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Gericht: Bundesfinanzhof
Beschluss verkündet am 04.05.2007
Aktenzeichen: XI S 4/07 (PKH)
Rechtsgebiete: AO 1977, FGO, ZPO


Vorschriften:

AO 1977 § 44 Abs. 2 Satz 3
FGO § 115 Abs. 2 Nr. 1
FGO § 116 Abs. 3 Satz 3
FGO § 142 Abs. 1
ZPO § 114
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

I. Die Antragsteller, Eheleute, gaben zunächst keine Einkommensteuererklärung für das Jahr 2002 ab. Daraufhin erließ der Antragsgegner, Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt --FA--) einen auf Schätzung beruhenden Einkommensteuerbescheid, in dem diese zusammenveranlagt wurden und der bestandskräftig wurde. Er verrechnete die Steuerschuld mit dem Erstattungsanspruch der Antragsteller aus der Einkommensteuerfestsetzung für 2003.

Die Antragsteller beantragten Erlass der Einkommensteuer einschließlich Nebenleistungen für 2002 aus sachlichen und persönlichen Gründen. Dies lehnte das FA in einem an den Prozessbevollmächtigten der Antragsteller gerichteten Schreiben vom 7. November 2005 ab, in dessen Betreff beide Antragsteller als Eheleute bezeichnet werden. Der hiergegen eingelegte Einspruch hatte keinen Erfolg.

Das Finanzgericht (FG) wies die Klage ab. Die Ablehnung des Erlassantrags sei ermessensfehlerfrei. Eine Korrektur bestandskräftiger Bescheide im Billigkeitswege komme nach höchstrichterlicher Rechtsprechung nur in Betracht, wenn diese offensichtlich und eindeutig falsch seien und dem Steuerpflichtigen die rechtzeitige Einlegung eines Rechtsbehelfs nicht möglich gewesen sei. Diese Voraussetzungen lägen im Streitfall nicht vor. Auch persönliche Billigkeitsgründe fehlten. Die Steuer sei durch Verrechnung getilgt worden; die Antragsteller benötigten das zur Verrechnung verwendete Steuerguthaben nicht zur Sicherung des notwendigen Lebensunterhalts. Sie selbst hätten eingeräumt, dass der von ihnen bezifferte Bedarf zum Teil nicht der Realität entspreche. Ferner sei ein Erlass aus persönlichen Gründen abzulehnen, weil sich die anderen Gläubiger nicht an dem Erlass beteiligt hätten und deren Forderungen stets umfänglich erfüllt worden seien. Soweit die Antragsteller behaupteten, die Bankverbindlichkeiten beträfen nur den Antragsteller, handele es sich um verspätetes neues tatsächliches und im Einzelnen nicht verifizierbares Vorbringen. Ihre Darstellung des verfügbaren Einkommens bestätige ihren diesbezüglichen Vortrag nicht. Die Ablehnung eines Erlasses sei auch nicht deswegen rechtsfehlerhaft, weil die Antragstellerin selbst über kein Einkommen verfüge. Zwar seien die Voraussetzungen für den Erlass bei jedem Gesamtschuldner gesondert zu prüfen; dies gelte allerdings nicht bei nicht getrennt lebenden Ehegatten.

Die Antragsteller haben Nichtzulassungsbeschwerde gegen das Urteil des FG eingelegt und Prozesskostenhilfe (PKH) für das Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren beantragt. Zur Begründung dieses Antrags lassen sie durch ihren Prozessbevollmächtigten vortragen, dass die Vorentscheidung unter einem Verfahrensmangel leide und die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung habe:

- Das FG habe unberücksichtigt gelassen, dass der Ablehnungsbescheid vom 7. November 2005 nur den Antragsteller betreffe, während im Klageverfahren stets auf die Gesamtschuldnerschaft der Eheleute hingewiesen worden sei.

- Bereits im Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung habe eine Aufstellung vorgelegen, aus der ersichtlich gewesen sei, dass die Bankverbindlichkeiten nur den Antragsteller allein beträfen. Dies und die Gesamtschuldnerschaft der Antragsteller seien im Urteil unberücksichtigt geblieben.

- Nach § 44 Abs. 2 Satz 3 der Abgabenordnung (AO) sei für jeden Gesamtschuldner gesondert zu prüfen, ob ein Erlass geboten sei.

- Die Rechtssache habe diesbezüglich auch grundsätzliche Bedeutung. Es sei fraglich, ob nicht zumindest die Verpflichtung seitens des FA vorgelegen habe, eine jeweils personenbezogene Prüfung von Billigkeitsgründen durchzuführen. Die Erlassbedürftigkeit sei ein höchstpersönliches Gut, das auch durch eine Zusammenveranlagung nicht verloren gehe.

- Sowohl FA als auch FG hätten den Sachverhalt nicht in der gebotenen Weise von Amts wegen aufgeklärt.

II. Der Antrag auf PKH ist abzulehnen.

Nach § 142 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) i.V.m. § 114 der Zivilprozessordnung (ZPO) erhält eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag PKH, wenn die Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Eine hinreichende Erfolgsaussicht der Nichtzulassungsbeschwerde ist gegeben, wenn bei summarischer Prüfung eine gewisse Wahrscheinlichkeit dafür besteht, dass die beabsichtigte Rechtsverfolgung zum Erfolg führen kann. Das ist der Fall, wenn das Gericht den Rechtsstandpunkt des jeweiligen Klägers nach dessen Sachdarstellung und den vorhandenen Unterlagen für zutreffend oder zumindest für vertretbar hält, in tatsächlicher Hinsicht von der Möglichkeit der Beweisführung überzeugt ist und deshalb bei summarischer Prüfung für den Erfolg der Nichtzulassungsbeschwerde eine gewisse Wahrscheinlichkeit spricht (ständige Rechtsprechung; vgl. z.B. Beschluss des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 17. Januar 2006 VIII S 6/05 (PKH), BFH/NV 2006, 801, m.w.N.).

Im Streitfall hat die eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde bei der gebotenen überschlägigen Prüfung keine Aussicht auf Erfolg. Dabei lässt der erkennende Senat offen, ob der Schriftsatz, mit dem der PKH-Antrag begründet wurde, den Darlegungsanforderungen des § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO entsprechen muss bzw. entspricht (vgl. hierzu BFH-Beschluss in BFH/NV 2006, 801, unter Nr. 2.).

Die Rechtssache hat offensichtlich keine grundsätzliche Bedeutung i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO. Insbesondere ist die Frage, ob bei einem Erlassantrag nicht getrennt lebender Eheleute die persönliche Erlassbedürftigkeit für jeden Ehegatten gesondert oder einheitlich zu beurteilen ist, bereits geklärt. Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung ist die Frage der Sicherung des notwendigen Lebensunterhalts nicht ohne Berücksichtigung der Grundsätze des Familienunterhaltsrechts zu beurteilen. Dies gilt jedenfalls bei der Zusammenveranlagung von Ehegatten (vgl. Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 21. Februar 1961 1 BvR 314/60, BVerfGE 12, 180, BStBl I 1961, 63, unter B.III.; BFH-Beschlüsse vom 31. März 1982 I B 97/81, BFHE 135, 410, BStBl II 1982, 530, m.w.N.; vom 3. Oktober 1988 IV S 5/86, BFH/NV 1989, 411; anschließend auch Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 23. August 1990 8 C 42.88, Neue Juristische Wochenschrift 1991, 1073).

Es ist auch kein Verfahrensfehler ersichtlich, auf dem das FG-Urteil beruhen könnte (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO). Soweit die Antragsteller vortragen, der den Erlassantrag ablehnende Bescheid des FA vom 7. November 2005 betreffe nur den Antragsteller allein, entspricht dies schon nicht den Tatsachen, sodass letztlich offenbleiben kann, ob sich hieraus eine Verletzung der Vorschriften des Gerichtsverfahrensrechts ergeben kann. Das genannte Schreiben erwähnt im Betreff ausdrücklich die "Eheleute".

Soweit die Antragsteller rügen, das FG habe die bereits zum Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung vorliegende Aufstellung und die sich daraus ergebende Tatsache unberücksichtigt gelassen, dass die Bankverbindlichkeiten nur den Antragsteller beträfen, ist nicht ersichtlich, inwieweit die Vorentscheidung auf einem derartigen Verfahrensfehler beruhen könnte, da es insoweit auf den materiell-rechtlichen Standpunkt des FG ankommt (ständige Rechtsprechung; vgl. z.B. Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 6. Aufl., § 115 Rz 79, m.w.N.).

Das FG ist davon ausgegangen, dass bei nicht getrennt lebenden Ehegatten die Erlassbedürftigkeit einheitlich zu prüfen ist. Es ist insoweit letztlich also nicht entscheidungserheblich, ob der Antragsteller allein Schuldner der Darlehensverbindlichkeiten ist.

Ende der Entscheidung

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