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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesfinanzhof
Beschluss verkündet am 27.05.2009
Aktenzeichen: X R 45/08
Rechtsgebiete: AO


Vorschriften:

AO § 122 Abs. 7 S. 2
AO § 126 Abs. 1 Nr. 2
AO § 126 Abs. 2
AO § 152 Abs. 1 S. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

Die Entscheidung ergeht gemäß § 126a der Finanzgerichtsordnung (FGO). Der Senat hält einstimmig die Revision für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich. Die Beteiligten sind davon unterrichtet worden und hatten Gelegenheit zur Stellungnahme.

1.

Das Finanzgericht (FG) ist zutreffend davon ausgegangen, dass die tatbestandlichen Voraussetzungen für die Festsetzung von Verspätungszuschlägen sowohl zur Einkommensteuer 2002 als auch zur Einkommensteuer 2003 gegenüber beiden Klägern und Revisionsklägern (Kläger) vorgelegen haben und der Prozessbevollmächtigte der Kläger, dessen Verschulden diesen nach § 152 Abs. 1 Satz 3 der Abgabenordnung (AO) zuzurechnen ist, die Abgabefristen in nicht entschuldbarer Weise überschritten hat.

2.

a)

Die Entscheidung des Beklagten und Revisionsbeklagten (Finanzamt --FA--), gegenüber beiden Klägern für beide Streitjahre einen Verspätungszuschlag festzusetzen, lässt keine Ermessensfehler erkennen. Die Ermessenskriterien des § 152 Abs.1 und Abs. 2 AO wurden von der Behörde angemessen berücksichtigt und sachgerecht gegeneinander abgewogen. Die in diesem Zusammenhang angestellte Erwägung, den Zinsvorteil aufgrund der verspätet festgesetzten Einkommensteuer in die Bemessung des Verspätungszuschlags nicht einzubeziehen, weil der daraus resultierende wirtschaftliche Vorteil mit der Verzinsung der Steuernachzahlung abgeschöpft sei, ist ermessensgerecht. Zutreffend hat das FA bei der Festsetzung der Verspätungszuschläge auch das Abgabeverhalten der Kläger in den Vor- und Folgejahren berücksichtigt.

b)

Das FA hat die Ermessensentscheidung auch nicht verspätet begründet. Nach § 126 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 AO kann die erforderliche Begründung eines Verwaltungsakts bis zum Abschluss der Tatsacheninstanz eines finanzgerichtlichen Verfahrens nachgeholt werden. Im Streitfall hat das FA lange vor Abschluss des Einspruchsverfahrens, nämlich ca. 1 1/2 Monate nach Festsetzung der Verspätungszuschläge den Klägern die angestellten Ermessenserwägungen dargelegt und Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben.

c)

Zu Recht hat das FA die Verspätungszuschläge auch gegen die Klägerin gerichtet, da auch sie --sie wurde gemäß § 26b des Einkommensteuergesetzes zusammen mit ihrem Ehemann zur Einkommensteuer veranlagt-- ihre Steuererklärungspflichten verletzt hat. Auf den Umstand, ob sie in den Streitjahren eigene Einkünfte erzielt hat, kommt es nicht an.

d)

Die Ausgestaltung des § 152 Abs. 1 Satz 1 AO als "Kann"-Vorschrift ist nach Auffassung des Senats verfassungsgemäß (so auch Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 19. Februar 1987 1 BvR 1323/86, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung 1988, 34).

3.

Die festgesetzten Verspätungszuschläge zur Einkommensteuer 2002 und zur Einkommensteuer 2003 wurden den Klägern gegenüber ordnungsgemäß bekannt gegeben.

a)

Soweit sich die Festsetzung gegen den Kläger richtet, folgt dies schon daraus, dass der Kläger dem Prozessbevollmächtigten am 22. Mai 2002 ausdrücklich eine Bekanntgabevollmacht erteilt hatte.

b)

Es kann dahinstehen, ob die Bescheide vom 29. August 2005 und 11. Oktober 2005 der Klägerin gegenüber wirksam bekannt gegeben worden sind. Etwaige Mängel in der Bekanntgabe dieser Bescheide sind jedenfalls durch die fehlerfreie Bekanntgabe der Einspruchsentscheidung vom 17. September 2007, die dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin als ihrem seinerzeitigen Verfahrensbevollmächtigten durch Boten übermittelt wurde, geheilt worden (ständige Rechtsprechung; vgl. z.B. Beschluss des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 26. Juni 2008 IV R 89/05, BFH/NV 2008, 1984). Dass sich der Tenor der Einspruchsentscheidung in der Zurückweisung des Einspruchs als unbegründet erschöpft, ist unerheblich (ständige Rechtsprechung; vgl. z.B. Senatsbeschluss vom 30. Oktober 2001 X B 63/01, BFH/NV 2002, 504, unter 1.b). Der spätere Prozessbevollmächtigte hat --wie im Schriftsatz vom 29. April 2009 eingeräumt wurde-- auch im Namen der Klägerin Einsprüche gegen die Bescheide über die Festsetzung von Verspätungszuschlägen vom 29. August 2005 bzw. 11. Oktober 2005 eingelegt. Zu keinem Zeitpunkt wurde im Einspruchsverfahren dessen fehlende Bevollmächtigung geltend gemacht. Damit hat die Klägerin schlüssig zu erkennen gegeben, sie billige jedenfalls die Bekanntgabe der auf die Einsprüche folgenden Einspruchsentscheidung an den Prozessbevollmächtigten als ihrem derzeitigen Verfahrensbevollmächtigten.

c)

Aus § 122 Abs. 7 Satz 2 AO folgt nichts Gegenteiliges. Die Norm gilt nur für den Fall der Übersendung des Bescheids bzw. der Einspruchsentscheidung unmittelbar an den Steuerpflichtigen selbst, nämlich an beide Eheleute unter ihrer unmittelbaren Adresse (BFH-Urteil vom 9. August 1991 III R 169/90, BFH/NV 1992, 433, unter 1.a zur inhaltsgleichen Vorgängervorschrift des § 155 Abs. 5 AO i.d.F. bis zum Inkrafttreten des Gesetzes zur Bereinigung von steuerlichen Vorschriften vom 22. Dezember 1999, BGBl. I 1999, 2601, BStBl I 2000, 13). Nur in diesen Fällen besteht ein Bedürfnis dafür, auf Antrag oder bei Bekanntwerden ernstlicher Meinungsverschiedenheiten zwischen den Eheleuten zwei Ausfertigungen des zusammengefassten Steuerverwaltungsakts den Ehegatten einzeln bekannt zu geben, weil andernfalls nicht auszuschließen wäre, dass ein Ehegatte die einzige Ausfertigung des Bescheids oder der Einspruchsentscheidung entgegennimmt und der andere von deren Inhalt keinerlei Kenntnis erlangt. Ein gemeinsamer Bevollmächtigter der Ehegatten ist hingegen bereits kraft des ihm erteilten Auftrags zur Rechenschaft gegenüber beiden Auftraggebern und zur Weiterleitung des Steuerverwaltungsakts bzw. der Einspruchsentscheidung verpflichtet (§ 666 des Bürgerlichen Gesetzbuchs).

4.

Umstände, aufgrund derer die mit der Besteuerung der Kläger befassten Mitarbeiter des FA gemäß § 82 Abs. 1 Satz 1 AO im Verwaltungsverfahren nicht hätten tätig werden dürfen bzw. die nach § 83 Abs. 1 Satz 1 AO geeignet gewesen wären, Misstrauen gegen deren Unparteilichkeit zu rechtfertigen, liegen nach den den Senat nach § 118 Abs. 2 FGO bindenden Feststellungen des FG nicht vor. Das Schreiben des Amtsleiters des FA vom 27. August 2004 bezog sich offenkundig nicht auf das Besteuerungsverfahren der Kläger.

Ende der Entscheidung

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