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Gericht: Bundesfinanzhof
Beschluss verkündet am 24.10.2006
Aktenzeichen: XI B 112/05
Rechtsgebiete: AO 1977, FGO


Vorschriften:

AO 1977 § 90 Abs. 2
AO 1977 § 90 Abs. 2 Satz 1
AO 1977 § 159 Abs. 1
AO 1977 § 159 Abs. 1 Satz 1
AO 1977 § 169 Abs. 2 Satz 2
FGO § 115 Abs. 2 Nr. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

Die Nichtzulassungsbeschwerde hat keinen Erfolg.

Die grundsätzliche Bedeutung einer Rechtssache (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--) setzt nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) eine aus rechtssystematischen Gründen bedeutsame Rechtsfrage voraus, deren Beantwortung in dem angestrebten Revisionsverfahren aus Gründen der Rechtssicherheit, der Rechtseinheitlichkeit und/oder Rechtsentwicklung im allgemeinen Interesse liegt; es muss sich um eine Frage handeln, die klärungsbedürftig und im Streitfall auch klärungsfähig ist (vgl. etwa BFH-Beschluss vom 27. Oktober 2003 VII B 196/03, BFH/NV 2004, 232, m.w.N.). Fehlt es hieran, so kann eine Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung nicht zugelassen werden. Das gilt unabhängig davon, ob die erstinstanzliche Entscheidung inhaltlich richtig oder unzutreffend ist.

Zur Darlegung der genannten Zulassungsvoraussetzungen ist erforderlich, dass der Beschwerdeführer innerhalb der Begründungsfrist eine konkrete Rechtsfrage formuliert und substantiiert auf ihre Klärungsbedürftigkeit --insbesondere vor dem Hintergrund bestehender Rechtsprechung und einschlägiger Literatur--, ihre über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung sowie darauf eingeht, weshalb von der Beantwortung der Rechtsfrage die Entscheidung über die Rechtssache abhängt (BFH-Beschlüsse in BFH/NV 2004, 232, m.w.N.; vom 24. Oktober 2003 IX B 83/03, BFH/NV 2004, 353, m.w.N.; Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 6. Aufl., § 116 Rz 32, m.w.N. aus der Rechtsprechung des BFH).

a) Die vom Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) aufgeworfene Rechtsfrage, ob die erhöhten Mitwirkungspflichten des § 90 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO 1977) auch dann zur Anwendung kommen könnten, wenn es sich zwar um einen Vorgang handele, bei dem beteiligtes (bezogenes) Kreditinstitut eine ausländische Bank gewesen sei, für die Streitentscheidung jedoch nicht die ausländische Herkunft des Geldes, sondern dessen Verbleib und Zurechnung im Inland erheblich sei, ist nicht klärungsbedürftig und deshalb nicht von grundsätzlicher Bedeutung i.S. von § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO.

Es ist in der Rechtsprechung des BFH bereits geklärt (z.B. Urteil vom 28. Mai 1986 I R 265/83, BFHE 147, 105, BStBl II 1986 732), dass den Steuerpflichtigen nur insoweit, als er sich auf einen Sachverhalt beruft, der sich auf Vorgänge außerhalb des Geltungsbereichs der AO 1977 bezieht, die Verpflichtung aus § 90 Abs. 2 Satz 1 AO 1977 trifft, den behaupteten Sachverhalt aufzuklären und die erforderlichen Beweismittel zu beschaffen. Soweit es um den Verbleib und die Zurechnung von Sachen im Inland geht, ist § 90 Abs. 2 Satz 1 AO 1977 nicht einschlägig. Dementsprechend hat das Finanzgericht (FG) sein Urteil auch auf § 159 Abs. 1 AO 1977 gestützt. § 159 Abs. 1 Satz 1 AO 1977 ist unabhängig vom Vorhandensein eines Auslandsbezugs anwendbar und regelt für jeden im Inland Steuerpflichtigen, dass er, wenn er behauptet, Sachen, die er besitzt, nur als Treuhänder oder Vertreter eines anderen zu besitzen, auf Verlangen nachzuweisen hat, wem die Sachen gehören, andernfalls ihm diese regelmäßig zuzurechnen sind.

b) In Bezug auf die außerdem aufgeworfene Frage, ob es ermessensfehlerhaft sei, dem Steuerpflichtigen nach § 159 Abs. 1 Satz 1 AO 1977 Zahlungsmittel und in entsprechender Höhe Einkünfte zuzurechnen, wenn der Steuerpflichtige zwar die behauptete Aushändigung der Zahlungsmittel an eine bestimmte, im Inland ansässige Person nicht belegen könne, jedoch jene Person mit ladungsfähiger Anschrift benenne und der Finanzbehörde zumutbare Ermittlungsmaßnahmen zum Nachweis des Zahlungsempfangs durch diese Person zu Gebote stünden, aber nicht ergriffen würden, hat der Kläger schon nicht die grundsätzliche Bedeutung i.S. von § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO dargelegt. Denn in der Beschwerdebegründung fehlen Ausführungen, inwiefern diese Frage in Rechtsprechung und/oder Schrifttum umstritten ist und deshalb eine höchstrichterliche Klärung über die materiell-rechtliche Beurteilung des Streitfalls hinaus für die Allgemeinheit Bedeutung hat.

c) Die Revision ist entgegen der Auffassung des Klägers auch nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung der Frage zuzulassen, ob es mit den Mitwirkungspflichten des § 90 Abs. 2 AO 1977 und den Nachweispflichten des § 159 Abs. 1 AO 1977 vereinbar sei, einem lediglich als Bote handelnden Steuerpflichtigen die Einsichtnahme in der anwaltlichen Verschwiegenheitsverpflichtung unterliegende Unterlagen seines früheren Dienstherrn abzuverlangen, wenn für den Steuerpflichtigen keine rechtliche Möglichkeit bestehe, eine solche Maßnahme durchzusetzen und die Vollständigkeit freiwillig vorgelegter Unterlagen zu prüfen. Diese Frage ist mangels Entscheidungserheblichkeit im Streitfall nicht in einem nachfolgenden Revisionsverfahren klärungsfähig. Denn der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt --FA--) hat dem Kläger keine konkreten weiteren Aktivitäten "abverlangt".

Im Übrigen ist für die Beurteilung, ob ein Verstoß gegen die Mitwirkungspflichten des § 90 Abs. 2 AO 1977 vorliegt, nur entscheidend, ob der Steuerpflichtige alle zumutbaren Anstrengungen unternommen hat, um den von ihm behaupteten Auslandssachverhalt nachzuweisen. Für die Beurteilung, ob der Steuerpflichtige die Nachweispflichten des § 159 Abs. 1 AO 1977 erfüllt hat, kommt es allein darauf an, dass er nachweist, dass die Rechte oder Sachen der von ihm benannten Person gehören. Hier hatte der Kläger daher seine Behauptung nachzuweisen, dass er die drei Barschecks der B-Bank Luxemburg in Höhe von zusammen 58 700 DM nur als Bote bzw. Vertreter eingelöst und die Gelder anschließend jeweils an Rechtsanwalt R bzw. eine Angestellte von Rechtsanwalt R ausgehändigt habe. Im Streitfall ist das FG bei seiner Würdigung zu dem Ergebnis gelangt, dass dem Kläger dieser Nachweis nicht gelungen sei. Die Frage, ob das FG bei der gegebenen Sachlage zu dieser Feststellung kommen durfte, geht in ihrer Bedeutung offensichtlich nicht über den Streitfall hinaus und rechtfertigt damit nicht die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung; es handelt sich nicht um eine aus rechtssystematischen Gründen bedeutsame und für die einheitliche Rechtsanwendung wichtige Frage, deren Beantwortung das Interesse der Allgemeinheit an der Fortentwicklung und Handhabung des Rechts berührt.

d) Die vom Kläger aufgeworfene weitere Rechtsfrage, ob sich das Beweismaß für die im Rahmen der erweiterten Festsetzungsverjährung gemäß § 169 Abs. 2 Satz 2 AO 1977 festzustellende Steuerhinterziehung mindere, wenn die Aufklärung des Sachverhalts gescheitert und eine Zurechnung lediglich gemäß § 90 Abs. 2 AO 1977 oder gemäß § 159 Abs. 1 AO 1977 erfolgt sei, ist in einem nachfolgenden Revisionsverfahren ebenfalls nicht klärungsfähig.

Diese Frage wäre im Streitfall nur dann klärungsfähig, wenn das FG Zweifel am Vorliegen der objektiven und subjektiven Tatbestandsmerkmale einer Steuerhinterziehung gehabt und seine Zweifel durch Wahrscheinlichkeitserwägungen, d.h. ein reduziertes Beweismaß überwunden hätte; nur dann wäre die Rechtsfrage, der der Kläger u.a. unter Hinweis auf das beim BFH anhängige Revisionsverfahren VIII R 81/04 grundsätzliche Bedeutung beilegt, Gegenstand des finanzgerichtlichen Urteils gewesen bzw. hätte dies sein können. Zweifel des FG am Vorliegen der objektiven und subjektiven Tatbestandsmerkmale einer Steuerhinterziehung ergeben sich aus den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils aber --entgegen der Beschwerdebegründung-- nicht. Vielmehr hat das FG das Vorliegen der Tatbestandsmerkmale einer Steuerhinterziehung positiv festgestellt, und zwar auch hinsichtlich der Höhe der hinterzogenen Steuern, die sich hier aus der Höhe der durch Scheckeinlösung erlangten und den Einkünften des Klägers aus selbständiger Arbeit als Einnahmen hinzugerechneten Geldbeträge von zusammen 58 700 DM ergab. Zugleich hat das FG ausdrücklich hervorgehoben, dass die Feststellungen zum Vorliegen einer Steuerhinterziehung mit demjenigen Grad von Gewissheit zu erfolgen haben, der im finanzgerichtlichen Prozess auch für die Feststellung anderer Tatsachen, für die die Finanzbehörde die Feststellungslast trägt, erforderlich ist (vgl. dazu z.B. BFH-Urteile vom 27. August 1991 VIII R 84/89, BFHE 165, 330, BStBl II 1992, 9; vom 12. März 1992 IV R 29/91, BFHE 168, 405, BStBl II 1993, 36; vom 8. September 1994 IV R 6/93, BFH/NV 1995, 573, alle m.w.N.; BFH-Beschluss vom 29. Januar 2002 VIII B 91/01, BFH/NV 2002, 749).

Fehlte es im Streitfall bei Zugrundelegung desjenigen Grades von Gewissheit, der im finanzgerichtlichen Prozess für die Feststellung von Tatsachen gilt, für die das FA die Feststellungslast trägt, an Zweifeln des FG in tatsächlicher Hinsicht, ist --entgegen der Beschwerdebegründung-- auch der Grundsatz in dubio pro reo nicht berührt (vgl. BFH-Urteil vom 14. August 1991 X R 86/88, BFHE 165, 458, BStBl II 1992, 128).

Wenn der Kläger vorträgt, das FG hätte nach Lage des Falls erhebliche Zweifel am Vorliegen der subjektiven Tatseite haben müssen, macht der Kläger materielle Mängel des Urteils geltend. Ob die Schlussfolgerung des FG, dass der Kläger vorsätzlich gehandelt habe, bei Zugrundelegung des im finanzgerichtlichen Prozess erforderlichen Grades von Gewissheit rechtlich möglich ist, ist eine Frage des materiellen Rechts. Die bloße Rüge der Verletzung materiellen Rechts vermag die Zulassung der Revision nach ständiger Rechtsprechung jedoch nicht zu rechtfertigen (z.B. BFH-Beschluss vom 11. Dezember 2002 IX B 124/02, BFH/NV 2003, 495, m.w.N.).

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