Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesfinanzhof
Urteil verkündet am 05.05.2004
Aktenzeichen: XI R 25/03 (1)
Rechtsgebiete: EStG, FGO, GewStG


Vorschriften:

EStG § 16
EStG § 34
EStG § 15 Abs. 2
FGO § 126 Abs. 2
GewStG § 2 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

I. Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) erwarb im Jahr 1984 11 Eigentumswohnungen der Wohnanlage E und im Jahr 1987 15 Eigentumswohnungen der Wohnanlage G in S.

In den Jahren 1991 und 1992 veräußerte er 3 Eigentumswohnungen der Wohnanlage E und in den Jahren 1991 bis 1993 5 Eigentumswohnungen der Wohnanlage G.

 WohnungenErwerbObjektzahlVeräußerungObjektzahl
Wohnanlage E1984111991/19923
Wohnanlage G1987151991 - 19935

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) nahm im Anschluss an eine Außenprüfung einen gewerblichen Grundstückshandel an und änderte die Gewerbesteuermessbescheide entsprechend. Die Klage vor dem Finanzgericht (FG) hatte teilweise Erfolg. Die Veräußerung der Wohnungen der Wohnanlage E sei nicht gewerblich. Das Insiderwissen des Klägers sei ein Indiz von geringerem Gewicht. Der Kläger habe die erste Wohnung der Wohnanlage E erst 6 1/2 Jahre nach Erwerb des Objekts veräußert. Dieser Zeitraum sei auch bei Vorliegen eines "Insiderwissens" zu lang, um daraus noch auf eine bedingte Veräußerungsabsicht im Zeitpunkt des Erwerbs des Objektes zu schließen. Hingegen seien die Veräußerungen der Wohnungen der Wohnanlage G im Rahmen eines gewerblichen Grundstückshandels erfolgt. Die geringfügige Überschreitung der Fünf-Jahres-Frist sei unerheblich; der Kläger habe bereits bei Veräußerung des ersten Objekts der Wohnanlage G die Absicht gehabt, weitere Objekte zu veräußern, um die Finanzierung der Sanierung von in den neuen Bundesländern gelegenen Objekten sicherzustellen. Die 100%-ige Fremdfinanzierung sei Indiz für eine bedingte Veräußerungsabsicht; bei dieser Art der Finanzierung bestehe immer die Gefahr eines Liquiditätsengpasses. Es sei auch unerheblich, dass der Kläger seit Veräußerung der 5 Wohnungen der Wohnanlage G keine weiteren Objekte veräußert habe. Eine ermäßigte Besteuerung nach §§ 16, 34 des Einkommensteuergesetzes (EStG) komme nicht in Betracht; es handele sich um laufende Geschäftsvorfälle.

Mit der Revision macht der Kläger geltend, dass die Voraussetzungen eines gewerblichen Grundstückshandels nicht vorlägen, und führt im Einzelnen aus:

1. Entscheidend im Vordergrund gestanden habe die Sanierung der Häuser in H, die er nach der Wiedervereinigung durch notariellen Vertrag vom 10. Juni 1991 von seiner Mutter geschenkt erhalten habe. Er habe die "Früchte" der Vermietung der Gewerbe- und Wohneinheiten in H erhalten, sichern und verbessern wollen. Beim Erwerb der Wohnungen in S hätten Renditeerwartungen in Bezug auf das Grundstück in H nicht vorliegen können, da mit dessen Erwerb nicht zu rechnen gewesen sei.

2. Aus der Anzahl der veräußerten Objekte und der voll umfänglichen Fremdfinanzierung könne nicht auf eine bereits bei Erwerb vorliegende bedingte Veräußerungsabsicht geschlossen werden. Alle vorgetragenen Umstände sprächen gegen eine solche Verkaufsabsicht. Er, der Kläger, habe zwischenzeitlich keine weiteren Wohnungen veräußert. Der Finanzbedarf habe auch anderweitig, z.B. durch die Aufnahme von Krediten, gedeckt werden können, zumal für die Objekte nur ca. 20 % ihres tatsächlichen Werts gezahlt worden seien.

3. Eine besondere Branchennähe könne nicht angenommen werden; insbesondere die rechtliche Durchsicht einer einzigen Teilungserklärung nebst Gemeinschaftsordnung im Jahr 1981 könne dafür nicht herhalten. Er, der Kläger, betreibe weder ein Maklerbüro noch werbe er mit seinem Insiderwissen für den Kauf, den Verkauf oder den Bau von Immobilien. Das Merkmal des Erwerbs in bedingter Veräußerungsabsicht sei obsolet.

Der Kläger beantragt, das angefochtene Urteil sowie die Gewerbesteuermessbescheide in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom ... ersatzlos aufzuheben.

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen,

und trägt vor:

1. Das angefochtene Urteil lasse keine Rechtsfehler erkennen. Es berücksichtige insbesondere die Gründe des Urteils des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 9. Mai 2001 XI R 34/99 (BFH/NV 2001, 1545).

2. Auch unter Berücksichtigung der Ausführungen des BFH in der Entscheidung vom 20. Februar 2003 III R 10/01 (BFHE 201, 515, BStBl II 2003, 510) habe der Kläger seine bedingte Veräußerungsabsicht nicht entkräftet. Bereits in der Begründung der Klage wegen Einkommensteuer 1989 bis 1991 habe der Kläger ausgeführt, dass die Finanzierung große Schwierigkeiten bereitet und zum Verkauf einiger Wohnungen genötigt habe.

II. Die Revision des Klägers ist gemäß § 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) als unbegründet zurückzuweisen.

1. Gemäß § 2 Abs. 1 des Gewerbesteuergesetzes (GewStG), § 15 Abs. 2 EStG ist unter einem Gewerbebetrieb jede selbständige nachhaltige Tätigkeit zu verstehen, die mit Gewinnerzielungsabsicht unternommen wird und sich als Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr darstellt. Es darf sich dabei weder um die Ausübung von Land- und Forstwirtschaft noch um die Ausübung eines freien Berufs oder einer anderen selbständigen Tätigkeit handeln. Die Betätigung muss über den Rahmen einer privaten Vermögensverwaltung hinausgehen. Die Absicht, gewerbliche Gewinne zu erzielen, muss durch eine Tätigkeit verfolgt werden, die nach allgemeiner Auffassung als unternehmerisch gewertet wird. Bei der Abgrenzung zwischen Gewerbebetrieb einerseits und der nicht steuerbaren Sphäre sowie anderen Einkunftsarten andererseits ist das "Bild des Gewerbetreibenden" heranzuziehen und auf das Gesamtbild der Verhältnisse und auf die Verkehrsanschauung abzustellen (vgl. z.B. BFH-Urteil in BFH/NV 2001, 1545; BFH-Beschluss vom 10. Dezember 2001 GrS 1/98, BFHE 197, 240, BStBl II 2002, 291). Eine private Vermögensverwaltung ist zu bejahen, solange sich die zu beurteilende Tätigkeit noch als Nutzung von Grundbesitz durch Fruchtziehung aus zu erhaltender Substanz darstellt und die Ausnutzung substantieller Vermögenswerte nicht entscheidend in den Vordergrund tritt (BFH-Urteile vom 9. Dezember 1986 VIII R 317/82, BFHE 148, 480, BStBl II 1988, 244, und vom 11. April 1989 VIII R 266/84, BFHE 156, 476, BStBl II 1989, 621).

Im Interesse der Rechtssicherheit hat der BFH die sog. Drei-Objekt-Grenze entwickelt; danach ist der Bereich der privaten Vermögensverwaltung in der Regel erst verlassen, wenn der Steuerpflichtige mehr als drei "Objekte" veräußert und zwischen dem Kauf bzw. der Errichtung des Objekts und dem Verkauf ein enger zeitlicher Zusammenhang von in der Regel nicht mehr als fünf Jahre besteht (z.B. BFH-Beschluss in BFHE 197, 240, BStBl II 2002, 291).

Die Zahl der Objekte und der zeitliche Abstand der maßgebenden Tätigkeiten (Anschaffung, Bebauung und Verkauf der Grundstücke) hat für die Beurteilung, ob eine gewerbliche Betätigung gegeben ist oder nicht, eine indizielle Bedeutung. Allerdings besteht einerseits die Möglichkeit, dass trotz Überschreitens der Drei-Objekt-Grenze ein gewerblicher Grundstückshandel nicht anzunehmen ist, wenn eindeutige Anhaltspunkte gegen eine von Anfang an bestehende Veräußerungsabsicht sprechen. Andererseits können auch bei einer Veräußerung von weniger als vier Objekten besondere Umstände auf eine gewerbliche Betätigung schließen lassen. Daher darf die Drei-Objekt-Grenze nicht als Freigrenze oder Mindestgrenze verstanden werden.

Die für den gewerblichen Grundstückshandel entwickelte Drei-Objekt-Grenze mit der Haltefrist und der Verwertungsfrist von jeweils fünf Jahren ist lediglich ein sog. Beweisanzeichen, das durch andere objektive Sachverhaltsmerkmale überlagert und verdrängt werden kann. Der Fünfjahreszeitraum markiert keine starre zeitliche Begrenzung. Eine (geringfügige) Überschreitung kann (insbesondere bei Vorliegen anderer Anhaltspunkte) unbeachtlich sein; ebenso kann ein Überschreiten des Fünfjahreszeitraums durch außerhalb dieses Zeitraums liegende Veräußerungen kompensiert werden (BFH-Entscheidungen vom 10. Juli 2002 X B 141/01, BFH/NV 2002, 1453; vom 19. September 2002 X R 160/97, BFH/NV 2003, 890, und vom 16. Oktober 2002 X R 74/99, BFHE 200, 380, BStBl II 2003, 245); dabei ist es nicht erforderlich, dass die Zahl der Veräußerungen außerhalb des Fünfjahreszeitraums die Zahl der Veräußerungen innerhalb des Fünfjahreszeitraums übersteigt. Soweit in einzelnen Fällen die Zahl der Veräußerungen außerhalb des Fünfjahreszeitraums tatsächlich höher war (vgl. BFH-Urteile vom 11. Dezember 1991 III R 59/89, BFH/NV 1992, 464; vom 14. November 1995 VIII R 16/93, BFH/NV 1996, 466), kann hieraus nicht abgeleitet werden, dass diese Konstellation auch in allen anderen Fällen gegeben sein muss. Entscheidend ist allein, ob auf der Grundlage der Gesamtwürdigung aller Umstände des Einzelfalls auf eine Überschreitung der privaten Vermögensverwaltung geschlossen werden kann.

Der zeitliche Zusammenhang muss sowohl zwischen der Anschaffung/Errichtung und der Veräußerung des einzelnen Objekts als auch zwischen den Veräußerungen bestehen (BFH-Urteile vom 18. September 1991 XI R 23/90, BFHE 165, 521, BStBl II 1992, 135; in BFHE 200, 380, BStBl II 2003, 245); entscheidend ist auch insoweit die Gesamtwürdigung aller Umstände des Einzelfalls.

2. Die Vorentscheidung ist, soweit der Kläger geltend macht, durch sie in seinen Rechten verletzt zu sein, im Ergebnis nicht zu beanstanden. In Anwendung der dargestellten Rechtsprechungsgrundsätze ist davon auszugehen, dass der Kläger nicht mehr (nur) vermögensverwaltend tätig war.

Der Kläger hatte zwischen 1984 und 1987 insgesamt 26 Objekte erworben. In den Jahren 1991 und 1992 veräußerte er 3 im Jahr 1984 erworbene Eigentumswohnungen der Wohnanlage E und in den Jahren 1991 bis 1993 5 im Jahr 1987 erworbene Eigentumswohnungen der Wohnanlage G. Die Veräußerungen selbst wurden in einem Zeitraum von weniger als 3 Jahren vorgenommen.

Wie oben im Einzelnen dargelegt bildet der Fünfjahreszeitraum keine absolute Grenze; die mit der zunehmenden Zeitdauer zwischen An- und Verkauf sich verringernde Indizwirkung kann durch zusätzliche Anhaltspunkte, die für einen gewerblichen Grundstückshandel sprechen, ausgeglichen werden (vgl. BFH-Urteil vom 11. März 2003 IX R 77/99, BFH/NV 2003, 911). Diese sind im Streitfall gegeben.

Im Streitfall wird die Überschreitung des Fünfjahreszeitraums durch die höhere Zahl der Veräußerungen kompensiert; wer 5 Objekte innerhalb eines Zeitraums von weniger als 6 Jahren anschafft und wieder veräußert, hat im Regelfall den Bereich privater Vermögensverwaltung verlassen; diese (äußeren) Umstände, die infolge des Zusammenhangs von Anschaffungen und Veräußerungen innerhalb eines begrenzten Zeitraums die notwendige Intensität gewerblicher Betätigung zum Ausdruck bringen und daher dem Bild eines Grundstückshändlers entsprechen, erlauben den Schluss, dass nicht die Fruchtziehung, sondern die Ausnutzung substanzieller Vermögenswerte durch Umschichtung und Verwertung im Vordergrund steht.

Im Rahmen der Gesamtwürdigung ist weiter zu berücksichtigen, dass der Kläger in dem Zeitraum von 1984 bis 1987 26 Eigentumswohnungen erworben und diesen Erwerb in vollem Umfang fremdfinanziert hatte. Erfahrungsgemäß verbessert ein großer Bestand von Eigentumswohnungen die Möglichkeit, im Bedarfsfall einzelne Objekte bei sich bietender Gelegenheit kurzfristig zu veräußern. Der Kläger hat darauf hingewiesen, dass die Höhe der Fremdfinanzierung wegen des günstigen Kaufpreises nur ca. 20 v.H. des wirklichen Werts der Objekte betragen habe. Dem ist entgegen zu halten, dass die volle Fremdfinanzierung der Anschaffungskosten neben der Höhe des Mittelbedarfs auch indiziell zum Ausdruck bringt, dass keine eigenen Mittel eingesetzt werden sollten und dass die fremdfinanzierten Objekte daher eher zur Veräußerung bestimmt sein können. Die Anzahl der erworbenen und innerhalb eines bestimmten Zeitraums veräußerten Objekte und die voll umfängliche Fremdfinanzierung sind gewichtige Indizien für eine bereits bei Erwerb vorliegende bedingte Verkaufsabsicht (vgl. z.B. BFH-Urteil in BFH/NV 2003, 911). Hinzu kommt, dass die Eigentumswohnungen nach den Feststellungen des FG "nur" auf unbestimmte Dauer, also nicht langfristig vermietet waren. Mangels gegenteiliger Anhaltspunkte weist die Vereinbarung derartiger langfristiger Mietverträge darauf hin, dass die Tätigkeit eher auf Fruchtziehung gerichtet ist; lediglich auf unbestimmte Dauer abgeschlossene Mietverträge erlauben hingegen keinen entsprechenden Rückschluss (BFH-Urteil vom 23. April 1996 VIII R 27/94, BFH/NV 1997, 170).

Die Motive, die die Veräußerung veranlasst haben (hier der nach der Wiedervereinigung aufgetretene Finanzbedarf, um die in H erworbenen Objekte zu sanieren), sind nach ständiger Rechtsprechung für die Abgrenzung der privaten Vermögensverwaltung von dem gewerblichen Grundstückshandel ohne Bedeutung; denn sie sagen im Allgemeinen nichts darüber aus, ob der Steuerpflichtige nicht auch aus anderen Gründen zum Verkauf bereit gewesen wäre und insofern von Anfang an eine zumindest bedingte Veräußerungsabsicht bestanden hat (BFH-Urteil in BFHE 200, 380, BStBl II 2003, 245).

Die übrigen vom Kläger vorgebrachten Gründe, die gegen einen gewerblichen Grundstückshandel sprechen könnten, wie die Beendigung der Verkaufsaktion mit der Veräußerung vom 2. Januar 1993, sind nicht geeignet, die für die Gewerblichkeit sprechenden Anhaltspunkte zu entkräften. Der Umstand, dass der Kläger keine weiteren Wohnungen veräußert hat, zeigt, dass er sich in den Jahren nach 1993 nicht als Grundstückshändler betätigt hat; aus diesem Umstand kann aber nicht umgekehrt geschlossen werden, dass in der Zeit von 1987 bis 1993 kein gewerblicher Grundstückshandel bestand. Diese Wertung gilt auch für die Erwartung des Klägers, durch die Vermögensumschichtung künftig eine höhere Rendite seines Vermögens zu erzielen; höhere Renditeerwartungen sind (auch) für einen gewerblichen Grundstückshandel typisch.

Ende der Entscheidung

Zurück