das Mandat im Zeitpunkt des Zuflusses noch besteht. Es liegt auf der Hand, dass etwa die in § 22 Nr. 4 EStG erwähnten Versorgungsabfindungen, Nachversicherungsbeiträge, Übergangs- und Überbrückungsgelder dem Steuerpflichtigen erst nach Beendigung des Mandats zufließen. Ihre wirtschaftliche Bedeutung für den Versorgungsstatus des ausgeschiedenen Abgeordneten hängt nicht davon ab, in welchen Veranlagungszeitraum der Zufluss fällt.

cc) Die anhand des Wortlauts und der gesetzlichen Systematik gewonnene Rechtsauffassung des Senats entspricht dem dargelegten Zweck der Vorschriften zum Vorwegabzug (vorstehend zu 2.b) und findet ihre Bestätigung durch die historische Gesetzesentwicklung.

aaa) Die Umschreibung des von der Kürzung betroffenen Personenkreises sowie den Umfang der Kürzung hat der Gesetzgeber in der Vergangenheit wiederholt geändert. So wurde bei Arbeitnehmern der Vorwegabzug nach § 10 Abs. 3 Nr. 2 Satz 2 Buchst. a EStG in der bis zum Veranlagungszeitraum 1989 geltenden Fassung zunächst um den vom Arbeitgeber tatsächlich geleisteten gesetzlichen Beitrag zur gesetzlichen Rentenversicherung sowie um vergleichbare Zuschüsse gekürzt; bei Steuerpflichtigen, die einem Personenkreis angehörten, der im Wesentlichen demjenigen des heutigen § 10c Abs. 3 Nr. 1 oder 2 EStG vergleichbar war, verminderte sich der Vorwegabzug um einen bestimmten Vomhundertsatz der Einnahmen aus der Beschäftigung oder Tätigkeit.

bbb) Zum Zwecke der Vereinfachung für den Steuerpflichtigen und für die Finanzverwaltung hat der Gesetzgeber diese Kürzung im Zuge des Steuerreformgesetzes (StRG) 1990 vom 25. Juli 1988 (BGBl I 1988, 1093, BStBl I 1988, 224) in ein pauschaliertes Verfahren umgewandelt, in dem sich der Kürzungsbetrag wegen Entlastung bei der Alters- und Krankenversorgung von einer einheitlichen Bemessungsgrundlage mit unterschiedlichen Vomhundertsätzen errechnete. Maßgeblich war seither nicht mehr die Entlastung im konkreten Einzelfall. Die Höhe des Vomhundertsatzes hing vom jeweiligen Altersversorgungs- und Krankenversicherungssystem ab (vgl. BTDrucks 11/2157, S. 144 f.). Bemessungsgrundlage für alle Kürzungstatbestände war nach § 10 Abs. 3 Nr. 2 Satz 2 Halbsatz 2 EStG i.d.F. des StRG 1990 der Arbeitslohn aus der Beschäftigung, "mit der die Alters- oder Krankenversorgung zusammenhängt".

ccc) Da der Gesetzgeber feststellen musste, dass durch die Neuregelung der erhoffte Vereinfachungszweck unter Berücksichtigung der Belange der Automation der Finanzverwaltung nicht eingetreten war, wurde die Kürzungsregelung durch das Missbrauchsbekämpfungs- und Steuerbereinigungsgesetz (StMBG) vom 21. Dezember 1993 (BGBl I 1993, 2310, BStBl I 1994, 50) erneut geändert und damit in die hier auslegungsbedürftige Fassung überführt. Ziel der Änderung war es, die Kürzung des Sonderausgaben-Vorwegabzugs durch eine pauschalierende und typisierende Regelung grundlegend zu vereinfachen und den Kürzungssatz einheitlich auf 16 v.H. festzulegen (BTDrucks 12/5630, S. 57 f.; BTDrucks 12/5764, S. 18 f.).

Dabei gingen zunächst sowohl der Gesetzentwurf der damaligen Koalitionsfraktionen (BTDrucks 12/5630, S. 8) als auch der Gesetzentwurf der Bundesregierung (BTDrucks 12/5764, S. 7) von folgendem Wortlaut des § 10 Abs. 3 Nr. 2 Satz 2 EStG aus:

"Diese Beträge sind um 16 vom Hundert der Summe der Einnahmen aus nichtselbständiger Arbeit nach § 19 (EStG), ausgenommen solcher nach § 19 Abs. 2 Satz 2 (EStG), und aus Mandatsausübung nach § 22 Nr. 4 (EStG) zu kürzen".

Nach der im Entwurf gebrauchten Formulierung hätte sich die Kürzungsregelung also auf sämtliche nicht als Versorgungsbezüge einzustufenden Arbeitslohnzahlungen und damit offenkundig auch auf die hier streitige Fallgestaltung der nachträglichen Zahlung erstreckt.

Die in der endgültigen Gesetzesfassung des StMBG eingefügte Einschränkung:

"wenn für die Zukunftssicherung des Steuerpflichtigen Leistungen im Sinne des § 3 Nr. 62 (EStG) erbracht werden oder der Steuerpflichtige zum Personenkreis des § 10c Abs. 3 Nr. 1 oder 2 (EStG) gehört",

beruhte auf einer Beschlussempfehlung des Finanzausschusses. Mit ihr war die Absicht verfolgt worden, Steuerpflichtige von der Kürzung des Vorwegabzugs auszunehmen, "denen Anwartschaftsrechte auf Altersversorgung ohne eigene Beitragsleistung nicht zustehen" (BTDrucks 12/6078, S. 121). Der Beschlussempfehlung lässt sich jedoch nichts dafür entnehmen, dass mit ihr insgesamt zu der vor 1990 geltenden Regelung zurückgekehrt und die Kürzung von der Entlastungswirkung der im gleichen Kalenderjahr erbrachten Arbeitgeberleistungen im konkreten Einzelfall abhängig gemacht werden sollte.

ddd) Es gibt mithin keine Anhaltspunkte dafür, dass der Gesetzgeber durch die Neufassung des § 10 Abs. 3 Nr. 2 Satz 2 EStG ab dem Veranlagungszeitraum 1993 von der bis einschließlich 1992 bestehenden Anknüpfung der Kürzung an das Beschäftigungsverhältnis abrücken wollte. Wie der Gesetzesbegründung zu entnehmen ist (BTDrucks 12/5764, S. 18 f.), bezweckte die Gesetzesänderung durch das StMBG vielmehr nur eine aus technischen Gründen der Datenerfassung notwendig gewordene Vereinfachung der Kürzung des Vorwegabzugs in der Weise, dass nunmehr vor allem ein einheitlicher prozentualer Kürzungssatz eingeführt und auf eine zeitanteilige Berechnung verzichtet werden sollte.

dd) Für die Auslegung des Senats spricht schließlich auch, dass es anderenfalls in den von der Streitfrage betroffenen Fällen allein vom Zeitpunkt der Zahlung und damit unter Umständen von bloßen Zufälligkeiten abhinge, ob sich die Einnahme auf die Höhe des Vorwegabzugs auswirkt oder nicht. Erfolgte die Auszahlung noch im gleichen Kalenderjahr, in dem der Steuerpflichtige letztmals laufenden Arbeitslohn bezogen hat, würde die Bemessungsgrundlage für die Kürzung dadurch in voller Höhe verbreitert, während es beim ungeminderten Vorwegabzug zu bleiben hätte, wenn die (Nach-)Zahlung erst im folgenden Veranlagungszeitraum zufließt. Eine solche Unterscheidung wäre im Hinblick darauf, dass bereits die Zahlung als solche --unabhängig vom Zeitpunkt ihrer Vornahme-- in Zusammenhang mit einem Beschäftigungsverhältnis steht, dessentwegen der Steuerpflichtige aufgrund erbrachter Arbeitgeberleistungen zur Zukunftssicherung oder aufgrund vom Arbeitgeber erworbener Anwartschaften auf Altersversorgung gegenüber Selbständigen bereits begünstigt ist, nicht sachgerecht.

e) Entgegen der Auffassung des FG steht diese Auslegung nicht im Widerspruch zu dem in den Entscheidungen des BFH in BFHE 204, 461, BStBl II 2004, 709 und vom 26. Februar 2004 XI R 54/03 (BFHE 205, 442, BStBl II 2004, 720) herangezogenen Gleichbehandlungsgebot des Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes.

Zutreffend ist zwar, dass die systematische Unterscheidung der Einkunftsarten in § 2 Abs. 1 EStG nach der Rechtsprechung des BVerfG, der sich der BFH angeschlossen hat, eine Ungleichbehandlung in den (steuerlichen) Rechtsfolgen nicht rechtfertigen kann (BVerfG-Beschluss vom 30. September 1998 2 BvR 1818/91, BVerfGE 99, 88, Finanz-Rundschau 1998, 1028, unter B.I.2. der Gründe). Unrichtig ist indessen die These des FG, der Steuerpflichtige werde durch die genannte Auslegung allein deshalb schlechter gestellt, weil seine nicht sozialversicherungspflichtigen Einnahmen der Einkunftsart der nichtselbständigen Arbeit zugeordnet seien. Dass der Steuerpflichtige aufgrund der empfangenen (Nach-)Zahlung eine Kürzung des Vorwegabzugs hinnehmen muss, die er vermieden hätte, wenn er statt der (Nach-) Zahlung eine einer anderen Einkunftsart zuzurechnende Einnahme hätte verbuchen können, hat seinen Grund nicht in der Zuordnung zu der Einkunftsart der "nichtselbständigen Arbeit" an sich. Die Unterscheidung beruht vielmehr auf dem Umstand, dass der Steuerpflichtige wegen der nur bei dieser Einkunftsart (und in ähnlicher Form bei den ebenfalls von der Kürzungsregelung betroffenen Abgeordnetenbezügen i.S. des § 22 Nr. 4 EStG) zu erbringenden Arbeitgeberleistungen eines ungekürzten Vorwegabzugs nicht bedarf. Diese Überlegung gilt auch dann, wenn diese Arbeitgeberleistungen oder die vergleichbaren Ansprüche auf Altersversorgung nur im Rahmen eines aktiven Beschäftigungsverhältnisses in der Vergangenheit erbracht oder eingeräumt worden sind und die spätere (Nach-)Zahlung in wirtschaftlicher Hinsicht gerade im Rahmen dieses aktiven Beschäftigungsverhältnisses erdient worden ist.

f) Nach den zwischen den Beteiligten unstreitigen Feststellungen des FG haben die Kürzungsvoraussetzungen des § 10 Abs. 3 Nr. 2 Satz 2 Buchst. a EStG a.F. in der Person des Klägers während seiner aktiven Tätigkeit für den ehemaligen Arbeitgeber vorgelegen. Unter dieser Voraussetzung war der Vorwegabzug nach Maßgabe der genannten Rechtsgrundsätze --wie im angefochtenen Bescheid geschehen-- um 16 v.H. der im Streitjahr aufgrund dieser Tätigkeit empfangenen Gratifikations- und Tantiemenzahlungen zu kürzen. Mithin war die Klage, soweit sie der Kläger erhoben hat, als unbegründet abzuweisen.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1, § 136 Abs. 1 Satz 3 FGO. Der Klägerin waren die Kosten auch insoweit aufzuerlegen, als sie im Verfahren obsiegt hat. Zwar ist die gegen sie ergangene Einspruchsentscheidung als rechtswidrig aufzuheben. Der Streitwert des Begehrens auf isolierte Aufhebung einer Entscheidung, die einen (tatsächlich gar nicht eingelegten) Einspruch als unzulässig verwirft, ist jedoch im Verhältnis zu demjenigen der weitergehenden Klage auf Abänderung des Steuerbescheides und Herabsetzung der Einkommensteuer nur geringfügig.

Ende der Entscheidung

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